TV in the USA: Was Sie schon immer übers US-Fernsehen wissen wollten … (Teil 2)

Von der Serienidee zur Staffelbestellung – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 05.09.2014, 10:30 Uhr

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Vom ersten Script bis zur Bestellung einer ganzen Staffel ist es ein weiter Weg, den auf dem US-Markt nur wenige Serienprojekte erfolgreich bestreiten. Dazwischen liegen noch „Pitch“-Sessions, Drehbuchbestellungen und komplett gedrehte Pilotfolgen Ein Überblick über den ebenso steinigen wie streng reglementierten Entwicklungsprozess bei CBS, ABC, NBC & Co.

Von der Idee zum Piloten



Jedes Jahr, zumeist im Spätherbst, halten die großen Networks (CBS, ABC, FOX, NBC, The CW) ihre „Pitch“-Sessions ab. Hier haben Autoren und Produzenten die Gelegenheit zu einer mündlichen Präsentation ihrer Serienkonzepte. Zu diesem Zweck werden ein erstes Script und manchmal auch Storyboards angefertigt.

Vorgestellt werden pro Jahr mehrere Hundert Ideen, von denen schließlich nur eine Minderheit von einem Network angekauft wird. Der nächste Schritt ist in der Regel die Bestellung eines kompletten Drehbuchs für eine mögliche Pilotfolge. Unter allen vorliegenden Drehbüchern wird dann entschieden, welches Projekt eine Pilotfilmbestellung erhält. In Ausnahmefällen – zum Beispiel bei Projekten, die von mehreren Networks begehrt werden oder bei Projekten, hinter denen besonders prominente Namen stehen – erfolgt eine Pilotfilmbestellung sogar ohne den üblichen Umweg über ein Drehbuch.

Für ein Network bedeutet die Pilotfilm-Order eine millionenschwere Investition. Das Geld fließt in die Zusammenstellung eines vorläufigen Produktionsteams unter Leitung des Serienerfinders, der Suche nach Drehorten, sowie in das Bauen von Sets – und natürlich in das Casting. Gewöhnlich wird eine dreistellige Zahl bekannter und vergleichsweise unbekannter Darsteller für eine Hauptrolle in einer Network-Serie getestet. Die Wahl liegt letztendlich nicht beim Autor oder Produzenten allein. Vielmehr muss deren Entscheidung von den Verantwortlichen der Networks abgesegnet werden. Hierzu werden meist auch verschiedene Kombinationen von Darstellern vor der zuständigen Chefetage getestet.

Allerdings gibt es auch jedes Jahr Projekte, die von den Networks selbst forciert werden und für die erst im Anschluss passende Autoren und Produzenten gesucht werden. Dies geschieht vor allem bei den Reboots alter Serienhits wie „90210“ (The CW, 2008) oder „Hawaii Five-0“ (CBS, 2010), aber auch bei Spin-Off-Serien, die ein etabliertes Franchise wie zum Beispiel „CSI“ erweitern sollen. Hier fungiert fast immer eine reguläre Episode der Mutterserie als sogenannter „Backdoor Pilot“, in dem das Konzept und die neuen Figuren des Spin-Offs bereits vorgestellt werden.

Die Drehzeit einer regulären Pilotfolge ist stets länger als die einer gewöhnlichen Episode, was später zu Komplikationen bei der Ausarbeitung von Drehplänen führen kann, wenn in der ersten Folge bereits ein sehr hohes Erzähltempo etabliert wurde. Soll eine Serie die Chance haben, in der kommenden Season einen Platz auf dem Herbst-Sendeplan eines Networks zu ergattern, muss der Pilot bis zum Ende des Winters fertiggestellt sein. Wie viele der bestellten und fertiggestellten Piloten letztendlich das Licht der Fernsehwelt erblicken, hängt von den verfügbaren Plätzen in den Programmplänen ab. Je mehr Serien vom Vorjahr durch den Sender eingestellt werden, desto größer sind schließlich die Chancen, dass die neuen Projekte tatsächlich auch in Serie geschickt werden. Davon abgesehen werden sämtliche Piloten vor Testpublikum ausgestrahlt und dessen Reaktionen ausgewertet. Eine große Zahl der Piloten bekommt aufgrund negativen Feedbacks keine Serienbestellung und wird dann in der Regel auch nie ausgestrahlt. Ausnahmen bestätigen die Regel: So schaffte es etwa Bryan Fullers („Dead Like Me – So gut wie tot“, „Hannibal“) Pilot „Mockingbird Lane“, eine Neuauflage der legendären „Munsters“, 2012 zumindest als Special ins Halloween-Programm von NBC.

Ausnahmsweise schaffte es zumindest ihr Pilot ins reguläre Programm: das Ensemble der „Munsters“- Neuauflage „Mockingbird Lane“NBC


Trotz großen Hypes im Vorfeld lief sie dann doch nie über den Bildschirm: Adrianne Palicki als „Wonder Woman“NBC


Fast immer werden vor der ersten regulär produzierten Episode Änderungen an der Serie vorgenommen. Es ist keine Seltenheit, dass Hauptdarsteller ausgetauscht werden und Szenen mit den neuen Gesichtern nachgedreht werden müssen. Daneben werden dauerhafte Sets gebaut (der Pilot von „Emergency Room“ wurde etwa noch in einem echten ehemaligen Krankenhaus gedreht, die weiteren Folgen dann aber auf dem Studiogelände von Warner Bros.), weitere Produzenten und Autoren engagiert sowie ein Produktionsrhythmus etabliert.

Im Gegensatz zu früher findet sich eine neue Serie heute praktisch vom ersten Ausstrahlungstag an in einem rigorosen Überlebenskampf wieder. Hatte ein späterer Kulthit wie „M*A*S*H“ 1972 noch eine gesamte, eher durchwachsene erste Staffel Zeit, sich selbst zu finden, werden inzwischen jedes Jahr neue Formate aufgrund von Quotenmangel bereits nach wenigen Episoden wieder abgesetzt. Wie gut ist der Sendeplatz? Wie viel Werbung hat das Network im Vorfeld gemacht? Gibt es online aufgrund einer Vorabausstrahlung im Netz bereits eine gewisse Fanbasis? All diese Faktoren können bestimmen, ob eine neue Network-Serie überlebt oder schnell wieder in der Versenkung verschwindet.

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