2019, Folge 1–23

Nach ARD-Angaben werden die Ausgaben der Sendung intern nicht nummeriert, so dass keine laufenden Gesamtnummern bekannt sind und wir deshalb nur innerhalb eines Jahres zählen können. Leider scheint somit auch nicht feststellbar, wie viele Ausgaben es vor 2018 bereits gab.
  • Folge 1
    Wenn Menschen Gott spielen – Der Dokumentarfilm „Genesis 2.0“ über Klonforscher:
    Vor 10.000 Jahren starb es aus: das Wollhaarmammut. Doch es hat Spuren hinterlassen. Auf den abgelegenen Neusibirischen Inseln im arktischen Ozean suchen Jäger nach Mammut-Stoßzähnen. Monatelang. Komplett abgeschieden. Fern jeder Zivilisation. Manchmal finden sie auch mehr: einen ganzen Mammut-Kadaver. Und eben der bringt Wissenschaftler zum Träumen. Der Traum vom Mammut, das sie aus intakten Zellen wieder auferstehen lassen können. Davon erzählt der Film „Genesis 2.0“ (Kinostart am 17. Januar) des oscarnominierten Schweizer Filmemachers Christian Frei. Er zeigt, wie sich Biologen weltweit daran machen, Leben nach dem Lego-Prinzip neu zu erschaffen. Der Mensch wird zum Schöpfer. Die Auferstehung des Mammuts – ein erster Versuch. Erschreckende Zukunftsvision oder schöne neue Welt? „ttt“ spricht mit Christian Frei über diese nächste große technologische Revolution.
    Sie kann alles! – Die Schauspielerin Caroline Peters im Porträt:
    Ihre Karriere hat sie gleich mal an der Berliner Schaubühne begonnen. Da war Caroline Peters noch im letzten Studienjahr an der Schauspielschule. Mittlerweile ist sie Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater – besser geht’s eigentlich nicht. Spätestens seit ihrer Rolle als Kommissarin Sophie Haas in „Mord mit Aussicht“ ist sie auch dem breiten Fernsehpublikum bekannt, und die Liste ihrer Kinofilme wird auch immer länger. Kein Wunder: Caroline Peters ist eine extrem wandelbare, großartige und bemerkenswerte Schauspielerin. Kein Gesichtsausdruck ist ihr fremd, und es gelingt ihr, selbst platte Witze mit einer Ernsthaftigkeit zu präsentieren, dass sie Tiefe bekommen. Jüngstes Beispiel: die Kinokomödie „Womit haben wir das verdient?“ (Kinostart am 24. Januar). Außerdem betreibt sie einen kleinen Postkartenverlag – und hat noch Zeit für ein Treffen mit „ttt“.
    100 Jahre Bauhaus – Was ist von der Idee geblieben?
    100 Jahre Bauhaus. Daran kommt im Jahr 2019 niemand vorbei – auch „ttt“ nicht. Doch statt sich durch die vielen Publikationen zum Jubiläum zu wühlen und die zahlreichen Ausstellungen zu besuchen, stellt „ttt“ die Frage: Was hat eigentlich überdauert? Was ist aus der Vision des Bauhauses geworden, dem Anspruch auf Universalismus, der Verbindung aller Künste zum Wohle der Menschen? Antworten geben der Architekt Philipp Oswalt – selbst mal Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau – und die Architektin Barbara Brakenhoff, die für die kommende BUGA in Heilbronn den Bauhaus-Gedanken weiterdenkt und auch umsetzt.
    Eine Fernsehserie, die Deutschland veränderte – 40 Jahre „Holocaust“:
    Der Zweite Weltkrieg und die Vernichtung der Juden waren 1979 über drei Jahrzehnte her. Aber erst eine amerikanische Fernsehserie machte vielen Deutschen klar, was in den Konzentrationslagern passiert war: „Holocaust“ hat die Bundesrepublik verändert, wie kaum eine andere TV-Produktion. Dabei war die Ausstrahlung der Reihe im Vorfeld höchst umstritten: Nicht nur Historiker zweifelten an, ob eine amerikanische Soap-Opera eine angemessene Form sei, um die Ermordung der Juden darzustellen. Und reaktionäre Kräfte wollten das Thema nicht in der Öffentlichkeit wissen, sie beschwerten sich über die angebliche „Hetzserie“, es gab anonyme Morddrohungen und Anschläge auf Sendemasten.
    Doch die Serie wurde gesendet, übertraf alle Erwartungen und prägte die deutsche Erinnerungskultur. Zum 40-jährigen Jubiläum wird „Holocaust“ jetzt wieder in den Dritten Programmen von NDR, WDR und SWR gezeigt. Und eine umfangreichreiche Dokumentation von Alice Agneskirchner erinnert daran, „Wie ‚Holocaust‘ ins Fernsehen kam“ (NDR: 16. Januar um 23:50 Uhr, SWR: 16. Januar um 23:30 Uhr, WDR: 14. Januar 22:10 Uhr). „ttt“ spricht mit dem Historiker Frank Bösch über die Bedeutung der Fernsehserie.
    Keine Hoffnung, nirgends – Der unglaublich bestürzende Spielfilm „Capernaum“:
    Weil seine Eltern nicht das Geld hatten, ihn bei seiner Geburt offiziell registrieren zu lassen, hat Zain keine Papiere. Und im Libanon keine Papiere zu haben, heißt: keine Schule, keine Rechte – und erst recht keine Perspektive. Zwölf Jahre ist Zain, und er kennt in seinem Leben nur Armut, Hilfsjobs, Durchwurschteln – keine Zuwendung, Liebe oder Unterstützung. Davon erzählt die libanesische Regisseurin Nadine Labaki in ihrem Spielfilm „Capernaum“ (Kinostart am 17. Januar). Und das mit unglaublich emotionaler Wucht.
    Zains Geschichte ist keine Fiktion, sondern passiert millionenfach – weltweit. Und eben das macht diesen Film auch so erschütternd: wie Leben weitab jeglicher Menschenrechtskonventionen stattfindet, wie ein System von Ausbeutung und Unterdrückung sehr real funktioniert. Gedreht hat Labaki ausschließlich mit Laien, die zum Teil selbst in den Umständen leben, die der Film anklagt. In Cannes hat „Capernaum“ 2018 den großen Preis der Jury gewonnen. „ttt“ über den vielleicht traurigsten und ergreifendsten Film des Jahres. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.01.2019Das Erste
  • Folge 2
    China – Die Weltmacht auf dem Weg nach Westen: „ttt“ fragt, wie das Land unser Leben, unsere Gesellschaft und unsere Politik bestimmen wird.
    Wir unterschätzen Chinas Macht, schreibt Frank Sieren in seinem aktuellen Buch „Zukunft? China!“ Seit über 20 Jahren lebt der Journalist in Peking und hat den rasanten Aufstieg des Landes beobachtet. Er kennt die gestrigen Vorurteile von der Werkbank der Welt, beobachtet, wie autoritäre Staatsmacht und Hyperkapi-talismus effektiver zusammenarbeiten als in allen Demokratien, berichtet aber auch von großer Freiheit und Kreativität – in aller Widersprüchlichkeit. Ein neues chinesisches Lebens- und Selbstwertgefühl sei entstanden, so Sieren, China sei mittlerweile attraktiver als das Silicon Valley.
    „Kopieren war gestern. Erfinden ist heute“, das Land entwickele sich in Riesenschritten zur Innovationsweltmacht. Das große Problem: Die neue technologische Weltordnung könnte bald maßgeblich von einem Land bestimmt werden, das die Quantensprünge in der digitalen Transformation vorantreibt, ohne die Wertmaßstäbe und Richtlinien demokratischer und individueller Freiheitsrechte oder ethischer humaner Kriterien zu beachten. Und sie wird dadurch möglicherweise Machtstrukturen schaffen, die von der Politik demokratischer Länder gar nicht rückholbar sein werden.
    „ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ trifft Frank Sieren in Shenzhen, dem Mekka der chinesischen Innovation, und möchte wissen: Wie lange wird es noch dauern, bis China nicht nur billige Konsumgüter exportiert, sondern auch sein Gesellschaftsmodell? Und: Wie geht das zusammen – eine kreative Bewegung und ein autoritärer Staat? Die Sendung kommt am Sonntag, 20. Januar, vom Hessischen Rundfunk (hr) und ist um 23:05 Uhr im Ersten zu sehen; es moderiert Max Moor.
    Außerdem bei „ttt“: Musik als Zeichen gegen die Zerrissenheit Europas? – Jan Böhmermann auf Konzerttour mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld: „ttt“ war bei den letzten Proben dabei und hat mit Jan Böhmermann gesprochen: über echte Empörung, Satire, Ironie, darüber, ob das Internet uns alle versaut hat, und natürlich über Musik.
    „Ich wurde aufgrund einer Order von ganz oben verhaftet, nicht von einem Richter“ – Die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan spricht im Frankfurter Exil darüber, warum sie ihr Heimatland für faschistisch hält: In „ttt“ erzählt Asli Erdogan, wie schwierig es für sie ist, über dieses Trauma zu schreiben, und über den sich immer weiter zuspitzenden Wandel der türkischen Gesellschaft.
    Vom Breakdancer zum Countertenor – Der junge polnische Opernstern Jakub Józef Orliński: „ttt“ spricht mit Jakub Józef Orliński über Falsett und Powermoves. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.01.2019Das Erste
  • Folge 3
    Brandgefährlich – Was ist eigentlich in Frankreich los?
    Die Gilets Jaunes und die unfassbare Wut im Land. Wir haben darüber mit den Schriftstellern Édouard Louis und Éric Vuillard, sowie der ehemaligen Chefredakteurin der deutschen Charly Hebdo Romy Straßenburg gesprochen. Sie alle haben neue Bücher, die sich sehr gut auf unser Thema beziehen lassen. Édouard Louis beschreibt den Identitätsverlust der unteren Klassen in seinem Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht“. Éric Vuillard schreibt in seinem Ende März erscheinenden Buch „14. Juli“ über die Französische Revolution. Romy Straßenburgs im Februar erscheinendes Buch „Adieu Liberté – Wie mein Frankreich verschwand darüber, wie sich Europa und Frankreich durch gesellschaftliche Verwerfungen extrem verändert.
    Das Ende der Kindheit wie wir sie kannten:
    Kinder sind Stars in den Sozialen Medien. Aber vor allem sind sie Arbeiter in diesen Medien. Kinder werben für Nagellack, sie testen Spielzeug und Klamotten oder sie stellen ganz einfach ihr Leben aus. Genauer gesagt, ihr Leben wird ausgestellt – von den Eltern. Ihre Eltern filmen sie dabei und posten die Clips dann auf Youtube und Instagram. „ttt“ über Kinderarbeit in den neuen Medien und die Vermarktung der Kinder in einer völlig neuen Dimension.
    Wirklichkeit als Fiktion:
    Michael Pollan schreibt in seinem New York Times Bestseller „Verändere dein Bewusstsein“ darüber, was uns die neueste Psychedelik-Forschung über die Konstruktion unserer Wirklichkeit lehrt. Und über Sucht, Depression, Todesfurcht und Transzendenz. Ist alles was wir zu erkennen glauben letztlich ein Produkt unseres Gehirns. Unseres Gehirns, das seit der Kindheit lernt die unglaubliche Datenmenge der Sinneseindrücke zu ordnen, zu kanalisieren und damit zu begrenzen, sodass wir als Erwachsene eine sichere Konstruktion von Wirklichkeit leisten können.
    Der Sound der Welt – Cosmo Sheldrake:
    Glasscherben, Lichtmasten, Käfer, Kuhglocken – daraus kann man Musik machen, so auch aus Wildwiesen, Butterblumen, Wasserflaschen, Kieselsteinen. Es schläft ein Lied in allen Dingen – das scheint die Devise dieses ganz außergewöhnlichen Musikers zu sein. Komponieren und Spazieren gehen bei ihm Hand in Hand. Das ist außergewöhnlich und außergewöhnlich schön – die Musik des unglaublichen Cosmo Sheldrake.
    Wie aus einem jungen Mann Picasso wurde:
    Kein Geld, keine Galerie, von der Biennale Venedig abgelehnt. Die unglaublichen Metamorphosen des jungen Picasso zum absoluten Star. Gerade die frühe Phase von Picasso wurde später gern genommen bei den Poster-Herstellern. Zu Tode gepostert oder nicht? Das ist die Frage. Großer Kitsch und große Kunst. Zeit, sich mal das Frühwerk (1901–1906) anzusehen. Der junge Picasso – Blaue und Rosa Periode. Die große Schau in Basel, in der Fondation Beyeler.
    Moral – Nie war sie so wertvoll wie heute:
    Gerade hat unser größter Moral-Experte, Dr. Dr. Rainer Erlinger, seine beliebte Kolumne im Magazin der Süddeutschen Zeitung für beendet erklärt. Aber keine Sorge, natürlich macht er weiter mit den großen Fragen. Im März erscheint sein neues Buch – Thema: die Wahrheit. Und was aus ihr in der Gegenwart geworden ist. „ttt“ hat mit Dr. Dr. Rainer Erlinger gesprochen, darüber, warum Anstand, Moral und Wahrheit so notwendig sind, wie selten zuvor. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.01.2019Das Erste
  • Folge 4
    Geplante Themen:
    - „Crazy – Leben mit psychischen Erkrankungen“
    Psychische Krankheiten sind weit verbreitet. Doch ihre Symptome bleiben vielen unbegreiflich. Fünf Fotografinnen und Fotografen haben sich auf sehr persönliche Weise damit auseinandergesetzt und zeigen ihre Werke in der Ausstellung „Crazy“.
    - Banksys Schredder-Bild kommt nach Deutschland
    Es war der Kunst-Coup des vergangenen Jahres. Kaum war ein Bild von Banksy für knapp 1,2 Millionen Euro versteigert worden, zerstörte es sich selbst. Jetzt kommt das geschredderte Bild ins Baden-Badener Museum Frieder Burda.
    - „Alita: Battle Angel“
    „Battle Angel Alita“ ist Kult unter den Mangas. Jetzt kommt die SF-Story um Cyborg Alita ins Kino. Robert Rodriguez hat sie mit Weltstars wie Rosa Salazar, Jennifer Connelly und Christoph Waltz als Live-Action-Animation verfilmt. – Zeit des Umbruchs
    - Herbert Kapfers Monumentalcollage „1919“
    Deutschland im Jahr 1919. Aus fiktiven und dokumentarischen Texten hat der Publizist Herbert Kapfer ein Panorama zusammengefügt, das die Ängste und Unsicherheiten kurz nach dem Ersten Weltkrieg lebendig werden lässt. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.02.2019Das Erste
  • Folge 5
    Udo Lindenberg: Nachtigall. Exzessor. Panikpräsident. König von Scheißegalien.
    Udo Lindenberg. Seine Geschichte ist die einer unwahrscheinlichen, phantastischen Wiederkehr. Lindenberg war schon mal ziemlich weg. Und hat sich mit dem Album „Stark wie zwei“ (2008), seiner ersten Nummer 1, neu erfunden. Seitdem ist der den Deutschen ihr Liebster. Rockstar. Wortspieler. Aufstehmann. Freigeist. Spätfrühstücker (niemals vor fünf Uhr nachmittags). Weil er all das mit großer Leichtigkeit tut, was Deutschen so schwer fällt. Wohnen im Hotel. Rocken nach erreichtem Renteneintrittsalter. Empathisch sein, freundlich gar – und tolerant. Lindenberg bittet „ttt“ in die Suite des Atlantic Hotels. Er hat mit Freunden und freundlichen Menschen ein zweites Unplugged-Konzert aufgenommen – ebenfalls Nummer 1. Der Dokumentarfilm „Udo Lindenberg – Volle Fahrt voraus! Begegnungen auf dem Lindischen Ozean“ und das Akustik-Konzert „Udo Lindenberg – Live vom Atlantik“ werden am 22. Februar in der ARD gezeigt.
    Eine Reise durch seine gesamte Karriere. Im Interview mit „ttt“ spricht er über seine Kindheit in der Nachkriegszeit und seine „Randale gegen das Schweigen“ und gegen den „verlogenen Schlagerscheiß“. Über seine Inspirationen und Eingebungen. Über die Kunst des Songschreibens und Udo-Seins. Wie aus Rhythmus Sprache und aus Sprache wieder Musik entsteht. Wie sich dieser Künstler mit seiner Kunst selbst gerettet hat.
    Frauen am Bauhaus – die unterschätzten Meisterinnen
    Die Geschichte des Bauhauses ist geprägt von männlichen Künstlern. Dabei wollte Bauhaus-Direktor Walter Gropius vor 100 Jahren nicht nur radikal neues Design erschaffen, sondern hatte an seiner Kunstschule „absolute Gleichberechtigung“ versprochen. Aber Anspruch und Wirklichkeit klafften auch dort weit auseinander. Das Jubiläumsjahr 2019 beginnt mit einem Schwerpunkt Bauhaus-Frauen. In neuen Büchern, einem Spielfilm und einer Dokumentation wird die noch immer weitgehend unterschätzte Geschichte der Frauen am Bauhaus erzählt. Sie waren in der anfangs paternalistischen Welt der Weimarer Republik gar nicht als Künstlerinnen vorgesehen – und trugen später zum Erfolg des Bauhauses erheblich bei.
    Weil die Geschichte des Bauhauses nach dem 2. Weltkrieg dann vor allem von den Meistern erzählte, die in den USA weiter arbeiten konnten, wird die Rolle der Frauen am Bauhaus weiterhin unterschätzt. Das Jubiläumsjahr wird in dieser Hinsicht etwas korrigieren. Die einzige Bauhaus-Meis terin Gunta Stölzl und das Multi-Talent Friedl Dicker gehören zu den Protagonistinnen der MDR-Dokumentation „Bauhausfrauen“, die am 13. Februar im Rahmen eines Themenabends im Anschluss an den Spielfilm „Lotte am Bauhaus“ erstmals im Ersten zu sehen ist.“ ttt gibt einen Einblick in Bücher und Filme.
    Der Reporter Seymour M. Hersh:
    „Mit der Aufkündigung des INF-Vertrages wird Amerika gerade zu einer ernsthaften Bedrohung für die Welt – und insbesondere für Westeuropa“ – warnt Seymour Hersh, einer der bedeutendsten Investigativ-Journalisten der USA. Die Diskussion um Einmischung der Russen in den amerikanischen Wahlkampf hält er für völlig überbewertet, weitaus bedeutendere Dinge seien gerade im Gange. Die Neokonservativen haben längst im Weißen Haus die Macht übernommen und handeln. Mit seinen akribisch recherchierten Reportagen brachte Hersh die amerikanischen Regierungen durchgehend seit über 50 Jahren ins Schwitzen.
    Er deckte das Massaker von My Lai während des Vietnamkrieges auf, veröffentlichte die Folter-Bilder aus Abu Ghraib und schrieb gegen die amerikanischen Maßnahmen im gesamten Mittleren Osten an. Soeben ist seine Autobiografie in Deutschland erschienen. Ein scharfer Blick hinter die Kulissen der Weltpolitik in den vergangenen 50 Jahren. Wir haben Seymour Hersh in Washington getroffen und mit ihm darüber gesprochen, was die Gemeinsamkeiten zwischen dem Vietnam- und dem Irakkrieg und den heutigen Auseinandersetzungen sind. Und ob guter Journalismus auch in Zeiten von Twitter und Facebook noch möglich ist.
    Weltpremiere auf der Berlinale: „Der Goldene Handschuh“ – Romanverfilmung von Fatih Akin
    „Krass“, „nichts für schwache Nerven“, „definitiv harter Stoff“ – so urteilen die Medien über die Geschichte des Serienmörders Fritz Honka, der in den 1970er-Jahren in Hamburg vier Frauen ermordete und zerstückelte. Heinz Strunk hat sie in seinem Bestseller „Der goldene Handschuh“ (2016) erzählt, in einem grotesken Tatsachenroman, der die Verwahrlosung der Gesellschaft an ihren Rändern sprachlich brillant und verstörend genau beschrieb. Fatih Akin hat das Buch jetzt an Originalschauplätzen verfilmt. Die Hauptrolle als Fritz Honka spielt Nachwuchsdarsteller Jonas Dassler („Das schweigende Klassenzimmer“), der unter der schiefgesichtigen und von Brutalität des Lebens ramponierten Maske kaum zu erkennen ist. „Der Goldene Handschuh“ hat auf der jetzt beginnenden Berlinale Weltpremiere und läuft im Wettbewerb, den Fatih Akin vor 15 Jahren mit seinem ebenfalls in Hamburg spielenden Film „Gegen die Wand“ schon einmal gewann. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.02.2019Das Erste
  • Folge 6
    „Alles könnte anders sein“ – „ttt“ über Harald Welzer und sein Buch über die Zuversicht
    Die Klimakatastrophe ist kaum aufzuhalten, täglich sterben bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aus, und auch um die Menschen ist es nicht gut bestellt: Weltweit nimmt die Ungleichheit zwischen Arm und Reich rapide zu. Gründe zum Ver-zweifeln? Nein, sagt der Sozialpsychologe Harald Welzer, der gerade in der Zeitschrift Cicero auf Platz 27 der einflussreichsten Intellektuellen des Landes gewählt wurde, in seinem neuen Buch „Alles könnte anders sein“. Indem wir uns fortwährend mit der kommenden Apokalypse beschäftigen, so Welzer, vergessen wir, wie viel Handlungsspielraum wir eigentlich haben.
    Ihm geht es dabei nicht um Systemumsturz oder einen Masterplan zur Weltrettung, sondern um viele kleine, „anfassbare“ Ansätze zum Besseren: Von der autofreien Stadt bis hin zu Unternehmensformen, die am Gemeinwohl orientiert sind. Die Menschen könnten sich wieder als „selbstwirksam“ erfahren, ihr Handeln als sinnvoll und motivierend. Welzers aktuell überzeugendstes Beispiel ist die Schülerin Greta Thunberg. Die 16-jährige schwedische Klimaschutzaktivistin hat maximale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sie rüttelt Politiker wach und animiert Schülerinnen und Schüler in ganz Europa zum „Friday for future“, die großen Demonstrationen für eine lebenswerte, solidarische Welt.
    „ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ hat Harald Welzer getroffen und nachgefragt, warum er einen ökologischen und sozialen Kapitalismus für möglich hält. Die Sendung kommt am Sonntag, 17. Februar, vom Hessischen Rundfunk (hr) und ist um 23:05 Uhr im Ersten zu sehen; es moderiert Max Moor.
    Außerdem bei „ttt“:
    Goldener Bär, Grüner Teppich, Tränen für Dieter und Filme über die Wirklichkeit – Eine Bilanz der Berlinale: „ttt“ spricht mit dem scheidenden Berlinale-Chef Dieter Kosslick und stellt die Gewinner des diesjährigen „Goldenen Bären“ vor.
    Gelbe Westen und blaues Sternenbanner – Was die Bewegung der „gilets jaunes“ für Europa bedeutet: „ttt“ unterhält sich neben Regisseur Thomas Ostermeier und Autor Didier Eribon auch mit Kritikern wie Claus Leggewie, Gila Lustiger und der früheren Kulturministerin Aurélie Filippetti .
    T.C. Boyle – Der Literatur-Superstar und sein neuer Roman „Das Licht“: „Trump landet im Knast“, davon ist Boyle im Interview mit „ttt“ überzeugt.
    Zaz – Die Chanson-Ikone und ihr neues Album „Effet Miroir“: „ttt“ spricht mit Zaz über ihre Energie, ihre Wahlheimat Paris und die Rolle der Musik in einer Gesellschaft voller Spannungen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.02.2019Das Erste
  • Folge 7
    „Hi, AI“ – Bewegende Dokumentation über Leben mit humanoiden Robotern
    Einer für die Pflege. Eine für den Service. Eine für die Liebe. Wo Menschen fehlen, sind humanoide Roboter unsere neuen Partner. Ein beeindruckender Dokumentarfilm über künstliche Intelligenz zeigt, wie die Roboter unser Leben revolutionieren werden. Chuck hat sich eine neue Roboter-Freundin gekauft, Harmony. Sie ist nicht nur Sexpartnerin, sie ist auch sehr gebildet und kann Literatur zitieren. In Tokio bekommt Oma Sakurai von ihrem Enkel Pepper geschenkt, ein Roboter, damit sie weniger allein ist. Die preisgekrönte Dokumentation von Regisseurin Isa Willinger zeigt, was heute schon möglich ist und fragt, wie wir künftig mit künstlicher Intelligenz leben wollen. „Hi, AI“ kommt am 7. März ins Kino
    Überleben mit tiefen Wunden – Wie ein jüdisches Mädchen in Holland gerettet wurde
    Lien ist acht, als sie von ihren Eltern zu einer Pflegefamilie geschickt wird, um sie vor den Nationalsozialisten zu verstecken. Und sie ist 54, als ihre Pflege- und Adoptivmutter jeglichen Kontakt mit ihr abbricht. Lien ist holländische Jüdin – eines von 4000 jüdischen Kindern, die nach der deutschen Besatzung von ganz normalen Holländern in ihren Familien aufgenommen wurden und so vor der Deportation gerettet. Es waren mutige Menschen, die ihr eigenes Leben riskierten, um jüdische Kinder vor dem sicheren Tod zu bewahren. Doch das Überleben war nicht immer nur glücklich, in Liens Fall traumatisch.
    Doch darüber wurde nicht geredet – jahrelang. Tatsächlich wurden Lien und ihre Geschichte aus dem Gedächtnis der Familie, die ihr neues Zuhause wurde, getilgt. Erst eine Generation später macht sich der Enkel von Liens Adoptivmutter auf, das Geheimnis zu lüften. Er sucht den Kontakt zu Lien, lässt sich alles erzählen, weckt Erinnerungen, recherchiert die historischen Zusammenhänge. Herausgekommen ist ein berührendes Buch „Das Mädchen mit dem Poesiealbum“. „ttt“ trifft Lien de Jong und Bart van Es zusammen in Amsterdam – und lässt sich ihre Lebensgeschichte erzählen.
    Vorgeburtliche Selektion – Immer weniger Menschen mit Down-Syndrom
    Es gibt einen merkwürdigen Widerspruch: Einerseits gibt sich unsere Gesellschaft immer toleranter, andererseits lösen behinderte Menschen nach wie vor so große Ängste aus, dass immer weniger Kinder mit Down-Syndrom geboren werden. Mittlerweile gibt es einen Blut-Schnelltest für werdende Mütter, der anzeigt, ob das Ungeborene eine Trisomie hat. In Dänemark, wo dieser Test Kassenleistung ist, wird kaum noch ein Kind mit Down-Syndrom geboren. Jetzt soll es auch im Bundestag eine Debatte zu diesem vorgeburtlichen Test als Kassenleistung geben. Mediziner vom „Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik“ und Behindertenverbände schlagen Alarm.
    Mit Kultur Europa retten! – Der Philosoph Bernard-Henry Lévy auf Tournee
    Europa steht kurz vor einem Brexit – wie auch immer der aussehen wird. Im Mai wird auch noch das Europäische Parlament gewählt – und die Populisten bringen sich in Stellung. Die brüchige Gemeinschaft mit Kultur zu retten, hat sich der französische Philosoph und Schriftsteller Bernard-Henry Lévy vorgenommen: Er geht mit einem eigenen Theaterstück auf internationale Tournee quer durch den Kontinent. „ttt“ zeigt Ausschnitte aus dem Wagnis „Looking for Europe“ und spricht mit dem Philosophen über seine Zukunftsprognose für Europa.
    Von Märchen und Alpträumen – Kunstvideos von Djurberg und Berg in der Frankfurter Schirn
    Tiere, Monster, Fabelwesen. Sonderbare, manchmal bedrohliche Räume und Phantasiewelten. Die Kunst von Nathalie Djurberg und Hans Berg ist ein ganz eigener Kosmos – aus Plastilin, Ton, Textil und Kunsthaar. Die beiden inszenieren aufwendige Stop-Motion-Videos – Djurberg macht die Figuren, Berg die Musik. Es geht um die großen Themen der Kunst: Gewalt, Liebe, Tod. Dabei erinnern ihre Werke an Märchen, an die Filme von David Lynch und manchmal an abgedrehte, alptraumhafte Kindertrickfilme. Die Frankfurter Schirn widmet dem schwedischen Künstlerpaar jetzt eine umfangreiche Retrospektive: „A journey through mud and confusion with small glimpes of air“ (28. Februar bis 26. Mai) (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.02.2019Das Erste
  • Folge 8
    Die geplanten Themen: „The Sisters Brothers“ – Western von Jacques Audiard Oregon, 1851:
    Zwei Auftragskiller unterwegs im Wilden Nordwesten – Leichen pflastern ihren Weg. Es ist die Zeit des Goldrauschs, einer entfesselten präkapitalistischen Gier – und der ersten sozialistischen Utopien, die mit Einwanderern aus Europa kommend auch im Land der rauchenden Colts den einen oder anderen Geist bewegen. Der Franzose Jacques Audiard wirft mit THE SISTERS BROTHERS einen neuen, europäischen Blick auf das ur-amerikanische Genre. In seinem, in Venedig mit dem Silbernen Löwen gewürdigten, leise-melancholischen Anti-Western träumen harte Männer vom bürgerlichen Leben und ja: von einer gerechteren Welt. Denn: Der Mensch lebt nicht vom Tod allein.
    Autor: Andreas Lueg
    „Alle Rembrandts“ – Ausstellung zum 350. Todestag in Amsterdam
    Rembrandt van Rijn war schon zu Lebzeiten ein Superstar des Barock. Er war der beliebteste Maler in seiner Zeit, dem „Goldenen Zeitalter“. Wer immer es sich leisten konnte, wohlhabende Bürger, Kaufleute oder Adlige, gaben bei ihm Gemälde in Auftrag. Rembrandts Bilder waren damals neuartig und spektakulär. Vor allem die Gruppenbilder erzählten Geschichten aus dem täglichen Leben und erzeugten eine ungewöhnliche Dynamik des Moments. Mit beinahe übernatürlichen Licht und Schatten-Effekten schaffte er es, den Betrachter in die Bilder hinein zu ziehen. Diese Faszination hält bis heute an. 2019, 350 Jahre nach Rembrandts Tod, feiert das Amsterdamer Rijksmuseum das niederländische Maler-Genie mit der Ausstellung „Alle Rembrandts“.
    Zu sehen sind neben den Gemälden auch über 300 Drucke und Zeichnungen, die wegen der hohen Empfindlichkeit des Papiers nur selten gezeigt werden. Lange Zeit wurden sie als „Übungsblätter“ betrachtet, heute gelten sie als eigenständige Werke, die erstaunliche Einblicke in Rembrandts Universum und seine psychologische Tiefe geben. Schon zwei Wochen nach der Eröffnung bricht die Ausstellung Zuschauerrekorde. Natürlich kommen die Besucher auch, um die „Nachtwache“ anzuschauen: die Männer der Amsterdamer Bürgerwehr – Rembrandts wohl berühmtestes Bild.
    Autorin: Hilka Sinning
    Frank Biess’ Buch – „Republik der Angst“
    Die vielbeschworene „Stunde Null“ in Deutschland nach Kriegsende und Befreiung vom NS-Regime 1945 – gab es sie wirklich? Der Historiker Frank Biess bezweifelt das und hat jetzt die Geschichte von Demokratisierung und Liberalisierung der Bundesrepublik um eine unerhörte Geschichte ergänzt, eine Geschichte der Angst. Sie beginnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Angst der Deutschen vor der Vergeltung der Juden und Besatzungsmächte. Das ist der Start einer im Vergleich zu anderen europäischen Staaten beispiellosen Abfolge von kollektiven Ängsten, die über Jahrzehnte die politische Kultur des Landes prägten – von der Angst vor dem Atomtod, der Angst vor der Automatisierung der Industrie, Angst vor der Entwicklung zu einem autoritären Staat bis zur Angst vor dem Terror der RAF, vor Waldsterben und atomarer Katastrophe.
    Gleichwohl sind die Deutschen für Frank Biess kein zur Apokalypse neigendes Volk. Vielmehr sind es die traumatischen Erfahrungen von Krieg und Faschismus, die alle Anläufe zu einer nationalen Normalität bis heute kontaminieren. „ttt“ hat Frank Biess im Deutschen Historischen Museum getroffen, wo in diesen Tagen eine Werkschau des Fotografen Stefan Moses gezeigt wird: Bilder eines Nachkriegsalltags, der jeden Moment ins Bizarre zu kippen droht. „Republik der Angst“, ist soeben erschienen.
    Autor: Rayk Wieland
    „Syrian Heritage Archive“ – Ausstellung im Berliner Pergamonmuseum
    Eine der ältesten bekannte Städte der Welt ist Aleppo. Knapp 4000 Jahre Menschheitsgeschichte ist hier noch immer in den verschiedensten Schichten sichtbar. Trotz des Krieges, der die Stadt heftig zerstört und viele Einwohner in die Flucht getrieben hat, wohnen hier noch immer über zwei Millionen Menschen. Ein großer Teil der Altstadt, die zum gefährdeten Welterbe der UNESCO gehört, ist allerdings zerstört. In Berlin kümmert man sich seit 2012 intensiv um die Rettung des syrischen Welterbes – in Form einer gigantischen Datensammlung. Stefan Weber, Direktor des Museums für islamische Kunst auf der Berliner Museumsinsel, der selbst lange in Syrien gelebt und geforscht hat, gründete damals – noch vor dem Bürgerkrieg – die „Syrian Heritage Initiative“.
    Anhand von Fotos, Bauplänen, Erzählungen sollte erstmals nach und nach das syrische Kulturerbe zentral gesammelt, archiviert und sortiert werden – um es dann der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Im Team sind mehrheitlich Syrer, die zumindest anhand von Daten die Historie ihrer Heimat retten – bevor sie von weiteren Granaten, Plünderern oder Baumaßnahmen unwiederbringlich verschwunden ist. Es geht auch darum, einen Wiederaufbau nach historischen Daten möglich zu machen und Kosten dafür genau einschätzen zu können. Eine Ausstellung im Berliner Pergamonmuseum zeigt ab 28. Februar die Wichtigkeit dieser Arbeit.
    Autor: Dennis Wagner (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.03.2019Das Erste
  • Folge 9
    Toby Binder
    Wir sind in Belfast und reden mit dem deutschen Fotografen Toby Binder, der dort einen neuen Fotoband über Jugendliche gemacht hat, und fragen nach den Auswirkungen eines möglichen Brexit auf die Situation in Nordirland.
    Reni Eddo-Lodge
    Wir treffen die britische Journalistin Reni Eddo-Lodge in London und sprechen mit ihr über Rassismus und darüber, warum sie nicht mehr mit Weißen über Hautfarbe sprechen möchte. Neues rechtes Netzwerk Wir schauen auf die neuen Rechten in Deutschland und deren Netzwerk – mit einem neuen Buch von Christian Fuchs.
    Of Fathers and Sons – Kinder des Kalifats
    Wir stellen den Dokumentarfilm „Of Fathers and Sons“ vor, der am 21. März in die Kinos kommt. Talal Derki hat in Syrien den Alltag des Clans von Rebellenführer Abu Osama begleitet.
    Michael Jackson
    Er war der unangefochtene König der Popmusik: Jetzt bröckelt der Mythos von Michael Jackson durch erneute Missbrauchsvorwürfe. Wir sprechen mit dem Direktor der Bonner Kunsthalle, Rein Wolfs, über die Diskussion zur aktuellen Michael-Jackson-Rezeption. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.03.2019Das Erste
  • Folge 10
    Hyper-Gentrifizierung
    Ein Gespenst geht um in Berlin: Es ist das Gespenst der Enteignung von großen Immobilienunternehmen, wie zum Beispiel die „Deutsche Wohnen“. Entstanden ist diese kühne Idee in den Köpfen von ganz einfachen Menschen, die sich durch immer höhere Mieten in einem grundlegenden Existenzrecht bedroht sehen: Dem Recht, ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben. Ist das die Revolution? Die Rückkehr des Kommunismus? Oder nur die überfällige Abkehr von einer Politik, die das menschliche Grundbedürfnis „Wohnen“ der Privatwirtschaft zur Ausbeutung überlassen hat? Die längst in der gesamten Stadt grassierende Gentrifizierung, die um sich greifende Privatisierung öffentlichen Raums bewirken, dass Mieter ihr Zuhause verlieren und Kulturorte verschwinden. Am Ende steht die Kultur des Miteinanders auf dem Spiel – und die Frage im Raum: Wie wollen wir leben, und wie soll das gehen in Berlin und überall in Deutschlands Städten?
    Autor: Andreas Lueg
    Borussia und die Rechten
    Borussia Dortmund – ein Spitzenteam der Fußballbundesliga. Was viele nicht wissen: Sonntag für Sonntag hat der Verein aus dem Ruhrgebiet Heerscharen von Rechtsextremen und Antisemiten im Schlepptau, die sich unter die Fans mischen und das Image des Vereins und des Fußballsports insgesamt ruinieren. Laut Eigenaussage ist „kein anderer Erstligist in seiner Stadt mit so viel Rechtsextremismus konfrontiert wie der BVB“. Jetzt versuchen der Verein und sein Sponsor Evonik gegenzusteuern. Das Chemieunternehmen Evonik, Hauptsponsor des BVB, ist Rechtsnachfolger u.a. von Degussa und I.G. Farben, jenen Unternehmen, die im Dritten Reich nicht nur das Zwangsarbeiterlager Auschwitz-Monowitz (Buna-Werke) mitbetrieben, sondern auch das Vernichtungsgas Zyklon B herstellten.
    Nun gibt es Workshops mit „Ultra“-Fans, Ausstellungen zur Geschichte, Vorträge und Gesprächsveranstaltungen mit Holocaust-Überlebenden – auch das Stadionmagazin widmet sich dem Thema mit einem großen Sonderteil. Ist das nur Marketing und Imagereparatur? Oder ein ernsthafter und nachhaltiger Versuch, den Rechtsradikalismus in den eigenen Fanreihen erfolgreich zu bekämpfen?
    Autor: Norbert Kron
    Alice Merton
    Es war der erste Song den sie veröffentlichte und er ging prompt durch die Decke. NO ROOTS von Alice Merton wurde zum Welthit. Rund 400 Millionen Mal gestreamt, 170 Mio. Klicks bei YouTube, Top 10 in über 10 Ländern und – was vor ihr nur Nena gelang – der Track hat es auch in die amerikanischen Charts geschafft. Die 25 Jährige, der Vater Engländer, die Mutter Deutsche, hat nun auf dem eigenen Label „Paper Plane Records“ ihr erstes Album „MINT“ herausgebracht, mit dem sie klarstellen will, dass sie kein One Hit Wonder ist. Wir haben Alice Merton kurz vorm Start ihrer Europatournee bei der Probe in Berlin getroffen.
    Autorin: Charlotte Pollex
    Der Erfinder, der keiner war: Leonardo Da Vinci
    2019 feiert Europa den 500. Todestag von Leonardo Da Vinci. Wer wird da eigentlich gefeiert? Ein Maler, Bildhauer, Architekt, Ingenieur, Philosoph, Naturwissenschaftler, Erfinder. Kurzum: ein Meister aller Klassen, ein Superman, ein Universalgenie. War er das wirklich? Der Wissenschafts-Bestsellerautor Matthias Eckoldt geht in seinem gerade erschienen Buch „Leonardos Erbe“ den vermeintlichen Erfindungen von Da Vinci nicht auf dem Leim, sondern auf den Grund. Fast könnte man meinen, er stürzt einen Heiligen vom Sockel, aber er klärt nur ein paar Trugbilder und Missverständnisse auf. Da Vinci nicht als Ikone, sondern so wie er war.
    Autor: Lutz Pehnert
    „Wahnsinn Kreuzfahrt“
    Wer sich auf eins der modernen Riesen-Kreuzfahrtschiffe begibt, der braucht eigentlich gar nicht mehr losfahren. Es gibt dort die Welt auf 15 oder 20 Decks – Restaurants mit Essen aus aller Herren Länder, Shopping-Malls, Discos, Kletterwände, mehrstöckige Poolrutschen, Fitness-Center und demnächst wird ein Schiff mit Achterbahn vom Stapel laufen. Das Leben auf dem so einem Schiff ist nach innen gerichtet – das Meer und die Orte, wo die schwimmenden Urlaubsburgen anlegen, werden zur Nebensache. Als „Alptraum- und Monsterschiffe“ bezeichnet der Buchautor Wolfgang Meyer-Hentrich in seinem Buch „Wahnsinn Kreuzfahrt“ die neuen Riesen-Schiffe. In Dubrovnik, der kleinen kroatischen Hafenstadt an der Adria, legen manchmal bis zu 8 Schiffe zur gleichen Zeit an.
    Dann strömen Tausende Touristen ins UNESCO-Weltkulturerbe Dubrovnik, sie zücken ihre Selfie-Sticks, machen ein paar Bilder, vermüllen die Stadt mit Starbucks-Kaffeebechern und sind nach ein paar Stunden wieder weg. Dieser Art von „Urlaub und Tourismus“ haben Städte wie Dubrovnik jetzt den Kampf angesagt. Der Bürgermeister der 1000-Einwohner-Stadt will nur noch 2 Schiffe zugleich erlauben und die Liegegebühren drastisch erhöhen. Die Frage ist, ob er und seine Kollegen in Venedig, Barcelona und Amsterdam den Kampf gegen die global agierenden Kreuzfahrtgesellschaften gewinnen können und ihre Städte vor den modernen Kreuzfahrern wirklich retten können.
    Autor: Ulf Kalkreuth (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.03.2019Das Erste
  • Folge 11
    Sondersendung von der Leipziger Buchmesse
    Die geplanten Themen:
    - „Ein empfindsamer Mensch“ – Roadmovie-Roman von Jáchym Topol
    Tschechien ist in diesem Jahr Gastland auf der Leipziger Buchmesse. An Vaclav Havel denken und Milos Zeman als Präsidenten haben, das könnte einen beinahe zerreißen, meint der tschechische Schriftsteller Jáchym Topol. Aber er ist zuversichtlich, das gesellschaftliche Pendel sei wieder auf dem Weg in die andere Richtung, die Tschechen seien nicht blöd. Jáchym Topol kommt nach Leipzig mit seinem fulminanten Roman „Ein empfindsamer Mensch“, der am 10. März auf Deutsch erschienen ist. Sein schillernder Roadmovie-Roman treibt seine Helden auf eine wilde Reise durch halb Europa in Zeiten der Flüchtlingsströme. Hinein in die böhmische Pampa, das erdverbundene Herz des Landes. Topol kennt sich da aus. Der Prager Dissidentensohn, selbst einst Unterzeichner der Charta 77, hat viel Zeit auf dem Land zugebracht und mit den sogenannten „vergessenen“ Menschen zusammen gelebt, gehandelt und getrunken. Wir trafen Jáchym Topol in Prag und in Leipzig auf der Buchmesse.
    (Autor: Dennis Wagner)
    - Max Moor im Gespräch mit Sarah Wiener über Bienen
    „Am Schicksal der Bienen ist all das zu beobachten, was das Beziehungsgeflecht Mensch – Tier – Pflanze ausmacht“, sagt Sarah Wiener. Sie hat ein Buch mit dem Titel „Bienenleben: Vom Glück, Teil der Natur zu sein“ geschrieben. Sarah Wiener – Köchin, Nachhaltigkeitsikone, Biobäuerin, Imkerin entführt uns in die faszinierende Welt der Bienen, die ein maßgeblicher Indikator für die Gesundheit unseres Lebensraumes sind. Ihr Credo: Bienenvölker sind komplexe Persönlichkeiten, sie verfügen über spezifische Charaktere und Eigenschaften, und sie können uns lehren, wie ein funktionierendes Gemeinwesen mit Werten wie Solidarität, Vertrauen und Arbeitsteilung entsteht. Sarah Wiener nimmt uns mit auf eine abenteuerliche Reise durch den Lebenszyklus eines Bienenvolkes und beschreibt, welche Bedeutung das Imkern und die Beschäftigung mit den Bienen für sie haben.
    - „Regieren“ – Thomas de Maizière gibt Einblick in den Politikprozess
    Thomas de Maizière stellt sein Buch „Regieren. Innenansichten der Politik“ auf der Leipziger Buchmesse vor. Jeder weiß, wie die Arbeit eines Lehrers oder eines Arztes aussieht – was genau aber macht ein Politiker, zumal ein Minister? Thomas de Maizière: Loyal bis zur Selbstverleugnung, ein Staatsdiener und Schildknappe der Kanzlerin als Minister im Kanzleramt, im Verteidigungs- und Innenressort. Sein Buch „Regieren“ ist im wahrsten Sinne Sachbuch. So trocken wie klar beschreibt es Prozeduren, Mechanismen und das Handwerk am Uhrwerk der Macht. Lehrbuch und Rechtfertigung eines Mannes, der sich nicht selten als „Spaßbremse“ der Republik empfand. Wolfgang Herles über das Buch und seinen Autor.
    (Autor: Wolfgang Herles)
    - Masha Gessen erhält den Buchpreis für Europäische Verständigung
    Die russisch-amerikanische Publizistin Masha Gessen bekommt den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung u.a. für ihr Buch „Die Zukunft ist Geschichte: Wie Russland die Freiheit gewann und verlor“. Sie untersucht ein Land, das sich unter Gorbatschow öffnete und sich wieder verschloss. Eine Gesellschaft, die zu Emanzipation, Freiheit und Selbsterkenntnis aufgebrochen war und die sich heute mit Bevormundung und Repression eingerichtet hat. Wie konnte es dazu kommen? Die Frage hat die Autorin Masha Gessen nicht losgelassen. Im Zentrum stehen vier Menschen der Generation 1984. Sie kamen in die Schule, als die Sowjetunion zerfiel, und wurden unter Präsident Putin erwachsen. Junge Leute aus unterschiedlichen sozialen und familiären Verhältnissen. Die große Erzählung von Aufbrüchen und gescheiterten Hoffnungen der Jungen wird flankiert von einer akribischen, soziologischen Gesellschaftsstudie.
    (Autor: Jens-Uwe Korsowsky)
    Außerdem: Messe-Rundgang mit aktuellen Tendenzen und Entwicklungen in der Literaturbranche (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.03.2019Das Erste
  • Folge 12
    Die geplanten Themen:
    Walter Gropius – Architekt seines Ruhms
    Er zählt zu den Großen der modernen Architektur: Was aber hat Walter Gropius wirklich gebaut? Nicht sehr viel. Und das ist nicht erstaunlich, denn nach zwei Jahren Studium war klar, dass ihm jedes Talent zum Architekten fehlte. Doch Gropius ließ sich nicht beirren, gründete ein Architekturbüro, in dem andere jene Bauten entwarfen, die heute als Ikonen der Moderne gelten. In seinem Netzwerk tauchen alle Namen auf, die in der Geschichte der Architektur und des Designs im 20. Jahrhundert eine Rolle spielen. Wer wollte da an der Bedeutung des „Stararchitekten“ zweifeln? Der Autor Bernd Polster hat Gropius’ Leben akribisch erforscht – man wird es in Zukunft nicht mehr als Heldengeschichte, sondern als Schelmenroman erzählen.
    Das NASA Archiv. 60 Jahre im All
    Als die NASA, die National Aeronautics and Space Administration, 1958 ihren Betrieb aufnahm, war das auch ein Akt der Psychohygiene für eine geschockte und hysterisierte amerikanische Nation, über die seit einem Jahr russische Sputniks hinwegzogen. Wenige Jahre später hatte sich das Häufchen von Rocketmen, Technikern und Testpiloten, die schon früh von PR-Profis Unterstützung erhielten, zu einem führenden Technologieunternehmen und einer Mythenfabrik gemausert. Astronauten wurden zu neuen Nationalhelden, und Programme wie Mercury, Gemini und schließlich Apollo fesselten Millionen und machten Cape Canaveral zu einer nationalen Pilgerstätte. Der Wissenschaftsjournalist und Weltraumhistoriker Piers Bizony zeichnet nun in einem Prachtband diese Geschichte nach, die in Zusammenarbeit mit der NASA entstand und ein Dokument ist für Fortschrittsglauben, Pioniergeist und ein wenig – Größenwahn.
    Die Wiese – Ein Paradies nebenan
    Der auf Naturfilme spezialisierte Regisseur Jan Haft befasst sich in seinem neuesten Dokumentarfilm mit der Vielfalt von Flora und Fauna auf deutschen Wildwiesen. Nirgendwo gibt es mehr Farben zu sehen, als auf einer blühenden Wiese im Sommer. Hier tummeln sich täglich die verschiedensten Arten von Vögeln, Insekten und anderen Tieren zwischen den Gräsern und Kräutern. Diese Vielfalt macht die bunte, saftige Sommerwiese zu einer faszinierenden Welt, in der ein Drittel unserer heimischen Pflanzen- und Tierarten sein zuhause hat. Jan Haft ermöglicht mit hohem technischem Aufwand nie gesehene Aufnahmen. So begleitet er zum Beispiel ein junges Reh, das sich sowohl im Waldrand als auch auf der Wiese wohlfühlt und den Zuschauer an seinen Abenteuern teilhaben lässt. Obwohl jeder meint, die Wiesen Deutschlands zu kennen, zeigt der Filmemacher, wie viele Überraschungen eine scheinbar einfache Weide bereithalten kann. Der Film feiert den Kosmos Wiese in berauschenden Bildern.
    Losing Earth
    Ein dramatischer Essay über ein beispielloses Menschheitsversagen: Es gab in den achtziger Jahren einen Moment, an dem die Klimakatastrophe, die wir jetzt erleben, hätte verhindert werden können. Der Schriftsteller Nathaniel Rich schildert, wie Ende der siebziger Jahre Wissenschaftler und Politologen erstmals erkennen, dass sich die Erderwärmung desaströs beschleunigt, aber auch, was dagegen zu tun ist. Nach einem Jahrzehnt erbitterter Kämpfe um Öffentlichkeit, Anerkennung und politischer Maßnahmen sind die Regierungen von 67 Staaten bereit, den Klimawandel ernst zu nehmen und ihre Emissionen zu reduzieren – darunter die USA. Doch das weltweite Klimaabkommen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes scheitert 1989, kurz vor dem Durchbruch. Die historische Reportage liest sich wie ein Krimi. Die Folgen des damaligen Scheiterns sind längst zu spüren. Nathaniel Richs These: Die Erde in ihrer heutigen Gestalt wurde damals verloren.
    El Anatsui
    Der Ghanaer El Anatsui ist der momentan wohl bedeutendste Künstler Afrikas. Im Münchner Haus der Kunst wird derzeit die bislang größte Ausstellung seiner Werke gezeigt: „El Anatsui: Triumphant Scale“. Im Zentrum stehen seine monumentalen Skulpturen aus Schraubverschlüssen. Diese Werke glänzen durch ihre imposante Präsenz, ihre Faltungen und ihre schillernden Farben. Eine nie gesehene Kunst – überwältigend und gleichzeitig verspielt. Die Ausstellung ist auch ein Vermächtnis des vor wenigen Tagen verstorbenen ehemaligen Leiters am Haus der Kunst, Okwui Enwezor, der die Ausstellung mit kuratierte. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 31.03.2019Das Erste
  • Folge 13
    Energie, Mut und langer Atem – Kinder für den Klimaschutz
    Seit fast neun Monaten streikt Greta Thunberg für das Klima. Doch wie geht es mit „Fridays for Future“ weiter? „ttt“ hat mit zwei jungen Umweltaktivisten gesprochen, die als „Klima-Kids“ begannen und heute prominente Umweltschützer sind.
    Politischer Chic – Die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ in Frankfurt
    Schon lange nicht mehr hat eine Ausstellung für so viel Wirbel gesorgt wie „Contemporary Muslim Fashions“ in Frankfurt. Kritik kommt von liberalen Musliminnen und Feministinnen, aber auch aus der rechtsradikalen Ecke.
    Stilbildend – Die Londoner Fotografenlegende David Bailey
    Bekannt geworden ist er als Chronist des Swinging London in den 60er Jahren: David Bailey, einer der berühmtesten Porträtfotografen der Welt. Jetzt erscheint eine Sonderedition seiner Porträts und Reportagefotos in Übergröße.
    Vincent van Gogh: Zwischen Genie und Wahnsinn
    Julian Schnabels Filmbiografie Vincent van Gogh gehört zu den bedeutendsten Malern der Moderne. Über seine letzten Lebensmonate im französischen Arles hat Julian Schnabel einen Film gedreht. Es ist eine außergewöhnliche Annäherung an einen außergewöhnlichen Künstler. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.04.2019Das Erste
  • Folge 14
    „Sieben Schritte in die Diktatur“ – Neues Buch der Journalistin Ece Temelkuran über die Türkei
    Die Journalistin und Juristin Ece Temelkuran verlor 2011 aufgrund ihrer oppositionellen Haltung und Kritik an der Regierungspartei ihre Stelle bei einer der großen türkischen Tageszeitungen – und damit ihre Existenz. Mittlerweile lebt sie in Zagreb. Ihr neues Buch „Wenn Dein Land nicht mehr Dein Land ist oder Sieben Schritte in die Diktatur“ ist eine brillante Analyse. Darin warnt sie vor dem Aufstieg von Autokraten und zeigt Parallelen der Entwicklung in der Türkei zu anderen Ländern auf, in denen Populisten mehr und mehr Einfluss gewinnen. Der langjährige „ttt“-Autor Halil Gülbeyaz hat die Autorin getroffen, er selbst hat seine Presseakkreditierung für die Türkei verloren und ist so ebenfalls Opfer der Einschränkung der Pressefreiheit durch Erdogan geworden.
    Theater gegen das Trauma – 25 Jahre nach dem Genozid in Ruanda
    Die Theater-Gründerin Hope Azeda erzählt in ihrer neuen Produktion „Generation 25“ die Geschichte Ruandas vom Genozid bis heute. In hundert Tagen wurden 800.000 Menschen ermordet, auch Hope Azeda hat damals Angehörige in dem Massaker verloren. Noch bis zum Juli ist in Ruanda Staatstrauer im Gedenken an das unfassbare Blutvergießen, das das Land vor 25 Jahren erschütterte. In dem aktuellen und sehr bewegenden Stück der Theatermacherin geht es darum, wie junge Ruanderinnen und Ruander mit ihrer Geschichte umgehen und nach vorne blicken, mit Hilfe von Gesang, Tanz und Sprache.
    Andauerndes Unrecht – Wie die Erben von Max Emden noch immer um seine Kunstschätze kämpfen
    Es war ein privilegiertes Leben, ein Leben in Luxus, aber auch ein großzügiges Stifterleben, das der jüdische Kaufmann Max Emden führte. Er besaß zahlreiche Immobilien und Kaufhäuser, wie das KaDeWe in Berlin oder Oberpollinger in München. Er trug eine stattliche Kunstsammlung zusammen und stiftete der Freien und Hansestadt Hamburg den ersten Golfclub und Poloclub – bis die Nationalsozialisten ihn nach und nach enteigneten und zu Notverkäufen aus seiner Kunstsammlung zwangen. Zwei Bilder daraus befinden sich heute im Besitz der Bundesrepublik. Erst kürzlich hat die beratende Kommission der Bundesregierung die Rückgabe empfohlen – über zwanzig Jahre nach Unterzeichnung der Washingtoner Erklärung und nach langem Kampf der Erben. Eigentlich ein Skandal! Jetzt zeichnet ein Dokumentarfilm den Fall Emden auf: „Auch Leben ist eine Kunst“ (Filmstart 25. April). „ttt“ über ein andauerndes Unrecht.
    Thriller um einen deutschen Justizskandal – „Der Fall Collini“ nach Ferdinand von Schirach im Kino
    Ein Italiener erschießt einen deutschen Großindustriellen. Vor Gericht schweigt der Täter, aber sein Anwalt kann die Geschichte rekonstruieren: Der Vater des Italieners wurde 1944 von einem deutschen SS-Kommando erschossen. Seine Klage kam 1969 nicht vor Gericht, da die Tat verjährt sei, so die Begründung. „Der Fall Collini“ ist ein Gerichtsthriller nach Ferdinand von Schirach mit einem großartigen Cast (Elyas M’Barek, Franco Nero) und einem bitteren Hintergrund. 1968 wurde das sogenannte Dreher-Gesetz vom Deutschen Bundestag beschlossen. Eduard Dreher, zur Nazizeit als Staatsanwalt tätig, hatte als hoher Ministerialbeamter ein Gesetz verfasst, das zahlreiche Kriegsverbrechen als Totschlag und nicht als Mord bewertete – wodurch viele Taten von Nazi-Tätern auf einmal als verjährt galten und straffrei blieben. Ein Justizskandal, der Pate für die Verfilmung dieser Geschichte stand (Filmstart 18. April.).
    Makellos, schön und digital – Wie ein Kunstwesen den Supermodels Konkurrenz macht
    Sie ist makellos und schön. Große Modehäuser werben mit ihrem Gesicht. Dabei erledigt sie mehrere Jobs gleichzeitig, ist nie müde oder krank. Optimale Voraussetzungen für einen Knochenjob also. Doch Shudu ist nicht echt, sondern das erste künstliche Fotomodel der Welt – hochglanz, ganz und gar erschaffen am Computer. Eine Revolution in der Modeindustrie und vielleicht die Zukunft der Modebranche, in der ohnehin schon getrickst, nachbearbeitet und immer mehr geschönt wird. Und doch regt sich Widerstand: zu perfekt, zu wenig ausdrucksfähig, zu glatt wirke das Kunstwesen. ttt über die Auswüchse eines Trends, der das Ende der Supermodel-Kultur einläutet. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 14.04.2019Das Erste
  • Folge 15
    Die geplanten Themen:
    Osteuropa und die EU – vor der EU-Wahl, eine Bestandsaufnahme
    Ach, Europa! Die Europawahl im Mai, 30 Jahre nach dem Mauerfall findet den Kontinent in düsterer Lage. 1989 feuerte überall die demokratische Phantasie an, heute glauben immer weniger Menschen an das Versprechen Demokratie; weltpolitisch und ökonomisch droht die Marginalisierung. Die Zukunft ist nicht mehr das, woran Europäer glauben – sie ist das, was immer mehr Europäer fürchten, während die Politik in Europa nur noch versucht, Panik zu verhindern. Besonders in Osteuropa wurde aus Hoffnung nach dem Ende des Kommunismus ein Kampf um kulturelle Souveränität und Identität, von dem vor allem eine neue, fremdenfeindliche Rechte profitiert. Was ist schiefgelaufen seit ’89? Vor allem: Was tun gegen den drohenden Zerfall, die Polarisierung und Selbstzerfleischung Europas? „ttt“ fragt mit Martin Simecka und Ivan Krastev zwei bedeutende osteuropäische Publizisten und Philosophen.
    Simecka, der als Dissident die Wende in der Slowakei mitgestaltete, erinnert Euroskeptiker an die immer wieder gefährdete, aber von den Bürgern aktiv verteidigte Demokratie in seinem Land. Krastev, Leiter des renommierten Center for Liberal Strategies in Sofia, empfiehlt den europäischen Eliten weniger Arroganz und mehr Selbstbewusstsein, vor allem Ehrlichkeit: Europa müsse endlich seinen Problemen ins Auge sehen, statt ihnen konsequent immer nur auszuweichen.
    Autor: Andreas Lueg
    „Nur eine Frau“ – Film
    Am 7. Februar 2005 wird Hatun Aynur Sürücü auf offener Straße in Berlin mit drei Kopfschüssen aus nächster Nähe hingerichtet. Sie ist 23 Jahre alt und Mutter eines fünfjährigen Sohnes, der zur Tatzeit allein in seinem Bett liegt und schläft. Der Mörder kommt aus der eigenen Familie. Es ist ihr jüngster Bruder, der mit der Tat die „Ehre der Familie“ wieder herstellen will. Die Geschichte dieses „Ehrenmordes“, der bundesweit für Entsetzen sorgte und eine Debatte über Zwangsehen und Wertvorstellungen von in Deutschland lebenden muslimischen Familien auslöste, erzählt jetzt der Kinofilm „Nur eine Frau“.
    Regisseurin Sherry Hormann macht hier Hatun Aynur Sürücü zu einer gerade in ihrer Nüchternheit erschütternden Berichterstatterin ihres eigenen Schicksals: Sie schildert rückblickend ihre Zwangsverheiratung im Alter von 16 Jahren, die anschließende Flucht vor ihrem prügelnden Ehemann, wie sie das Kopftuch ablegte, eine Lehre begann und sich ein selbstbestimmtes Leben aufbaute – gegen den Widerstand ihrer strenggläubigen Familie, die am Ende ihre Ermordung betrieb. Sürücüs Tod war der Beginn einer bis heute dauernden Debatte um Zwangsehen und Verbrechen im Namen der Ehre.
    Der Berliner „Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung“, nach ihrer Ermordung gegründet, hat 2017 allein für Berlin 570 Fälle von Zwangsverheiratungen ermittelt. Im gleichen Jahr wurden in Deutschland 51 vollendete oder versuchte Morde oder Totschlagsverbrechen „im Namen der Ehre“ registriert. Der Menschenrechtlerin und Anwältin Seyran Ates zufolge, die seit Jahrzehnten für die Rechte muslimischer Frauen kämpft, hat sich seit Sürücüs Tod zu wenig geändert. Ates kann sich nach zahllosen Morddrohungen und einem Attentatsversuch nur noch mit Polizeischutz in Deutschland bewegen.
    Autor: Rayk Wieland
    Glen Hansard – neues Album des irischen Singer-Songwriters
    Ausgelaugt und erschöpft. So fühlte sich Glen Hansard als er nach Paris kam, um dort an seinem neuen Album zu arbeiten. Das viele Touren, die oft stundenlangen Konzerte hatten ihren Tribut gefordert. Und doch sollte der irische Sänger ausgerechnet in der französischen Hauptstadt zu neuer Kraft und Kreativität finden. Dank eines schicksalhaften Treffens mit den Khoshravesh-Brüdern, einem iranischen Musikertrio, das er auf einer Party kennenlernte. Er lud die drei Musiker ins Studio ein und warf das Konzept seines Albums kurzerhand über den Haufen. „This Wild Willing“ ist das vierte Studioalbum des Dubliner Musikers, der 2007 vor allem mit dem Kinofilm „Once“ einem weltweiten Publikum bekannt wurde.
    Darin spielte er nicht nur die Hauptrolle, sondern sang mit seinem weiblichen Counterpart Markéta Irglová auch eines der wohl schönsten Duette der Filmgeschichte: „Falling Slowly“. Der Song wurde 2008 mit dem Oscar prämiert. Und für den ehemaligen Straßenmusiker Hansard begann eine Weltkarriere. Wenn er nicht gerade mit seiner Band um die Welt reist und eines seiner beeindruckenden Konzerte gibt, lebt der Ire zurückgezogen in einem kleinen, malerischen Nest unweit von Dublin im Kildare County. „ttt“ hat ihn dort besucht, um mit ihm über sein neues Album zu sprechen, über seine Heimat Irland und darüber, warum iranische Weltmusik und irische Folksong wunderbar miteinander harmonieren können.
    Autor: Marcus Fitsch
    „Zuflucht Havanna“
    Es war vor achtzig Jahren: 937 deutsche Juden, ausgestattet mit Touristenvisa für Kuba, begaben sich mit dem Passagierschiff St. Louis der Hamburger Reederei HAPAG auf die Flucht nach Havanna, um ein halbes Jahr nach den Ausschreitungen der Reichspogromnacht den Verfolgungen durch die Nazis zu entgehen. Doch trotz Zusage weigerte sich die kubanische Regierung, das Schiff am Pier anlaufen zu lassen. Nach Verhandlungen durften lediglich 29 Passagiere von Bord gehen. Sowohl die USA wie auch Kanada lehnten die Aufnahme der restlichen jüdischen Flüchtlinge ab, sodass das Schiff im Juni 1933 nach Europa zurückkehren musste. Die Flüchtlinge wurden schließlich in Antwerpen von Bord gelassen und auf Belgien, die Niederlande, Frankreich und Großbritannien verteilt.
    Nach neueren Forschungen wurden 254 der Passagiere im Holocaust ermordet. Anlässlich des denkwürdigen Jahrestags hat der kubanische Schriftsteller Fernando Remírez diesem Ereignis einen ebenso fesselnden wie detailreichen Roman gewidmet („Zuflucht Havanna“). Auf Basis einer akribischen historischen Recherche rekonstruiert er nicht nur die tragische Schiffspassage, sondern liefert auch ein politisches und kulturelles Panorama der 1930er-Jahre, als Havanna noch eine Art exklusiver „Nachtclub“ der amerikanischen Oberschicht war. „ttt“ hat den Romanautor Fernando Remírez in Havanna besucht.
    Autor: Reinhold Jaretzky (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.04.2019Das Erste
  • Folge 16
    Die geplanten Themen:
    Eine Insel und zwei Milliardäre
    „ttt“ über den Dokumentarfilm „Was kostet die Welt“ Die Insel Sark ist ein kurioser Sonderfall. Gelegen im Kanal vor der Bretagne, zwischen Jersey und Guernsey, gehört die Insel zwar zu Europa, aber nicht zu Großbritannien, sondern der britischen Krone. Ein „gallisches Dorf“ mitten im Meer, 500 Einwohner, 5,5 Quadratkilometer klein und mit seiner jüngsten Geschichte eine Parabel auf das Verhältnis von Finanzkapital und Demokratie in der globalisierten Welt. Die Lage – mittendrin und außen vor (den europäischen Steuergesetzen) – machte die Insel herausragend attraktiv für zwei Milliardäre, die aus dem Eiland ein neues Steuerparadies machen wollten.
    Leider konnten sie bei diesem Vorhaben die Inselbewohner und ihre Lebensweisen nicht wirklich gebrauchen. Der Dokumentarfilm „Was kostet die Welt“ erzählt vom Vorgehen der Brüder David und Frederick Barclay gegen die Bewohner von Sark. Wie sie die Insel Stück für Stück kaufen, die Bewohner verdrängen und gegen jene, die sich nicht verdrängen lassen, Anwälte und Journalisten in Stellung bringen. Wie unter einem Mikroskop zeigt die Geschichte der Insel, was passiert, wenn lokale und regionale Politik den international agierenden Wirtschaftskräften nicht gewachsen ist.
    Wenn demokratische und öffentliche Institutionen nicht funktionieren und nach und nach oligarchischen Strukturen weichen. „Was kostet die Welt“ ist damit auch eine Parabel auf ein Europa, in dem zum Beispiel noch immer keine wirksamen Mechanismen existieren, um globale Plattform-Konzerne wie Google oder Apple zu regulieren. „ttt“ hat die Regisseurin Bettina Borgfeld zum Interview getroffen. Sie erzählt nicht nur von ihren Recherchen und Dreharbeiten auf der Insel, sondern auch davon, wie sie selbst von den Barclay-Brüdern denunziert, eingeschüchtert und bedroht wird.
    Außerdem bei „ttt“:
    „Die große Heuchelei“
    Jürgen und Frédéric Todenhöfer und ihr großes Friedens-Plädoyer: In ihrem aktuellen Buch berichten Vater und Sohn von ihren Reisen in die gefährlichsten Krisengebiete der Welt, sie reisen dorthin, wohin andere gar nicht kommen – oder erst gar nicht versuchen, dorthin zu gehen. „ttt“ zeigt exklusive Filmaufnahmen der Todenhöfers aus Mossul und dem Jemen.
    Was sollen Algorithmen können dürfen?
    Trevor Paglen und die universelle Überwachung: Paglen ist der erste Künstler, der einen Satelliten in den Himmel geschossen hat, den „Orbital Reflector“ – ein millionenteures Kunstprojekt, das mit seinem reflektierenden, blinkenden Sonnensegel am Himmel darauf aufmerksam machen soll, wie wir All-umfassend überwacht werden. Auf der Erde arbeitet Paglen derweil am selben Thema, der digitalen Überwachung. „Sight Machine“ heißt das Projekt, das er zusammen mit dem Kronos Quartett auf die Bühne bringt. „ttt“ war beim Start des Satelliten und beim Auftritt des Quartetts dabei.
    James Blake
    Der „Sad Boy“, der nicht länger traurig sein will, und sein neues Album „Assume Form“: Im Interview mit „ttt“ spricht Blake über depressive Phasen, über Männer und Verletzlichkeit, und kritisiert erstmals offen in einem TV-Interview das Sad-Boy-Image, das die Traurigkeit glorifiziere und gerade in der Musikindustrie Künstler in den Suizid treibe. Im Internet unter www.DasErste.de/​ttt (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 05.05.2019Das Erste
  • Folge 17
    Eine Künstlerin, die nicht spricht und eine Mauer, die nicht hält – was ist los im Deutschen Pavillon?
    Natascha Süder Happelmann nennt sich die Künstlerin, die in diesem Jahr den deutschen Pavillon bespielt. Sie trägt eine wie ein Stein aussehende Maske und spricht nicht selbst. Die Verweigerung von Angaben zur echten Person ist Teil ihres Konzeptes, zudem Auftritte mit einer sogenannten Sprecherin und einige bereits im Vorfeld veröffentlichte Videos. Wenn man den deutschen Pavillon betritt, sieht man als erstes eine riesige, undicht gewordene Staumauer. Vielleicht ein Bild für die Unmöglichkeit, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemanbrandungen einzudämmen.
    Virtuelle Realität, globalisierte Handelswege, malende Roboter: Chefkurator Ralph Rugoff über Kunst und Wirklichkeit.
    Der in New York geborene Kurator, der jetzt in London die Hayward Gallery leitet, hat die Zahl der teilnehmenden Künstler der Hauptausstellung reduziert. Seine Idee: Die Welt der Kunst weist sehr klare und spezifische Bezüge zu unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit auf. Klimawandel, Digitalisierung, Besiedelung des Weltraums, die Transportwege der Kunst, Möglichkeiten, sich in repressiven Systemen künstlerisch auszudrücken.
    Warum hat der Oktopus ein Handy? Laure Prouvost flutet den Französischen Pavillon.
    Der Haupteingang ist versperrt, wir müssen sehen, ob wir nicht irgendwie hintenherum hineinkommen können. Im Keller: Schutthaufen. Angeblich wird hier ein Tunnel zu den Briten gegraben. Oben dann: wie die Reste der Zivilisation nach der großen Flut, Kinderschuhe, Handys, Meeresgetier. Eine Taube sucht wie bei Noah nach festem Land. Videos, Blaskapellen und Zauberer beschwören die glorreiche Vergangenheit der Europäischen Kultur.
    Österreich feiert die Wiederauferstehung der feministischen Avantgarde: Renate Bertlmann provoziert mit messerscharfen Rosen und Nippelklingen.
    Während Hermann Nitsch, Arnulf Rainer oder Günter Brus mit ihrer radikalen Aktionskunst berühmt geworden sind, findet Renate Bertlmann die von der Kunstwelt lange versagte Anerkennung erst jetzt. Ihre Auseinandersetzung mit Mutterschaft, Geschlecht und Gewalt ist bestürzend, präzise und radikal zeitgemäß.
    Der erste eigenständige Auftritt von Ghana in Venedig – Wüste, Flucht und tote Elefanten.
    Stararchitekt David Adjaye hat den Pavillon des westafrikanischen Landes gestaltet. Zu sehen: Werke von El Anatsui, der mit seinen Flaschenverschluss-Tapisserien weltberühmt wurde, John Akomfrah mit einer spektakulären Videoarbeit, oder Felicia Abban, die als die bedeutendste Fotografin des Landes gilt. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.05.2019Das Erste
  • Folge 18
    Geplante Themen:
    - Roadtrip durch Ost und West: Die Grenze in den Köpfen – 30 Jahre nach dem Mauerfall
    - Erst schießen, dann reden: Wie Bolsonaro in Brasilien Bildung und Kultur verramscht
    - Umkämpftes Asyl: Die Geschichte eines umstrittenen Artikels im Grundgesetz
    - Von Endlichkeit und Glück: „The National“ mit neuer Platte auf Tour
    - Nachruf auf Wiglaf Droste: Willy Winkler zum Tod des „Tucholsky unserer Tage“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 19.05.2019Das Erste
  • Folge 19
    Das ttt-Spezial von den 72. Filmfestspielen in Cannes: Cannes 2019 ist wieder ein Wettbewerb der großen Namen des Regiefachs: Quentin Tarantino, Pedro Almodóvar, Ken Loach, Terrence Malick, die Dardenne-Brüder, altbekannte Cannes-Darlings, die das Festival auch in diesem Jahr mit ihren Filmen bereichern. Zu den wichtigsten Filmen, die mit Spannung erwartet wurden, gehört der neue Film von Quentin Tarantino „Once upon a time in Hollywood“. Das Werk spielt in den späten 60er Jahren, als die „Manson-Family“ mordete. Ein opulent-drastisches Spektakel mit Brad Pitt und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen.
    Pedro Almodóvar hat mit seinem autobiografisch gefärbten Werk „Dolor y Gloria“ über einen alternden, schmerzgepeinigten Regisseur nicht nur seinen ganzen Cast, sondern auch die Kritiker gerührt und berührt. Sein Film wird als einer der Favoriten für die Palme gehandelt. Terrence Malick erzählt in „A hidden life“ die Geschichte des Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter, der nicht als Soldat einen Krieg unterstützen will, an den er nicht glaubt und dafür hingerichtet wird. Ein hochmetaphorisches dreistündiges Epos mit August Diehl und Valerie Pachner in den Hauptrollen. Ken Loach gelingt es mit „Sorry we missed you“ erneut mit einem starken Sozialdrama aufzurütteln.
    Diesmal haben er und sein Drehbuchautor Paul Laverty die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Paketzusteller in den Blick genommen. Erstmals sind im Wettbewerb auch Filme von vier Regisseurinnen vertreten, unter ihnen die junge Französin senegalesischer Abstammung Mati Diop. Sie überrascht mit einem Film, der im Senegal spielt. „Atlantique“ ist halb Märchen, halb Zombiegeschichte und erzählt auch von der Flucht aus Afrika. Jessica Hausner aus Österreich präsentiert mit „Little Joe“ einen Bio-Thriller über eine genmanipulierte Pflanze, die jeden verändert, der mit ihr in Berührung kommt.
    Dieser Film wurde vom Bayerischen Rundfunk mitproduziert. Auch in diesem Jahr wurde der rote Teppich zur Plattform für feministische Themen. Argentinische Aktivistinnen, die in dem Dokumentarfilm „Que sea Lay“ die Legalisierung der Abtreibung fordern, protestierten – unterstützt von prominenten Schauspielerinnen – gegen die argentinische Gesetzgebung, die Abtreibung kriminalisiert und Frauen zwingt, ihr Leben bei illegalen Eingriffen aufs Spiel zu setzen. Cannes 2019 ist ein hochpolitisches, aufrüttelndes Festival. Eine Mischung aus Glamour und gesellschaftlicher Relevanz. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.05.2019Das Erste
  • Folge 20
    Die geplanten Themen:
    Jung gegen Alt – Haben sich die Generationen entfremdet?
    Die Jugend wählt Grün, die CDU erreicht nur noch die Alten, die SPD für ihre Verhältnisse eigentlich gar niemanden mehr – so und ähnlich wurde die Europawahl zusammengefasst. Viele junge Wähler und Schüler fühlen sich von den alten Volksparteien nicht verstanden und prangern fehlende Zukunftsvisionen an. Auch beim Brexit oder der Trump-Wahl machte sich schon eine deutliche politische Spaltung der Generationen bemerkbar. Während früher Konfrontationslinien zwischen Arm und Reich verliefen, scheinen sie heute zwischen Jung und Alt angesiedelt zu sein. Viele Junge sehen ihre Zukunft durch Besitzstandwahrung und einer Nach-mir-die-Sintflut-Haltung gefährdet. „ttt“ spricht mit beiden Seiten über Lehren aus der Europawahl, das Recht auf Zukunft, die Fehler der alten Volksparteien und die Zusammensetzung politischer Gremien.
    Gegen Mietenwahn und Verdrängung – Der Dokumentarfilm „Push“
    Ob in Berlin, in London oder in New York – die Mieten in den Metropolen steigen rasant. Diese Städte sind für Normalverdiener bald nicht mehr bezahlbar, so Leilani Farha. Die kanadische Rechtsanwältin ist Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Grundrecht Wohnen. Sie bereist die ganze Welt und besucht Menschen, die aus ihren Wohnungen verdrängt werden, die Opfer von immensen Mieterhöhungen oder gar von illegalen Räumungen sind. Sie trifft sich mit Mietervereinen und Soziologen, Bürgermeistern und Journalisten.
    Denn das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen ist bedroht: Internationale Konzerne, wie z.B. Blackstone, kaufen Immobilien im großen Stil auf, spekulieren damit ohne Rücksicht auf die Mieter. Wohnen wird zur Ware. Der Dokumentarfilm „Push“ (Kinostart: 6. Juni) begleitet Leilani Farha bei ihrem Engagement. „ttt“ trifft die UN-Sonderberichterstatterin und Filmregisseur Fredrik Gertten. Sie sind sich sicher: Wohnen ist eine der zentralen sozialen Frage des 21. Jahrhunderts.
    Den Ungehörten eine Stimme geben – Elif Shafaks neuer Roman
    Wenn es stimmt, dass im Moment des Todes das ganze Leben eines Menschen in Sekundbruchteilen abläuft – dann hat Elif Shafak daraus ein ganzes Buch gemacht: „Unerhörte Stimmen“. Darin rekapituliert die Prostituierte Leila ihr Leben, in dem das Glück flüchtig war, sie selbst Opfer von Gewalt gegen Frauen wurde und ihre große Liebe aus politischen Gründen ermordet wird. Elif Shafak erzählt vom Leben in Istanbul am Rande der Gesellschaft, von Geflüchteten und Außenseitern. Und auch wenn das Buch in den sechziger und siebziger Jahren spielt, so erinnert doch vieles an die Situation in der heutigen Türkei. „ttt“ trifft Elif Shafak in London, wo sie schon lange lebt, und spricht mit ihr über die Notwendigkeit, Menschen eine Stimme zu geben, die sonst nicht gehört werden – in der Türkei und überall.
    Musik voll Klang und Stille – Rebecca Saunders erhält den Ernst von Siemens Musikpreis
    Ihre Musik ist vielschichtig und brachial, voller Energie und zugleich voller Stille: Rebecca Saunders gilt als eine der wichtigsten Komponistinnen unserer Gegenwart. Jetzt bekommt sie den „Ernst von Siemens Musikpreis“ und steht damit in einer Reihe mit Musikern wie Karlheinz Stockhausen oder György Ligeti, Herbert von Karajan oder Anne-Sophie Mutter. Saunders lebt in Berlin und ist Professorin für Komposition in Hannover. Für sie bilden einzelne Klänge die Grundlage der Komposition, und dazu gehört auch die Art, wie ein Klang entsteht, die Stille davor und danach sowie die Geräusche dabei.
    Deshalb schafft Saunders oft Kammermusik, denn die Art, wie die Instrumente gespielt werden oder die Aufteilung der Musiker im Raum, sind Teile der Kompositionen. Gerade wurde bei den Kunstfestspielen Herrenhausen in Hannover das Stück „Yes“ aufgeführt, für das sie den Monolog der Molly Bloom aus „Ulysses“ von James Joyce zur Grundlage genommen hat. „ttt“ besucht die Proben und trifft die Komponistin zuhause in Berlin. Die Verleihung des „Ernst von Siemens Musikpreis“ ist am 7. Juni in München.
    Fragile Meisterwerke für die Ewigkeit – Leonardo da Vinci in der Hamburger Kunsthalle
    Sie sind zärtlich und von unnachahmlicher Eleganz. Nur neun Zeichnungen von Leonardo da Vinci sind in ganz Deutschland erhalten, vier davon besitzt die Hamburger Kunsthalle. Zum 500. Todestag des Genies werden diese für zwei Wochen gezeigt – länger dürfen sie dem Licht nicht ausgesetzt werden. „ttt“ begleitet die Ausstellungsmacher bei der Vorbereitung der Ausstellung und erklärt, was die Zeichnungen so einmalig und meisterhaft macht. Da sowohl frühe Zeichnungen als auch Alterswerke dabei sind, lässt sich außerdem die künstlerische Entwicklung da Vincis ablesen und ganz nebenbei einiges über sein Privatleben erfahren. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.06.2019Das Erste
  • Folge 21
    Radikal ist das neue realistisch – Rutger Bregman ist die herausragende Stimme einer neuen Bewegung:
    Rutger Bregman ist 31 Jahre jung und ein intellektueller Shootingstar – dieser Mann vermittelt Hoffnung. Der Historiker, Autor und Journalist aus den Niederlanden ist ein bedeutendes Gesicht der jungen, europaweiten Bewegung, die nicht nur eine radikale Wende in der Klimapolitik fordert, sondern auch den Kapitalismus radikal transformieren will. Die Welt soll gerechter, freundlicher und lebenswerter werden, trotz oder gerade wegen der großen globalen Herausforderungen, vor denen die Demokratien Europas stehen. Bregman ist zu Beginn des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit einem spektakulären Auftritt aufgefallen, als er die anwesenden, überwiegend schwerreichen Teilnehmer dazu aufrief, endlich ihre Steuern zu zahlen.
    Rutger Bregman plädiert für neue gesellschaftliche Verträge, einen Systemwechsel hin zu einer gerechteren, sozialen Gesellschaft. Und er trifft damit einen Nerv: den Wunsch nach neuem Denken und neuem politischem Gestaltungswillen. Die Klimakatastrophe wird ohne eine radikale Veränderung des aktuellen Wirtschaftssystems nicht zu verhindern sein, sagt Bregman und stellt wichtige Fragen: Warum akzeptieren demokratisch verfasste Gesellschaften immer noch, dass Arbeit viel höher besteuert wird als Kapitalgewinne auf den Finanzmärkten? Warum werden Steueroasen mitten in Europa geduldet, obwohl doch die Europäische Union die Macht hätte, weltweit ein Beispiel für eine wohlhabende, gerechte Gemeinschaft zu werden? Wie kommen wir zu einer neuen Verteilung des Reichtums? Bregman hat darauf interessante Antworten.
    „Utopien für Realisten“, so heißt auch sein aktuelles Buch. „ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ hat Rutger Bregman im niederländischen Houten getroffen und mit ihm über seine Pläne für unsere Zukunft gesprochen. Die Sendung kommt am Sonntag, 16. Juni, vom Hessischen Rundfunk (hr) und ist um 23:05 Uhr im Ersten zu sehen; es moderiert Evelyn Fischer.
    Außerdem bei „ttt“: Art Basel – Pulsmesser des internationalen Kunstbetriebs und Investmentparadies für Milliardäre:
    „ttt“ trifft Vertreter der größten und bedeutendsten Galerien der Welt – Larry Gagosian, David Zwirner und Arne Glimcher von „Pace“ – und fragt: Was macht das alles mit der Kunst? Sehen wir uns immer noch als Herrenmenschen?
    Auf den Spuren des deutschen Kolonialismus:
    „ttt“ ist mit dem Journalisten, Schriftsteller und Afrika-Korrespondenten Bartholomäus Grill unterwegs in Namibia.
    Madonna – Mega-Star und globale Pop-Ikone im Exklusiv-Interview:
    „ttt“ trifft Madonna in London und spricht mit ihr über Altersrassismus, Musik und Politik. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 16.06.2019Das Erste
  • Folge 22
    Die geplanten Themen:
    Moral gegen Kunstfreiheit – Wie die Regierung in Polen christliche Werte instrumentalisiert
    Die wichtigste polnische Ikone, die schwarze Madonna von Tschenstochau, mit einem Heiligenschein in Regenbogenfarben, dem Symbol der schwul-lesbischen Bewegung? Kann man als politische Kunst verstehen, ist in Polen aber gleichbedeutend mit der Entweihung eines christlichen Symbols und Verletzung religiöser Gefühle – und wird als Straftat geahndet. Eine Charta für die Rechte von Homosexuellen? Ist in der Hauptstadt Warschau zwar offiziell verabschiedet worden, aber als Reaktion darauf haben sich einige Kommunen des Landes prompt zu sogenannten „LGBT-freien“ Zonen erklärt. Und auf der „Pride“-Parade in Tschenstochau werden Homosexuelle als „Schwuchteln“ beschimpft. Es steht nicht gut um die Rechte von Minderheiten in Polen, die von der nationalkonservativen Regierung als Gefahr für die christlichen Werte und polnische Identität erklärt werden. „ttt“ macht sich auf die Suche nach Diversität in Polen.
    Eine Spur der Verwüstung – Der Dokumentarfilm „Erde“ über Raubbau an unserem Planeten
    Bergbau, Fracking, Siedlungsbau, Straßen – der Mensch verbraucht nicht einfach Fläche, er zerstört die Erdoberfläche zum Teil unwiederbringlich. Täglich werden rund 160 Millionen Tonnen Gestein bewegt, die Haut unseres Planeten ist aus der Luft wie vernarbt. Der Dokumentarfilm „Erde“ (Filmstart 4.7.2019) schaut in langen, penetrierenden und erschreckenden Einstellungen auf die Zerstörung und spricht mit den Menschen, die diese Arbeiten verrichten. Was denken sie über die Veränderung, über die Prägung der Welt durch den Menschen? Wie fühlen sie sich dabei, wäre es auch anders denkbar? Der Film ist ein beeindruckendes Plädoyer gegen den Raubbau an der Natur durch den Menschen.
    Zweiter arabischer Frühling? – Der Schriftsteller Boualem Sansal über seine algerische Heimat
    Das Volk demonstriert seit fast vier Monaten jeden Freitag – gegen Korruption, Amtsmißbrauch und Repression. Und für freie, unabhängige Wahlen. Die wurden allerdings gerade in Algerien abgesagt: weil es nicht genügend unabhängige Kandidaten gab, stattdessen zu viele, die noch für das alte Regime unter Abd al-Aziz Bouteflika stehen. Der ist zwar abgetreten, auch auf Druck der Zivilgesellschaft. Doch was nach ihm und seiner Kamarilla kommt, ist mehr als ungewiss. „ttt“ fragt, wie es weitergeht in Algerien – und sucht Antworten mit dem Schriftsteller Boualem Sansal, der das Land zwar im Umbruch sieht, aber vor einem Zerfall der Zivilgesellschaft warnt.
    „Geheimnis eines Lebens“ – Judi Dench spielt die „Spion-Oma“ nach einer wahren Geschichte
    Es gab sie wirklich, diese Spionin, auf deren Geschichte der Film beruht: Während des Kalten Krieges hatte Melita Norwood Geheimnisse des britischen Atombombenprogramms an die Russen verraten. Ein halbes Jahrhundert dauerte es, bis sie enttarnt wurde – die Bilder der spontanen Pressekonferenz 1999 mit der 87-jährigen im Vorgarten ihres Reihenhauses in einem Londoner Vorort gingen um die Welt. Jetzt spielt Oscar-Gewinnerin Judi Dench die Spionin in dem packenden Film „Geheimnis eines Lebens“ (Filmstart 7. Juli), Regie führte Trevor Nunn.
    Musizieren mit Family & Friends – Hamburger Festival um Starpianistin Martha Argerich
    Es ist ein ganz besonderes Festival: Für eineinhalb Wochen gestaltet Star-Pianistin Martha Argerich in Hamburg ein eigenes Programm mit ganz unterschiedlichen Besetzungen – als Solistin, im Ensemble und mit Orchester. Musik von Bach bis Bernstein. Dazu lädt Argerich befreundete Solistinnen und Solisten ein, wie Khatia Buniatishvili oder Guy Braunstein. Und auch ihre Musikerfamilie ist mit dabei, u.a. Ex-Ehemann Charles Dutoit, Tochter Lyda Chen und sogar schon ein Enkel. Das „Martha Argerich-Festival“ (20. – 30. Juni), veranstaltet mit den Hamburger Symphonikern und ihrem neuen Chefdirigenten Sylvain Cambreling, wird so zum Familienunternehmen im allerbesten Sinne – und das auf Weltklasse-Niveau. „ttt“ besucht die ersten Proben und das Auftaktkonzert. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 23.06.2019Das Erste
  • Folge 23
    Ausnahmesportler und Familienmensch: Manfred Oldenburgs Dokumentarfilm über Toni Kroos:
    Mordfall Lübcke: Rechter Terror, brauner Sumpf und die langen Schatten des NSU
    Plovdiv 2019: Europas Kulturhauptstadt zwischen Utopie und Wirklichkeit
    Angesagt: Die Berliner Indie-Popband „Von Wegen Lisbeth“
    Der Nahost-Konflikt als Soap-Opera: Sameh Zoabis Mediensatire „Tel Aviv on Fire“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 30.06.2019Das Erste

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