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Tanz der Derwische – Sufis in der Türkei
Mit dem Islam verbindet man im Westen zunehmend Fanatismus, aufgewiegelte Massen und Terrorismus. Dabei hat er für die meisten Muslime ein ganz anderes Gesicht: das einer Religion, die geprägt ist von der Suche nach Frieden, nach dem Ausgesöhntsein mit sich selbst und mit der Welt. Der Film von Martin Weinhart beschäftigt sich mit der spirituellen Seite des Islam, dem Sufismus. Er führt in die Türkei, nach Konya, einem der wichtigsten Zentren des weltabgeschiedenen und unpolitischen Islams. Konya wird auch „Stadt der tausend Moscheen“ genannt. Aber berühmt ist sie, weil sie die Heimat der tanzenden Derwische ist. Die weißgewandeten Wirbeltänzer mit ihren typischen hohen Filzhüten sind bekennende Sufis und in Bruderschaften organisiert. Obwohl Atatürk, der Gründer der säkularen Türkei, sie 1925 verboten hatte, sind sie bis heute Tourismus- und Folkloresymbol der Türkei. Muslime aus aller Welt pilgern nach Konya, um am Grab des Dichters Dschelaleddin Rumi zu beten. Er ist der Gründer der türkischen Sufiorden. Aber auch Nichtgläubige besuchen seinetwegen die zentralanatolische Zweimillionenstadt, einfach weil sie Fans seiner Verse sind. In den USA ist der im Jahr 1273 verstorbene Poet der am meisten gelesene Mystiker. Sogar Stars wie Madonna und Demi Moore ließen sich von ihm inspirieren. Zu seiner Popularität
mag vor allem eine Lebensgeschichte beigetragen haben, die mehr als hollywoodtauglich ist: zum einen seine Vision der göttlichen Liebe, zum anderen eine mystische „Amour fou“ zu einem Wanderderwisch, die am Ende dazu führte, dass Rumi sein Geistlichengewand ablegte, um fortan nur noch zu tanzen und zu dichten. Obwohl die Sufis immer wieder in Konflikt mit der muslimischen Orthodoxie gerieten, die Musik und Tanz vollständig ablehnt, gilt ein Besuch an Rumis Grab für die meisten Gläubigen als „kleine“ Pilgerfahrt – als Ersatz der „großen“, der Hadsch nach Mekka. Der Film folgt einer der zahlreichen privaten Derwischgruppen von Konya; ihr Oberhaupt ist der Mechaniker Nadir Karnibüyük. In aufwändig gedrehten Szenen führen er und seine Ordensbrüder das mehr als 700 Jahre alte Sufitanzritual auf, die sogenannte Sema, auch Himmelstanz genannt. Filmautor Martin Weinhart hat ihre Auftritte in beeindruckenden Architekturen und gewaltigen Landschaften inszeniert. Einer der Höhepunkte des Films ist die so genannte Dhikr, eine ekstatische Sufi-Atem-Meditation, die bei den Derwischen als stärkstes Mittel gegen Angst und Depressionen gilt. Der Zuschauer erlebt eine in orientalischem Glanz erstrahlende Metropole zwischen aussterbendem Handwerk und World Wide Web – beispielhaft für eine Türkei auf dem Weg nach Europa. (Text: hr-fernsehen)