Prosit, „Geh aufs Ganze!“! 30 Jahre Zocken, bis der Zonk kommt

Rückblick auf die Kult-Gameshow mit Jörg Draeger

Dennis Braun
Dennis Braun – 02.01.2022, 10:30 Uhr

„Geh aufs Ganze!“ anno 1994 (l.), 2001 (M.) und 2021 (r.) – Bild: IMAGO/teutopress & Sat.1/Marc Rehbeck
„Geh aufs Ganze!“ anno 1994 (l.), 2001 (M.) und 2021 (r.)

Im Herbst 1995 erhielt das Studio einen frischen Anstrich, aus den dominierenden Rot- wurden nun Gelbtöne. Darüber hinaus änderte sich nach fast zwei Jahren mal wieder die Sendezeit, ab dem 17. Oktober startete „Geh aufs Ganze!“ bereits um 16:00 Uhr und wanderte somit ins Nachmittagsprogramm. Kurz vor Weihnachten nahm zudem der langjährige Off-Sprecher Alif Amiruddin seinen Hut und wurde von Pascal Phillips abgelöst, der nach nur wenigen Monaten wiederum das Zepter an René Steuder weiterreichte. Die abermalige Verlegung kostete die Show allerdings einige Zuschauer, weshalb sie der Sender am 1. März 1996 zwar wieder zurück auf 18:00 Uhr beorderte, die Brutto-Laufzeit aber um die Hälfte auf nur noch 30 Minuten eindampfte. Nach außen kommunizierte man diesen Schritt mit einem „ausdrücklichen Wunsch der Zuschauer“, die sich eine „Turboversion“ der Gameshow gewünscht hätten.

Dennoch waren die Einsparungen unübersehbar: Ab dem 27. Juli fiel die zusätzliche Samstagsausgabe weg, ebenso hatte das Preisbudget merklich nachgelassen. Dieser Aspekt bewegte letztendlich auch Jörg Draeger dazu, nach über viereinhalb Jahren mit „Geh aufs Ganze!“ aufzuhören und zu RTL zu wechseln – die genauen Umstände schildert er detailliert in seiner Autobiografie „Das Leben ist (k)ein Zonk“* (erschienen im NIBE-Verlag). Seine vorerst letzte Ausgabe moderierte er am 11. September 1996, in der er am Schluss vom Publikum und in musikalischer Untermalung von Trude Herrs „Niemals geht man so ganz“ verabschiedet wurde.

Doch Sat.1 glaubte, die Sendung durch ein neues Gesicht retten zu können – was sich als fatale Fehleinschätzung entpuppen sollte. Der bereits (Spiel-)Show-erprobte Elmar Hörig („Elmis witzige Oldie-Show“, „Bube, Dame, Hörig“) übernahm nur einen Tag später, konnte aber nicht mal ansatzweise an den Charme Draegers und an dessen Menschenkenntnis heranreichen. Konzeptionelle Veränderungen wie die Einführung eines „Ätsch-Preises“, der zur Teilnahme am Big Deal berechtigte, den man noch dazu völlig unverständlicherweise komplett auf links drehte, taten ihr Übriges. Im Januar 1997 verlor „Geh aufs Ganze!“ den werktäglichen Sendeplatz und wurde nur noch einmal wöchentlich, am Samstagnachmittag, gezeigt, was nun auch aus Quotensicht den Todesstoß bedeutete. Nach insgesamt knapp achteinhalb Monaten beendete der Sender das Trauerspiel und stellte die Show am 31. Mai 1997 nach über 1200 Folgen ein. Der Frauensender tm3 nahm vom 28. April bis 22. August 1997 Wiederholungen früherer Ausgaben ins Programm.

Auch für Jörg Draeger brachte das Jahr 1997 keinen beruflichen Erfolg: Das Esoterikmagazin „Mysteries“, das er bei RTL neunmal donnerstags um 22:15 Uhr moderierte, geriet inhaltlich und hinsichtlich der Quoten zum Fiasko. Bei seinem alten Haussender Sat.1 wurde indes ordentlich umgebaut: Der damalige Geschäftsführer Fred Kogel bemängelte den hohen Altersdurchschnitt des Publikums, der der geplanten Programmverjüngung des Senders konträr entgegenstand. Aus diesem Grund setzte man ein Jahr nach „Geh aufs Ganze!“ auch das „Glücksrad“ am 15. Mai 1998 ab, das aber drei Tage später nahtlos bei Kabel 1 fortgesetzt wurde. Dem deutlich kleineren Sender bescherte der Klassiker hervorragende Zuschauerzahlen, weshalb man sich entschied, auch den Zonk zurückzuholen – und dessen Meister Jörg Draeger. Am 1. Februar 1999 startete die Neuauflage um 18:50 Uhr und war wie früher unmittelbar vor dem „Glücksrad“ zu sehen. Produziert wurde fortan in Unterföhring bei München.

Draeger, dem die Sendung in Sat.1 „zu karnevalistisch, zu kölsch“ gewesen war, wollte mehr Las-Vegas-Feeling vermitteln, und so änderte sich das Bühnenbild deutlich: Es gab nur noch zwei, dafür langgezogene Tribünen, die eine ebensolche Showtreppe trennte, die Tore wurden mechanisch, waren aus Aluminium und entsprachen einem „Garagen-Look“, spezielle Scheinwerfer verliehen dem in Orangetönen gehaltenen Studio eine wahrhaftige Zockeratmosphäre. Seine neue Chefassistentin wurde Simone Dericks, während Sven Blümel, der in den frühen 90er-Jahren bereits Off-Sprecher beim „Glücksrad“ war, die Preise ansagte, die nun wieder qualitativ hochwertiger waren.

Jörg Draeger im Jahr 2001Sat.1

Auch „Geh aufs Ganze!“ konnte bei Kabel Eins an den früheren Erfolg anknüpfen, sodass sich die Geschichte wiederholte: Ab 17. Januar 2000 wurde das Format bis zum 31. März auf 55 Minuten verlängert und begann fortan um 18:30 Uhr, danach musste man erneut zehn Minuten zugunsten des „Glücksrads“ abgeben, das um 19:15 Uhr eine ganze Stunde lang sendete. Ende des Jahres 2000 gab es erstmals optische Anpassungen: ein komplett neues Logo sowie Intro und die Tore wurden rot gestrichen, wobei die Zahlen nun in einem silbernen Kreis prangten. Am 28. Juni 2001 veranstaltete man um 20:15 Uhr anlässlich der insgesamt 2000. Folge einen „Abend der Champions“, bei dem die 100 besten Zocker nochmals eingeladen wurden, um nicht nur gegen Draeger, sondern auch gegeneinander um Preise im Wert von einer halben Million Mark anzutreten – und als besonderes Schmankerl einen goldenen Zonk.

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