Elke Heidenreich: „Ach, Loriot, wo sind Sie?“
Freiwilliger Rückzug kommt für die Kritikerin nicht in Frage
Michael Brandes – 19.10.2008
Der verbale Schlagabtausch zwischen dem ZDF und seiner Moderatorin Elke Heidenreich spitzt sich weiter zu: In einer öffentlichen Reaktion auf die Rede Marcel Reich-Ranickis beim Deutschen Fernsehpreis hatte Heidenreich unter anderem die Intendanten der großen Sender als „verknöcherte Bürokarrieristen“ bezeichnet und darauf hingewiesen, „wie jämmerlich unser Fernsehen ist, wie arm, wie verblödet, wie kulturlos, wie lächerlich“ (fernsehserien.de berichtete). ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut hielt das Maß ihrer Kritik für „weit überschritten“ (fernsehserien.de berichtete).
ZDF-Intendant Markus Schächter legte inzwischen nach: In einem Brief an die Literaturkritikerin teilte er sein Unverständnis über die Aggressivität der Kritik mit. Allenthalben herrsche „die Auffassung, dass diejenige, die sich für das ZDF schämt, nicht gezwungen werden sollte, für dieses weiter zu arbeiten – erst recht nicht als privilegierte, exponierte Moderatorin einer Büchersendung. Bitte erwarten Sie von mir nicht, dass ich versuchen werde, Sie umzustimmen.“
In einem Kommentar für die FAZ schrieb Heidenreich nun heute, sie werde auf keinen Fall freiwillig aufhören: „Ich denke gar nicht dran. Ich habe das Selbstbewusstsein, diese Sendung wichtig zu finden, eine Woche auf der Buchmesse hat mich darin bestätigt.“ Hier hätten ihr „hunderte von Autoren, Lesern, Buchhändlern, Verlegern, Journalisten“ auf die Schulter geklopft: „Wir können es auch nicht mehr ertragen. Endlich beschwert sich mal jemand. Endlich bewegt sich mal etwas.“ Der Ton ihrer Kritik sei zwar scharf gewesen, „aber es war auch nötig, denn wo keine Funken fliegen, brennt nichts. Jetzt brennt es. Es sind viele, die nicht noch eine Kochsendung, nicht noch ein Quiz, nicht noch eine Prominentenshow sehen wollen. Nein, nicht Brecht am frühen Abend. Aber mal Unterhaltungsshows getrost um 22 Uhr und ein etwas anspruchsvolleres Unterhaltungsprogramm zur Prime Time. Ach, Loriot, wo sind Sie?“
Für ihre Büchersendung „Lesen!“ wünscht sie sich wieder einen besseren Sendeplatz: Die Reihe war von dienstags 22:15 Uhr auf freitags 22:30 Uhr verlegt worden, wo sie unter anderem mit den Talkshows kollidiert: „Das Versprechen war: wir verlegen zurück, wenn es nicht klappt. Es klappte nicht, und es wurde nicht zurückverlegt.“ Auf Nachfragen an den Intendanten hätte sie keine Antwort erhalten. „Klar, verschiebt uns in die Nacht und sagt dann: komisch, die Quoten sind niedrig. Man sollte im übrigen Quoten endlich mal kompetent hinterfragen.“
„Lesen!“ wird in diesem Jahr noch zweimal ausgestrahlt. Für 2009 kann noch nicht geplant werden, weil das ZDF noch nicht entschieden hat, ob der Vertrag verlängert wird. Die Kommunikation zwischen den Beteiligten war offenbar auch vor der Preisverleihung schon gestört. Am 31. Oktober ist Campino zu Gast, für den 5. Dezember hatte Thomas Gottschalk zugesagt, sich aber nun aus „Termingründen“ selbst wieder ausgeladen. Dafür kommt nun Stefan Aust.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Pete Morgan am via tvforen.de
"Wo Funken fliegen, brennt es..."
Nicht immer, aber in diesem Fall wohl schon, und es kann zum Flächenbrand werden.
Ich finde immer noch, dass Elke Heidenreich gesagt hat, worauf es ankommt. Es war endlich an der Zeit, mal deutlich zu sagen, worauf es ankommt, und dass die Pille den Programmverantwortlichen so gar nicht schmecken will, ist ja wohl klar. Die suchen halt die fehler nie bei sich, sondern immer bei den Moderatoren der Sendungen und letztlich auch beim Zuschauer, der eben nicht so will wie sie sich das vorstellen. Aber was an den Zuständen selbst ändern, kommt nicht in die Tüte.
Es wäre höchste Zeit, dass Prominente (und nicht Otto Normalverbraucher, denn auf den hört ja niemand) auch mal in anderen bereichen so deutlich sagen, worauf es ankommt. Vielleicht werden dann einige Politiker, Unternehmer und krankenkassen mal hellhörig und sagen sich: "Na ja, wenn die promis schon nicht mit dem einverstanden sind, was wir machen, müssten wir vielleicht doch was ändern." Wenn Herbert F. aus gelsenkirchen sowas sagt, druckt es ja nicht mal ne Zeitung ab...
Elke Heidenreich hat das gesagt, was viele von uns denken, und dafür kassiert sie jetzt Schelte. Das ist schäbig und zeigt sehr deutlich, wie man in den Sendern tickt. Da muss ich auch Herrn Bellut und Herrn Schächter rügen, die hier wie kleine beleidigte Bübchen reagieren, denen man gesagt hat, sie dürfen gerade mal nicht so mit ihrer Eisenbahn spielen wie bisher, sonst geht sie kaputt. Sie sollten sich der kritik stellen und die Größe haben, zu sagen: "Jawohl, Frau Heidenreich, wir nehmen die kritik zu Kenntnis und setzen uns gerne in wenigen tagen an einen Tisch, um einen ersten Ansatz zur Verbesserung und zum "Tuning" des fernsehprogramms zu finden." Stattdessen stampft man mit dem Fuß und plärrt auf die Heidenreich ein.
Aber so war es schon immer und so wird es immer sein. Wer was zu sagen hat, der verträgt eben keine Kritik und stellt sich ihr auch nicht. Schade.
Der Lonewolf Pete