2019, Folge 24–46

  • Folge 24
    Folter gegen Julian Assange
    Fast sieben Jahre lang saß der australische Enthüllungsjournalist und politische Aktivist Julian Assange im unfreiwilligen Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London. Im April diesen Jahres entzog die Regierung von Ecuador Assange das politische Asyl und er wurde verhaftet. Derzeit verbüßt er eine einjährige Haftstrafe in London, Begründung: Assange habe 2012 gegen Kautionsauflagen verstoßen. Das sind die harten, nüchternen Fakten zum Fall Julian Assange. Jetzt aber hat der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, Julian Assange in der Haft besucht und einen alarmierenden Bericht über Assanges Gesundheitszustand gegeben.
    Der 48-Jährige sei schwer traumatisiert, weise massive Angststörungen auf und habe dramatisch an Gewicht verloren. Der UN-Diplomat schließt seinen Bericht mit schweren Anschuldigungen gegen mehrere demokratische Länder, die sich in einer Art Verschwörung gegen Assange zusammengeschlossen hätten. In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung, so Melzer, habe er noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammenschließt, um eine einzelne Person so lange und unter so geringer Berücksichtigung der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit bewusst zu isolieren, zu verteufeln und zu missbrauchen.
    Er fordert die sofortige Beendigung der Inhaftierung von Assange. „ttt“ traf Nils Melzer in Genf, wo Ende Juni der UN-Menschenrechtsrat tagte und sich mit dem Fall Assange befasste. Außerdem interviewt das ARD-Kulturmagazin Jennifer Robinson, britische Anwältin aus dem Anwaltsteam von Assange.
    Autor: Andreas Lueg
    Der Untergang der „Kursk“
    Genau vor 20 Jahren, 1999, besuchte die damals 28-jährige Olga Kolesnikowa bei einem „Tag der Offenen Tür“ das russische U-Boot „Kursk“. Ihr Mann Dmitrij gehörte zur Besatzung der „Kursk“ und hatte seine junge Frau eingeladen, sich das U-Boot mit ihm anzuschauen. Die privaten Videoaufnahmen zeigen ein lächelndes Paar, das durch die Gänge des 150 m langen Atom-U-Bootes läuft und in die Kamera winkt. Ein Jahr später, im August 2000, sank die Kursk, alle 118 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben – darunter auch Dmitrij Kolesnikow. Die „Kursk“ war das Neueste und Modernste, was die russische Marine damals aufzubieten hatte – eine Milliarde Dollar teuer und vor wenigen Jahren erst vom Stapel gelaufen.
    Bei dem Manöver im August 2000 explodierte in der „Kursk“ ein Torpedo, riss ein riesiges Loch in die Außenwand des Bugs, und die „Kursk“ sank. 118 Männer an Bord kamen ums Leben. Aber 23 von ihnen überlebten die Katastrophe zunächst – sie konnten sich in Sektor 9 des riesigen U-Bootes in Sicherheit bringen. Darunter auch Dmitrij Kolesnikow. Es begann ein Wettlauf mit der Zeit um die Rettung der Männer, aber die russische Regierung und Militärführung wollten sich vor den Augen der Welt keine Blöße geben, nicht allein in der Lage zu sein, ihre Männer zu retten.
    So verzögerte sich die vom Ausland angebotene Hilfe. Nach fünf Tagen endlich durfte eine britisch/​norwegische Bergungsmission zur „Kursk“ hinabtauchen und andocken. Es war zu spät, auch die 23 Männer waren tot. Der renommierte dänische Regisseur Thomas Vinterberg („Das Fest“) hat diese Tragödie jetzt in einer internationalen Koproduktion verfilmt. „ttt“ hat in St. Petersburg 19 Jahre nach der Tragödie Olga Kolesnikowa besucht, die Frau von Kapitänleutnant Dmitri Kolesnikow. Er hatte damals in der Dunkelheit des gesunkenen U-Bootes an seine Frau eine letzte Nachricht verfasst; sie wurde später gefunden.
    Autor: Ulf Kalkreuth
    „Liebe kennt kein Alter“
    Der New Yorker Fotograf und Blogger Ari Seth Cohen erreicht mit seinem Modeblog „Advanced Style“ über 250.000 Follower – mittlerweile ist er weltweit bekannt, seine Bücher sind Bestseller. Darin portraitiert er ausschließlich Menschen über 60 – meist Frauen, die dem Alter exzentrische Mode entgegensetzen. In einer Gesellschaft von Jugendwahn und in einer Fashion-Welt mit Topmodel-Casting-Shows zeigt er, dass sich die Älteren, von denen es in der westlichen Welt immer mehr gibt, keine Grenzen setzen lassen. Einige der Portraitierten sind mittlerweile tatsächlich zu Models der Modeindustrie geworden. Mit seinem neuen Buch „Liebe kennt kein Alter“ war er jetzt in Berlin. Diesmal portraitiert er Paare, die mit ihrem außergewöhnlichen Stilbewusstsein ihre Liebe zelebrieren, z.T. seit 50 Jahren. Darunter Bill und Eva aus New York und Paul und Tutti aus Sydney, die bei der Buchpremiere anwesend waren. „ttt“ hat Ari Seth Cohen und seine Models getroffen.
    Autor: Norbert Kron
    50 Jahre Mondlandung
    Kurz vor dem 50. Jahrestag der ersten Mondlandung eines Menschen kommt der Dokumentarfilm „Apollo 11“ von Todd Douglas in die Kinos. Die Vorbereitung und das Ereignis der Mondlandung wurde damals mit 70-mm-Kameras gedreht, dieses Material wird jetzt – digital aufbereitet – noch einmal auf großer Leinwand gezeigt. „ttt“ trifft den Regisseur Todd Douglas, den Sohn des ersten Menschen auf dem Mond, Rick Armstrong, der als 12-Jähriger erlebte, wie sein Vater den Fuß auf den Erdtrabanten setzte, und Harrison Schmitt, der mit „Apollo 17“ als zwölfter und bislang letzter Mensch auf dem Mond war. Das ARD-Kulturmagazin stellt die Frage, warum die Menschheit sich heute, 50 Jahre nach der Mondlandung, wieder auf Mondmissionen vorbereitet.
    Autorin: Julia Riedhammer
    Eröffnung der James Simon Galerie
    Sie ist sozusagen das Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel – die Jamens Simon Galerie. Ihre Errichtung ist Teil des „Masterplans Museumsinsel“, mit dem die deutsche Hauptstadt ihr weltberühmtes Museumsensemble komplettieren wird. Die James Simon Galerie ist ein schlanker, eleganter Säulengang, entworfen von dem Architekten David Chipperfield, benannt nach einem Mäzen, dem Berlin viel, sehr viel zu verdanken hat. James Simon gehörte als erfolgreicher Baumwollgroßhändler zur Zeit von Wilhelm II.
    zur Wirtschaftselite des Deutschen Kaiserreichs. Seinen großen Reichtum stiftete er der Berliner Museumslandschaft. Nach Empfehlungen des damaligen Museumsdirektors Wilhelm von Bode kaufte er systematisch bedeutende Kunstwerke mit dem Ziel, sie später an die Berliner Museen zu schenken. Er unterstützte auch Grabungsarbeiten in Ägypten finanziell – so ist die weltberühmte Nofretete dank ihm nach Berlin gelangt. In der Nazizeit wurde die Erinnerung an James Simon, der jüdischen Glaubens war, systematisch ausgelöscht – leider mit lang anhaltendem Erfolg.
    Mit der James-Simon-Galerie wird nun ein Mäzen geehrt, ohne den die Berliner Museen nicht über die beeindruckenden Sammlungen verfügen würden, die sie heute haben. „ttt“ spricht mit dem Architekten David Chipperfield über das neue Gebäude, mit dem Direktor der Staatlichen Museen Hermann Parzinger darüber, warum diese Ehrung für James Simon ein wichtiges Signal ist und mit drei Nachfahren von James Simon über ihren bedeutenden Vorfahren.
    Autor: Steffen Prell (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.07.2019Das Erste
  • Folge 25
    Demokratisch gewählt – aber Feinde der Demokratie „ttt“ fragt: Mit Rechten reden? Wie soll die Demokratie mit denen umgehen, die sie zerstören wollen? Immer wieder geraten Demokraten in Argumentationsnot, wenn es um die Diskussion mit Vertretern der neuen rechten Bewegungen oder der AfD geht. Schließlich ist ihre Partei demokratisch gewählt, sitzt in den Parlamenten unserer Demokratie und ist dadurch zunächst legitimiert. Aber auch Faschisten lassen und ließen sich in demokratische Parlamente wählen. Legitim sind sie deshalb noch lange nicht, wenn es zu ihren ausdrücklichen Zielen gehört, die Institutionen des demokratischen Rechtsstaates zu zerstören. Wie also gehen die Freunde der Freiheit mit den Feinden der Freiheit um? Jürgen Habermas, gerade anlässlich seines 90. Geburtstages geehrt, sagt dazu: Man solle diese Art von „besorgten Bürgern“, statt um sie herumzutanzen, kurz und trocken als das abtun, was sie sind – der Saatboden für einen neuen Faschismus.“ Es kann nicht sein, dass es den Bürgern und Politikern demokratischer Parteien zugemutet wird, herauszufinden, wer in der AfD noch ein Demokrat, wer Rassist, wer Faschist, wer Judenhasser ist und die Säulen unserer Gesellschaft einreißen will.
    „ttt – titel, thesen, temperamente“ trifft den Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, den Publizisten und Anwalt Michel Friedman und den Soziologen Wilhelm Heitmeyer. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 14.07.2019Das Erste
  • Folge 26
    Die geplanten Themen:
    Wem gehört der Mond?
    Ben Moore ist Astrophysiker an der Universität Zürich und Experte für den Mond. 50 Jahre nach der ersten Mondlandung präsentiert er neue Erkenntnisse und erzählt von der kulturgeschichtlichen und mythologischen Bedeutung des Mondes.
    Face÷It! Gesichtserkennung ist der neue Fingerabdruck.
    In seinem Dokumentar?lm „Face÷It!“ erzählt der Regisseur und Videopionier Gerd Conradt von der Codierung des Gesichts, das wie ein Siegel Zugang zur Persönlichkeit eines Menschen verschafft. Extrem nah und unglaublich intensiv Kaum jemand hat uns Menschen so schamlos und dabei gleichzeitig humor- und liebevoll den Spiegel vorgehalten wie der britische Fotograf Martin Parr. Das NRW-Forum Düsseldorf zeigt die bisher umfangreichste Retrospektive seines Werkes.
    „Scheize – Liebe – Sehnsucht“
    Ragnar Kjartansson ist einer der interessantesten und vielschichtigsten Gegenwartskünstler. In seinem Werk lässt er bildende Kunst, Literatur, Musik und Schauspiel verschmelzen. Das Kunstmuseum Stuttgart widmet ihm eine Überblicksschau.
    Landraub auf Türkisch
    Die Künstlerin Julia Lazarus porträtiert den Widerstand im Norden Istanbuls. In diesem Sommer ist die Berliner Künstlerin Julia Lazarus in der deutschen Kulturakademie Tarabya in Istanbul zu Gast. Für ihren aktuellen Dokumentarfilm begleitet sie eine Gruppe von Aktivisten, die gegen die gigantischen Bauprojekte im Norden der Stadt protestieren. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 21.07.2019Das Erste
  • Folge 27
    Die geplanten Themen:
    50 Jahre Woodstock-Festival
    Woodstock ist eine mythische Konstruktion, an der alle schön mitgebastelt haben. 32 Bands. 400.000 Zuschauer. Und alle so richtig gut drauf. Aber erst der bald folgende Film über „Woodstock“ machte aus dem Konzert ein kollektives Erlebnis. Eigentlich so wie bei den Pyramiden. Die wenigsten waren dort, aber jeder weiß, wie es ist. Zum 50. Jubiläum zeigt nun der ARD-Dokumentarfilm „Woodstock: Three Days That Defined a Generation“ von Barak Goodman wie es wirklich war. Keine Korrektur unserer wilden Fantasien, aber endlich wird auch fern der Bühne miterlebbar, wie es sich angefühlt haben könnte. Goodman bekam von Warner Bros und vielen amerikanischen Archiven uneingeschränkten Zugang zum damals gedrehten Material.
    Er wertete 40 Stunden nie zuvor gesehenes Material aus. In seinem Film verzichtet Goodman auf die Gesichter von heute und konstruiert die Geschichte aus dem Archivmaterial, dadurch wirkt der Film unmittelbar. „Es war nicht als politische Veranstaltung geplant. Woodstock verweigerte sich sogar der politischen Aussage. Und wurde am Ende gerade deshalb zum politischen Großereignis“, sagt Goodman. „Woodstock war ein kosmischer Unfall“, sagt der Fotograf Elliott Landy, der die drei Tage umfassend dokumentierte. „Ein utopischer Moment in der Geschichte der Menschheit“. „ttt“ hat Goodman und Landy in New York besucht.
    Autor: Andreas Krieger
    „Die Gesellschaft des Zorns“
    Ist die rechtspopulistische Bewegung nicht bereits umfassend erforscht? Keineswegs, sagt die Soziologin Cornelia Koppetsch und gibt in ihrem exzellenten Buch „Die Gesellschaft des Zorns“ verblüffende Erklärungen für deren Entstehung. Gegen die üblichen Klischees (abgehängte Unterschichten, soziale Benachteiligung, Fremdenfeindlichkeit) macht sie die Globalisierung mit ihren neuen Arbeitsmärkten verantwortlich. Koppetsch versteht das Aufkommen der populistischen Bewegungen als eine Art Konterrevolution gegen Globalisierungs- und Transnationalisierungsprozesse. Sie sieht die Trennlinien nach dem Fall der Mauer nicht mehr zwischen Ost und West, sondern in der forcierten Entgrenzung der Welt, der Märkte und der davon profitierenden liberalen Mittelschicht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht ein im nationalen Wohlfahrtsstaat beheimatetes Milieu, das sich zunehmend entfremdet fühlt.
    Autor: Norbert Kron
    Starker Auftritt – DDR-Kunst-Ausstellung
    Der Herbst wirft seine Schatten voraus, aber es sind erst einmal Lichter. Die Ausstellung „Point of No Return. Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst“ ist eine kräftige Setzung von Kunst aus der DDR, 300 Werke von mehr als 100 Künstlern. Bemerkenswert daran ist, dass die ehemaligen Dissidenten und Künstler der ‚Mitte‘ mit den sogenannten Staatsmalern zusammen ausgestellt werden. Schnittpunkt für alle ist nicht nur der Point of No Return im Herbst 1989, sondern die Jahre sowohl ‚vorher‘ als auch ‚hinterher‘. Viele Biographien und Werke sind kombiniert und die Entscheidungen der Künstler, Points of No Return. Die Kuratoren Alfred Weidinger, Direktor des Leipziger Bildermuseums, der Berliner Christoph Tannert und der Dresdner Paul Kaiser wollen damit der Kunst aus dem Osten auch zu einer besseren Akzeptanz verhelfen.
    Autor: Meinhard Michael
    Der Fotograf Gideon Mendel
    Wie sich der Klimawandel auswirkt, ist bekannt: extreme Wettersituation, schmelzende Pole, ein stetig steigender Meeresspiegel. Der aus Südafrika stammende Fotograf Gideon Mendel hat sich zur Aufgabe gemacht, die drastischen Folgen des Klimawandels zu dokumentieren. Für sein Langzeitprojekt „Drowning World“ fotografiert er seit 2007 Überlebende von Flutkatastrophen. Den Porträtierten steht das Wasser buchstäblich bis zum Hals – in einer ertrinkenden Welt. Die Menschen auf seinen Fotos leben nicht nur in besonders stark betroffenen Weltregionen und Ländern wie Brasilien, Bangladesch oder Indien. Mendel zeigt auch Opfer von immer häufiger auftretenden Überschwemmungen in Großbritannien, Deutschland oder Frankreich.
    Mendels Protagonisten haben ihr Hab und Gut verloren, viele werden nie in ihre Heime zurückkehren können. Sie schauen dem Betrachter direkt in die Augen, umspült von den dreckigen Fluten. Es sind Bilder von tiefer Menschlichkeit in einer dystopischen Welt. Die Menschenwürde ist ein zentraler Schlüssel zu der Arbeit von Gideon Mendel, der heute in London lebt. Er hat Aidspatienten in Afrika porträtiert, Obdachlose auf Englands Straßen und Flüchtlinge in dem inzwischen aufgelösten Lager „Der Dschungel“ bei Calais. Globale und gesellschaftliche Problemzonen sind eine Konstante in Mendels Bildern, ebenso wie eine herausragende ästhetische Qualität, die weit über das Dokumentarische hinausgeht. „ttt“ hat Gideon Mendel in London getroffen.
    Autorin: Hilka Sinning (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.07.2019Das Erste
  • Folge 28
    Die Ansprüche der Hohenzollern – Was Historiker dazu sagen
    Trotz Novemberrevolution und Enteignungen durch die Sowjets haben die Hohenzollern viel von ihrem Besitz behalten können – doch das reicht ihnen offenbar nicht. Der Ururenkel von Kaiser Wilhelm II., Georg Friedrich Prinz von Preußen, verhandelt seit Jahren mit dem Bund, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie Kultureinrichtungen wie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es geht um Bilder, Möbel und Wohnsitze, zuletzt traf man sich am vergangenen Mittwoch. Die Maximalforderungen der Hohenzollern lösten eine Welle der Empörung aus. Die Familie fordert Werte in dreistelliger Millionenhöhe: die Rückgabe von Kunstwerken und von historischen Gegenständen aus Museen, das unentgeltliche Wohnrecht in Schlössern, dazu Entschädigungen in Höhe von mindestens 1,2 Millionen.
    Kommt es zu keiner gütlichen Einigung, wird man sich wohl vor Gericht treffen. Dabei wird dann eine entscheidende Rolle spielen, ob die Hohenzollern Helfer für Hitlers Machtergreifung gewesen sind. Sollte ein Gericht eine Mitschuld bestätigen, wäre jede Art der Entschädigung ausgeschlossen. Deshalb geht es bei dem Streit um das Hohenzollern-Erbe nicht nur um Geld, sondern auch um die Deutung deutscher Geschichte.
    Späte Aufarbeitung – Die Verbrechen der „Colonia Dignidad“
    In Chile haben Deutsche jahrzehntelang gefoltert, und dennoch erinnert nichts an diese Verbrechen: In der Sekte „Colonia Dignidad“ wurden nicht nur Jungen sexuell missbraucht oder Mitglieder als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Die deutschen Sektenführer um Paul Schäfer arbeiteten sogar mit Chiles Diktator Pinochet zusammen, halfen dem Regime dabei, politische Gefangene zu verhören und auch zu ermorden. Obwohl die deutsche Botschaft in Chile und das Auswärtige Amt seit den 60er Jahren von diesen Gräueln wusste, wurde die Aufarbeitung verschleppt. Erst jetzt werden Opfer, aber auch Täter der Sekte interviewt – für ein deutsch-chilenisches Oral History Archiv, gefördert u.a. vom Auswärtigen Amt. „ttt“ begleitet die ersten Dreharbeiten und spricht mit Wissenschaftlern über die späte Aufarbeitung der Verbrechen der „Colonia Dignidad“.
    Literarisches Meisterwerk – Ein Roman über die abgehängte Gesellschaft in Frankreich
    Sie nannten sich „Eisenmänner“, waren stolz auf ihre Fabriken – und sie waren politisch links: Die Arbeiter im französischen Lothringen. Dann kam Anfang der Neunziger Jahre der wirtschaftliche Niedergang, die Hochöfen wurden geschlossen, der Aufstieg der Rechten begann. Der Schriftsteller Nicolas Mathieu hat darüber einen brillanten Roman geschrieben: „Wie später ihre Kinder“. Mathieu erzählt aus der Perspektive von Jugendlichen, die aus dieser Tristesse ausbrechen wollen, aber in ihrer Welt gefangen bleiben. In Frankreich wurde der Roman von der Kritik gefeiert, er bekam 2018 den Prix Goncourt, jetzt liegt er endlich auf deutsch vor. Wer verstehen möchte, woher der Erfolg der Rechten in Europa kommt – aber auch die Motivation der „Gelbwestenbewegung“ – der findet die Ursachen in diesem Buch. Was hier passierte, steht stellvertretend für viele Regionen in Europa.
    Missbrauch und die Folgen – Die berührenden Bilder der Fotografin Sina Niemeyer
    Das Foto eines Mannes mit herausgekratztem Gesicht. Dazu der Satz „Ich hatte so eine glückliche Kindheit. Bis Du kamst“. Die Fotografin Sina Niemeyer ist als Kind sexuell missbraucht worden, von einem Bekannten. In ihrer Arbeit „Für mich“ zeigt sie das Thema Missbrauch und die Folgen: Sie hat den Mann, der ihr Leben zerstört hat, getroffen und mit seiner Tat konfrontiert und das Gespräch künstlerisch verarbeitet. In der Begegnung hat sie seine Schwäche gespürt – und ihre Stärke. Jetzt hat sie keine Angst mehr vor ihm. Kunst als Therapie und als Form der Selbstermächtigung. Ihre verstörenden Fotos sind gerade in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen, im Rahmen der Sammelausstellung „Gute Aussichten – Junge deutsche Fotografie“ (bis 3.Oktober).
    Virtuos und voller Energie – Die Violinistin Janine Jansen
    Lieber weniger Konzerte geben, aber dafür richtig: Mit den passenden Musikern und den Werken, die sie wirklich spielen will. Janine Jansen ist eine der erfolgreichsten und virtuosesten Violinistinnen der Welt. Zu Beginn ihrer Karriere hat sie bis zu 120 Auftritte im Jahr absolviert, 2010 kam die große Erschöpfung. Jetzt macht sie weniger, aber umso intensiver: Gerade gastiert sie als Portraitkünstlerin beim SHMF und konnte dort ihre Wunschbesetzung zusammenstellen: Sie spielt u.a. mit Sir Simon Rattle, sowie mit ihrem Ehemann Daniel Blendulf (Cello) und Vater Jan Jansen (Cembalo und Orgel). „ttt“ trifft sie bei den Proben und beim Konzert. Janine Jansen tourt ab August durch Deutschland. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.08.2019Das Erste
  • Folge 29
    Ein Jahr vor dem 100. Jubiläum der Festspiele bietet Salzburg wieder ein engagiertes Programm mit hochkarätigen Akteuren. Das bewährte Duo Peter Sellars und Teodor Currentzis hat das nächste Mozartwerk in den Blick genommen. Idomeneo ein musikalisches Drama – aus dem antiken Stoff kreiert Mozart eine persönliche Tragödie um Schicksal, Liebe und Verrat. Regisseur Peter Sellars interpretiert den klassischen Stoff als Kommentar auf die Klimakrise und füllt die Bühne der Felsenreitschule mit einem apokalyptischen Szenario.
    Medea – die Oper von Luigi Cherubini – selten hat man einen mythischen Stoff so aktuell inszeniert gesehen. „Das Publikum solle das Gefühl haben, dass das auf der Bühne Gezeigte etwas mit dem eigenen Leben zu tun habe“, so Regisseur Simon Stone. Medea ist die Ehefrau eines Yuppies, ein schönes Paar, eine scheinbar perfekte Vorzeigefamilie. Als er sie für eine Jüngere verlässt, verliert sie, die Ausländerin ist, alles: Familie, Geld, Status, ihre Kinder und vor allem – ihr Aufenthaltsrecht. Medea als Migrantin, die sich an der Gesellschaft, die sie verstoßen hat, rächt.
    In der Titelrolle gesanglich perfekt und schauspielerisch höchst überzeugend – die Neuentdeckung Elena Stikhina, die für ihr Salzburg Debüt stehende Ovationen erhält. Es gibt Traditionen in Salzburg, die Legende geworden sind. Die Rolle der Buhlschaft ist so eine Legende. In diesem Jahr wird sie von der gefeierten Theaterschauspielerin Valerie Tscheplanowa verkörpert. Eine intelligente, selbstbewusste und ein bisschen subversive Buhlschaft. ttt hat mit Valerie Tscheplanowa über ihre Kindheit, ihre russische Seele und die Kunst, sich zu entäußern gesprochen.
    Den Roman „Jugend ohne Gott“ schrieb Ödön von Horvath 1937 ein paar Kilometer von Salzburg entfernt. Er erzählt von den Nöten eines Bildungsbürgers, eines Lehrers, sich im aufkommenden Faschismus zu verhalten. Opportunismus – oder Humanismus leben? Die Sätze eines geschassten Ex-Kollegen zu dem Lehrer wirken wie ein Menetekel: „Es kommen kalte Zeiten! Das Zeitalter der Fische!“ In der Rolle des Lehrers gibt Tatort-Star Jörg Hartmann sein furioses Salzburgdebut.
    Die Neuerfindung der Operette und nichts Geringeres strebte Jacques Offenbach mit seiner Opera Buffa „Orpheus und Euridike“ an. Und Regisseur Barry Kosky setzt noch einen drauf. Jahrelang hat er über diese Inszenierung nachgedacht und sich ein sehr unterhaltsam respektloses, temporeiches Spektakel ausgedacht. Wenige Tage vor der Premiere ist noch vieles geheim. ttt durfte nur die ersten 30 Minuten sehen. Fest steht: Die Inszenierung verspricht ein großer Wurf zu werden. Erste Eindrücke von der Klavierhauptprobe jetzt in ttt. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.08.2019Das Erste
  • Folge 30
    Identität Ost
    Warum wir endlich darüber sprechen sollten, dass Deutschland noch nicht vereinigt ist. Zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg: Ein Erfolg der AfD wird die Zweiteilung Deutschlands weiter fortschreiben, meint Jana Hensel. Die Autorin und Journalistin stellt fest, dass Deutschland noch nicht Eins geworden ist. „Wie alles anders bleibt“ ist ihre Analyse dazu. Die Künstlerin Henrike Naumann untersucht in ihren Installationen ebenfalls die ostdeutsche Seele und sinniert über den Hang zu Radikalismus und Rassismus ihrer Zeitgenossen.
    „Congo Calling“ – ein Dokumentarfilm von Stephan Hilpert:
    Was treibt Entwicklungshelfer an, in einem der ärmsten und gefährlichsten Länder der Welt zu arbeiten? Florentina Holzinger – Porno, Performance, Provokation: Die Performancekünstlerin mit Kultstatus arbeitet an einem neuen Stück. „ttt“ trifft sie in Wien. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 18.08.2019Das Erste
  • Folge 31
    Deutsche TV-PremiereSo 25.08.2019Das Erste
  • Folge 32
    Die geplanten Themen:
    Die Deutschen und ihr Wald
    Es ist so weit. Wir sind mitten im Waldsterben 2.0. Das sei keine Panikmache, sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner jüngst, der Deutsche Wald schwebe in großer Gefahr. Politiker aller Parteien versuchen in einem wahlkämpferischen Aufbäumen und eiligsten Schnellpflanzungen den Deutschen Wald noch zu retten. Die Frage ist nur: Wie? Als in den 80er Jahren in Deutschland massiv die Fichtenwälder verödeten, wurden Entschweflungsanlagen in der Industrie und Katalysatoren in Autos zur Pflicht. So schnell gab es kostenintensive Umrüstungen in keinen anderen Bereichen.
    Die Deutschen sind sehr empfindlich, wenn es um ihren Wald geht. Seit Tacitus hier vor 2000 Jahren die wilden Germanen entdeckte und Rotkäppchen dem Wolf begegnete, ist der Wald deutscher Mythos und eine Art Nationalheiligtum. Ein romantisch verklärter Ort der Freiheit, des Rückzugs und des Widerstands, in Dichtung und Philosophie eine Metapher des Unerklärlichen und Übernatürlichen. Ein Rückzugsort der Zeitvergessenheit, in dem man die Waldeinsamkeit finden kann und die Natur zum Menschen spricht.
    Heute, in der modernen, globalisierten Gesellschaft, scheint davon nicht mehr viel geblieben zu sein. Der Wald ist eine Sammlung von Bäumen, Holzplantagen der Industrie, mit in Reih und Glied angepflanzten Fichten und Kiefern. Wie sich die Beziehung der Deutschen zum Wald historisch herausgebildet hat, was sie bewirkte, ob es sie immer noch gibt und was gerade jetzt zu tun ist – darüber sprechen in „ttt“ der Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben und der Philosoph und Literaturwissenschaftler Rüdiger Safranski.
    Autor: Dennis Wagner
    „Der Krieg, den keiner wollte“
    Am 1. September 1939, vor 80 Jahren überfiel Hitlers Wehrmacht Polen – Beginn des Zweiten Weltkriegs. Es war „Der Krieg, den keiner wollte“: Das schreibt der britische Historiker Frederick Taylor in seinem neuen Buch, einem aus Tagebüchern und letzten Zeitzeugenberichten montierten Bild von der Stimmungslage der Menschen in Nazi-Deutschland und in Großbritannien. Im spannungsreichen Jahr vor Kriegsausbruch herrschte auf beiden Seiten eine ausgeprägte, von der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg motivierte Kriegsunwilligkeit – bevor in Deutschland die Propaganda über Vernunft und Menschlichkeit siegte und die Engländer (zu spät) begriffen, dass Hitler mit Nachgiebigkeit nicht beizukommen war.
    „ttt“ hat Frederick Taylor in Großbritannien getroffen und mit ihm über den Kriegsausbruch gesprochen und über irritierende Parallelen zu einer Gegenwart, in der sich, mit zunehmendem Nationalismus und andauernden Brexitkampagnen, die Spannungen zwischen den Ländern Europas wieder verschärfen könnten.
    Frederick Taylor: „Der Krieg, den keiner wollte. Briten und Deutsche: Eine andere Geschichte des Jahres 1939“.
    Autor: Andreas Lueg
    Ein Bauhausmuseum für Dessau
    Das Jubiläum geht in die zweite Runde. Einhundert Jahre nach der Gründung des Bauhauses bekommt nun auch Dessau ein eigenes Bauhausmuseum. In Dessau stehen – als Unesco-Welterbe anerkannt – die Ikone des Bauhauses, das Hauptgebäude, auch die Meisterhäuser sind weltberühmt, weitere Bauten gehören zum Bauhauserbe. Als Defizit war gleichwohl immer empfunden worden, dass darüber hinaus kaum etwas in Dessau zu sehen war. Möbel, Leuchten, Textilien, Tapeten oder Schrifttypen – in Dessau entstand in den 1920er Jahren die für uns heute selbstverständlich gewordene Alltagskultur der Moderne.
    Das Defizit wird jetzt behoben. Was verändert sich für die Bauhausstadt und die Arbeit des Bauhauses? Als neues Museum hat das spanische Architekturbüro addenda architects einen ‚großen Pavillon‘ entworfen, der mitten in die Stadt platziert worden ist. Die Ausstellung erzählt über das Lernen und Lehren, das freie Entwerfen und die Entwicklung industrieller Prototypen, das künstlerische Experiment und den Umgang mit dem Markt. Besuch im neuen Bauhausmuseum eine Woche vor der Eröffnung.
    Autor: Meinhard Michael
    Der desillusionierte Blick eines sächsischen Bürgermeisters
    Vor sechs Jahren wurde der Sozialdemokrat Dirk Neubauer ins Rathaus der sächsischen 4000 Seelenstadt Augustusburg gewählt, in der es die AfD bei der letzten Europawahl auf 30 Prozent brachte. Was er nach seiner Wahl in der Stadt vorfand, waren Intransparenz, Politikverdrossenheit und ein Gefühl der Verlorenheit. In einem aktuellen Buch mit viel Zündstoff macht sich Neubauer – am konkreten, aber paradigmatischen Beispiel seiner Stadt – auf die Suche nach den Ursachen der augenfälligen Unzufriedenheit. Und wird fündig in einer Bürokratie, die den Bürger, scheinbar mit System, von der Politik entfremdet. „Wir haben verlernt, wie Gesellschaft geht – und zwar nicht nur im Osten Deutschlands.“ Das sagt Dirk Neubauer, den „ttt“ eine Woche vor der Wahl in seiner Heimatstadt begleitet hat.
    Dirk Neubauer: „Das Problem sind wir: Ein Bürgermeister in Sachsen kämpft für die Demokratie“
    Autor: Tilman Jens (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.09.2019Das Erste
  • Folge 33
    Die Psychoakte als Film – düster, depressiv, nicht komisch:
    „Joker“ von Todd Phillips mit der einmaligen Performance von Joaquin Phoenix. Das Prequel von „Batman“ erzählt, wie aus Arthur Fleck der Joker wird – und zwar mit klaren Diagnosen: Mutter schizophren, der Vater abwesend, der Sohn Arthur ein psychotischer Loser. Permanent getreten, unterdrückt und verlacht wird aus einem dünnen, depressiven Verlierer der fieseste Schurke aller Zeiten. Brad Pitt in „Ad Astra“, Scarlett Johansson in „Marriage Story“, David Thewlis in „Guest of Honour“ und die wunderbare Catherine Deneuve in „La Verité“ – in auffällig vielen Filmen: die Beschädigungen der Kindheit und wie sie im Erwachsenenleben fortwirken.
    Wie trügerisch Erinnerungen sein können, wie verlogen die Familienverhältnisse, wie zerbrechlich unsere Liebe. Das Unterhaltungskino scheint immer mehr politisch zu werden. Zum Beispiel „The Laundromat“, Steven Soderberghs grandiose Verfilmung der „Panama Papers“. Der Clou: die Herren Mossack und Fonseca, die Schlüsselfiguren im Skandal um die „Panama Papers“, treten als reale Figuren auf – grandios verkörpert von Gary Oldman und Antonio Banderas. Sie erklären auf höchst unterhaltsame Weise das Wesen des Geldes. Die famose Meryl Streep als Rache nehmende Witwe bringt den Fall erst ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Der bild- und wirkungsmächtigste Film des Festivals – „The Painted Bird“ von Václav Marhoul.
    Grausamkeiten einer Kindheit im Krieg und wie sie einen Zehnjährigen zerstören. Schmerzhaft brutal, faszinierend schön – ein Film über den wir nicht aufhören können, zu sprechen. Dieses Werk erzählt die Gewalt, die Menschen sich zu allen Zeiten angetan haben und immer noch antun. Der Film, über den die Filmkritik am meisten begeistert war, ist „J’accuse“ von Roman Polanski. Ein so präzise wie konventionell erzähltes Historiendrama von einem so genialen wie umstrittenen Regisseur. Die Dreyfus-Affäre – ein jüdischer Offizier der 1895 fälschlich wegen Spionage verurteilt wurde. Ein Fall, der Frankreich damals fast zerrissen hat. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.09.2019Das Erste
  • Folge 34
    - Jonathan Safran Foer: „ttt“ im Gespräch mit dem Schriftsteller über dessen neueste Publikation zum Thema Klimawandel
    - Nach der Landtagswahl in Sachsen: „ttt“ trifft Felix Kummer, Sänger der Band „Kraftklub“, zum Rundgang durch Chemnitz und unterhält sich mit ihm über die politische Entwicklung in Chemnitz und Sachsen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.09.2019Das Erste
  • Folge 35
    Deutsche TV-PremiereSo 22.09.2019Das Erste
  • Folge 36
    Der Kampf um Kultur und Geschichte – Die AfD vor der Wahl in Thüringen
    Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen haben mit dem enormen Zuwachs der AfD für ein heftiges Beben gesorgt. Die Koalitionsverhandlungen laufen noch – schon stehen im nächsten Bundesland die nächsten Wahlen an: in Thüringen. Hier steht die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke in den Startlöchern. Was heißt das für die Kultur in dem Land, in dem mit Weimar die Wiege der deutschen Klassik liegt, aber auch die KZ-Gedenkstätte Buchenwald? „ttt“ fragt nach in Weimar und Buchenwald, verfolgt eine AfD-Kundgebung in Erfurt und erlebt in Rudolstadt, wie erschreckend normal die Präsenz der Rechten bereits geworden ist.
    Außen homophob, innen schwul? – Das Buch „Sodom“ über die katholische Kirche
    Die Mehrheit der Kirchenmänner im Vatikan ist schwul, behauptet der französische Soziologe und Journalist Frédéric Martel. Und gerade die homosexuellen Vertreter würden eine Erneuerung der Kirche verhindern. In seinem Buch „Sodom“ berichtet Martel von Intrigen und auch von Liebesbeziehungen im Vatikan. Und er kommt zu dem Schluss, dass gerade diese Männer nach außen eine strenge Sexualmoral vertreten, um von der eigenen Sexualität abzulenken. Sogar das jahrelange Schweigen über sexuellen Missbrauch habe damit zu tun, sei Teil dieses Systems. Frédéric Martel hat für sein Buch jahrelang recherchiert, mit Kardinälen, Bischöfen und Priestern gesprochen. Doch kann er seine Thesen auch belegen? „ttt“ spricht mit Frédéric Martel über sein Buch „Sodom. Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan“.
    Jane Birkin – Die privaten Tagebücher
    Vergessen Sie alles, was Sie von Jane Birkin je gedacht haben – Sexbombe, Mode-Ikone, Schauspielerin, Sängerin, It-Girl, Partnerin von Serge Gainsbourgh. Ihre gerade veröffentlichten Tagebücher, die sie seit ihrer Kindheit führt, zeigen eine neue, unbekannte Seite – die ungeschönte, ganz private („Munkey Diaries“). Sie erzählt nicht von ihren Filmen oder Songs, sondern von ihren Männern und Töchtern. Mit dem Wissen, was vor drei Jahren geschah, lesen sich Jane Birkins Tagebücher wie eine Selbstbefragung. Ihre Tochter Kate brachte sich um, mit 46. Was habe ich falsch gemacht? Habe ich Kate genug geliebt? Das scheint aus jeder Zeile zu sprechen.
    Jetzt auch noch die Wissenschaft! – Wie in Ungarn Victor Orbán weiter Gleichschaltung betreibt
    In Ungarn dürfte die Freiheit der Wissenschaft die längste Zeit bestanden haben: Nicht nur, dass der neue Direktor der Akademie der Wissenschaften in der Vergangenheit mehrfach mit fremden- und islamfeindlichen Äußerungen aufgefallen ist, womit er sich nicht gerade als Freigeist zu erkennen gibt. Vielmehr ist seine Ernennung durch Victor Orbán Teil eines umfassenden Umbaus der Akademie der Wissenschaften, die nun stärker politisch kontrolliert wird. Fünfzehn Institute der Akademie sind jetzt einem Gremium unterstellt, bei dem Orbáns Fidez-Partei die Mehrheit stellt.
    Beschlossen wurde bereits, das Fach „Gender Studies“ abzuschaffen – denn es untergrabe die „Fundamente der christlichen Familie“, so die Begründung. Doch damit nicht genug: Die ehemalige „Karl-Marx-Universität für Wirtschaftswissenschaften Budapest“ wird privatisiert – und es steht zu befürchten, dass sie die neue Kaderschmiede für Fidesz wird. „ttt“ spricht mit betroffenen Studierenden und Professoren – und fragt nach bei Katharina Barley, der frischgewählten Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, wie es sich das mit den europäischen Werten vereinbaren lässt.
    Meister der Metamorphosen – Kinofilm über den Künstler M.C. Escher
    Unmögliche, endlose Treppen. Wasser, das bergauf fließt. Vögel, die sich in Fische verwandeln. Hände, die sich gegenseitig zeichnen. Paradox! M.C. Escher (1898–1972) ist eine Ikone, seine Grafiken sind weltbekannt. Der Dokumentarfilm „M.C. Escher – Reise in die Unendlichkeit“ (Kinostart: 10. Oktober) erweckt Eschers Bilder mit Animationen zum Leben und lässt den niederländischen Künstler anhand von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Notizen selbst zu Wort kommen (gesprochen von Matthias Brandt). Was inspirierte ihn? Woher kamen seine Ideen? Ein faszinierender Einblick in den Escher-Kosmos! (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.09.2019Das Erste
  • Folge 37
    Memory Games
    Johannes Mallow aus Magdeburg merkt sich in 5 Minuten über 500 Ziffern. Und dazu noch 132 Jahreszahlen, kein Problem für den Gedächtnisweltmeister und fünffachen deutschen Champion. Er ist einer der unspektakulär auftretenden Stars im Dokumentarfilm „Memory Games“, der am 3. Oktober im Kino anläuft. Der zeigt dem staunenden Publikum, dass jeder das Potenzial für phänomenale Gedächtnisleistungen in sich trägt. Und erinnert uns auf unterhaltsame Weise daran, dass – jenseits der Rekorde der Gedächtnissportler – der Mensch ohne Erinnerung wenig ist und Kultur ohne Gedächtnis undenkbar.
    Autor: Andreas Lueg
    Ilko-Sascha Kowalczuk: „Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde“
    Nicht einmal elf Monate vergingen nach dem Tag, an dem die Mauer fiel, bis die DDR Geschichte war und am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik beitrat. Zum Auftakt des großen Jubiläumsjubeljahrs legt der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk, der die letzten Tage der DDR in Ostberlin hautnah erlebte, einen fulminanten Essay vor. Da liest sich die Geschichte der Wiedervereinigung nicht zuletzt als umfängliches Sündenregister. Einheit durch Übernahme! Da wurde nicht eben feinfühlig ein ganzes Gemeinwesen entsorgt, mit Überheblichkeit traktiert, allzu gern auf die Verbrechen der Stasi reduziert. Wissenschaftlich fundiert, frei von jeglicher Ostalgie, zeigt Kowalczuk, wie Westdeutschland die einstigen „Brüder und Schwestern“ aus dem Osten allzu oft demütigte und ihrer Identität beraubte. Dieser Mangel an Respekt und Wertschätzung, das wird deutlich, wirkt bis heute. „ttt“ hat den Autor getroffen.
    Autor: Tilman Jens
    Das Paradeappartement
    Augusts des Starken 1719 traf sich in Dresden der europäische Hochadel, um der Hochzeit des sächsischen Kronprinzen Friedrich August mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha beizuwohnen. Das von August maßgeblich konzipierte Fest gilt heute als das größte Spektakel des europäischen Spätbarocks und als Paradebeispiel für kulturelle und politische Vernetzung Sachsens. Eigens für das Fest ließ August der Starke im Dresdner Schloss eine ganze Flucht von repräsentativen Empfangsräumen einrichten – das sogenannte Paradeappartement. Im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurden die Räume pünktlich zum 300. Jubiläum der Hochzeitsfeierlichkeiten originalgetreu rekonstruiert. 35 Millionen Euro investierte der Freistaat Sachsen in dieses Prestigeprojekt. „ttt“ stellt das wieder errichtete Paradeappartement vor und fragt, welche Bedeutung dieses barocke Gesamtkunstwerk für Sachsen in Geschichte und Gegenwart hat.
    Autor: André Meier
    Igor Levit: Mehr als ein gefeierter Virtuose
    Schon 2010 bescheinigte die „FAZ“ dem damals gerade 23-jährigen Igor Levit, „einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts“ zu sein. Später begann sein atemberaubender Aufstieg. Im russischen Gorki geboren, übersiedelten er und seine jüdische Familie 1995 nach Hannover. Levit ist der Intellektuelle unter den Klassik-Stars und der politischste. Er mischt sich – für einen Klassikstar ungewöhnlich – per Twitter in aktuelle Debatten ein, in Wort, Bild und gerne auch mit einem Witz. Levit engagiert sich gegen Antisemitismus und verewigte Frederic Rzewskis grandiose Variationen über das chilenische Revolutionslied „El pueblo unido“ auf einer CD.
    Für den inzwischen weltweit gefeierten Pianisten, der in Berlin lebt und an der Musikhochschule in Hannover eine Professur hat, ist alle Musik politisch. Auf seinem im Oktober erscheinenden Album hat er auf 12 CDs alle 32 Beethoven-Sonaten eingespielt. Er verleiht diesem König der Klassik darauf seine sehr persönliche, zeitgemäße Sicht. Und nimmt mit der Einspielung ein Thema vorweg, das 2020 die Musikwelt komplett beherrschen wird: 250 Jahre Beethoven. „ttt“ zeigt den Ausnahmekünstler am Klavier, trifft ihn zum Gespräch, um ihn u. a. zu fragen, was an seinem Beethoven politisch ist.
    Autor: Reinhold Jaretzky
    Karel Gott: Für immer jung
    Für die Deutschen blieb er immer der Schmusesänger, die „goldene Stimme aus Prag“ – Karel Gott, der am 2. Oktober mit 80 Jahren starb. Doch Gott, der ursprünglich Maler werden wollte, besang nicht nur die singende, kochende, tanzende „Babicka“ oder die kleine, freche, schlaue „Biene Maja“. Etwa 150 Millionen verkaufte Tonträger, 120 Alben, eine über 60-jährige Bühnenlaufbahn bezeugen ein künstlerisches Werk, das weit darüber hinausreicht. In Tschechien, wo er als er als Rock’n’Roller und Caféhausmusiker begann und seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Botschafter seines Landes auch im Westen wurde, nannte das Publikum ihn nur „Mistr“ (Meister).
    Fast bis zuletzt stand er auf der Bühne, immer offen für Neues, immer melancholischer werdend. Zusammen mit Skandalrapper Bushido wünschte er sich, „Für immer jung“ zu sein. Noch in diesem Sommer nahm er im Duett mit seiner 13jährigen Tochter Charlotte Ella ein neues Lied auf, das Vorahnung und Abschied zugleich war: „Wenn mich der Strom fortreißt, musst du schwimmen.“
    Autor: Lutz Pehnert (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.10.2019Das Erste
  • Folge 38
    Mega-Lesungen, Diskussionen, tausend Events – eine Fünf-Tage-Party für Prominente, Schriftsteller*innen, Philosoph*innen und unbekannte Geistesgrößen, ein Treffpunkt für Intellektuelle und Dünnbrettbohrer, für Schreibende und Lesende, ein Marketingmarathon für Verleger – es ist die größte Buchmesse der Welt. „ttt“ präsentiert die Highlights. Über allem stehen die großen Themen der Zeit. In diesem Jahr sind es die Klimakrise, die weltweit wachsenden Protestbewegungen, aber auch der zerstöre-rische Rechtsradikalismus in den Ländern des Westens. Die 45-minütige Extraausgabe von „ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ kommt am Sonntag, 20. Oktober, vom Hessischen Rundfunk (hr) und ist um 23:05 Uhr im Ersten zu sehen; es moderiert Evelyn Fischer.
    Die Themen der Sendung im Einzelnen:
    Der New Yorker Bestseller-Autor Jonathan Safran Foer und sein aktuelles Buch „Wir sind das Klima“. Jeder von uns kann Wirkungsvolles im eigenen Leben tun – wenn auch ohne Schnitzel, so die Botschaft Foers. Auch dann, wenn eine so epochale Aufgabe wie die Bewältigung der Klimaka-tastrophe letztendlich nur von kluger, steuernder Politik in den Griff zu bekommen sei. „ttt“ besucht Foer in New York und spricht mit ihm über sein Leben zwischen Fleischverzicht und Fleischeslust.
    Norwegen ist in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse. „ttt“ spricht mit dem norwegischen Kronprinzenpaar Mette-Marit und Haakon, mit dem Erfolgsschriftsteller Karl Ove Knausgård, der Bienen-Königin unter den Schriftstellerinnen Maja Lunde und Jostein Gaarder, der nicht nur Sofie die Welt erklären kann. Außerdem besuchen wir in Norwegen Tore Renberg mit seinem Roman „Von allen Seiten“ und sprechen mit Lars Lenth über „Der Lärm der Fische beim Fliegen“.
    Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Mit der Debatte um die Klimakatastrophe und die Brände im brasilianischen Amazonasgebiet wirkt die Vergabe des Friedenspreises an Salgado wie die richtige Wahl der Stunde. Wim Wenders drehte 2014 den Dokumentarfilm „Salz der Erde“ über und mit Salgado. Er hält die Laudatio und ist seit vielen Jahren sein enger Begleiter. „ttt“ hat Salgado in Frankfurt begleitet und war bei der Preisverleihung dabei.
    Olga Tokarczuk hat den Literaturnobelpreis bekommen. Mit ihren liberalen, feministischen und autoritätskritischen Ansichten eckt Tokarczuk bei der PiS-Partei und ihren Anhängern an, von den rechten Medien wird sie als Verräterin verschrien. Die andere Hälfte der Gesellschaft feiert sie als wichtige Stimme Polens, die den gedanklich-philosophischen Reichtum des Landes mit präziser Sprache einfängt. „ttt“ trifft Tokarczuk auf der Messe und spricht mit ihr über die Macht von Büchern und über Polen, eine Woche nach den polnischen Parlamentswahlen.
    Julia Ebner ist eine der jungen, starken Frauen, die Bücher schreiben. Ihr Leben ist ungemütlich geworden, seit sich die Extremismus-Forscherin inkognito in rechtsradikale Netzwerke einschleust, immer wieder wird sie bedroht. Jetzt ist ihr zweites Buch erschienen, es heißt „Radikalisierungsmaschinen“. „ttt“ hat mit Julia Ebner über die neuen Formen rechten Terrors gesprochen – und darüber, was wir jetzt unbedingt tun müssen.
    Paul Mason wurde mit seinem Buch über den „Postkapitalismus“ zu einer Ikone der Gesellschaftskritik. Nun hat er eine „radikale Verteidigung des Huma-nismus“ geschrieben, „Klare, lichte Zukunft“ lautet der Haupttitel seines Buches. Ein Plädoyer für eine soziale Utopie, dafür die Werte der Aufklä-rung in die Zukunft zu retten. „ttt“ hat mit dem brillanten Rhetoriker Paul Mason gesprochen.
    Alexander Osang gilt als Edelfeder unter den deutschen Journalisten und Schriftstellern. Mit seinem neuen Roman, „Die Leben der Elena Silber“, hat er die Geschichte eines Jahrhunderts beschrieben, inspiriert von sei-ner eigenen deutsch – russischen Geschichte. „ttt“ trifft Osang in Berlin und auf der Buchmesse.
    Im Trubel der Messe trifft „ttt“ außerdem Sascha Lobo, Robert Habeck, Claus Leggewie, Richard David Precht, Saša Stanišic, Deniz Yücel, Luisa Neubauer, Bernd Ulrich, Dirk Nowitzki, Ulrich Tukur, Reinhold Messner, Elif Shafak, Margret Atwood, Ken Follet, Harald Welzer und Sybille Berg. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.10.2019Das Erste
  • Folge 39
    Die Themen:
    Der Aufstand gegen das Aussterben
    Die Klimarevolution ist in vollem Gang – das Gesicht der deutschen „Fridays for Future“ Bewegung Luisa Neubauer hat ihr Programm jetzt in einem Buch niederschrieben („Vom Ende der Klimakrise. Eine Geschichte unserer Zukunft“). Schulschwänzen viel zu lasch? Jedenfalls für die Extinction Rebellion Aktivisten. „ttt“ hat mit deren Vordenker, dem Philosophen Rupert Read, und mit Luisa Neubauer gesprochen: über zivilen Ungehorsam, Klimalügen und die notwendigen Schritte zur Rettung der Welt.
    „Es hätte schlimmer kommen können“ – Mario Adorf
    Mario Adorf – der Mann ist nun wirklich eine deutsche Schauspiellegende. Jedoch: Adorf hat sehr klein angefangen. Der Dokumentarfilm „Es hätte schlimmer kommen können“ von Dominik Wessely ist eine Fundgrube des Biografischen und Cineastischen, vom Bewerbungsschreiben für die Schauspielschule, über Kortner, Fassbinder bis zur Arbeit mit Helmut Dietl und darüber hinaus.
    „Extreme Sicherheit“
    Werden Recht und demokratische Ordnung unterwandert? – Immer wieder wird über rechtsextreme Vorfälle in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr oder Justiz berichtet. Daran schließt sich fast immer die Frage an: Geht es um Einzelfälle oder gibt es rechtsextreme Gruppen und Netzwerke in den Sicherheitsbehörden. Dieser Frage geht jetzt ein Buch nach: „Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz“.
    Herlinde Koelbl
    Sie ist die wohl bedeutendste Portraitfotografin des Landes. Sie hat Menschen eindringlich und ausdrucksstark fotografiert: Kinder genauso wie die High Society, Insassen einer Psychiatrie und ihre Ärzte, Politiker, Kommissarinnen, einfach nur Männer oder starke Frauen, sie hat in Deutsche Wohnzimmer geblickt und auch ins Schlafzimmer, sie hat die Spuren der Macht in Gesichtern gefunden, sie hat Jüdische Portraits mit der Kamera gezeichnet. Am 31. Oktober wird Herlinde Koelbl 80 Jahre alt.
    Todestag Rembrandt (1606–1669):
    Rembrandt wurde bereits zu Lebzeiten als Genie verehrt und hat seitdem Generationen von Künstlern und Kennern fasziniert. Ein neues umfangreiches Werkverzeichnis zeigt noch einmal sein gesamtes Schaffen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.10.2019Das Erste
  • Folge 40
    Zwangsarbeit beim Keks-Imperium „Bahlsen“:
    „Ungelöste Fragen kommen teuer zurück“ – mit diesem geflügelten Wort wird die Gebäckfirma „Bahlsen“ seit Monaten auf empfindliche Weise konfrontiert. Verena Bahlsen, die 26-jährige Erbin des Traditionsunternehmens aus Hannover hat vor einem halben Jahr erklärt, dass die Zwangsarbeiter bei „Bahlsen“ während der NS-Zeit „gut behandelt“ worden seien und „Bahlsen sich nichts zuschulden“ kommen gelassen habe. Es hagelte internationalen Protest. Firmenpatriarch Werner M. Bahlsen ließ seine Tochter eine Entschuldigung veröffentlichen und beauftragte einen Historiker, die Firmengeschichte während der Nazizeit zu erforschen. Aber diese Firmengeschichte ist seit Jahrzehnten offen einsehbar. „titel thesen temperamente“ hat die 95-jährige Helena Eljasik in Polen getroffen, die dreieinhalb Jahre als Zwangsarbeiterin bei „Bahlsen“ schuftete und hat sie nach ihren Erlebnissen gefragt.
    Zwei Brüder und der Mauerfall:
    Norbert Bisky ist Maler und war 19 als die Mauer fiel. Jens Bisky ist Journalist und war damals 23. „Ohne den Mauerfall wäre ich nicht Künstler geworden“, sagt Norbert Bisky. 30 Jahre danach blickt er in zwei parallel stattfindenden Ausstellungen in Berlin und Potsdam zurück auf das Ende der DDR, das Chaos der Nachwendezeit und sein persönliches Erleben. Aufgewachsen in einem streng sozialistischen Umfeld, wurde der Sohn des vor sechs Jahren verstorbenen PDS-Politikers Lothar Bisky, unmittelbar nach dem Mauerfall als NVA-Deserteur noch in das Ostberliner Militärgefängnis gesperrt. Erst die Implosion des alten Systems brachte ihm die Freiheit, sich eine Zukunft als Künstler zu denken. Jens Bisky, Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ und Buchautor, hat gerade eine 900 Seiten starke Biografie der Stadt Berlin veröffentlicht. „titel thesen temperamente“ trifft die beiden Brüder im Atelier von Norbert Bisky.
    „Das Forum“ – die Geschichte des Treffens von Davos:
    Was ist das Weltwirtschaftsforum in Davos? Eine entscheidende Schaltzentrale der Mächtigen, auf der Zukunftsfragen entschieden und die Welt zu einem besseren Ort werden? Oder eine nutzlose Bühne für die Eitelkeiten von Autokraten und selbstverliebten Konzernbossen? Zum ersten Mal wirft ein Dokumentarfilm einen Blick hinter die Kulissen und spricht mit dem Gründer des Forums, Klaus Schwab, was ihn vor 50 Jahren antrieb, dieses jährliche Treffen in den Schweizer Alpen ins Leben zu rufen. Der 81-Jährige will alle zusammenbringen, um die Welt, wie er sagt, ethischer zu machen. Genau das Gegenteil ist der Fall, sagt Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan, die auch jedes Jahr das Forum besucht. Beeindruckend treibt der Film diesen Konflikt auf die Spitze, wenn er Trump, Bolsonaro, Firmenbosse und Greta Thunberg in Davos zeigt. „titel thesen temperamente“ hat den Regisseur Marcus Vetter nach seinen Dreharbeiten hinter den Kulissen dieses Treffens gefragt.
    Ein letzter Thriller – Frederick Forsyth und sein neues Buch:
    Eine bestimmte Geschichte aus seinem Doppel-Leben als Bestseller-Autor und Gelegenheits-Agent erzählt Frederick Forsyth immer wieder gern: Wie nämlich der sowjetische KGB regelmäßig die ersten 50 Exemplare seiner druckfrischen Spionage-Thriller gekauft und nach Moskau geschafft habe, um die Tricks und Ideen erst zu studieren und dann im Spionage-Einsatz zu kopieren. Mit 80 Jahren will Forsyth, der mit dem „Schakal“ 1971 das Genre definierte und in den sechziger Jahren auch in Ostberlin aktiv war, es noch einmal wissen. „Der Fuchs“, sein 17. und – wie er im ttt-Gespräch ankündigt – definitiv letzter Streich handelt vom Cyberkrieg und den Abgründen der Spionage-Welt. Auch in der ist – wir ahnten es – nichts mehr wie früher. „titel thesen temperamente“ hat Frederyck Forsyth in London besucht.
    Das „Artemis Quartett“ wird 30:
    Streichquartett zu spielen gilt als Königsdisziplin der Kammermusik. Gefordert sind spielerische Virtuosität und die Bereitschaft – so wird es oft beschrieben – eine Ehe zu viert zu führen. Niemand ist ersetzbar. Das „Artemis Quartett“ gilt als eines der besten Streichquartette der Welt und feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag. Und das, obwohl das Quartett vor allem in den vergangenen Jahren auch schwierige Zeiten durchlebt hat: 2015 begann der an Depressionen leidende Bratschist Friedemann Weigle Suizid. 2018 verkündete Eckart Runge, Gründungsmitglied des Quartetts, seinen Rückzug. Wie geht man mit Krisen um und wie geht man aus ihnen hervor? „titel thesen temperamente“ hat das Quartett in neuer Besetzung kurz vor Saisonstart getroffen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.11.2019Das Erste
  • Folge 41
    Die geplanten Themen:
    Jeff Goldblum
    Ein Hollywood-Star kehrt der großen Leinwand für einen Moment den Rücken, um sich einer Karriere als Musiker zu widmen. Soweit nichts Besonderes und das Ergebnis, seien wir mal ehrlich, in den meisten Fällen selten mehr als mittelmäßig. Schon allein deshalb ist das neue und mittlerweile zweite Album des Hollywood-Stars Jeff Goldblum eine echte Meldung wert. Denn „I Shouldn’t Be Telling You This“ – so der Titel der Platte, die nun erschienen ist – ist die überaus angenehme Ausnahme. Jazzklassiker, neu interpretiert. Goldblum am Piano. Ein unheimlich charismatischer Bandleader mit einer unheimlich gut eingespielten Band. Kein Wunder: Seit 20 Jahren tritt der Schauspieler mit seinem Mildred Snitzer Orchestra einmal wöchentlich im Rockwell Table & Stage, einem Nachtclub in Los Angeles, auf – wenn er nicht gerade für einen neuen Hollywood Film vor der Kamera steht.
    Mit seiner außergewöhnlich Art zu spielen, seinen denkwürdigen Performances in Filmen wie David Cronenbergs „Die Fliege“ oder Steven Spielbergs „Jurassic Park“ hat sich um Goldblum, der dem Jazzpiano bereits in der Jugend verfallen ist, eine beachtliche Fangemeinde geschart, die den Schauspieler beinahe kultisch verehrt. So ist es kaum verwunderlich, dass der Nachtclub im Londoner Vorort Kingston, in dem Goldblum am vergangenen Wochenende sein frisch veröffentlichtes Album präsentierte, kurz davor war, aus allen Nähten zu platzen.“ttt“ war mit dabei und hat den Hollywood-Star begleitet.
    Autor: Marcus Fitsch
    Comeback der Moderne in Halle
    Halle an der Saale ist nicht sehr bekannt als Hort der Klassischen Moderne. Nazizeit, der Zweite Weltkrieg und das anschließende Image der Chemiearbeiterstadt für Buna und Leuna hatten die Erinnerung daran weitgehend überdeckt. Doch war Halle in den 1910er und 1920er Jahren eine moderne Metropole mit prosperierendem Kulturleben. Das Museum Moritzburg orientierte sich strikt an der Moderne und sammelte als eines der ersten Museen in Deutschland expressionistische und abstrakte Kunst: von Nolde bis Kirchner, von Kandinsky bis Lissitzky.
    Die Aktion „Entartete Kunst“ 1937 traf die Hallenser Sammlung schwer. Nach 1945 wurde die Moderne in der DDR missachtet. Als sich das verändert hatte, verhinderte Devisenknappheit mögliche Korrekturen. Trotz der hohen Preise für die Werke sind nach 1990 einige Werke zurückgekommen. Doch was die Hallenser Sammlung einmal war, kann man erst jetzt wieder erkennen. Die Ausstellung „Bauhaus Meister Moderne – Das Comeback“ schafft es, mit etlichen Leihgaben aus aller Welt, die Umrisse und die Substanz der früheren Sammlung wieder darzustellen.
    Autor: Meinhard Michael
    Offical Secrets
    Die Britin Katharine Gun gehört zu den wichtigsten Whistleblowern unserer Zeit: Vor 16 Jahren riskierte sie alles, um die Invasion des Irak 2003 abzuwenden. Kurz vor Beginn des Irak-Kriegs gelangt Katharine Gun an ein schockierendes Memo der NSA, in dem es heißt, die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sollten erpresst werden, um für eine Invasion im Irak zu stimmen. Da sich Gun nicht an einem unter falschem Vorwand angezettelten Krieg beteiligen will, leitet sie die Informationen an die Presse weiter. Von ihrer Regierung als Verräterin angeklagt, wird Gun inhaftiert. Der Film „OFFICIAL SECRETS“ erzählt die Geschichte der Übersetzerin, die Unrecht nicht einfach hinnehmen wollte und unter größtmöglichen Konsequenzen für sich und ihr engstes Umfeld die Wahrheit ans Licht brachte. Ein Spionage-Thriller von Gavin Hood mit Keira Knightley in der Hauptrolle. Kinostart, 21. November.
    Autorin: Barbara Block
    Dresden im Notstand?
    Es sollte eigentlich um eine ernste und dringende Sache gehen. Der Lokalpolitiker Max Aschenbach sitzt für „Die Partei“ im Dresdner Stadtrat und hatte die gute Idee. Er wollte das Stadtparlament zu einem Beschluss bewegen, der die Stadtgesellschaft in die Pflicht nimmt, mehr gegen antidemokratische, antipluralistische, menschenfeindliche Einstellungen zu tun. So weit, so gut. Das Problem nur, er betitelte den Beschluss mit „Nazinotstand?“. War das provokant gedacht? War das fahrlässig, gar infantil politisch? In der öffentlichen Wahrnehmung fiel das nicht ganz unwesentliche Fragezeichen meist weg. Mit hämischer Freude sah man das bestens gepflegte Stereotyp von Dresden als rechte Stadt wieder einmal bestätigt. So verkehrte sich ein ernstes Anliegen, in eine aberwitzige Angelegenheit.
    Autor: Dennis Wagner (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.11.2019Das Erste
  • Folge 42
    Der Krieg in Nordsyrien und warum Europa seine Vermittlerrolle wahrnehmen muss: „ttt“ über Gilles Kepels starke Analyse der Krisen in der arabischen Welt
    Als junger Mann hatte Gilles Kepel in Damaskus studiert – seine Begeisterung für die reiche, multireligiöse Kultur Syriens ist bis heute ungebrochen. Heute, vier Jahrzehnte später, ist Kepel der berühmteste Nahostexperte Frankreichs, und in Syrien herrscht seit Jahren Krieg. Das Regime Assads, revolutionäre Truppen und der sogenannte Islamische Staat haben das Land zerstört. Gilles Kepel war davon sogar persönlich betroffen, denn der IS belegte ihn mit einer Fatwa, rief zum Mord an ihm auf. Zum persönlichen Schutz stand Kepel unter Hausarrest und Polizeischutz.
    Das Gute daran: Nur so fand er die Zeit, sein Opus Magnum zu schreiben. „Chaos“ heißt Kepels aktuelles Buch und ist eine ebenso komplexe wie kundige Einführung in die Konflikte des Nahen Ostens. Natürlich hat er dabei auch immer Syrien im Blick – und er ermahnt uns Europäer, es ihm gleich zu tun. Denn seit die Türkei in Nordsyrien einmarschiert ist, gibt es kaum Beobachter oder Journalisten in der Region. Die Geschehnisse dort drohen aus dem Blick der westlichen Öffentlichkeit zu geraten, dabei könnten sie gerade für die Europäer fatale Konsequenzen haben.
    US-Präsident Trump hat entschieden, seine Truppen aus Syrien abzuziehen. Er überlässt damit die Kurden ihrem Schicksal, obwohl sie es waren, die für den Westen den IS bekämpften. Der Verrat an den Kurden ist aber nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch gefährlich: Während Erdogan kurdische Städte bombardieren lässt, könnten Tausende von IS-Kämpfern aus kurdischen Gefangenenlagern wieder freikommen.
    Was das bedeuten würde, kann man sich leicht ausrechnen: Flucht und neuer Terror, auch in Europa. Aber auch welche geopolitischen Interessen die konkurrierenden Mächte Iran, Russland, Türkei und nicht zuletzt die USA in Syrien haben, dürfe nicht aus dem Blick geraten, mahnt Kepel, den die eskalierende Situation im Nahen Osten an diejenige Europas am Vorabend des Ersten Weltkriegs erinnert. „ttt „ trifft Gilles Kepel, der gerade mit seinem neuen Buch durch Europa tourt, zum Gespräch.
    Außerdem bei „ttt“:
    •In der Welt von morgen wird der Westen nicht länger den Ton angeben – „Der lange Abschied von der weißen Dominanz“:
    „ttt“ trifft die renommierte Journalistin Charlotte Wiedemann in Berlin und spricht mit Bonaventure Soh Bejeng Ndikung von „Savvy Contemporary“, einem Berliner Kunstraum und Laboratorium für neue gesellschaftliche Ideen.
    •Würstchen statt Hakenkreuze – In seiner Heimatstadt Verona übersprüht der Street-Art-Künstler Cibo rechtsextreme Schmierereien mit kulinarischen Graffiti:
    „ttt“ hat Cibo durch Verona begleitet, ihn bei der Arbeit beobachtet und mit ihm darüber gesprochen, was ihn antreibt.
    •Cool, feministisch, umwerfend – Die Musikerin Alli Neumann macht ihr Ding:
    „ttt“ trifft die Sängerin und Schauspielerin in Hamburg, wo Alli Neumann lebt, und in Nordfriesland, wo sie aufgewachsen ist. Wir sprechen mit ihr über neue, alte und multiple Heimaten und Denkanstöße, die auch Pop liefern kann. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.11.2019Das Erste
  • Folge 43
    Die Weizsäckers: Aufstieg einer deutschen Familie
    Wie wir die Welt retten: Mike Berners-Lees Überlebensplan für die Menschheit
    Ein letzter Tanz: Leonard Cohens posthumes Album
    Subversiver Selbstdarsteller: Martin Kippenberger in der Bundeskunsthalle Bonn
    Stadt unter: Das Hochwasser in Venedig zerstört Kunst und Kultur (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.11.2019Das Erste
  • Folge 44
    Die Themen:
    „Ein Preis für Kriegsverbrechen“ – Bosnier protestieren gegen Nobelpreis für Handke:
    Am 10. Dezember bekommt Peter Handke den Nobelpreis für Literatur – und die Proteste lassen nicht nach. Denn Handke hat sich im Bosnienkrieg und angesichts des Zerfalls von Jugoslawien stets deutlich für die serbische Seite ausgesprochen und dabei, wie seine Kritiker sagen, die bosnischen Opfer missachtet und verhöhnt. ttt spricht in Sarajevo mit Überlebenden und Angehörigen der Opfer von Srebrenica, mit Autoren und Verlegern: Sie alle sind empört und sagen, damit diskreditiere sich der Nobelpreis selbst. Handkes Verteidiger sprechen gern von einer längst verjährten Verirrung eines ansonsten großen Schriftstellers. Der Autor selbst sieht das anders: Er distanziert sich bis heute nicht von seinen Schriften.
    Vom Ende einer Kultur – Wie China systematisch die Uiguren unterdrückt:
    Als Anfang der Woche die „China Cables“ enthüllten, dass innerhalb kürzester Zeit die chinesische Führung ein brutales Lagersystem aufgebaut hat, in dem sie Hunderttausende Uiguren gefangen hält, war der öffentliche Aufschrei groß. Tatsächlich hat die Unterdrückung der muslimischen Bevölkerung in der Provinz Xinjiang schon lange vorher begonnen – erst subtil und dann immer offener: Frauen wurde untersagt, einen Schleier zu tragen, Männern der Bart abrasiert. Traditionelle muslimische Namen wie Fatima oder Hussein gelten als extremistisch. Moscheen und muslimische Friedhöfe wurden in den letzten zwei Jahren geschleift, das kulturelle Erbe systematisch zerstört. ttt spricht mit der uigurischen Anthropologin Mukaddas Mijit über das Ausmaß der Unterdrückung, und wie sie sich bemüht, die traditionelle Tanz- und Musikkultur ihres Volkes lebendig zu halten – im französischen Exil.
    Katerstimmung nach 30 Jahren – Was ist seit 1989 schief gelaufen?:
    Als die Mauer fiel, schien klar: Jetzt gibt es nur noch ein Gesellschaftsmodell, und das wird weltweit adaptiert – die kapitalistisch-liberale Demokratie. Warum war das eine Illusion? Weil Osteuropa den Westen nur nachahmen wollte und weil der Westen viel zu arrogant und selbstverliebt in eine neue Epoche eingetreten ist. Ivan Krastev und Stephen Holmes beschreiben in ihrem Buch „Das Licht, das erlosch“ die Mechanismen, die inzwischen zu Verbitterung und Katerstimmung geführt haben. Ihre Diagnose: Der Populismus ist entstanden, gerade weil das westliche Modell sich als „alternativlos“ präsentiert hat.
    Das vergessene Massaker – Wie Kemal Atatürk Kurden ermorden ließ:
    Er gilt als der Schöpfer der modernen Republik Türkei: Kemal Atatürk. Ein Nationalstaat, eine Sprache, eine Religion. Dass er dafür buchstäblich über Leichen ging, ist zwar bekannt – aber nicht, in welchem Ausmaß. Ein jetzt in der Türkei gefundenes Dokument beweist, wie brutal er gegen die Kurden in Dersim, dem heutigen Tunceli, vorging: Er ließ Giftgas verwenden. Und das stammte mutmaßlich aus Deutschland. In der Türkei wurde der Archivfund wenig beachtet, doch in Tunceli selbst will man jetzt über das Tabuthema nicht mehr schweigen. ttt ist vor Ort und spricht mit den Nachkommen damals ermordeter Kurden.
    Musik ist nicht nur, was wir hören – Die originellen Thesen von David Byrne:
    Wie Musik entsteht und wirkt, hängt immer davon ab, was drum herum geschieht. „It’s context, context, context.“, sagt der Musiker David Byrne, Vordenker des Indie-Pops, legendärer Sänger der „Talking Heads“. Er liebt und lebt Musik in allen Facetten und Erscheinungsformen. Byrne veröffentlichte Alben mit Brian Eno, schrieb ein Musical über Imelda Marcos und zahlreiche Film- und Theatermusiken. Jetzt ist sein aktuelles Buch auf Deutsch erschienen: „Wie Musik wirkt“. Darin widmet sich Byrne den unterschiedlichsten Aspekten von Musik – in einer Mischung aus Musikgeschichte, Autobiographie, wissenschaftlichem Aufsatz. Es geht um den Zusammenhang von Architektur und Musik, um den Einfluss technischer Entwicklungen auf Komponisten oder ganz handfest um die Frage: Wie verdient man als Musiker Geld im Internet-Zeitalter? Eine lohnende und manchmal überraschende Lektüre – nicht nur für Fans von „Talking Heads“ und David Byrne. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.12.2019Das Erste
  • Folge 45
    Die geplanten Themen:
    Neues Album von „The Who“
    Wenn man früher gefragt wurde: Wer ist besser, die Beatles oder die Stones? Dann war die coole Antwort: The Who! Über 2000 zerstörte Gitarren. Die lautesten Konzerte der Musikgeschichte. Die wildesten Akkorde und die süßesten Melodien. Dreckige Revolutionssongs wie „My Generation“. Und opulente Rockopern wie „Tommy“ und „Quadrophenia“. The Who waren in den 60er und 70ern sehr groß und wichtig. Und sind es nun wieder. Nach 13 Jahren gibt es jetzt endlich ein neues Studioalbum: „Who“. Musikalisch eine beachtliche Rückkehr zu alter Stärke.
    Die Platte enthält elf Songs und dreht sich um Themen wie das Feuer im Grenfell-Turm, Musikdiebstahl, Spiritualität, Wiedergeburt und die Kraft der Erinnerung. „ttt“ traf exklusiv die beiden Gründungsmitglieder Pete Townshend und Roger Daltrey in London und sprach mit ihnen über die befreiende Wirkung zerberstender Instrumente, die hypnotische Wirkung der Windmühlen-Gitarre und ihre wiedererwachte Lust am Lärm. „We are a rock band. We are not a rock’n’roll band. Rock’n’Roll is music to fuck to. We are music to fight to.“
    Autor: Andreas Krieger
    Portrait Araquém Alcantara
    Sein bekanntestes und erschütterndstes Foto zeigt einen vom Rauch und der Hitze des brennenden Amazonaswaldes erblindeten und erschöpften Ameisenbären. Der brasilianische Fotograf Araquém Alcântara hat dieses Bild bereits 2005 gemacht. Er hat es diesen Sommer noch einmal veröffentlicht, während die Welt mehr oder weniger teilnahmsloser Zeuge neuer, extremer Waldbrände in Amazonien war. Seitdem Amtsantritt des den Klimawandel leugnenden Präsidenten Jaír Bolsonaro hat sich die Zahl der Feuer verdoppelt. Unter Bolsonaro nähert sich Brasilien dem „tipping point“ von 20 Prozent durch Brandrodung vernichteten Waldes, jenseits dessen Ökosystem irreparabel zusammenbricht.
    Mit verheerenden Folgen für das Weltklima. Beim UN-Klimagipfel in Madrid war die dramatisch eskalierende Situation in Amazonien Thema – während ein freidrehender Bolsonaro Umwelt-Aktivisten wie Fabiana Alves von Greenpeace Brasil der Mitschuld an den Bränden bezichtigt. Sie hätten die Brände selbst gelegt, finanziert von Hollywoodstar Leonardo DiCaprio. Seit 40 Jahren fotografiert Araquém Alcântara den brasilianischen Regenwald und dokumentiert seine einzigartige Artenvielfalt und Schönheit und auch seine Zerstörung. Sich selbst bezeichnet er als „Augenzeuge eines Verbrechens“.
    Autoren: Matthias Ebert, Andreas Lueg
    Wem gehört die Kunst?
    90 bis 95 Prozent des afrikanischen Kulturerbes befinden sich heute bei uns in Europa, kaum etwas davon ist bis heute in Afrika zu sehen. Immerhin laufen seit einigen Jahren an vielen Museen in Deutschland Debatten, wie mit dem kolonialen Erbe umzugehen sei. In den Depots der ethnologischen Museen liegen etwa zwei Millionen Objekte. Wieviele davon aus der Kolonialzeit stammen, kann niemand sagen. Wie lange wird es dauern, bis all diese Herkunftsgeschichten erforscht und im Zweifelsfall an Afrika zurückgegeben werden: Jahrzehnte, Jahrhunderte? Für die Provenienzforschung sind die Museen selbst verantwortlich, doch ihnen fehlt Geld und Personal.
    Die Bundesregierung hatte im Januar eine Million Euro zusätzlich für die Erforschung von Objekten aus kolonialen Kontexten bereitgestellt. Doch dieses Budget, das das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg verwaltet, wurde von den Museen nicht einmal ausgeschöpft. Im vergangenen Monat beschloss die Bundesregierung zusätzlich eine zentrale Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland zu errichten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters will so „den Dialog mit Expertinnen und Experten sowie Betroffenen ( …) suchen und möglichst kurzfristig umsetzbare Lösungen vorschlagen“.
    Aber kurzfristige Lösungen sind bisher Fehlanzeige. Eines der größten Völkerkundemuseen Deutschlands, das Grassi-Museum, hat jetzt anlässlich seines 150-jährigen Bestehens eine kleine Sonderschau eröffnet, um den Ursprüngen seiner Existenz nachzuspüren. In der Kolonialzeit wurde seitens der Museen mitunter eine aggressive Sammelpolitik gefördert, die bis heute den Grundstock der Bestände prägt.
    Zur Eröffnung wurde die Büste des einstigen Generaldirektors Karl Weule aus dem Foyer abgeräumt und durch einen Bücherstapel ersetzt. Nur ein weiterer symbolischer Akt? Oder bewegt sich die deutsche Museumlandschaft jetzt doch? „ttt“ sprach mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, erkundigte sich nach Sammlungsgeschichte im Grassi-Museum in Leipzig bei Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen, und interviewte Moritz Holfelder, Autor der soeben erschienenen Streitschrift „Unser Raubgut“.
    Autorin: Simone Unger
    Der größte Crash aller Zeiten
    „Der größte Crash aller Zeiten steht uns bevor“, schreiben die Wirtschaftswissenschaftler Marc Friedrich und Matthias Weik in ihrem jüngsten Werk mit dem gleichnamigen Titel, „und wir können ihn nicht mehr verhindern!“ – „Es ist nicht die Frage, ob der Crash kommt, sondern wann?“, heißt es weiter. Der Nullzins der EZB, Schulden-, Anleihen- und Immobilienblasen, das sinkende Vertrauen der Bürger in Politik, Banken und Medien werden insgesamt den Euro zusammenbrechen lassen, bis spätestens 2023. „Der größte Crash aller Zeiten“ ist das fünfte Buch der beiden und krönender Abschluss ihrer dystopischen Wirtschaftsprognosen.
    Eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Mit ihren leidenschaftlichen Vorträgen füllen sie inzwischen riesige Hallen. Ihre aktuelle Show in der Pforzheimer Zeitung ist seit langem restlos ausverkauft, ihr Buch sofort auf Nr. 1 der Spiegel-Bestsellerliste geschossen. Was fasziniert die Menschen so sehr an der Untergangsprophezeiung? Ist es die Sehnsucht, eine immer komplizierter und unübersichtlicher werdende Welt als das sehen zu dürfen, als was man sie erhofft: als Auslaufmodell. „ttt“ hat Veranstaltungen von Marc Friedrich und Mathias Weik in einer Reportage begleitet und zeigt die Autoren und ihr Publikum bei der Arbeit an der Apokalypse.
    Autor: Dennis Wagner Im Internet unter www.DasErste.de/​ttt (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.12.2019Das Erste
  • Folge 46
    Die geplanten Themen:
    „Morgen ist da“: „ttt“ über Navid Kermani, die Kraft der Rede und seinen Blick auf Deutschland
    Es ist schon eine besondere Gabe, die er hat. Wenn Navid Kermani über den Zustand der Welt, die Grundfesten unserer Demokratie, die Flüchtlingsfrage oder auch nur über seine große Begeisterung für den 1. FC Köln spricht, dann gelingt ihm etwas Beeindruckendes: eine Intensität im Denken, die berührt, die oft auch moralische Fragen aufwirft, ungewöhnliche Verknüpfungen schafft und Denkanstöße liefert. Kermani ist wohl das, was man einen „öffentlichen Intellektuellen“ nennt, jemand, der sich in Debatten zu Wort meldet, noch lieber aber mit seinen Texten selbst welche anstößt, wie im Jahr 2014 nach seiner großen Rede zum 65. Jahrestag des deutschen Grundgesetzes im Bundestag.
    Auf keinen Fall wollte er – ein deutscher Schriftsteller und Journalist mit iranischen Wurzeln, ein gläubiger Muslim und habilitierter Orientalist – eine, wie er sagt, „kriecherische“ Rede auf die Verfassung halten. Aber es war ihm ein großes Anliegen, diesen besonderen, grundlegenden Text auch besonders zu würdigen. Und so hielt Kermani eine Rede, in der er weit über die Verfassung hinausgeht, in der er beginnt, über Deutschland nachzudenken, als „eine Nation, die über ihre Geschichte verzweifelt“ und zugleich am eigenen Versagen gereift ist; er kommt zum Kniefall Willy Brandts und Brandts großem Satz „Ein guter Deutscher kann kein Nationalist sein“, um dann die Brücke zu Europa zu schlagen, in dem Deutschland „zu sich selbst“ heimkehre – und verbindet damit gleichsam einen Appell für das Menschenrecht auf politisches Asyl.
    Eine Rede, die den CSU-Abgeordneten und stellvertretenden Fraktionschef Georg Nüßlein den Saal verlassen ließ und noch tagelang die Zeitungen beschäftigte. Eine Rede, die sich auch dadurch auszeichnete, dass sie einen Blick auf Deutschland warf, wie es wohl nur ein Mensch wie Kermani kann, dessen Eltern als Einwanderer aus dem Iran vor mehr als 60 Jahren hierher kamen.
    Sein neues Buch „Morgen ist da“ umfasst seine großen Reden der vergangenen 20 Jahre und liest sich wie ein politisch-moralisches Protokoll entlang der Lebensnerven unserer Gesellschaft. Freiheit, Pluralität, Frieden – Kermani berührt darin alles, was wichtig ist. „ttt“ trifft Navid Kermani in seiner Heimatstadt Köln und spricht mit ihm – anknüpfend an seine wichtigsten Reden – über den Zustand der Republik und der Weltenlage kurz vor Weihnachten.
    Außerdem bei „ttt“:
    John Burnside – Über Liebe, Magie und den Fluch des Brexits:
    „ttt“ trifft Burnside kurz vor der UK-Wahl in Schottland, wo er über seinen neuesten Roman „Über Liebe und Magie“ spricht, die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien abwägt und den allumfassenden Einfluss der Politik, der selbst bis in Liebesbeziehungen reicht.
    „Fuck the government and fuck Boris!“ – Wie der Rapper Stormzy die britische Jugend politisiert:
    „ttt“ unterhält sich mit Stormzy in seiner Heimatstadt London über sein neues Album „Heavy Is The Head“.
    „Fiktion Kongo“ – Vorurteile und Folgen auf beiden Seiten der Kolonisation:
    Im Museum Rietberg in Zürich spricht „ttt“ mit kongolesischen Künstlern wie Sinzo Aanza, David Shongo und Fiona Bobo über das Leben, die Kunst und das koloniale Erbe im Kongo. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.12.2019Das Erste

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