Outlaw – Review

von Michael Brandes

Rezension von Michael Brandes – 01.10.2010

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Jimmy Smits als Cyrus Garza in „Outlaw“

Der inhaltliche Ansatz des neuen NBC-Dramas „Outlaw“ ist nicht gerade umwerfend originell: Ein zynischer, erzkonservativer Richter entdeckt ganz plötzlich die Moral und Menschenliebe in sich selbst. Quasi über Nacht quittiert er seinen lukrativen Posten, um fortan als liberaler Anwalt mit eigenem Team den kleinen Individuen im Kampf gegen die Mängel des Rechtssystem beizustehen. Diese Kehrtwende plausibel zu machen, gelingt den Autoren im ausgesprochen abstrusen Pilotfilm allerdings nicht, jedoch ist „Outlaw“ ohnehin eher ein klassisches Star-Vehikel: Die Serie soll vor allem von der Präsenz ihres populären Hauptdarstellers leben. Jimmy Smits glänzte zuletzt als Miguel Prado in der dritten „Dexter“-Staffel, zuvor hatte er prägnante Auftritte in „New York Cops – N.Y.P.D. Blue“ und „The West Wing“. Zu einem der beliebtesten TV-Darsteller Amerikas wurde er jedoch schon in den späten 80er Jahren mit „L.A. Law“. Dass Smits nun für die Hauptrolle in „Outlaw“ gebucht wurde (und zudem noch als Co-Produzent beteiligt ist), hat natürlich auch mit der Hoffnung zu tun, dass viele Zuschauer schon deshalb einschalten, weil sie den 55-jährigen gern mal wieder in einem Anwaltsdrama sehen wollen. Doch eine ganze Menge Ballast wurde hier auf Smits’ Schultern geladen, vielleicht zu viel für eine einzige Rolle.

Ellen Woglom als Mereta Sprows

Smits spielt Cyrus Garza, einen Richter des Obersten Gerichtshofs, der schon in der ersten Szene als Spieler und Womanizer eingeführt wird. Am Blackjack-Tisch eines Casinos steht Garza im Mittelpunkt, ist umringt von attraktiven Damen und kommentiert lauthals das Geschehen. Wenn so die Richter am Supreme Court aussehen, sei es kein Wunder, dass es mit dem Land immer weiter bergab gehe, kommentiert ein Casino-Angestellter hinter vorgehaltener Hand. Garzas Assistentin, die junge Rechtsreferendarin Mereta Sprows (Ellen Woglom), unterbricht das bunte Treiben, um Garza abzuholen. Vor Gericht soll entschieden werden, ob die anstehende Hinrichtung des Todeskandidaten Greg Beals (Rapper RZA) aufgeschoben wird. Der schwarze Häftling sitzt seit über zehn Jahren wegen Mordes an einem Polizisten im Gefängnis. Sein Anwalt, der idealistische Berufsoptimist Al Druzinsky (David Ramsey), will einen Aufschub, um den Fall neu aufzurollen. Beals, der als liebevoller Vater in Szene gesetzt wird, ist weniger optimistisch und richtet bereits erste Abschiedsworte an seine fürsorgliche Freundin.

Mereta bringt den spielsüchtigen Garza auf den neuesten Stand: Zwischen den Richtern herrscht eine 4:4-Stimmengleichheit, also liegt Beals’ Leben in Garzas Händen. Was Garza erst jetzt erfährt, ist in der Öffentlichkeit aber offenbar längst bekannt, denn vor dem Ausgang des Casinos wird Garza von etlichen Demonstranten mit Protestschildern empfangen, die gegen die Todesstrafe demonstrieren. Das Budget des Pilotfilms hat aber nicht mehr für weitere Statisten gereicht, denn trotz des großen öffentlichen Interesses glänzen Polizei, Security und Medienvertreter mit Abwesenheit. Garza spaziert völlig unbehelligt an einer lethargischen Menschenmenge vorbei. Immerhin sucht eine der Demonstrantinnen, dazu noch eine ausgesprochen attraktive, den Dialog mit Garza: Sie fragt ihn, wie er abstimmen wird. Überraschend hebt sich Garza seine Ansichten zum Fall nicht für die Gerichtsverhandlung auf, sondern bekennt offen, dass er gegen den Aufschub stimmen werde. Er singt daraufhin noch ein kurzes Loblied auf das Rechtssystem und offeriert seiner erbosten Gesprächspartnerin schließlich einen One-Night-Stand. Sie nimmt das Angebot – warum auch immer – dankend an.

„Outlaw“

Während sich die verführte Protestlerin noch in Garzas’ Bett räkelt, sitzt dieser ein paar Stunden später gedankenverloren vor seinem Fernsehgerät und sieht eine Dokumentation über seinen Vater. Francisco Garza war ein enger Vertrauter Kennedys, ein überaus populärer liberaler Anwalt und Bürgerrechtler. Er und Cyrus waren vor einem Jahr in einen tragischen Verkehrsunfall verwickelt, den nur Cyrus überlebt hat. In der Doku sind Szenen aus einem Interview mit Francisco zu sehen, in dem dieser seine Liebe zu seinem Sohn und ihre Gemeinsamkeiten unterstreicht: Beide lieben das Leben und ihr Land. Doch in Sachen Politik und Rechtssprechung könnten die Unterschiede nicht größer sein: Aus Cyrus ist der konservativste Richter des Landes geworden, was sein Vater bedauert: „Er liegt falsch, und tief in seinem Herzen weiß er es.“

Am Tag darauf wird Garza hinsichtlich des Urteils im Fall Beals erstaunlich offensiv von einem Senator unter Druck gesetzt, der den Todeskandidaten unbedingt sterben sehen will. Falls Garza zu einer anderen Entscheidung gelange, solle er einen Therapeuten aufsuchen oder seine Sekretärin vögeln, um seine Midlife Crisis zu bekämpfen. Nun ja. Zudem wird ihm angedroht, aus dem Amt zu fliegen. Dass Garza ins Grübeln gerät, verdeutlicht der nicht gerade subtile Pilot dann noch einmal mit klischeereicher Bebilderung: Einsam steht der Richter nachts auf einem Basketballfeld. Er wirft ein paar Bälle, steht nachdenklich an einer Wand, um in seinem Kopf den Geräuschen des Verkehrsunfalls und der Stimme seines Vaters zu lauschen: „Er liegt falsch, und tief in seinem Herzen weiß er es“.

Am Tag der Hinrichtung verkündet Garza seine Entscheidung öffentlich im Gerichtssaal. Für den Zuschauer ist das weniger überraschend als für alle Anwesenden: Die Hinrichtung wird ausgesetzt, Beals erhält einen neuen Prozess. Garza hält bei dieser Gelegenheit noch eine Rede, die mit der Erklärung seines Rücktritts endet. Sein Ziel war es lange Zeit, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Nun möchte er das System ändern und für die Rechte des Individuums eintreten. Garzas Rücktritt schlägt in den Medien hohe Wellen, da der amtierende US-Präsident nun einen neuen Richter benennen kann und die konservative Mehrheit des Supreme Court verloren geht. Garza heuert unterdessen bei einer großen Anwaltskanzlei an, in der er weitgehend selbstständig arbeiten kann.

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