NDR Kultur – Das Journal Folge 28: Folge 28 (2019/2020)
Folge 28
Folge 28 (2019/2020)
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Von der Bühne ins Netz: Wie die Kultur in Zeiten von Corona im Internet stattfindet Keine Konzerte, kein Theater, keine Ausstellungen: Die Auswirkungen des Coronavirus treffen auch die Kulturschaffenden und ihr Publikum. Damit weiterhin Kultur stattfindet, werden Aktivitäten ins Netz verlagert oder zumindest Ersatzprogramme online gestellt: Theater und Opernhäuser zeigen bereits aufgezeichnete Aufführungen im Netz, Lesungen und Konzerte werden gestreamt, Kunstwerke online gezeigt. Der Pianist Igor Levit zum Beispiel gibt täglich via Twitter ein Hauskonzert, das Schauspielhaus Hannover will eigene Videos zur Lage produzieren. Doch es gibt Grenzen: Einige Kulturhäuser sind technisch nicht gut genug ausgestattet, denn auf eine solche Situation war niemand vorbereitet. Und Kultur als ein Gemeinschaftserlebnis lässt sich allein am Bildschirm nicht herstellen, eine gute Performance braucht das Publikum. Aber die Botschaft der Aktivitäten im Netz ist klar und wichtig: Kultur lässt sich durch das Virus nicht unterkriegen. Das Buch zur Lage? „Die Pest“ von Albert Camus Ein Klassiker ist plötzlich der Roman der Stunde: Der französische Nobelpreisträger Albert Camus schrieb 1947 „Die Pest“, einen Roman über eine Stadt, in der die Seuche ausbricht. Durch die Coronakrise wird das Buch jetzt wiederentdeckt: In Frankreich stand „Die Pest“ bereits Anfang März auf der Bestsellerliste. Und auch die Verkäufe im deutschsprachigen Raum sind nach Angaben des Rowohlt-Verlags deutlich angestiegen. Tatsächlich gibt es im Buch viele Parallelen zur heutigen Situation: Immer mehr Menschen erkranken und sterben, die Bewohnerinnen und Bewohner sehen sich mit Einschränkungen und Ängsten konfrontiert, die Stadt wird abgeriegelt. Die Freiheit des Einzelnen wird beschnitten, um andere vor der Ansteckung zu schützen. Die Krankheit wird zum Stresstest für die ganze Gesellschaft. Der Roman von Albert Camus spendet am Ende aber auch etwas Hoffnung: Die Menschen besiegen die Krankheit. Ein anderer Blick auf Niedersachsen: das Buch „Kommt ein Syrer nach Rotenburg (Wümme)“ Manchmal verrät der Blick von außen ja mehr, als man selbst sieht. Der Französisch-Dozent Samer Tannous kam im Syrien-Krieg 2015 mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern aus Damaskus nach Deutschland und lebt seitdem im niedersächsischen Städtchen Rotenburg an der Wümme. Tannous ist ein guter Beobachter all der kleinen Besonderheiten des Lebens in Deutschland, der kleinen Schrullen und der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Arabern und Deutschen. Anknüpfend an alltägliche Beobachtungen und Begegnungen hat er kurz nach seiner Ankunft begonnen, gemeinsam mit Gerd Hachmöller seine Gedanken über die neue Heimat sehr treffend und warmherzig
aufzuschreiben, erst als „SPIEGEL“-Kolumne, jetzt als Buch „Kommt ein Syrer nach Rotenburg (Wümme)“ (DVA). Feiner Elektropop aus Hamburg: die Band Hundreds Hundreds, das sind die Geschwister Eva und Philipp Milner aus Hamburg. Sie singt, er komponiert am Computer. Sie lieben die Pioniere des elektronischen Pop und holen die Musik in die Gegenwart. Damit sind Hundreds eine der erfolgreichsten Indie-Bands Deutschlands. Zum zehnjährigen Bandjubiläum spielten sie noch in der Elbphilharmonie. Dann kam das Coronavirus. Eigentlich wollten Hundreds mit ihrem neuen Album Anfang Mai im Norden auf Tour gehen, aber ob das jetzt noch klappt, ist fraglich. Doch ihr viertes Album „The Current“ erscheint auf jeden Fall am 27. März. Feine Elektropopmusik, die Traurige glücklich machen kann und Glückliche nachdenklich. Euphorie und Niedergeschlagenheit: Hundreds trauen sich beides in nahezu magischer Balance. Schriftstellerin und Aktivistin: eine Dokumentation über Margaret Atwood Als Schriftstellerin hat sich Margaret Atwood immer gesellschaftlich eingemischt, für Gleichberechtigung engagiert, Ungerechtigkeiten angeprangert. In ihrem Welterfolg „Der Report der Magd“ beschrieb sie einen totalitären Staat, in denen Frauen keine Rechte haben und als Hausfrauen und Mütter den Männern dienen müssen. In „Das Jahr der Flut“ geht es um die Auswirkungen der Umweltzerstörung. Nachdem Donald Trump Präsident der USA wurde, schrieb Atwood ihr jüngstes Werk, das Buch „Die Zeuginnen“, eine Fortsetzung von „Der Report der Magd“. Der 2019 erschienene Roman wurde mit dem wichtigsten britischen Literaturpreis, dem Booker Prize, ausgezeichnet und schaffte es sofort weltweit auf die Bestsellerlisten. Margaret Atwood ist zugleich begnadete Erzählerin und eine präzise Beobachterin der Welt, die sich in ihren Romanen immer wieder mit der Emanzipation der Frau beschäftigt. Die Dokumentation „Margaret Atwood – Aus Worten entsteht Macht“ porträtiert die kanadische Schriftstellerin und ihr Leben für Literatur, Feminismus, Umweltschutz. Zu sehen in der Arte Mediathek bis zum 15. Juni 2020. Kultur trotz Corona: Der NDR bietet Kultur im Netz Kultur in Zeiten von Corona: Auch der NDR bietet zahlreiche Angebote im Netz. In der Aktion „Kultur trotz Corona – Die NDR Bühne“ präsentieren Künstlerinnen und Künstler exklusive Videos von zu Hause: Von der Klavierimprovisation im Wohnzimmer bis zum Hamlet-Monolog auf dem Balkon. Dabei sind unter anderem Sängerin Anna Depenbusch, Posaunist Nils Landgren und Alan Gilbert, Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters, der auf seiner Geige spielt. Neben der aktuellen Aktion gibt es viel Kultur für zu Hause: in der Mediathek, auf der Internetseite ndr.de und in den Social-Media-Accounts des NDR: Konzerte, Lesungen und Hörspiele. (Text: NDR)