ZDF.reportage Folge 48: B96 – Roadtrip auf der Straße der Träume (1) Von der Oberlausitz bis nach Berlin
Folge 48
B96 – Roadtrip auf der Straße der Träume (1) Von der Oberlausitz bis nach Berlin
Folge 48
Die B96 beginnt in einem großen Kreisverkehr, auf der Ringstraße um die Altstadt von Zittau. Seit der Wende wurde die Stadt fast vollständig saniert. Trotzdem fehlen vor allem junge Leute, denn gut bezahlte Jobs sind noch immer rar. Felix Matthias Weickelt ist Musikpädagoge und kam zurück. Seit zwei Jahren ist er im Nebenjob Türmer in der Johanniskirche und wohnt auch im alten Türmer-Stübchen. „Die alten Leute müssen aufhören zu jammern“, sagt er und meint die Generation der Eltern und Großeltern. „Die Jungen müssen bleiben und anpacken, denn hier kann man mittlerweile gut leben und hat große Chancen“, ist er überzeugt. Nur wenige Hundert Meter weiter stehen die Produktionshallen des ehemaligen Robur-Werkes. Die alte Industriearchitektur steht unter Denkmalschutz und zerfällt immer mehr. Früher waren 5000 Menschen im Werk, die Motoren, Achsen und Karosserierahmen für Lkw bauten. Der letzte Direktor, Johannes Dünsch, übergab der Treuhand 1994 einen funktionstüchtigen Betrieb. Die Abwicklung des Werkes und der Niedergang Zittaus als Industriestandort beschäftigen ihn bis heute. Nur 13 Kilometer von Zittau entfernt steht direkt an der B96 in Oderwitz eines der schönen Lausitzer Umgebindehäuser, die Feinbäckerei Otto. Seit 1894 ist das Haus ein familiengeführter Handwerksbetrieb und wird heute von Babette und Roman Otto geführt. In den vergangenen Jahren hat das Ehepaar viel investiert, beschäftigt mittlerweile 20 Angestellte und bietet ein überwältigendes Angebot an kulinarischen Produkten aus dem Backofen. Für die Zukunft wünscht sich das Ehepaar vor allem, dass ihre Heimat nicht nur für negative Schlagzeilen sorgt, und meint damit vor allem rechtspopulistische Erscheinungen. Sehr erfolgreich produziert man auch in der traditionellen Bierbrauerei in Eibau. Die Chefin Julia Böhmer hat einen großen Anteil daran. „Bier ist ein tolles Thema“, sagt sie, „man kommt immer sofort ins Gespräch.“ Seit 2010 hat sie die Ausrichtung des mittelständischen Unternehmens maßgeblich bestimmt und das Exportgeschäft angekurbelt. Eibauer Bier wird heute bis nach China, Japan, Russland und Korea exportiert. Durch eine sanfte Hügellandschaft schlängelt sich die B96 durch Ebersbach und Neugersdorf bis nach Bautzen. Nach Görlitz ist Bautzen die zweitgrößte Stadt der Oberlausitz
und das Zentrum der sorbischen Minderheit. Vor allem aber wurde Bautzen – sehr zum Leidwesen seiner Einwohner – bekannt durch den Stasiknast. Als Untersuchungshaft geführt, war er seit 1956 der Strafvollzug für politische Häftlinge in der DDR und einziges Gefängnis, welches direkt der Staatsicherheit unterstellt war. Auf sechs Etagen befanden sich 200 Haftplätze in Einzel-, Zweier- oder Isolationszellen. Prominente politische Häftlinge wie Walter Janka, Erich Loest, Wolfgang Harich und Rudolf Bahro waren mitunter Jahre inhaftiert. Heute ist der Gebäudekomplex Gedenkstätte und wird von Silke Klewin geführt, einer Frau aus dem Westen. Vor 20 Jahren kam sie nach Bautzen und stieß auf Ablehnung. In der Stadt wollte man nicht mehr über den Stasiknast und die Vergangenheit reden. Die Altstadt von Bautzen liegt auf einem Berg und wurde aufwendig saniert. Hier befindet sich das sorbische Restaurant „Wjelbik“, geführt von Monika und Thomas Lukasch. Für das Ehepaar war immer klar, dass es nach Aufenthalten in London und Straßburg zurückkehren wird. „Unsere sorbische Kultur können wir nur in der Heimat leben“, sagt die 34-Jährige und ergänzt: „In der Fremde sind wir fremd.“ Hoyerswerda ist die nächste Station auf der Reise. Die „96“ teilt die Altstadt von der Neustadt. Entstanden in den 60er Jahren, war sie die erste sozialistische Großsiedlung in Plattenbauweise. Bis in die späten 1980er Jahre entstanden zehn Wohnkomplexe mit insgesamt 71 000 Einwohnern. Heute leben nur noch rund 37 000 Menschen hier, und der Trend ist noch immer nicht gestoppt. Nach der Wende sind rund 150 000 Arbeitsplätze in der Region verloren gegangen, weshalb viele, besonders junge Familien fortgezogen sind. Rund 20 Kilometer hinter Hoyerswerda verlässt die B96 den Freistaat Sachsen und nähert sich den ehemaligen Braunkohlegruben in Brandenburg, der heutigen Lausitzer Seenlandschaft. Durch die Flutung stillgelegter Braunkohletagebaue entstand das Lausitzer Seenland. Eine riesige Fläche, die 2019 zu Europas größter künstlich angelegter Wasserlandschaft werden soll. Der Senftenberger See liegt im Zentrum der Seenlandschaft, direkt an der B96. Nach dem Ausflug auf dem Wasser verläuft die Route über Glashütte, Baruth und Wünsdorf. Von hier sind es noch rund 40 Kilometer bis Berlin. Kurz vor Schönefeld in Blankenfelde steht das Hinweisschild zur Teilung der Strecke. (Text: ZDF)