SRF DOK Wilhelm Tell in Rio – Die Schweiz im Taumel des brasilianischen Karnevals
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Wilhelm Tell in Rio – Die Schweiz im Taumel des brasilianischen Karnevals
Es war bereits vier Uhr morgens, als der laute, mehrtausendköpfige Tatzelwurm sich durch das Sambodromo von Rio de Janeiro bewegte. Die Sambaschule «Unidos da Tijuca» durfte als Vorjahres-Siegerin das Karnevalsfinale gestalten. Und sie bot ein überwältigendes Bild: eine eigenwillige, spektakuläre Interpretation des Schweizertums, eine Fusion von brasilianischer Ausgelassenheit und bodenständiger, helvetischer Tradition. Flankiert von ausladenden Wagenbauten, speienden Drachen, einer Schokoladenfabrik, eingehüllt in stiebenden Schnee tanzten Wilhelm Tell, Urner Teufel, Schweizergardisten, Banksafes, Bernhardinerhunde, Sackmesser und vieles mehr durch die Nacht, unerbittlich vorangetrieben durch eine hämmernde Perkussion. Besonders bizarr: ein Meer von Schweizerfahnen, geschwungen im Takt des Sambas. In der wogenden, bunten Menschenmenge wirkten sogar vier echte Schweizer Fahnenschwinger mit.
Diese hatten zuvor in einem Crashkurs versucht, den Karnevalisten den richtigen Schwung beizubringen, ein Gaudi, von Traditionalisten in der Heimat allerdings mit Nasenrümpfen zur Kenntnis genommen. In einem eigens komponierten Sambalied wurde das ferne Alpenland hochgepriesen: «Schweiz, in deiner Geschichte liegt meine Inspiration.» Den meisten der feiernden Karnevalisten dürfte das kleine Land mit seiner Geschichte jedoch ziemlich fremd gewesen sein. In deren Bewusstsein gerückt wurde es durch eine grosszügige Sponsorschaft der Eidgenossenschaft und schweizerischer Konzerne. «Es ist ein Jahrhundertwunder, die Schweiz als Gastnation am Karneval», freute sich unter den Zuschauern in der VIP-Loge ein einstiger Luftwaffen-Chef der Schweizer Armee. Er hoffte, am Rande des Spektakels für eine Schweizer Waffenschmiede mit dem brasilianischen Militär ins Geschäft zu kommen. (Text: SRF)