„Erwachsen auf Probe“: Eltern droht Klage

Babyverleih: Medienkommission appelliert an RTL

Michael Brandes – 18.05.2009

"Erwachsen auf Probe": Eltern droht Klage – Babyverleih: Medienkommission appelliert an RTL

Heerscharen von Kritikern haben inzwischen gegen die ab dem 3. Juni geplante Ausstrahlung der neuen RTL-Reihe „Erwachsen auf Probe“ protestiert, darunter Politiker, Ärzte, Medienwächter, Frauen- und Kinderverbände (fernsehserien.de berichtete). Jenen Eltern, die ihre Babys für die bereits aufgezeichnete Doku-Soap an teils verhaltensauffällige Teenager mit Kinderwunsch verliehen haben, droht ein juristisches Nachspiel: „Wir erheben Strafanzeige gegen die betroffenen Eltern und sonstigen Verantwortlichen wegen Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen oder zumindest des Versuchs“, wird Hartmut Dihm, Vertreter eines Gremiums des Amtsgerichts Freising, in der „Süddeutschen“ zitiert. „Die Eltern handeln strafrechtlich relevant, wenn sie ohne Not ihre Babys an ein Baby-Dschungelcamp verkaufen“, so Dihm.

RTL verweist gelassen auf die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSF), die dem Format eine positive pädagogische Absicht bescheinigt habe. Zudem verbiete sich die Kritik, weil bislang keiner der Kritiker die Sendung gesehen habe. Eine Verteidigungsstrategie, die ins Leere läuft: Warum sollte man sich ein Format zwingend ansehen müssen, wenn bereits der konzeptionelle Ansatz – also der Verleih von Babys an Teenager – Unbehagen verursacht? Wie realistisch oder verfälscht, wie drastisch oder weichgespült die Bilder sein werden, die RTL dazu präsentieren wird, erscheint unerheblich. Welche pädagogischen Vorteile ein Verleih für die betroffenen Säuglinge haben soll, wird auch die FSF kaum beantworten können.

Ähnlich sieht es die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM): Es sei eine Sache, ob die FSF an diesem Format keinen Anstoß genommen habe, und die beteiligten Eltern zu allem ihre Zustimmung gegeben hätten, aber „es gibt – und das ist eine völlig andere Betrachtung – jenseits aller rechtlichen Fragen auch eine moralische Frage, die sich nicht rechtlich verrechnen lässt.“ Die Kommission appellierte an RTL, künftig „auf Programme mit unkalkulierbaren Risiken für die Mitwirkenden zu verzichten“. Verantwortung erschöpfe sich nicht in der Einhaltung rechtlicher Vorschriften. Zur Verantwortung zähle auch, „gesellschaftliche Wirkungen in Betracht zu ziehen, die unerwünscht sind – wie z. B. eine Gewöhnung daran, dass Babys zu Faktoren der Fernsehunterhaltung werden.“

So ist „Erwachsen auf Probe“ mittlerweile zum stellvertretenden Streitobjekt in einer öffentlichen Diskussion geworden, in der es auch um die Frage geht, ob Menschen schon in jüngsten Jahren öffentlich vorgeführt werden dürfen und wie menschenverachtend das Fernsehprogramm noch werden darf. Ein kaum vermeidbarer Zynismus: Von dieser Diskussion wird vor allem RTL profitieren, denn die erhöhte Aufmerksamkeit wird dem Leihbaby-Format voraussichtlich hohe Einschaltquoten garantieren.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen