Jogi und der Balljunge: Live ist nicht immer live

Ganz so lässig ist der Bundestrainer dann doch nicht. Mitten im Spiel gegen Holland, so hatte es im Fernsehen den Anschein, scherzte Jogi Löw mit einem Balljungen. Als ZDF-Moderator Michael Steinbrecher die Szene später in Erinnerung rief, zeigte sich Löw leicht irritiert. Die kleine Einlage hatte schon vor dem Spiel stattgefunden, wurde Millionen Zuschauern aber als ‚live‘ verkauft.

Die Verantwortung für einen derart fragwürdigen Bildermix liegt allerdings nicht bei den übertragenen Sendern, in diesem Fall dem ZDF, sondern bei der UEFA als Veranstalter der Europameisterschaft. Das sogenannte ‚Weltbild‘, das an alle TV-Sender geliefert wird, stammt von einer Produktionsfirma, die nach Vorgaben der UEFA agiert. Was gezeigt – oder besser gesagt: nicht gezeigt – wird, sorgt mittlerweile für viel Kritik in den Medien. Einen Flitzer beispielsweise, der es auf den kroatischen Trainer Bilic abgesehen hatte, wollte man dem weltweiten TV-Publikum nicht zumuten. Fanblöcke, in denen gezündelt wird, werden bestenfalls dezent eingefangen. Auch vor leeren Rängen oder gar Protestplakaten haben die Kameras eine Abneigung. Die Euro soll vor dem Fernseher ganz offensichtlich als makelloses Event rüberkommen, das die UEFA von ihrer schönsten Seite zeigt. Jede Abweichung von der Norm stört die perfekte Inszenierung.

ARD und ZDF haben auf die Diskussionen zu den Euro-Bildern inzwischen reagiert. „Die Kritik an der UEFA insgesamt ist überzogen, wir arbeiten mit ihr sehr gut zusammen“, sagt ARD-Euro-Teamchef Jörg Schönenborn. Sein Sender habe jedoch deutlich gemacht, „dass das deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht. Live ist live und muss live bleiben.“

Auch das ZDF rät dazu, den Ball flachzuhalten. „Man sollte mit dem Begriff Manipulation und Zensur sehr vorsichtig umgehen“, so ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Die Möglichkeit des ZDF, zumindest korrigierend auf das Weltbild einzuwirken, sei ja immerhin gegeben, insofern sei „der Begriff Zensur nicht ganz korrekt“. Zwar bestehe die Möglichkeit, mit eigenen Kameras „journalistisch relevante Situationen selbst einzufangen und auszustrahlen“, jedoch seien in produktioneller und finanzieller Hinsicht Grenzen gesetzt. Die Szene mit Jogi Löw hat das ZDF inzwischen bei der UEFA moniert, da „tatsächlich der Anschein erweckt wurde, es handele sich um Live-Bilder. Das entspricht nicht unseren journalistischen Standards. Wir erwarten von der UEFA, dass sie uns künftig darauf hinweist, ob sie während einer Live-Übertragung aufgezeichnetes Material verwendet.“