bisher 79 Folgen, Folge 21–40

  • Folge 21 (45 Min.)
    Deutsche TV-Premiere So. 11.10.2015 ZDF
  • Folge 22 (45 Min.)
    Warum hat der Glaube auch heute noch in unserer modernen Welt einen so großen Einfluss auf unser Leben? Das fragt Richard David Precht den deutsch-türkischen Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Schaut man sich die Konflikte in unserer modernen Welt an, so scheinen auch heute noch fast alle religiös begründet oder motiviert zu sein. Welche Schlussfolgerungen sollten wir aus diesem vermeintlichen Anachronismus ziehen? Ist Religion die Wurzel allen Übels? Egal ob der IS gegen die westliche Welt, Sunniten gegen Schiiten, Israelis gegen Palästinenser, Amerikas christliche Krieger gegen Schurkenstaaten, Kämpfe in Afrika oder in Asien, überall scheinen Kriege wegen Religion und Glauben geführt zu werden.
    Richard David Precht fragt seinen Gast, den bedeutenden Schriftsteller Feridun Zaimoglu („Siebentürmeviertel“, 2015) in seiner ZDF-Philosophiesendung, ob folgerichtig eine Welt ohne Religion die Welt friedlicher machen würde. Vor allem der Ausschließlichkeitsanspruch der meisten Weltreligionen, es gäbe nur einen wahren Glauben, muss immer wieder zum Anlass für religiös motivierte Gewalt herhalten.
    Für den liberalen Geist aus Lessings Ring-Parabel scheint kein Platz zu sein in unserer Welt. Vornehmlich gehe es, so Precht, um weltliche Macht, um Territorialkämpfe oder Ressourcensicherung, statt um Erlösung, Liebe und die Wahrung einer friedlichen Gemeinschaft. In welchem Verhältnis steht der Glaube zur Religion, zur Wissenschaft, zum modernen rationalen Leben, dass wir führen? Was ist das überhaupt Glaube, und spielt er heute wirklich noch eine so maßgebliche Rolle in unserem Leben? Viele haben sich im aufgeklärten Westen aus religiösen Institutionen zurückgezogen und leben heute lieber ihre ganz private Spiritualität aus.
    Religionspsychologen wundert das nicht, sind sie doch davon überzeugt, dass religiöses Empfinden dem Menschen notwendig innewohnt. Doch auf der ganz persönlichen Suche nach dem wahren Glauben wird der Glaube schnell zur Ware. Aus Horoskopen, Körperkult, Liebesglück, Selbstverwirklichung und allerlei Privat-Mystik wird heute das religiöse Süppchen gekocht, für das jeder sein ganz eigenes Rezept verwendet.
    Führt das aber nicht die eigentliche Idee der Kirche, der religiösen Gemeinschaft ad absurdum? Welchen spirituell prägenden Einfluss kann eine Gesellschaft noch ausüben, deren Glaube zu jedermanns Privatsache geworden ist? Sind die Werte des sogenannten „christlichen Abendlandes“ in Gefahr? Fest zu stehen scheint nur, so Precht, dass unser rationaler Verstand, unsere Logik und unsere Wissenschaftlichkeit offenbar nicht im Stande sind, uns den Glauben ganz auszutreiben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 29.11.2015 ZDF
  • Folge 23 (45 Min.)
    Ist unser Leben heute so komplex geworden, dass wir es nicht mehr beherrschen können? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge. Wir leben heute in der komplexesten Welt, die es je gab. Das globalisierte und digitalisierte Zeitalter liefert uns eine unüberschaubare Menge an Daten und Informationen. Doch je mehr wir wissen, umso weniger scheinen wir zu wissen, was wir tun sollen. Angesichts der global über uns hereinbrechenden Konflikte – wie etwa der Bewältigung der Flüchtlingskrise, der allgegenwärtigen Bedrohung durch Terror oder der Ohnmacht vor den immer unvorhersehbareren Verstrickungen im Finanzmarkt – fühlen sich viele Menschen vermehrt überfordert, ratlos und vor allem verängstigt.
    Auch unsere Politiker und andere Entscheidungsträger sind davon offenbar nicht ausgenommen. Alles hängt mit allem zusammen, sagt Büchner-Preisträger Alexander Kluge. Er sieht jedoch in krisenhaften Zeiten Chancen für positive Fortentwicklungen. Nur Gesellschaften, die sich selbstgenügsam abschotten, verfallen in Stagnation und Stillstand, so Kluge. Viele flüchten sich in blinden Aktionismus, andere zeigen sich vermehrt für Verschwörungstheorien empfänglich.
    Der Verschwörungstheoretiker braucht das Gefühl, mehr zu wissen als alle anderen. So überwindet er seine Ohnmacht vor einer Welt, die er nicht mehr durchschaut, und die ihm zunehmend ungerecht erscheint. Das Bedürfnis nach Vereinfachung ist verlockend und tröstend. So mancher zieht sich bereits vom offenen, ungeschützten Feld des Globalen in seine nationalistischen und privaten Festungen zurück. Doch auch in unserer ganz persönlichen Lebenswelt haben sich die Zusammenhänge potenziert. Mehr als in jeder Zeit zuvor verwischt sich heute das, was wir Realität nennen, untrennbar mit allgegenwärtigen Fiktionen.
    Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Fiktion scheint immer unbedeutender zu werden, so Richard David Precht. Die Illusion hat für uns heute annähernd den gleichen Reiz wie die Wahrheit, wenn sie nur unterhaltsam genug ist. Wir definieren uns immer weniger über unsere Persönlichkeit, sondern kreieren stattdessen fiktive Profile, legen User-Accounts an und vernetzen uns ins Unendliche. Stiftet das Netz Zusammenhänge oder verwirrt es nicht eher die Menschen? Aus dem Strom der unendlichen Daten und Meinungen droht ein Meer der Beliebigkeit zu werden, ein Ozean der Bedeutungslosigkeit. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 31.01.2016 ZDF
  • Folge 24 (45 Min.)
    Deutschland ist ein reiches Land. Doch wie gerecht geht es bei uns wirklich zu? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Soziologen Prof. Heinz Bude. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck, dass die Macht, das Geld oder die Werte in unserem Land nicht mehr gerecht verteilt sind. Rechte Populisten, wie die AfD, profitieren von dieser Stimmung. Der Aufstand der Unzufriedenen bescherte der AfD zweistellige Wahlerfolge. Auch rechte Populisten, wie Donald Trump, Viktor Orbán und Marine le Pen, spielen mit den Ängsten der Irritierten und Zukurzgekommenen. Neben Arbeitslosen und Minderverdienern ist es besonders die untere Mittelschicht, die auf diese Weise ihr massiv gewachsenes Misstrauen in die Politik zum Ausdruck bringt.
    Stehen wir in Deutschland vor einem erbitterten Verteilungskampf? Diese Frage stellt Richard David Precht dem Soziologen Prof. Heinz Bude, der ein profunder Kenner und Erforscher der Stimmungslage in der bundesdeutschen Bevölkerung ist. Seit dem Siegeszug der sozialen Marktwirtschaft galt hierzulande die Devise, Chancengleichheit sei der beste Motor für eine prosperierende Leistungsgesellschaft. Mit Fleiß, Leistung und frei zugänglicher Bildung sollte jedermann den ökonomischen und sozialen Aufstieg schaffen.
    Was aber ist geschehen, dass die viel beschworene Chancengleichheit heute immer stärker als Ungerechtigkeit empfunden wird? Läuft der Kapitalismus endgültig aus dem Ruder, fragt Richard David Precht. Schwappt die unaufhaltsame Welle der Globalisierung nun mit all ihren negativen Folgen zurück in die Industriestaaten, die bisher eher zu den Profiteuren des globalen Marktes gehörten? Beim Thema Bildungsgerechtigkeit sprechen mittlerweile sogar Fachleute von Verhältnissen wie in der alten Feudalgesellschaft.
    Je ärmer und ungebildeter die Eltern sind, desto geringer sind die Bildungschancen für die Kinder. Die Arbeitswelt zersplittert zunehmend in Minijobs und befristete Beschäftigungen. Vermögenswerte scheinen sich zunehmend in den Händen der Reichen zu konzentrieren, während dem einfachen Volk der Sparer null Prozent Zinsen aufgebrummt werden. Was besonders irritiert, so Precht, ist, dass die lauter werdende Revolte gegen das politische Establishment nicht von der linken, sondern von der rechts-konservativen Seite kommt. Es scheint sich weniger eine Solidarität von unten zu formieren als eine Sehnsucht nach Stärke und einfachen Rezepten.
    Wie aber könnte man mehr Verteilungsgerechtigkeit und somit neues Vertrauen schaffen? Wie der Idee einer echten Solidargesellschaft neues Leben einhauchen? Greifen die alten Rezepte überhaupt, Reiche und Erben noch höher zu besteuern? Oder brauchen wir möglicherweise viel tiefer gehende Veränderungen? Könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen etwa den sozialen Frieden bringen? Brauchen wir eine echte, radikale Bildungsrevolution, um wenigstens die grundsätzlichen Voraussetzungen für mehr Gerechtigkeit zu schaffen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 03.04.2016 ZDF
  • Folge 25 (45 Min.)
    Islamistischer Terror, Kriege in Afrika, im Nahen Osten, in der Ukraine: Wie soll Deutschland mit den neuen Unsicherheiten und militärischen Bedrohungen umgehen? Viele Jahrzehnte ließ sich die Welt verlässlich teilen: in West und Ost, in Gut und Böse. Doch die Zeit der sicherheitspolitischen Sorglosigkeit ist vorbei. Darüber spricht Richard David Precht mit dem Berliner Politikwissenschaftler Professor Herfried Münkler. Die meisten Deutschen kennen Kriegsszenen nur aus den Nachrichten, aus Filmen oder Computerspielen.
    Es sind Bilder einer fernen Welt, die nichts mit unserem friedlichen Alltag zu tun hat, auch wenn unsere Soldaten international in immer mehr Kampfeinsätze verwickelt sind. Die Globalisierung machte Grenzen scheinbar unwichtig, sie ließ uns glauben, das „Ende der Geschichte“ sei gekommen. Doch die Zeit der sicherheitspolitischen Sorglosigkeit ist spätestens mit der Bedrohung durch den Terrorismus vorbei. Wie sollen wir mit den neuen Unsicherheiten und militärischen Bedrohungen umgehen? Diese Fragen richtet Richard David Precht in der 25. Ausgabe seiner Philosophiesendung an Prof. Herfried Münkler, einen der wichtigsten deutschen Politikwissenschaftler, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, Regierungsberater, bekannt geworden durch Bücher über deutsche Mythen und über den Ersten Weltkrieg.
    Die heutigen Gewaltkonflikte haben nicht mehr viel gemein mit den Schlachten Mann gegen Mann, wie sie früher geführt wurden. Die Deutschen wollen heute keine Kriegshelden mehr sein und auch keine ultimativen Opfer mehr bringen.
    Professor Münkler nennt es das „postheroische Zeitalter“, in dem uns unsere Kinder schlichtweg zu kostbar sind, um sie an irgendeiner Front zu opfern. Stattdessen versucht die Bundesrepublik Deutschland, Konflikte mit Tauschhandel zu lösen, meist durch Unterstützung an Nebenkriegsschauplätzen oder einfach durch Geld. Ist Deutschland auf diese Weise aber faktisch noch wehrfähig? Oder hat uns der Wunsch nach anhaltendem Frieden käuflich gemacht? Je dreister und gewalttätiger autokratische Staatsführer heute territoriale Ansprüche durchsetzen, umso ratloser und handlungsunfähiger zeigt sich das kriegsmüde alte Europa.
    Die Strategie des weltpolizeilichen Militärschlags hat sich auch für Amerika nicht bewährt. Befriedung habe sie nie gebracht, höchstens ein Machtvakuum, einen neuen Kriegsherd wie in Syrien oder in Libyen, so Richard David Precht. Gewalt bricht sich heute in asymmetrischen oder hybriden Kriegen Bahn, so Professor Münkler – in schmutzigen Kriegen gegen alle Regeln der „Kriegskunst“.
    Während der Terror von der medialen Aufmerksamkeit und der Angst lebt, führen die Hegemonialstaaten unsichtbare Drohnenkriege oder schicken Waffen an die Feinde ihrer Feinde. Geheimdienste ziehen ihre Strippen, Geld fließt. Die einen verschwenden ihr Leben, die anderen investieren in milliardenschweres Militärgerät. Beabsichtigter tödlicher Kollateralschaden gegen minimal invasive Militäroperationen. Wie lange wird das noch gut gehen – und wie soll sich auf diese Weise ein anhaltender weltweiter Frieden herstellen lassen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 22.05.2016 ZDF
  • Folge 26 (45 Min.)
    Was ist los mit Europa? Warum misstrauen immer mehr Bürger den Politikern? EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht über fehlende Visionen und mangelnde Solidarität. Die große Idee eines vereinten Europas ist verblasst. Wer hat Schuld daran? Ein neues Narrativ müsste entstehen, das die Menschen wieder erreicht. Damit aus Usern und Konsumenten verantwortungsbewusste Staatsbürger werden. Früher hätten die Menschen und Völker Europas noch verstanden, dass das Zusammenwachsen ihres Kontinents die richtige Konsequenz aus zwei verheerenden Weltkriegen sei, so EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
    Das Narrativ handelte vom Lernen der Völker und dem Sieg des Friedens über rücksichtslose Konkurrenz und blutige Barbarei. Doch heute stottere der erzählerische Motor Europas nur noch so vor sich hin. Ein neues Narrativ müsse her, um den europäischen Einigungsprozess fortzusetzen und den Sinn des Ganzen wieder offensichtlich zu machen. Aber welches? Und ist es überhaupt noch zu finden? Dieser Frage möchte Richard David Precht mit Martin Schulz nachgehen. Die Deutschen beurteilen laut einer Umfrage ihre private Lage überwiegend als gut, doch die Entwicklung unseres Landes und Europas betrachten wir mit größter Sorge.
    Eine Diskrepanz scheint sich aufzutun zwischen Privatem und Gesellschaftlichem. Woran liegt das? Hat der entgrenzte Kapitalismus das Private nicht politisch gemacht, so Richard David Precht, sondern das Politische privat? Politik scheint heute nur akzeptiert zu werden, wenn sie dem Einzelnen zum Vorteil gereicht. Politiker, die heute noch nach einem großen Narrativ suchen, für eine gesellschaftliche Vision kämpfen, werden vom Bürger sofort als realitätsfremd diffamiert.
    Die alleinige politische Maßeinheit scheint heute der Realismus und die Lösungseffizienz zu sein. Aber kann das gut gehen? Kann man die gesellschaftliche Verantwortung in die Politik outsourcen, sie zur Wach- und Schließgesellschaft degradieren, die unsere ungezügelten Ängste ernst nehmen muss, egal wie fiktional diese auch sein mögen? Statt Staatsbürger zu sein sind wir User, sagt Precht. Auch auf Staatsebene nimmt die User-Mentalität zu. Man bedient sich gerne aus den EU-Töpfen, drückt sich aber um Solidarität zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage.
    Fast die gesamte politische Erregung und Wut sind heute kein Richtungs- oder Grundsatzstreit mehr, sondern das Ergebnis enttäuschter Problemlösungserwartungen. Ist diese Aufregungskultur mit ihrem Unmut, dem Pessimismus und Egoismus unserer Tage damit eben keine Krankheit, die uns quasi von außen befallen hat, sondern hausgemacht? Sind die Wutbürger und Ich-AGs nicht jene „verzogenen Kinder“, die eben dieses Europa selbst herangezogen hat? Und wenn das stimmt, wie soll man darauf reagieren? Ist die Geschichte Europas möglicherweise zu Ende erzählt? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 04.09.2016 ZDF
  • Folge 27 (45 Min.)
    Politik oder Wirtschaft: Wer hat eigentlich die Macht? Darüber spricht Richard Precht mit Marcel Fratzscher, dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Finanzkrisen, Bankenrettungen, Steuerflucht und Megafusionen Die Politik ist zunehmend damit überfordert, die Auswüchse und Verfehlungen der Wirtschaft in den Griff zu bekommen. Aber ist das auch ihre Aufgabe? Die Anforderungen der Globalisierung und das Aufblühen des Neoliberalismus wirken wie die Vertreibung aus dem Paradies der Sozialen Markwirtschaft. Während die Wirtschaft sich in Stellung bringt, taumelt die Politik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, so Richard David Precht.
    Über Macht und Ohnmacht der Politik, über die Absurditäten einer heiß gelaufenen Finanzwelt, über Moral und Unmoral diskutiert er mit Prof. Marcel Fatzscher, dem Chef des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ (DIW), einem der renommiertesten und streitbarsten Ökonomen in der Bundesrepublik. Schon immer waren sich die Ökonomen uneins, wie viel Steuerung die Wirtschaft braucht. Die großen Schulen Neoliberalismus und Keynesianismus etwa stehen sich unvereinbar gegenüber.
    Während die einen unbeirrt an den selbstregulierenden Markt glauben, fürchten andere, dass der Wettbewerb sich selbst abzuschaffen droht, wie es Karl Marx einst prophezeite. Schon heute machen in Deutschland ein Prozent der Unternehmen 65 Prozent des Umsatzes, betreiben Megakonzerne wie Amazon, Google, Starbucks oder Ikea trickreiche Steuervermeidung am Rande der Legalität. Devisenspekulationen und Hedgefonds sind längst als eindeutiges Übel der Finanzwirtschaft identifiziert, doch die dringend überfällige globale Transaktionssteuer etwa will niemand einführen.
    Irland macht Apple Steuergeschenke von 13 Milliarden Euro, um den Konzern im Land zu halten, und in Deutschland wird die Politik wohl bald genötigt sein, die Deutsche Bank zu retten, meint Precht. Noch geht es uns allgemein recht gut in Deutschland, sagt Marcel Fratzscher, doch wenn wir den Anschluss im Freihandel verpassten – siehe die umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und CETA – schlössen die USA solche Abkommen mit China oder Südamerika, und die Deutschen würden wirtschaftlich das Nachsehen haben.
    Fratzscher empfiehlt außerdem große Milliardeninvestitionen in Verkehr und Bildung, damit der Standort Deutschland attraktiv bleibt und warnt zugleich vor zunehmender sozialer Ungerechtigkeit. Wie gut oder wie schädlich bilaterale Absprachen zwischen USA und Europa für die Dritte-Welt- oder Schwellenländer sind, diese Frage stellt sich weder ein deutscher Unternehmer noch ein um Konjunktur und Entwicklung ringender Politiker. Hauptsache, unserer westlichen Welt geht es weiter gut.
    Und auch wir Arbeitnehmer und Konsumenten wollen doch nicht wirklich auf wirtschaftlichen Aufschwung verzichten, so Precht, um die Dritte Welt voranzubringen. Regiert tatsächlich das Geld die Welt? Beherrschen uns die Computer und Technokraten? Wo ist sie, eine Ökonomie, die sich politisch versteht? Die auf den Interessenskonflikt zwischen Politik, Moral und Ökonomie schaut? Homo oeconomicus und homo sociologicus – noch nie erschien es notwendiger, beides zu sein, und noch nie schien beides weniger vereinbar zu sein als heute. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 16.10.2016 ZDF
  • Folge 28 (45 Min.)
    Statistiken, Algorithmen, Rankings: Zahlen scheinen heute unsere Welt zu bestimmen. Aber ist wirklich alles messbar? Und der Mensch die Summe aller Daten? Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der allmählichen Quantifizierung der Welt. Doch können uns Zahlen die Welt, unser Leben erklären? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Physiker, Philosophen und ZDF-Moderator Prof. Harald Lesch. Zahlen haben inzwischen die Herrschaft übernommen. Wo vorher Platz für Glaube, Weltanschauung, Individualität, Vermutungen und Werte war, stehen heute Zahlen, Algorithmen, Statistiken, Rankings und Tortendiagramme.
    Das Vermessen und Ausrechnen all jener Vorgänge und Geheimnisse, die man zuvor nur deuten und interpretieren konnte, verhieß dem Menschen einst den Sieg der Aufklärung, der Vernunft, des logischen Denkens über eine mythisch verklärte Welt. Was messbar ist, kann gerecht beurteilt werden, ist nicht mehr vage und subjektiv. Zunächst stürzten sich vor allem die Naturwissenschaften, die Physik und das Ingenieurwesen auf die Vermessung der Welt. Doch heute scheinen alle, auch die Gesellschaftswissenschaften, durchdrungen zu sein vom Diktat des Messens.
    Auch unser Alltag wird beherrscht von Datenclouds, Tarifen und Koeffizienten. Zahlen bringen scheinbar das Licht ins Dunkel, so Richard David Precht. Doch erscheint es uns nicht manchmal so, als lebten wir daher nun in einer schattenlosen Welt? Setzen wir nicht tatsächlich unserem Denken enge Grenzen, wenn wir uns nur noch an Zahlen orientieren? Bricht sich heute eine rein quantitative Ethik Bahn, die uns nur noch nach dem bemisst, was wir besitzen und was wir an nutzbaren Daten generieren können? Auch in der Politik spielen scheinbar objektive Zahlen heute eine enorme Rolle.
    Regieren nach Zahlen: Es scheint sehr bequem zu sein, sich hinter Meinungsumfragen zu verstecken und Zuspitzungen zu meiden. Macht uns das endlose Meer der Daten am Ende bewegungsunfähig und ängstlich? Trauen wir uns deshalb keine Utopien mehr zu, so Precht, weil wir ständig nur auf die Messergebnisse starren? Es scheint uns immer schwerer zu fallen, etwas nach seinem inneren und unbezifferbaren Wert zu beurteilen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 27.11.2016 ZDF
  • Folge 29 (45 Min.)
    Die nächste Bundestagswahl wird maßgeblich im Kampf um die Mitte entschieden. Doch wer oder was ist eigentlich die Mitte unserer Gesellschaft? Wie stark ist sie bedroht? Richard David Precht diskutiert mit dem Journalisten Nikolaus Blome, dem stellvertretenden Chefredakteur der BILD-Zeitung, warum unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet und warum Populismus so populär geworden ist. Warum berufen sich alle etablierten Parteien stets darauf, die sogenannte Mitte zu repräsentieren? Und warum verlassen die Menschen derzeit in Scharen überall in Europa diese bürgerliche Mitte und wählen rechtspopulistische Parteien? Oder entscheiden sich, wie in den USA, für einen populistischen Präsidenten Trump? Die Gesellschaft scheint auseinanderzudriften und die Mitte schwindet zwischen dem wachsenden Reichtum weniger und der zunehmenden Verarmung vieler.
    Mit der Mitte scheint auch das zu verschwinden, was man früher einmal „bürgerliche Tugenden“ nannte. Erleben wir gerade den Auflösungsprozess einer zweihundert Jahre alten „bürgerlichen Gesellschaft“? Mit der digitalen Revolution steht unsere Gesellschaft vor einschneidenden Veränderungen.
    Viele Selbstverständlichkeiten wie dauerhafte Beschäftigung, wirtschaftliches Wachstum, soziale Identität oder gesellschaftliche Solidarität sind bedroht. Der grundsätzliche Glaube an eine sich auf natürliche Weise selbst regulierende Gesellschaft ist erschüttert. Die soziale und ökonomische Ungleichheit steigt, das Privileg guter Herkunft und Bildung scheint wieder so relevant zu sein wie in vergangenen Jahrhunderten.
    Dass sich Leistung tatsächlich noch lohnt, glauben immer weniger Menschen. Waren vor 20 Jahren noch über 69 Prozent in einem Vollzeitjob mit Sozialversicherungspflicht, sind es heute noch 39 Prozent. Die Deregulierung der Arbeit hat die Konjunktur angekurbelt, aber die Mitte der Gesellschaft entzwei gerissen. In jene, die dank ihrer Privilegien aufsteigen können und jene, die abzurutschen drohen. Auch das Bild von Öffentlichkeit hat sich gewandelt.
    Sie findet immer weniger im tatsächlichen realen Raum statt, sondern verlagert sich mehr und mehr in die sozialen Netzwerke des Internets. Dort aber begegnet sich nicht eine natürlich durchmischte Gesellschaft. Man findet sich vornehmlich in Foren und Netzwerken zusammen, um mit Gleichgesinnten seine Meinung bestätigt zu bekommen. Fake-News und Halbwahrheiten werden zu neuen Wahrheiten, die in das eigene Weltbild passen. So aber verliert die bürgerliche Mitte ihre Dialogfähigkeit, ihre gelebte Solidarität nach innen und außen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 05.02.2017 ZDF
  • Folge 30 (45 Min.)
    Wir lieben die unberührte Natur. Naturschutz und Umweltschutz sind allgemein geschätzte Ziele. Doch gleichzeitig verschwenden wir die Ressourcen der Natur und zerstören den Planeten. Wie widersprüchlich die Menschheit mit der Natur umgeht, was überhaupt heute Natur ist, darüber spricht Richard David Precht mit der Kulturhistorikerin und Bestsellerautorin Andrea Wulf. Für die meisten Menschen der westlichen Zivilisation ist „Natur“ ein positives Wort. Und doch leidet die Natur vor allem unter der Profitgier des reichen Westens, so Richard David Precht.
    In den USA will die Trump-Administration alle ökologischen Hemmnisse der nationalen Wirtschaft wieder rückgängig machen, der Klimawandel wird einfach verleugnet. All die Widersprüche im menschlichen Umgang mit der Natur waren bereits Alexander von Humboldt, dem großen Naturforscher des 19. Jahrhunderts, bewusst. Über ihn hat die Kulturhistorikerin und Garten-Expertin Andrea Wulf jetzt einen vielfach ausgezeichneten Bestseller geschrieben: „Alexander von Humboldt oder die Erfindung der Natur“. Mit ihr spricht Richard David Precht über die wilden Seiten der Welt und das, was der Mensch daraus macht.
    Unser Naturverständnis hat sich im Lauf der Zeit immer wieder gewandelt. Galt in der Antike noch eine selbstverständliche Einheit zwischen Natur und Mensch, so macht das Christentum aus der Natur die göttliche Schöpfung, die der Mensch fortan nach seinen Vorstellungen gestalten soll. Das mystische Bild von Natur wird seitdem immer weiter verdrängt. Die Industrialisierung treibt die Vorstellung der Nutzbarkeit auf die Spitze und evoziert in der Folge zwangsläufig die Entstehung des Naturschutz-Gedankens.
    Umweltverschmutzung, Ressourcen-Ausbeutung, Artensterben und Klimawandel prägen heute unser Bild von einer bedrohten Natur, die vor allem deshalb beschäftigt, weil sie dadurch zwangsläufig die Existenz des Menschen gefährdet. Der Einklang mit der Natur – in der Antike eine nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit – ist heute der letzte mystische Funke, den wir aus der Natur noch zu schlagen versuchen. Mehr denn je scheinen wir uns dabei aber in der Natur hauptsächlich selbst zu reflektieren.
    Natürliche Ernährung, Eventsportarten vor nunmehr gänzlich zugänglichen Naturkulissen, Tierschutz als Ausdruck menschlicher Empfindsamkeit – all das dient dazu, die gezähmte Natur zu instrumentalisieren, sie zur Befriedigung unserer Befindlichkeiten einzusetzen. Unser Naturverständnis scheint immer noch mehr über uns auszusagen als über die Natur selbst. Vielfach wird heute über die Ausrufung eines neuen Zeitalters diskutiert, das Anthropozän. Ein von Menschen beeinflusstes Zeitalter: Ist es am Ende eine Bedrohung oder eine Verheißung für diesen Planeten? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 19.03.2017 ZDF
  • Folge 31 (45 Min.)
    Krieg in Syrien, Waffengewalt in der Ukraine, Säbelrasseln zwischen Nordkorea und den USA die bewaffneten Konflikte in der Welt nehmen kein Ende. Aber warum eigentlich? Warum gibt es heute immer noch keinen Weltfrieden? Darüber redet Richard David Precht mit General a.D. Harald Kujat, dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr und früheren Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns, dass seit langer Zeit nirgendwo in der Welt ein Krieg siegreich und zufriedenstellend geführt werden konnte. Längst wissen wir, dass die Streitereien unter den Großmächten und deren Stellvertreterkriege nicht mit Waffengewalt gelöst und beendet werden können.
    Kein gewaltsamer Versuch eines regime change hat je den gewünschten Erfolg gebracht, sondern beispielsweise die Lage im Irak, in Libyen oder in Syrien nur noch verschlimmert. Staaten suchen kaum mehr nach dem Verbindenden, sondern nach der Abgrenzung zueinander. Separatismus, Nationalismus, Okkupation und Sicherung von Marktvorteilen und günstigen Ressourcen beherrschen die Entscheidungen der Staatslenker. Vom glücklichen „Ende der Geschichte“ ist keine Rede mehr, es scheint, dass die Feindbilder aus den Zeiten des Kalten Krieges wieder neu beschworen werden.
    Auch die NATO ist ein Konstrukt dieses Kalten Krieges. Doch ist ein militärisches Bollwerk gegen den Osten heute noch zeitgemäß und überhaupt notwendig? Und ist die NATO eigentlich mehr als nur ein strategisches Zweckbündnis? Die Idee eines Russland-Beitritts, wie ihn Gorbatschow und Putin schon vorschlugen, scheint heute ein völlig absurder Gedanke , könnte aber, so Precht, möglicherweise der entscheidende Schritt zur friedlichen Koexistenz nicht nur in Europa sein. General a.D. Kujat plädiert bei „Precht“ entschieden dafür, Präsident Putin wieder einzuladen an die europäischen Verhandlungstische.
    Die einzigen Garanten für den Weltfrieden scheinen die Vereinten Nationen und der UN-Sicherheitsrat zu sein. So gut wie alle Staaten dieser Erde haben sich dort zur Gewaltfreiheit verpflichtet. Dennoch schweigen die Waffen nicht, werden unter dem Vorwand eines berechtigten Präventivschlages Raketen abgeschossen, fliegen Kriegsdrohnen lautlose Angriffe, und verlieren tausende Zivilisten zwischen den Fronten ihr Leben. Bedarf es einer radikalen Reform der UN, damit sie auch die tatsächliche Macht erhält, einseitiger Kriegstreiberei Einhalt zu gebieten? Ohne wirksame Zentralgewalt ist ein Völkerrecht nicht durchsetzbar.
    Das wussten schon die deutschen Philosophen Kant und Fichte. Ein „Völkerbund“ solle die Einhaltung zwischenstaatlicher Verträge kontrollieren und die Macht haben, das Recht durchzusetzen. Damit trete – so Fichte – der „ewige Friede ein; das einzige rechtmäßige Verhältnis der Staaten.“ Ist der Weltfriede heute also mehr denn je nur eine Illusion, oder sind heute schon konkrete Maßnahmen denkbar, die ihn langfristig sichern könnten? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-Premiere So. 21.05.2017 ZDF
  • Folge 32 (45 Min.)
    Deutsche Autobauer von Weltruf manipulieren Abgaswerte und scheinen sich abgesprochen haben, Banken verkaufen faule Papiere – was ist los mit der deutschen Wirtschaft? Darüber spricht Richard David Precht mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG und heutigem Systemkritiker, Edzard Reuter. Was ist übrig geblieben von der sozialen Marktwirtschaft? Die fünf großen deutschen Autobauer mit dem besten Renommee auf dem Weltmarkt haben sich offensichtlich jahrelang abgesprochen, um den Wettbewerb untereinander zu unterlaufen.
    Von einem offenen Markt kann hier kaum mehr die Rede sein. Das viel gepriesene freie Spiel der Kräfte findet wie etwa auch im Bankwesen, bei Internet-Konzernen, der Pharmaindustrie oder der Energiewirtschaft tatsächlich gar nicht mehr statt, meint Richard David Precht. Im Falle von VW, Daimler, BMW und Co wird offensichtlich, so Precht, dass eben niemand weniger Interesse an einem offenen Wettbewerb habe als die Bewerber selbst. Es wird getrickst und betrogen, sobald niemand hinschaut. Und das ausgerechnet bei deutschen Premium-Marken, die mit deutscher Gründlichkeit und Zuverlässigkeit werben.
    Ist die vielgelobte selbstregulierende Kraft des Marktes nur eine Illusion, an die Ökonomen so beharrlich glauben wie an eine Religion? Und ist das Nichtfunktionieren des Marktes heute in der Zeit zunehmender Monopolisierung und Globalisierung deutlich eklatanter geworden? Muss es ein Umdenken geben, weil die Marktautomatismen aus dem Ruder laufen? Richard David Prechts Gast, der ehemalige Chef der Daimler-Benz AG, Edzard Reuter, beklagt seit Jahren eine zunehmende Heuchelei und Gier in den Chef-Etagen großer Unternehmen.
    Er prangert das unehrliche und selbstsüchtige Gebaren nicht nur der wirtschaftlichen Führungskräfte an, sondern auch jenes der politisch Verantwortlichen. Ob in der Finanzkrise oder in der aktuellen Diesel-Krise – die Politik ließ sich von der Wirtschaft in die Pflicht nehmen und nicht umgekehrt. Reuter fordert eine Rückbesinnung auf alte Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Anstand und Augenmaß. Aber ist für den ehrbaren Kaufmann überhaupt noch Platz im Turbokapitalismus des 21. Jahrhunderts? Eine Wirtschaft mit ethischem Anspruch? Inwieweit steht eigentlich noch der Mensch im Vordergrund? Das Wirtschaften sollte doch letztendlich zu seinem Besten sein.
    Ist es da nicht absurd, wenn Großunternehmen eher an ihre profitorientierten Anleger denken als an ihre Beschäftigen? Wenn Wachstum vor guten Arbeitsbedingungen geht und Effizienz vor Umweltschutz? Wenn Aktienkurse steigen, nachdem ein Unternehmen angekündigt hat, es werde Stellen abbauen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 10.09.2017 ZDF
  • Folge 33 (45 Min.)
    Wie unterschiedlich glauben Menschen aus dem islamischen Kulturkreis und dem der christlichen Welt? Wie sehr bestimmt Religion noch unser Leben? Wie unsere Gesellschaft mit dem Glauben umgeht, welchen Einfluss Christentum und Islam auf unsere Gesellschaft haben, darüber spricht Richard David Precht mit der Anwältin, Frauenrechtlerin und Imamin Seyran Ates. Spätestens, seit Seyran Ates in Berlin eine liberale Moschee eröffnete, in der Frauen und Männer, Sunniten, Schiiten und Moslems aller anderen islamischen Glaubensrichtungen friedlich nebeneinander beten, erhält sie Morddrohungen und steht unter Polizeischutz.
    Ganz offensichtlich wehrt sich die konservative Mehrheit der Moslems gegen jeden Versuch, einen liberaleren Islam zu etablieren. Kleidungs- und Ernährungsvorschriften, ungleiche Behandlung von Mann und Frau und eine Rechtsschule, die nicht selten über weltliche Rechtssysteme gestellt wird, lassen den Islam immer wieder mit modernen Gesellschaftsformen kollidieren. Richard David Precht fragt: „Muss sich eine Religion, um nicht einen Großteil ihrer Anhänger und ihrer Bedeutung zu verlieren, nicht eher durch kompromisslose Orthodoxie konservieren? Oder rettet am Ende nur die weltoffene, zeitgemäße Interpretation einer Religion die Spiritualität einer Gesellschaft? Gäbe es gar einen Mittelweg?“ Christentum, Judentum oder Islam – alle Religionen mit schriftlichen Überlieferungen haben das gleiche Problem: Darf man Schriften wie Bibel und Koran zeitgemäß interpretieren, oder sind sie wortwörtlich zu nehmen? Precht und Ates fragen sich, ob sie eins zu eins oder als gleichnishafte Anleitung zu verstehen sind.
    Seit dem 19. Jahrhundert schwindet die Bedeutung der Religion in den westlichen Gesellschaften mehr und mehr. Und selbst die meisten Menschen, die sich als Christen bezeichnen, glauben nicht, dass die Bibel eine wortwörtlich zu verstehende Wahrheit enthält. Zudem akzeptieren sie, dass nicht die Religion, sondern die Menschenrechte, die demokratische Verfassung und der Rechtsstaat die Spielregeln des Zusammenlebens festlegen.
    Für viele Menschen, die aus dem islamischen Kulturkreis nach Deutschland gekommen sind, ist das nicht ganz so selbstverständlich. Richard David Precht stellt sich die Frage: Wie müssen gläubige Menschen im aufgeklärten 21. Jahrhundert mit all diesen Aspekten umgehen? Und bis zu welchem Punkt muss man religiöse Traditionen und Handlungen respektieren? Muss es, kann es eine ethische Übereinkunft geben, die über religiösen Gesetzen und Regeln steht? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 12.11.2017 ZDF
  • Folge 34 (45 Min.)
    Überall in Europa feiern nationalistische Parteien Wahlerfolge. Ihr Thema ist die angebliche „Überfremdung“ der jeweiligen Gesellschaft. Woher kommt die Angst vor dem Fremden? Von seinem Gast, dem Schriftsteller Ilija Trojanow, möchte Richard David Precht wissen: Ist die Angst vor dem Fremden legitim oder nur Ausdruck von Vorurteilen und mangelndem Selbstwertgefühl? Ilija Trojanow, der selbst als Kind mit seinen Eltern aus Bulgarien floh, hinterfragt ganz grundsätzlich die Selbstverständlichkeit von sesshaften Kulturen.
    Nomadentum und das ständige Zusammenfließen der Kulturen, so der Schriftsteller, bestimmen und bereichern seit jeher unsere Gesellschaften. Die Sorge um die Leitkultur des christlichen Abendlandes sei daher keine Rückbesinnung, sondern entspringe vornehmlich der Angst vor den Folgen des Kapitalismus und der Globalisierung. Menschen bewerten andere Menschen nicht gleich, sondern empfinden starke Unterschiede zwischen eigen und fremd, zugehörig und nicht zugehörig. Ist die Angst vor dem Fremden also ganz natürlich? Und was sagt Fremdenfeindlichkeit letztendlich über unser Verhältnis zum Eigenen aus? Wer sich des Eigenen sicher ist, der sollte doch eigentlich selbstbewusst auf das Fremde zugehen können, meint Precht.
    Ist die tatsächliche Ursache von Fremdenfeindlichkeit am Ende eigentlich ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst? Es scheint so, meint Precht, dass kulturelle Durchmischung vor allem dann akzeptiert und sogar gewünscht sei, wenn sie sich auf Wissenschaft, Musik, Literatur, Film oder Kulinarisches beziehe.
    Erst wenn eine Gesellschaft tatsächlich mit Zuwanderern konfrontiert wird, scheint es mit der Toleranz gegenüber dem Fremden rasch vorbei zu sein. Welche Verantwortung trägt die Politik in diesem Konflikt? Precht und Trojanow diskutieren darüber, ob eine Obergrenze für Zuwanderung wirklich eine Lösung ist. Vielleicht, so fragt Precht, diene die derzeitige Afrikapolitik Angela Merkels und Emmanuel Macrons am Ende nur dazu, die Grenze für Flüchtende weit hinter das Mittelmeer zu verschieben? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 03.12.2017 ZDF
  • Folge 35 (45 Min.)
    Ob Teenager oder US-Präsident, die Welt kommuniziert im Minutentakt über Twitter, Facebook und Instagram. Apps und virtuelle Sprachassistenten machen uns Vorschläge für unser Leben. Wer aber kontrolliert unser Dasein: Die Digitalkonzerne oder doch immer noch der einzelne Mensch? Sind wir noch Herr über unsere Daten? Darüber spricht Richard David Precht mit Udo Di Fabio, ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht. In fast allen Lebensbereichen verlassen sich die Menschen heute auf digitale Anwendungen, die nicht nur immer unverzichtbarer sondern auch immer intelligenter werden.
    Doch welche Auswirkungen hat dies auf unsere Art zu leben? Vieles müssen wir nicht mehr selbst beurteilen, nicht mehr selbst entscheiden. Wir scheinen verwoben in ein digitales Netz aus Prävention und Bevormundung, so Precht, dem wir uns aus Bequemlichkeit gerne überlassen. Dabei scheint uns unser Recht auf Privatsphäre reichlich gleichgültig zu sein, meint er. Precht fragt: Verlernen wir auf diesem Wege nicht unsere Gesellschaftsfähigkeit? Opfern wir so nicht unser demokratisches Bewusstsein und überantworten uns der digitalen Verheißung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt? Der Geist der Aufklärung scheint verflogen zu sein.
    Freiheitliche Selbstbestimmung ist in unserer hyper-komplexen Welt zu einer anstrengenden Arbeit geworden. Verlieren wir uns allmählich im Netz oder folgen wir bloß einer zwangsläufigen technischen Evolution, der wir uns nicht entziehen können? Precht fragt: Prägt am Ende die Technik die Entwicklung der Menschheit wesentlich maßgeblicher als es die Politik je vermocht hat? Immerhin: Europa will nach jahrelangen Verhandlungen nun zumindest eine Verordnung verabschieden, welche das Persönlichkeitsrecht in der digitalen Welt ausreichend gewährleisten soll.
    Doch vieles, was in der realen Geschäftswelt gesetzlich definiert und geregelt werden konnte, scheint in der digitalen Sphäre nicht so leicht zu greifen zu sein. Vor allem mangelt es an Transparenz. Niemand weiß, welche Daten er abgibt, geschweige denn was mit ihnen geschieht.
    Auch hat manche regionale Verordnung keinen Sinn, wenn die Global Player in den USA sitzen und nicht haftbar gemacht werden können. Prechts Gast Udo Di Fabio hat sich als Rechtsprofessor mit den Phänomenen der digitalen Welt intensiv beschäftigt. Er kennt die juristischen Probleme und mahnt an, dass es hier nicht um gesetzliche Spitzfindigkeiten geht, sondern um nichts Geringeres als die Wahrung unseres Grundgesetzes. Auch wenn dies viele User noch nicht so recht zu interessieren scheint. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 04.02.2018 ZDF
  • Folge 36 (45 Min.)
    Die erste Mondlandung hat nie stattgefunden, Nine-Eleven war das Werk der CIA und Kondensstreifen vergiften uns. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Vor allem im Netz. Warum aber suchen immer mehr Menschen ihr Heil in Verschwörungstheorien? Das will Richard David Precht vom Physiker, Philosophen und ZDF-Moderator Professor Harald Lesch wissen. Was ist Wahrheit? Über Jahrtausende hatten die meisten Menschen wenige Chancen etwas darüber zu erfahren. Wahrheit war, was die Herrschenden, insbesondere die Kirche als solche ausgab. Deshalb wurden Verschwörungstheorien in früheren Zeiten auch meist von den Mächtigen in die Welt gesetzt, um eigene zweifelhafte Handlungen zu legitimieren oder erwünschte Feindbilder zu installieren.
    Ob Hexenverfolgung, Papisten-Verschwörung und Freimaurertum damals, oder Antisemitismus, Islamphobie und Gülen-Bewegung in unserer Zeit – stets geht es darum, durch „alternative Fakten“ die Realität nach eigenem Gusto zu manipulieren. Heute entstehen Verschwörungstheorien eher in den Reihen verunsicherter und misstrauischer Bürger, die besonders in Krisenzeiten hinter komplexen und schwer nachvollziehbaren Ereignissen übermächtige und teuflische Drahtzieher vermuten, die die Menschen vornehmlich aus Macht- und Habgier hinters Licht führen wollen.
    Dabei bietet ihnen – anders als früher – das Internet eine ideale Kommunikations- und Verbreitungsplattform. Man findet fast immer Gleichgesinnte, die den eigenen Glauben bestärken, und vermeintliches mediales Beweismaterial kann gleich tausendfach im Netz geteilt werden. Doch warum trauen heute immer weniger Menschen den offiziellen Wahrheiten? Ist es die Ohnmacht der Abgehängten und Verunsicherten? Oder befeuern die immer häufiger aufgedeckten ‚echten‘ Verschwörungen, man denke an die Bankenkrise oder die Abgasmanipulationen, so Richard David Precht, die Bereitschaft, an noch viel abwegigere Theorien zu glauben? Haben Verschwörungstheoretiker nur eine gesunde und begründete Skepsis, oder leiden sie allesamt an Realitätsverlust, fragt Precht seinen Gast Prof. Harald Lesch.
    Und wie passen Verschwörungstheorien in unser aufgeklärtes 21. Jahrhundert? Braucht der Mensch trotz Aufklärung und dem hohen Stellenwert der Vernunft irgendein emotionales, wenn nicht gar irrationales Gegengewicht? Ein Narrativ, dass die undurchschaubare Welt begreifbar macht? Einen Mythos, der die eigene Rolle im Weltgeschehen aufwertet? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-Premiere So. 08.04.2018 ZDF
  • Folge 37 (45 Min.)
    Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Für die einen ist er schuld am Kommunismus und seinen Folgen, für die anderen ist Marx ein großer Philosoph der Freiheit. Ist Marx gerade heute wieder besonders aktuell? Gibt er Antworten auf die negativen Folgen der Globalisierung? Darüber redet Richard David Precht mit Gregor Gysi, Die Linke. Karl Marx: Den meisten gilt er als Vordenker des untergegangenen Staatssozialismus und wird somit auch für dessen Irrtümer und Verbrechen verantwortlich gemacht. Für die anderen ist er der Schöpfer des „Kapitals“ und des „Kommunistischen Manifests“, ein Philosoph der Freiheit und ein Prophet für die Zukunft.
    Wer also war Karl Marx, was wollte er? Nach dem Untergang jener Systeme, die den Kommunismus im Sozialismus verwirklichen wollten, schien klar, dass sich die westliche Demokratie und ihr kapitalistisches Wirtschaftssystem endgültig durchgesetzt haben. Doch die Zweifel mehren sich, so Richard David Precht, ob die Demokratie und ihr Wirtschaftssystem nicht zu anfällig geworden sind für die Herausforderungen der Zukunft.
    Die Zeiten von Wachstums- und Wohlstandsgarantie sind vorbei. Gier, Egoismus und Ungleichheit in der Gesellschaft sowie der radikale digitale Wandel der nächsten Jahre zwingen dazu, sagt Precht, die bisherigen politischen und wirtschaftlichen Strategien auf den Prüfstand zu stellen. Lohnt daher heute ein frischer, unvoreingenommener Blick auf die politischen und ökonomischen Visionen eines Karl Marx? Mit Gregor Gysi diskutiert Precht, wie nah dran unsere Welt an die klassenlose Gesellschaft tatsächlich gekommen ist.
    Wird der Turbo-Kapitalismus sich von selbst „hohl drehen“, wie Marx es prophezeite, oder bedarf es einer Politik, die entschiedener eingreift, um die neuen Parameter der Zukunft aufzustellen?, fragt Precht. Gysi dazu in der Sendung: „Wir kommen nicht umhin, über die Vergesellschaftung von Banken und großen Konzernen zu reden.“ Wenn man über Marx und sein Erbe redet, wird auch der künftige Stellenwert der Arbeit zu diskutieren sein. Im Zeitalter der Digitalisierung wird vermutlich, so Precht, ein guter Teil der monotonen Arbeit wegfallen.
    Wäre das ein Albtraum für die Gesellschaft, oder erstünde das von Marx ersehnte Paradies, in dem man nicht mehr nur zur Existenzsicherung arbeiten müsse, sondern sich kreativ oder sozial entfalten könne, frei und aus eigenem Antrieb? Richard David Precht fragt: Hat Gregor Gysi, der Jurist und prominente Vertreter der Linken, eine Vorstellung von der Zukunft, die den unverfälschten Marx und die wahren Anforderungen an unsere Welt zusammenbringen kann? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 06.05.2018 ZDF
  • Folge 38 (45 Min.)
    Wie sieht es mit der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann aus? Die MeToo-Debatte zeigt deutlich, wie spannungsreich das Verhältnis zwischen den Geschlechtern heute noch ist. Zwischen ihnen herrscht offensichtlich weiterhin ein Machtgefälle. Wie müssen sich Mann und Frau in Zukunft zueinander verhalten? Die Philosophin Svenja Flaßpöhler hat dazu eine klare Meinung. Hat der Feminismus der 1970er bis 1990er Jahre heute nur noch wenig Einfluss auf das Zusammenleben der Geschlechter? Muss sich das weibliche Geschlecht wieder neu entdecken und definieren? Und wie verhalten sich die Männer? Das fragt Richard David Precht die Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“ Svenja Flaßpöhler, die sich aktuell mit ihrem Buch „Die potente Frau.
    Für eine neue Weiblichkeit“ kritisch mit der MeToo-Debatte auseinandersetzt. Flaßpöhler beklagt, dass sich die Initiatorinnen der Debatte zu sehr auf die Opferrolle der Frauen beziehen, dass sich Frauen grundsätzlich immer noch eher an den Regeln der Männerwelt abarbeiten, anstatt ihre eigene, weibliche „Potenz“ abzurufen. Im Gespräch mit Richard David Precht verurteilt die Philosophin männlichen Machtmissbrauch und männliche Gewalt gegen Frauen scharf.
    Doch sieht sie in der MeToo-Debatte auch die Gefahr, dass ein Dialog zwischen Mann und Frau, der gegenseitige Respekt und vor allem die Freude am sich Entdecken nachhaltig gestört zu werden drohe. Flaßpöhler sagt provokant: „Wer eine Welt ohne Belästigung will, will in letzter Konsequenz eine Welt ohne Verführung“. Die wirkliche sexuelle Befreiung der Frau stehe uns laut Flaßpöhler möglicherweise erst noch bevor, sie sei auch in der 1968er Revolte nicht wirklich erfolgt. Was aber unterscheidet Frau und Mann wirklich, fragt Precht.
    Welche Rolle spielen Kultur und Evolution für die Rollenverteilung? Muss die Körperlichkeit der Geschlechter überwunden werden, wie es die amerikanische Philosophin und Feministin Judith Butler 1990 in ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ propagiert? Oder sollte sie viel mehr noch bewusster gelebt werden? Oversext oder androgyn? Und welche Funktion haben Zweierbeziehung, Ehe und Kleinfamilie heute noch? Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte der französische Philosoph und Sozialist Charles Fourier nicht nur den Begriff Feminismus, er schlug auch vor, dass Frauen und Männer in größeren Kommunen zusammenleben sollten, in welchen die Begegnung zwischen den Geschlechter eben an einer jeweiligen Funktion ausgerichtet sein sollte.
    Sexuelles Erleben, das Zeugen und Aufziehen von Nachwuchs oder ein rein geistiger Austausch sollte mit unterschiedlichen Partnern möglich sein und vor allem sollten dadurch unterdrückte Leidenschaften vermieden werden. Bestehen die Konflikte zwischen Frau und Mann möglicherweise nur deshalb, weil wir falsch zusammenleben, fragen sich Precht und seine Gesprächspartnerin Svenja Flaßpöhler. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 16.09.2018 ZDF
  • Folge 39 (45 Min.)
    Der Rekordsommer dieses Jahres hat viele Menschen aufgeschreckt: Ist dies ein weiteres Anzeichen für den Klimawandel? Wie wird die Welt aussehen, wenn sich das Klima noch weiter erwärmt? Warum nimmt die Gesellschaft diese Bedrohung nicht wirklich ernst? Darüber spricht Richard David Precht mit Prof. Hans Joachim Schellnhuber, einem der weltweit wichtigsten Klimaforscher. Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, der die Bundeskanzlerin ebenso berät wie den Papst, warnt bereits seit Jahren eindringlich vor einer bevorstehenden Heißzeit.
    Sie bedeutet vor allem für die ärmeren Länder um den Äquator eine extreme Verschärfung ihrer Lebensbedingungen. Wenn Dürre, Überschwemmungen und Stürme die Landwirtschaft treffen, machen sich die Menschen dort auf den Weg nach Norden auf die Suche nach einer neuen Lebensgrundlage. Die Klima-Migration von Millionen von Menschen sei, so Schellnhuber, schon längst im Gange und werde noch viel größere Ausmaße annehmen. Während also die Opfer des menschengemachten Klimawandels ums Überleben kämpfen, scheinen sich die Verursacher, also die reichen Industrieländer, nur halbherzig um Lösungen zu bemühen.
    Appelle an die Verbraucher haben keine maßgeblichen Verhaltensänderungen beim Energiekonsum ausgelöst, so Precht, ebenso wenig wirksam waren die Selbstverpflichtungen etwa der Autoindustrie. Immer noch setzen die Industrieländer auf fossile Brennstoffe. Schellnhuber fordert bei „Precht“, endlich eine für alle verbindliche CO2-Steuer einzuführen. Die Energieverschwendung, meint Schellnhuber, sei eigentlich gar nicht Teil der abendländischen Kultur gewesen.
    Erst die Übernahme des amerikanische Konsum- und Wachstumsdenkens nach dem Zweiten Weltkrieg habe das tradierte Nachhaltigkeits-Denken korrumpiert. Ist demnach Wirtschaftswachstum und Klimaschutz unvereinbar, fragt Precht. Ist der Kapitalismus der Feind unseres Planeten? Brauchen wir am Ende eine Verbotskultur, um das Entgleisen des Klimas noch aufzuhalten? Precht und Schellnhuber fragen sich, wie groß die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen ist. Laut Immanuel Kants kategorischem Imperativ ist ein angestrebter Lebensstil ethisch nicht zu rechtfertigen, solange er nur sich selbst und den Eigenen zugestanden und anderen vorenthalten werden muss.
    Müssen wir also das kapitalistische Wachstumssystem aufgeben und uns in Verzicht üben, fragt Precht. Sollte man sich nun auf die rettenden technischen Innovationen verlassen, die uns von der Last des CO2-Ausstoßes befreien? Oder muss die Hoffnung, den Klimawandel noch aufhalten zu können gleich begraben werden und sich die Gesellschaft darauf konzentrieren, die Heißzeit irgendwie zu überleben? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 07.10.2018 ZDF
  • Folge 40 (45 Min.)
    Wie soll Kräfteverhältnis zwischen Demokratie und Kapitalismus in Zukunft aussehen? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Parteivorsitzenden von Bündnis 90/​Die Grünen, Robert Habeck. Die demokratischen Werte einzelner Staaten werden immer häufiger durch einen global und rücksichtslos agierenden Kapitalismus konterkariert. Welche Maßnahmen würde Robert Habeck ergreifen, wenn er Regierungsverantwortung erteilt bekäme? Als der Ostblock zusammenbrach, verkündete der Philosoph Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“. Der Kapitalismus, gepaart mit einer rechtsstaatlichen Demokratie, war für ihn nicht nur der Sieger im Kalten Krieg, sondern die optimale und endgültige Staatsform.
    Heute ist klar, dass es ein Ende der Geschichte nie gegeben hat – und an die friedliche Koexistenz von Kapitalismus und aufgeklärter Demokratie glauben auch immer weniger Menschen. Ob Bankenrettung, Steuerflucht oder Lohndumping – meist gewinnt der Spekulant und selten der Bürger. Die Angst vor massenhafter Migration und Überfremdung tut ein Übriges, das Vertrauen, das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Gefühl der Teilhabe zu untergraben, welche eine intakte Demokratie ausmachen.
    Immer mehr Menschen gelangen zu der Überzeugung, dass autoritäre Staaten wie China doch so viel effizienter auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren. Um energisch und gewinnbringend auf die Globalisierung zu reagieren, brauche es angeblich nicht die bewusst langsamen weil vorsichtigen demokratischen Prozesse, sondern rigorose Durchsetzungskraft, Abschottung und die ungeteilte Macht im Staat. In Europa, dort, wo es die Demokratie nach vielen Mühen geschafft hat, sich auch über Landesgrenzen hinweg zu verflechten, droht sie gegenwärtig wieder auseinanderzubrechen.
    Ob Großbritannien, Ungarn, Polen oder Italien – es grassiert die Flucht in den Alleingang, und es gibt kaum noch den Glauben an globale Solidarität und ein faires Miteinander. Hat der Kapitalismus mehr auf die Demokratie abgefärbt als umgekehrt? Auch die Digital-Konzerne aus dem Silicon Valley spielen längst nach eigenen Regeln. Ihre Produkte müssen nicht nur weniger Sinn als Profit machen, sie dienen in erster Linie auch nur dazu, dem freien Bürger sein Ureigenes abzujagen: seine Daten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 16.12.2018 ZDF

zurückweiter

Füge Precht kostenlos zu deinen Serien hinzu und verpasse keine Neuigkeit mehr.
Alle Neuigkeiten zu Precht und weiteren Serien deiner Liste findest du in deinem persönlichen Feed.

Auch interessant…

Hol dir jetzt die fernsehserien.de App