„Rampensau“: Neue VOX-Serie ist überraschend anders – Review

Rotzfrecher Genre-Mix mit Jasna Fritzi Bauer

Rezension von Jana Bärenwaldt – 13.11.2019, 09:00 Uhr

Jasna Fritzi Bauer als „Shiri Conradi“ – Bild: VOX/TVNOW
Jasna Fritzi Bauer als „Shiri Conradi“

Im Leben der 30-jährigen Shiri Conradi (Jasna Fritzi Bauer, „jerks.“, „Dogs of Berlin“) geht gerade alles schief, was nur schiefgehen kann. Erst wird sie bei einem wichtigen Vorsprechen aufgrund ihres jugendlichen Aussehens abgelehnt, dann verliert sie ihren Nebenjob im Kindertheater eines schmierigen Proleten und wird zu guter Letzt auch noch von ihrem Freund Jonas (Benjamin Lillie) verlassen, der sich nach Budapest absetzen will, um dort alleine seine Schauspielkarriere voranzutreiben. Und so findet sich Shiri von einem auf den anderen Moment ohne Job, ohne Freund und ohne Perspektive wieder.

Wer anhand dieser Beschreibung aber eine gediegene deutsche Standard-Comedy erwartet, dürfte von „Rampensau“ sehr schnell überrascht werden – ob im positiven oder negativen Sinne ist dann wohl erst einmal Geschmackssache. Shiri ist keine gewöhnliche 30-Jährige. Das liegt nicht nur daran, dass sie eher aussieht wie eine Teenagerin, sondern sich auch so verhält. Sie ist laut, rebellisch und frech – um es sanft auszudrücken. Gefühlt bestehen ihre Sprechanteile zum Hauptteil aus Kraftausdrücken. Man kommt nicht umhin zu denken, dass Shiri vielleicht gut daran tun würde, sich nicht wie eine pubertierende Göre aufzuführen, wenn sie nicht wie eine behandelt werden möchte.

Shiri (Jasna Fritzi Bauer) sieht nicht aus wie 30 – und verhält sich auch nicht so.

Andererseits ist es gerade ihre aufmüpfige Art und Weise, die der Serie letztendlich den besonderen Charme verleiht und zugleich den inneren Zwiespalt der Protagonistin beleuchtet. Shiri weiß genau, wie extrem ihr Verhalten teilweise wirken kann, hat ihr Temperament aber kaum im Griff. Um wenigstens ihre finanziellen Probleme anzugehen, nimmt sie notgedrungen einen Cateringjob beim Gartenfest des Polizeipräsidenten an. Dort lernt sie Polizist Ulf (Peter Fieseler) kennen, der zunächst noch ganz charmant erscheint, sich dann aber letztendlich auch als Idiot mit ziemlich großen Ego-Problemen entpuppt. Sein Techtelmechtel mit Shiri will Ulf unbedingt vor seiner Partnerin Anja (Lorna Ishema) auf der Wache geheim halten, mit der er nämlich auch verheiratet ist.

„Ich hab nur die Wahl, ob ich in ein Blumenbeet falle oder in die Scheiße. Und klar will ich in die Blumen fallen. Aber da gibt’s irgendwas in mir, das ist tierisch von der Scheiße angezogen. Und ich kann nichts dagegen tun. Verstehste?“, erklärt Shiri ihrer besten Freundin Natti (Laura Louisa Garde) und fasst ihre Situation damit ziemlich selbstreflexiv zusammen. Zum Glück ist Shiri eine Kämpfernatur, die nie aufgibt, egal was das Leben ihr vor die Füße wirft. Als Jonas kurz vor seiner Abreise mit 500 Ecstasy-Pillen in seiner Tasche von Ulf aufgegriffen und verhaftet wird, zögert sie keine Sekunde und springt ihrem (Ex?) Freund schützend zur Seite – auch wenn der das eigentlich nicht verdient hätte.

Shiri (Jasna Fritzi Bauer) steht Jonas (Benjamin Lillie) bedingungslos zur Seite.

In einem parallelen Handlungsstrang werden die Ereignisse an einer Schule beleuchtet. Dort experimentiert die 17-jährige Schülerin Annabelle (Mila Böhning) während einer Feier mit Drogen und bricht zusammen. Aufgrund der Überdosis fällt sie ins Koma. Zudem hat sie anscheinend eine etwas zu enge Beziehung zum Schuldirektor Bastian Tess (Florian Bartholomäi) gepflegt. Wie nahe sich die beiden aber tatsächlich gekommen sind, wird vorerst offengelassen. Die Drogen erweisen sich als dieselben hochdosierten Ecstasy-Pillen, die auch bei Jonas gefunden wurden, für den es jetzt richtig eng wird. Sowohl die Situation rund um Tess und Annabelle als auch die um Jonas und die Drogen wird in den ersten Folgen etabliert aber nicht aufgelöst, sodass der Spannungsbogen aufrecht gehalten wird.

Während die erste Episode der Serie noch eher in Richtung Comedy in Verbindung mit Charakter-Drama geht, schlägt die zweiten Folge deutlich düstere Töne an. Jonas verbleibt in Untersuchungshaft, auch weil die Aussage von Ulf ihn belastet, der seine Ehe zu Anja nicht aufs Spiel setzen kann. Rektor Tess muss derweil am eigenen Leib erfahren, dass ein Gerücht, das einmal im Umlauf ist, in den Augen der Öffentlichkeit schnell zur Realität werden kann, vor allem im Zeitalter der sozialen Medien. Noch bevor überhaupt ein Verfahren eingeleitet wird, ist der ehemals so beliebte Schulleiter ein Geächteter. Tess hat mit seinen Bemühungen, den Schülern auf Augenhöhe zu begegnen, (un-)bewusst Grenzen überschritten – wie weit diese Grenzüberschreitungen gegangen sind, ist noch nicht gänzlich klar.

Schuldirektor Bastian Tess (Florian Bartholomäi) gerät unter Verdacht.

Jonas kann derweil nur an seine Karriere denken und bittet Shiri, beim Produktionsleiter des Films ein gutes Wort für ihn einzulegen. Der entpuppt sich allerdings als sadistischer Widerling und versucht Shiri bis aufs Äußerste zu demütigen. Hier ist auch der letzte Rest von Komik verflogen. Die Szenen mit Shiri und dem Showrunner sind unglaublich beklemmend und erschreckend und erinnern kritisch an die „MeToo“-Skandalreihe in Hollywood.

Shiri ist allerdings nicht der einzige Charakter, der in „Rampensau“ näher beleuchtet wird. Nahezu alle Nebenfiguren haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen und werden ausführlich ausgearbeitet. Sowohl die Eheprobleme von Ulf und Anja als auch die ambitionierte Philosophie von Rektor Tess werden thematisiert. Dabei gibt es selten klare schwarz-weiß Zeichnungen.

Shiri (Jasna Fritzi Bauer) kämpft sich durch – zur Not auch mit vollem Körpereinsatz.

Die VOX-Serie fühlt sich erfrischend authentisch an, was nicht zuletzt an den lebensechten Dialogen liegt – Shiris Schimpftiraden einmal ausgenommen. Wie realistisch es allerdings ist, dass die Polizei Shiri an der Schule als verdeckte Ermittlerin einschleusen will, sei erst mal dahingestellt. Vor allem, nachdem Shiri deutlich gezeigt hat, dass sie sich gerne über sämtliche existierende Grenzen hinwegsetzt, einen Aufruhr in der Wache verursacht und einen Polizisten angreift.

„Rampensau“ trifft oft den richtigen Ton, schießt aber manchmal auch schlicht übers Ziel hinaus. Dementsprechend funktioniert der angestrebte Genre-Mix aus Charakter-Drama, Comedy und Crime auch meistens, aber nicht immer. Die Serie lässt sich schwer einordnen und beinahe unmöglich in eine Schublade stecken. Auf der einen Seite ist „Rampensau“ lustig, rotzfrech und wild, auf der anderen Seite fesselnd, berührend und nachdenklich. Während man sich am Anfang noch fragen mag, wo man da reingeraten ist, gewinnt man Shiri schnell richtig gern und kann die Andersartigkeit der Serie, die ihren ganz eigenen Charme versprüht, auch gebührend genießen – solange man sich darauf einlässt.

Dieser Text beruht auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie „Rampensau“.

Meine Wertung: 4/​5


Jana Bärenwaldt
© Alle Bilder: VOX/​TVNOW/​Stefan Erhard

„Rampensau“ stammt aus der Feder von Arne Nolting und Jan Martin Scharf („Club der roten Bänder“), basierend auf der israelischen Serie „Metumtemet“. Die zehnteilige Serie wird ab dem 20. November immer um 20:15 Uhr in Doppelfolgen bei VOX ausgestrahlt. Zudem sind die jeweiligen Folgen bereits immer sieben Tage vorher als Preview bei TVNOW verfügbar.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1955) am

    Ordinär und primitiv! Will VOX so verärgerte Zuschauer zurückholen oder gar neue gewinnen? Beliebte Serien absetzen und durch Müll mit Gossensprache ersetzen? Danke, aber nein danke! Zum Glück gibt’s die Konkurrenzsender!
    • (geb. 1978) am

      Warum müssen "selbstbewusste" Mädchen im deutschen Fernsehen eigentlich fast immer rotzig daher kommen? Die Vorschau allein ist ein Abtörner.
      • (geb. 1984) am

        Da ich diese Schauspielerin ablehne, fällt die Serie bei mir schon durch. Schade. Mochte die anderen VOX Produktionen bisher

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