„The Good Cop“: Das „Monk“ unter den Netflix-Serien – Review

Charaktermomente statt Witzefeuerwerk mit Tony Danza

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 21.09.2018, 11:08 Uhr

Tony „TJ“ Junior (Josh Groban) und Tony Caruso Senior (Tony Danza) in „The Good Cop“ – Bild: Netflix
Tony „TJ“ Junior (Josh Groban) und Tony Caruso Senior (Tony Danza) in „The Good Cop“

Für Überraschung dürfte die neue Serie „The Good Cop“ bei Zuschauern sorgen, die bisher nur den Trailer von Netflix gesehen haben. Denn der verspricht ein rasantes Feuerwerk oberflächlicher und abgedroschener Witzchen. Was den Zuschauer erwartet, ist aber eine durchaus vielschichtige Krimiserie. Dass sie aus der gleichen Feder wie „Monk“ stammt, ist schon ein guter Fingerzeig, wohin die Reise geht. Ein ganz so großer Wurf ist Serienschöpfer Andy Breckman allerdings diesmal nicht gelungen.

„The Good Cop“, das ist der vom Musiker Josh Groban gespielte (An-)Tony Caruso Junior, genannt TJ. Von seinem Vater hat er alles gelernt, was man wissen muss, um ein „guter Polizist“ zu seien. Außer eben die Ehrlichkeit. Deren Mangel war Tony Senior (Tony Danza, „Wer ist hier der Boss?“) schließlich zum Verhängnis geworden. Krumme Geschäfte brachten ihm zwar ursprünglich mal ziemlichen Wohlstand, dann aber eine achtjährige Gefängnisstrafe. Nun ist der gewitzte Ex-Cop auf Bewährung auf freiem Fuß, versucht aber kaum, sich zu bewähren.

Beim Sohn musste Tony Senior als Auflage einziehen, seine Schanklizenz zurückgeben und – weil er seine Straftaten mit anderen korrupten Polizisten verübte – muss sich nun auch von der Polizei fernhalten. Doch wie früher geht Senior recht locker mit den Auflagen um, hat ein leichtes Glücksspielproblem, trinkt gerne mal einen über den Durst und mischt sich in die Arbeit seines Sohnes ein.

Vasquez (Monica Barbaro, M.) steht häufiger zwischen TJ (Josh Groban, l.) und Tony Senior (Tony Danza)
Als schließlich der Cop, dessen Aussage Tony und seine Kumpane damals hinter Gitter gebracht hatte, erschossen aufgefunden wird und auch noch TJs Dienstpistole sich als Tatwaffe herausstellt, scheint die Lage klar. Nur eben für jeden auf seine eigene Weise: Die Unbeteiligten gehen davon aus, dass Senior sich die Pistole des Sohnes geklaut hatte, um den Mord zu begehen. Senior – soviel sei verraten – hat diese Tat aber nicht begangen und muss vermuten, dass sein Sohn ihn gerächt hat. Und TJ mag nicht glauben, dass sein Vater der sein kann, auch wenn die Indizien gegen ihn sprechen.

Für eine Netflix-Serie ist „The Good Cop“ unglaublich bodenständig. Das Erzähltempo ist langsam, die Figuren zwar überzeichnet – aber gerade noch als Menschen mit Macken glaubwürdig, denen man auf der Straße oder im Büro begegnen könnte. Der Score ist leicht jazzig und melancholisch. Bei den Fällen werden den Zuschauern gegen Mitte der Episoden die Hinweise so präsentiert, dass man unmittelbar vor den Ermittlern den Täter erkennt – und der Rest der Folge davon handelt, wie TJ und Co. dem Täter dann mit verwertbaren Beweisen das Handwerk legen.

Dabei hat „The Good Cop“ wie einst „Monk“ auch eine tragische, menschliche Ebene. Einerseits in TJ, der von den Enthüllungen über seinen Vater ziemlich zerstört wurde. „Wenn du eine Regel brichst, brechen alle Regeln“, ist nun sein Mantra. Wegen seiner zwanghaften Regeltreue eckt er bei den Kollegen an und ist zum sozial isolierten Außenseiter geworden. Andererseits ist das verbindende Element der beiden Caruso-Männer die Trauer um TJs Mutter: Sie starb bei einem „Unfall“ mit Fahrerflucht vor knapp vier Jahren. Die Tatsache, dass ihr Mann Dreck am Stecken hat und der Vorfall sich vor einem gewaltigen Appartementhaus ereignet hat, es aber (bisher …) keine Augenzeugen gibt, lässt schließen, dass es sich hierbei um ein zumindest staffellanges Mysterium handelt.

Während der eingangs erwähnte Trailer von Netflix Tony Senior als Quell von lockeren Sprüchen und somit als Spaßmacher und Partytier darstellt, erweist sich seine Darstellung in der Serie ebenfalls vielschichtiger, tragischer: Denn Tonys Tage als Zentrum jeder Party sind vorbei. Die alten Freunde sind weggeschlossen, durch den Prozess gegen ihn ist er berüchtigt genug, um auch nach zehn Jahren noch erwarten zu können, dass bei der Erwähnung seines Namens („Ich bin der Caruso.“) beim Gegenüber der Groschen fällt. Auch die Tatsache, dass er seinen Sohn jeden Morgen mit einem „Trag deine (kugelsichere) Weste“ verabschiedet, lässt aus allen oberflächlichen Wortgefechten seine Ängste durchscheinen.

Das (erweiterte) Ermittlerteam von TJ (Josh Groban, M.): Sein Vater Tony Senior (Tony Danza), der auf die Pensionierung schielende Burl Loomis (Isiah Whitlock jr.), Bürokraft Ryan (Bill Kottkamp) und Cara Vasquez (Monica Barbaro)
Routiniert konstruiert zeigt sich das Figurenensemble von „The Good Cop“. Primär zu nennen ist Polizistin Cora Vasquez (Monica Barbaro), die zunächst als Seniors Bewährungshelferin auftritt, mit der zweiten Folge und dem Ablegen der Detective-Prüfung aber Kollegin von TJ wird. Die smarte, unabhängige Frau vertraut auf ihre Intuition – und die sagt ihr, dass Tony Senior bereit ist, sich zu ändern. Allerdings scheint Vasquez’ Rolle klassisch auf „das Mädchen“ festgelegt zu sein, das hauptsächlich dazu da ist, um den schüchternen TJ aus seiner Schale zu holen. Szenenapplaus verdient sich Isiah Whitlock jr., der als Detective Burl Loomis ebenfalls zum von TJ geleiteten Team gehört. Der abgehalfterte Polizist muss noch knapp 440 Tage durchstehen, bevor er in Rente gehen kann. Sein Job ist ihm mittlerweile ziemlich egal – so egal, das er auch schon mal zwischendurch ein Nickerchen macht. Auf der Negativ-Seite steht Bill Kottkamp als Mischung aus „forensischer Berater“ und Sekretär: Als waschechter Millennial ist er unfähig, sich ordentlich anzuziehen oder mitzudenken, trotzdem ist er technisch versiert genug, um Ermittlungen am Computer zu unterstützen. In einer Nebenrolle als Vorgesetzte ist Molly Price („Third Watch“) zu sehen.

Insgesamt präsentiert sich „The Good Cop“ als ordentlich gemachter Krimi für Zuschauer, die es eher ruhig angehen lassen wollen – ganz ruhig. Ruhig, wie Fernsehserien für Zuschauer jenseits der werberelevanten Zielgruppe (also bis 49 Jahre) es vor zehn Jahren gewesen sind. Die Charaktermomente können nicht ganz überzeugen, Josh Groban ist eben kein Tony Shalhoub. Dafür hat die Serie augenscheinlich ein bedeutend höheres Budget als eine durchschnittliche Network-Serie, was sehr sehenswerte Außenaufnahmen von New York City bringt. Wenn Netflix sich nach und nach von Lizenzserien lösen will, dann muss man für gewisse Zuschauerschichten durchaus auch Formate wie „The Good Cop“ ins Angebot aufnehmen. Aber ein Grund, sich ein Netflix-Abo zuzulegen, ist es bei weitem nicht.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Episoden der Serie „The Good Cop“.

Meine Wertung: 3/​5


Bernd Krannich
© Alle Bilder: Netflix/​Michele K Short


Netflix hat die zehnteilige Auftaktstaffel zu „The Good Cop“ am Freitag, den 21. September 2018 weltweit veröffentlicht.

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    gerade bei Netflix entdeckt, die Serie. Bin mal gespannt, sowas wie Monk oder the Mentalist sehe ich sehr gerne.
    • (geb. 1979) am

      Ich finde es aber sehr schade, dass man nicht erneut Piepers Stimme wollte.

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