betrifft Schweine vom Fließband: Bleibt der Tierschutz auf der Strecke?
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Schweine vom Fließband: Bleibt der Tierschutz auf der Strecke?
Fleisch vom Fließband: So wie Autos oder Maschinen werden in Deutschland Schweine „just in time“ gezüchtet, geschlachtet und zu Fleisch- und Wurstwaren verarbeitet. Doch diese präzise, durchgetaktete Massenproduktion ist durch die Corona-Krise ins Stocken geraten. Nach Infektionsfällen in der Belegschaft mussten Schlachthöfe ihren Betrieb über Monate zurückfahren oder zeitweise ganz einstellen – mit verheerenden Folgen für die Landwirtinnen und Landwirte. Die Tiere drängten sich in den Ställen, die Preise für Schweinefleisch sanken auf einen historischen Tiefpunkt. Seit rund einem Jahr machen die meisten Landwirtinnen und Landwirte Verluste, jeden Tag. Einer dieser Landwirte ist Alfred Tigges. Sein Familienbetrieb mit rund 1.000 Mastschweinen liegt in der Nähe des Möhnesees, östlich von Dortmund. Im Herbst 2020, bei den Dreharbeiten zu dieser Dokumentation ist sein Stall übervoll. Er erzählt, die Schweine seien zu alt und zu schwer, die Ställe überbelegt. Derzeit mache er einen Verlust über die gesamte Mastzeit von 35 Euro pro Schwein. „Wir haben momentan einen riesigen Schweinestau. Und wir sind auf Kollisionskurs mit dem Tierschutz“, sagt er im Interview. Deutschlands oberster Schlachthofveterinär Dr. Kai Braunmiller aus Bayreuth glaubt nicht daran, dass allein die Corona-Krise verantwortlich ist für die problematische Situation in vielen Ställen. Hauptproblem sei die Haltung der Tiere auf
Betonspaltenböden: „92 Prozent dieser Tiere bekommen Liegeschäden: 40 Prozent leichte, rund 50 Prozent mittlere und schwere. Das sind eigentlich Straftatbestände, die so überhaupt nicht zu tolerieren sind“, sagt Braunmiller. Folgt man den Ausführungen des Veterinärs, dann würden in Deutschland von den rund 50 Millionen Schweinen, die pro Jahr hierzulande gemästet werden, mehr als 90 Prozent rechtswidrig gehalten. Dies beträfe mehr als 40 Millionen Tiere. Die SWR Autoren Monika Anthes und Edgar Verheyen recherchieren seit vielen Jahren zu den Auswirkungen der Billigfleischproduktion auf Menschen, Tiere und Umwelt. Für die „betrifft“-Dokumentation „Schweine vom Fließband“ haben sie mit Vertreter*innen der Fleischindustrie sowie mit Politiker*innen, Tierschützer*innen und Landwirtinnen und Landwirten gesprochen. Bei ihren Recherchen sind sie aber auch auf zahlreiche Betriebe gestoßen, die zeigen, dass es anders geht. Zum Beispiel auf einen Hof in Niedersachsen. Früher hielt hier Bauer Jens van Bebber rund 10.000 Tiere, heute sind es gerade noch 2.000 Schweine. Er hat drastisch verkleinert und auf artgerechte Haltung umgestellt. Gut für die Schweine. Und gut für ihn, denn auch wirtschaftlich erwies sich das als lukrativ. „Wir haben ein Ertragsniveau, was sehr viel besser ist als die konventionelle Haltung“, sagt van Bebber. „Es ist wirtschaftlicher und den Tieren geht es sichtlich gut“. Ein mögliches Modell für die Schweinehaltung in ganz Deutschland? (Text: SWR)