Folge 40

  • Sendung vom 17.12.2023

    Folge 40 (30 Min.)
    „Nicht einen Schritt weiter nach Osten“ – Buch von Mary Elise Sarotte: Am 21. Februar 2022 wandte sich der russische Präsident Wladimir Putin an sein Volk. In einer Rede an die Nation erklärte er, im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands habe es Zusagen der USA gegenüber der Sowjetunion gegeben, man werde die NATO „nicht einen Zentimeter“ nach Osten ausdehnen. Diese Zusagen seien nicht eingehalten worden, der Westen trage die alleinige Verantwortung für Konsequenzen, die sich aus dem Wortbruch ergeben. Drei Tage nach dieser Ansprache begann Russland seinen Überfall auf die Ukraine.
    Tatsächlich ist kaum eine Entwicklung der jüngeren Geschichte so umstritten wie die der NATO-Osterweiterung. Ihren Anfang nahm sie in den Jahren der deutschen Wiedervereinigung 1989 und 1990. Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden und Kontroversen um die Verhandlungen, die am 12. September 1990 zum „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ zwischen den beiden deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges führten. Entspricht es der Wahrheit, dass US-Außenminister James Baker im Rahmen der Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung der Sowjetunion einen hypothetischen Handel vorschlug: Ihr gebt euren Teil Deutschlands frei, wir verrücken die NATO nicht nach Osten, „not one inch eastwards“? Hat Michail Gorbatschow recht, wenn er 2014 in seinen Erinnerungen berichtet: „Das Thema der ‚NATO-Erweiterung‘ wurde gar nicht diskutiert und in diesen Jahren nicht angesprochen.“ Was steht wirklich in diesem Vertrag? Wie kam er zustande? Für ihr Buch „Nicht einen Schritt weiter nach Osten.
    Amerika, Russland und die wahre Geschichte der NATO-Osterweiterung“ hat die amerikanische Historikerin Mary Elise Sarotte Hunderte Interviews geführt, zahllose Primärquellen ausgewertet und Unmengen von Archivmaterial durchforstet. Sarotte, die Ende der 80 Jahre in Berlin die Wende hautnah miterlebte und jetzt in Havard lehrt, nennt das Ergebnis ihrer materialreichen Untersuchung eine „Genealogie der Gegenwart“. „ttt“ hat Mary Elise Sarotte in Berlin getroffen. (Autor: Rayk Wieland).
    Nazi-Raubkunst in der Hamburger Kunsthalle?: Robert Graetz war ein bekannter jüdischer Kunstsammler in Berlin. Über 200 Gemälde hatte er in seinem Haus in Berlin-Grunewald. Nach 1933 verlor Graetz alles – zuerst sein Haus, dann seine Kunstsammlung, danach seine Familie und schließlich, auf einem Transport nach Osten, sein Leben. Zur selben Zeit, als Graetz auf Todestransport war, ging der bekannte Kunsthändler Conrad Doebbeke auf „Einkaufstour“: Er kaufte bei jüdischen Sammlern und Händlern zu Schleuderpreisen ein und brüstete sich später damit, dass er immer unter 1000 Reichsmark pro Bild zuschlagen konnte. Von diesem Kunsthändler Doebbeke übernahm auch die Hamburger Kunsthalle Bilder. Auf der Suchdatenbank „Lost Art“ für Nazi-Raubkunst wird dabei auch ein Gemälde von Paula Modersohn-Becker genannt. Der Titel „Mädchen (Mädchenkopf)“.
    Roberto Graetz hat seinen Großvater nie kennengelernt. Sein Vater konnte fliehen, Roberto wurde 1951 im Exil in Argentinien geboren. Seit Jahrzehnten versuchen nun die Überlebenden der Familie Graetz, die verstreute Sammlung ihres Großvaters ausfindig zu machen und zurückzubekommen. Das aber ist, besonders bei deutschen Museen, ein fast aussichtsloser Kampf. Um das Bild von
    Modersohn-Becker bemühen sich Graetz und sein Anwalt nun schon seit drei Jahren. Aber vergeblich. Die Hamburger Kunsthalle macht das, was deutsche Museen in solchen Fällen fast immer tun: abstreiten und auf Zeit spielen.
    Vor 25 Jahren, im Dezember 1998 wurde die „Washingtoner Erklärung“ verabschiedet, die für solche Fälle klare Vorgaben macht: Die Museen müssen beweisen, woher sie ihre Kunstobjekte haben. Aber in Deutschland gibt es kein Restitutionsgesetz. Bei Streitfällen können Museen einer Schlichtung durch eine „Beratende Kommission“ zustimmen, sie sind dazu aber nicht verpflichtet. Ein absurdes Verfahren für die Angehörigen. Knapp 80 Jahre nach Kriegsende macht ausgerechnet Deutschland es den Nachfahren der Opfer der NS-Diktatur besonders schwer, das Eigentum ihrer Vorfahren zurückzuerhalten.
    „ttt“ that mit Roberto Graetz gesprochen und mit dem Direktor der Hamburger Kunsthalle. (Autor: Ulf Kalkreuth)
    Wim Wenders’ „Perfect Days“ – Über die Schönheit im Alltäglichen: Immer gleich laufen die Tage in Hirayamas Leben ab. Aufstehen, Fertigmachen, zur Arbeit fahren. Vom ersten Automatenkaffee bis zum Feierabend in derselben Kneipe – alles scheint ritualisiert. Was in unserer erlebnisorientierten Welt für manchen einem Schreckensszenario gleicht, sind für den schweigsamen Japaner glückliche Tage. In sich ruhend, zufrieden geht er seinem Beruf als Toilettenputzer in der Millionenmetropole Tokio nach, reinigt die öffentlichen Toiletten der Stadt mit derselben Hingabe, mit der er zu Hause seine Zimmerpflanzen hegt. Hirayama ist der Held in Wim Wenders neuem Spielfilm „Perfect Days“.
    Mit beinahe dokumentarischem Blick begleitet der Film das Leben seines Protagonisten, beobachtet jede noch so gewöhnliche Szene und findet schon bald die Schönheit, die Poesie im Alltäglichen. Für seine herausragende Darstellung des Hirayama bekam Schauspieler Koji Yakusho („Die Geisha“) im Mai bereits den Darstellerpreis der 76. Filmfestspiele von Cannes. Nächste Woche kommt „Perfect Days“ in die deutschen Kinos. „ttt“ hat Wim Wenders vorab in Berlin getroffen und mit ihm über seinen neuen Film gesprochen, über seine Faszination für die japanische Kultur und darüber, was wir von ihr lernen können. (Autor: Marcus Fitsch)
    Die Deutschen – René Burri in Erfurt: Er war Schweizer und Magnum-Fotograf: René Burri (1933 – 2014). Seine Reportagen aus China, Brasilien und Kuba, vor allem Fotos von Che Guevara, wurden weltberühmt. Zu Beginn seiner Karriere aber machte René Burri ein kleines Buch über „Die Deutschen“. Durch seine aus Freiburg im Breisgau stammende Mutter mit der deutschen Kultur vertraut, war er in Zürich aufgewachsen und hatte zu Deutschland ein ambivalentes Verhältnis.
    Auf Reisen zwischen 1956 und 1964 entstand ein deutsches Sittenbild, das nicht unbedingt den Erwartungen in Ost- wie Westdeutschland entsprach, aber authentisch und empathisch ist. Burri war umständehalber im Magnum-Auftrag öfter im Westen als im Osten und fand sowohl Trennendes – den wirtschaftlichen Aufschwung auf der einen Seite, den propagandistischen auf der anderen – als auch Gemeinsames: neue Uniformen und eine Geschichtsvergessenheit, darauf aus, die Vergangenheit gegen die blühende und freiheitliche Zukunft einzutauschen. „Die Deutschen“, die ursprüngliche Serie, sowie Burris Erweiterungen aus den 1980er Jahren und nach dem Mauerfall, sind jetzt in der Kunsthalle Erfurt ausgestellt. (Autor: Meinhard Michael) (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.12.2023Das Erste

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So 17.12.2023
23:35–00:05
23:35–
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