fernsehserien.de:Wir stehen da allgemein noch am Anfang einer rasend schnellen technischen Entwicklung. Du hast dich in diesem Jahr schon einmal für eine andere Doku mit dem Thema KI beschäftigt. In „Das KI Manifest“ ging es um die Frage, welche Auswirkungen der Einsatz von generativer KI auf die Schauspiel- und Filmbranche haben wird. Ist KI nur Fluch oder auch Chance?
Collien Ulmen-Fernandes:Mira Thiel, Regisseurin unter anderem beim „Tatort“, hat in unserer Doku in Bezug auf die KI die Frage aufgeworfen: Werkzeug oder Waffe? Die KI kann beides sein, Werkzeug und Waffe. Aber genau deswegen, weil sie eben auch Waffe sein kann, ist es so wichtig, dass wir unsere Waffengesetze verschärfen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen festlegen, wie wir als Menschen mit der KI kooperieren wollen. Das ist der entscheidende Punkt.
Hast du selbst schon Produktionen miterlebt, in denen mit KI gearbeitet wurde?
Collien Ulmen-Fernandes: Ja. Sie ist allgegenwärtig. Allerdings sind wir momentan an einem Punkt, an dem das noch nicht so offen kommuniziert wird. Ich habe zum Beispiel mit einem Regisseur gesprochen, der gesagt hat: „Bei uns muss niemand mehr in den Synchron. Wir machen das komplett KI-generiert.“ Das wird wahrscheinlich irgendwann auch fester Vertragsbestandteil sein. Momentan habe ich als Schauspielerin noch die Möglichkeit mitzugestalten. Es passiert oft im Tonstudio, dass die sagen: „Spiel mal größer!“, gerade in gewissen Formaten. Dann kann ich momentan immer noch sagen: „Nee Leute, das ist mir echt zu groß. Ich will das nicht so dramatisch, sondern lieber etwas dezenter spielen.“ Wenn die sich die Stimmaufnahmen jedoch selbst mit KI generieren, habe ich nicht mehr die Kontrolle. Dann habe ich nicht mehr die Möglichkeit, mitzureden. Solange meine Stimme noch aus meinem Mund kommt, kann ich eher sagen: „Nein, ich mache das nicht.“
Das ist auf der einen Seite faszinierend, aber auch ein bisschen beängstigend. Siehst du langfristig deine Schauspielengagements bedroht?
Collien Ulmen-Fernandes: Nein, nicht in naher Zukunft. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind digitale Schauspiel-Avatare noch zu teuer. Aber ich bin mir sicher, dass irgendwann die kleineren Rollen komplett digital generiert sein werden. Danach die Hauptrollen. Am Ende – und das thematisieren wir auch im „KI-Manifest“ – ist es wie so oft eine Frage des Geldes. Sobald es günstiger wird, ist eben die entscheidende Frage: Kann man es sich dann noch leisten, es nicht zu tun? Ich bin echt gespannt, was das noch machen wird mit unserer Branche.
Collien Ulmen-Fernandes spielt seit 2021 als Schiffsärztin Dr. Jessica Delgado auf dem „Traumschiff“ mit ZDF/Dirk Bartling
Reden wir über ein heitereres Thema: Denn was dich auszeichnet, ist deine Vielseitigkeit. Einerseits drehst du wissenschaftliche Dokumentationen, andererseits bist du jetzt schon einige Jahre festes Crew-Mitglied auf dem „Traumschiff“ – als Schiffsärztin Dr. Delgado. Machen dir die Drehs nach wie vor Spaß?
Collien Ulmen-Fernandes: Total! Gerade wenn man sich mit so harten Themen beschäftigt, braucht man manchmal auch einfach ein bisschen Sonne, Meer, nette Leute und einen Cocktail in der Hand, um runterzukommen. Ich bin ja auch nur ein Mensch (lacht)! Oft bereite ich aber auch die harten Doku-Themen auf dem Schiff vor. Wenn drehfrei ist und alle raus an den Strand rennen, sitze ich auf der Kabine und lese mich in Studien und Gesetzesentwürfe ein. Manchmal klopft es dann an der Kabinentür und meine Leute zwingen mich an den Strand (lacht). Dann heißt es: „So, du hast jetzt genug gearbeitet.“ Die machen sich schon lustig über mich, denn ich reise tatsächlich mit Ordnern an und habe immer einen Arbeitskoffer mit meinen Dokumenten dabei. Zwischendurch, wenn ich in der Recherche versinke, heißt es dann: „Wir haben die jetzt seit anderthalb Wochen nicht mehr gesehen. Ist die ausgestiegen?“ Dann kommen sie und holen mich zum Beispiel aus dem Deepfake-Kosmos raus. Man passt dort aufeinander auf und das ist auch gut so. Das macht das Schiff aus.
Sehr interessant! Denn das Klischee ist ja, dass viele liebend gerne für „Das Traumschiff“ drehen, weil das für sie viel Urlaub mit ein bisschen Dreharbeiten ist. Bei dir ist das also etwas anders?
Collien Ulmen-Fernandes: Es ist beides. Kai Wiesinger hat die drehfreien Tage zum Beispiel dafür genutzt, um an einem Buch zu schreiben. Er meinte, dass er das sehr genossen hat, mit Meerblick zu schreiben. Ich weiß genau, was er meint. Bei starkem Wellengang ist es natürlich etwas anderes, aber bei normaler, ruhiger See schmeißt das den Kopf gut an. Man kann wunderbar Sachen erledigen, die man sich eh vorgenommen hat, zum Beispiel nervigen Bürokram oder Versicherungszeug. Mit Blick aufs Meer ist das alles nicht mehr ganz so schlimm. Und abends geht man mit netten Leuten ins Restaurant oder in den Spa und lässt sich eine Massage geben. Alles geht irgendwie ineinander über. Auf dem Schiff ist die Welt tatsächlich noch in Ordnung (lacht).
Die „Traumschiff“-Crew ZDF/Dirk Bartling
Vor fast genau einem Jahr ist anlässlich des 30. Geburtstags des früheren Musiksenders VIVA die dreiteilige Dokumentation „Die VIVA-Story“ erschienen, an der du als langjähriges Sendergesicht auch als Moderatorin des dritten Teils mitgewirkt hast. Welche Reaktionen hast du darauf erhalten?
Collien Ulmen-Fernandes: Unfassbar emotionale Reaktionen! Das hätte ich überhaupt nicht gedacht, als die Anfrage zu der Dokumentation kam. Ich habe mich auf die Menschen gefreut, die hinter den Kulissen an dem Projekt beteiligt waren, weil das auch alte VIVA-Leute sind. Nach meinem ersten Post von den Dreharbeiten ging auf einmal eine Lawine mit unglaublich vielen Reaktionen los! Ich hätte niemals gedacht, dass das Thema auch nicht Involvierte so stark emotionalisiert. Nach Ausstrahlung kam oft die Reaktion „Was für eine Kindheitserinnerung! Ich hatte Tränen in den Augen!“ Es war krass zu sehen, wie emotional die Leute mit VIVA verknüpft sind. Klar, für uns ist das so, weil wir dabei waren, aber dass auch die Menschen vor dem Fernsehgerät so eine Emotionalität empfinden, wenn es um diesen Sender geht, das hat mich echt erstaunt!
Für viele Menschen war VIVA definitiv ein prägender Teil ihrer Kindheit und Jugend. Die Produktion der Doku war sicherlich auch für dich eine emotionale Reise in die Vergangenheit.
Collien Ulmen-Fernandes: Ja, es war spannend, da nochmal reinzugehen. Es kamen natürlich viele Erinnerungen hoch. Zuerst nur positive, aber je tiefer man gräbt, umso mehr kommt dann auch das eine oder andere negative, was man völlig verdrängt hatte. Ich fand gut, dass es der Redaktion wichtig war, keine bunte Jubiläums-Verklärung zu betreiben. So verstehe ich Dokumentation per se: Dass man alle Aspekte anbringt und nicht das Negative ausspart. Es war gut, dass man nicht, nur weil Jubiläum war, fröhlich Kindergeburtstag feiert, sondern dass man ganz klar auch das zur Sprache bringt, was vielleicht nicht so gut lief. Es hat ja tatsächlich jeder einen anderen Blick auf den Sender. Andere, die auch einen Migrationshintergrund haben, haben VIVA zum Beispiel als rassistisch empfunden und Rassismuserfahrungen dort gemacht. Ich habe den Sender wiederum überhaupt nicht so wahrgenommen. Ich fand, dass VIVA schon sehr divers war, lange bevor alle anderen Diversity für sich entdeckt haben. So hat jeder seine Perspektive und ich finde es total gut, dass all diese vielen unterschiedlichen Sichtweisen auf den Sender in der Dokumentation ihren Platz gefunden haben.
Collien Ulmen-Fernandes in „Die VIVA-Story“ Florida Factual/Tom Ballschmieter
Wir nähern uns mit großen Schritten dem Weihnachtsfest, deshalb möchte ich einfach mal fragen: Wie sieht eigentlich Weihnachten bei der Familie Ulmen-Fernandes aus? Was gibt es bei euch zum Essen? Habt ihr eine feste Tradition an Heiligabend?
Collien Ulmen-Fernandes: Tatsächlich haben wir das noch nicht so richtig entschieden. Wir haben keine feste Tradition. Für mich war Weihnachten früher immer Braten und großes Essen. Ich habe erst recht spät mitbekommen, dass es auch die Würstchen- und Kartoffelsalat-Fraktion gibt. Das haben wir dann auch irgendwann mal ausprobiert, weil es natürlich wesentlich einfacher zuzubereiten ist und man nicht so viel falsch machen kann. Aber ich muss ehrlich sagen: Auch wenn ich Kartoffelsalat und Würstchen liebe, ich brauche es an Weihnachten definitiv ein bisschen festlicher (lacht)!
Das verstehe ich gut! Egal, was es in diesem Jahr wird: Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest und viel Erfolg für deine Projekte!
Die zweiteilige Dokumentation „Die Spur: Deepfake-Pornos“ wird am 11. Dezember um 22:15 Uhr sowie um 1:00 Uhr im ZDF ausgestrahlt. In der ZDFmediathek liegt sie auf Abruf bereit. Am 26. Dezember und 1. Januar 2025 ist Collien Ulmen-Fernandes wieder als Dr. Jessica Delgado auf dem „Traumschiff“ um 20:15 Uhr im ZDF zu sehen. Die dreiteilige Dokumentation „Die VIVA-Story“ ist nach wie vor in der ARD Mediathek sowie unter ardkultur.de abrufbar.
Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.
Ich glaube kaum, dass Deepfakes relevant sind. Denn diejenigen, die ich gesehen habe, schauen den Menschen nur sehr entfernt ähnlich. Und ich habe noch nie einen Deepfake gesehen, wo man jemanden Prominenten erkannt hat. Ja, ähnlich schauen die Deepfakes zwar aus, aber nie wie im Original. Oder ich habe tatsächlich noch nie einen wirklichen Deepfake gesehen.
Hans18 am
Es ist toll das zu thematisieren. Und in Wahrheit betrifft es nicht nur diese Filme, es betrifft News im Allgemeinen. Zu viele zwielichtige Kanäle treiben sich rum, die fake-news vertreiben. Was schützt? Sich auf anerkannte und seriöse Seiten zu konzentrieren und sich nicht nur von der Bubble informieren zu lassen. Zurück aber zum Thema: Sobalb mal 99% wissen, dass deepfake möglich ist und auch häufig passiert, werden diese Fälschungen weniger schlimm werden. Ich hoffe zumindest. Verbote müssen natürlich auch her, aber wir wissen alle, wie schwer es ist etwas im Internet zu löschen oder verbieten. Da hast eine russische Domain und schon gibt es keine Handhabe mehr.
Phantomias am
Liebe Collien,
auch, wenn du diese Zeilen wahrscheinlich nie zu sehen kriegst. Lass dir von einem 50-jährigen CIS-Mann sagen, hör bitte nie auf, den Finger in die Wunde zu legen! Ich bewundere dich für deinen Mut und deine Hartnäckigkeit, gegen solche Missstände vorzugehen, und diese offenzu legen. Solche Themen müssen noch viel mehr in die breite Öffentlichkeit getragen werden! Wenn ich daran denke, dass meiner Tochter sowas passieren könnte, wird mir schlecht. Leider schreitet die Technik deutlich schneller voran, als die Fähigkeit der Menschheit, mit dieser vernünftig umzugehen...