Wien 1910

D 1943 (85 Min.)
  • Drama
  • Portrait

Wien 7. März 1910. Eine Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die k.u.k.-Kapitale: „Der Lueger liegt im Sterben!“ Der ebenso beliebte wie umstrittene 65-jährige Bürgermeister hat sich im Laufe seines politischen Lebens mit seinen Entscheidungen nicht nur Freunde gemacht. Hohe Offiziere in Galauniform haben sich in der Hofburg versammelt und geben als kaisertreue Österreicher spöttische Kommentare von sich. Einer von ihnen sagt frank und frei, was er von Karl Lueger hält: „Der Herr Bürgermeister, der unserem Kaiser die Liebe und Zuneigung der Wiener gestohlen hat.“ Ein anderer findet, dass der vermutete Sterbegrund, eine Blutvergiftung, „eine sehr stilgemäße, sehr passende Todesart für einen Demagogen“ wie Lueger sei. Doch nicht nur die Kaisertreuen weinen dem moribunden Lokalpolitiker keine Träne nach. Auch die Juden der Stadt können ihre klammheimliche Freude über den erhofften baldigen Tod Luegers kaum verhehlen. „Der Lueger liegt im Sterben“, verkündet der eine, worauf der andere erwidert: „Ihr Wort in Gottes Ohr.“ Einer der erbittertsten politischen Gegner Karl Luegers ist Kommerzialrat Lechner von der liberalen Opposition. Als er vom Sterben Luegers („Eine gute Nachricht“) erfährt, kümmert er sich sofort um seine Geschäfte und versucht aus der momentanen Schwäche der Lueger-Partei seinen Profit zu ziehen. Durch Spekulationen um Luegers anstehenden Tod will er unbedingt Profit ziehen: „Baugründe wird’s geben, endlich freie Wirtschaft.“ Unter Wiens Politikern herrschen Zwist und Glücksgefühl über die Nachricht um des Bürgermeisters dramatischen Gesundheitszustand. Im Parlament entbrennen hitzige Diskussionen zu mehreren Lueger-Projekten, die ausschließlich dem Gemeinwohl und den Wiener Bürgern dienen sollen, was auf wenig Gegenliebe bei den Glücksrittern und liberalen Profiteuren des Elends stößt. Da schreitet der todkranke Lueger in den Saal. Er spricht sich mit viel Verve gegen die Hyänen des Kommerzes und gegen die skrupellose Geschäftemacherei aus. Vor allem sein Engagement für eine vergemeindete Versicherungsgesellschaft für alle Wiener zeichnet Dr. Lueger als Sozialreformer aus, der sich der Gerechtigkeit gegenüber dem einzelnen Bürger verpflichtet sieht. Lueger formuliert Kapitalismuskritik, er will Wiens Gasanstalt und Straßenbahn in städtischem Besitz wissen, damit ein jeder Wiener sich diese tagtäglichen Dinge auch leisten kann. Das Parlament tobt vor Begeisterung, Kommerzialrat Lechner, der seine Felle davonschwimmen sieht, tupft sich den Schweiß von der Stirn. Der Redner Lueger erweist sich als Kämpfer gegen Sozialdemokraten wie den kaiserlichen Hof, gegen unverantwortliche Kapitalisten wie gegen Juden. Inzwischen sind die unversöhnlichen Lager der Lueger-Anhänger und der Vertreter der Alldeutschen Vereinigung, beides großenteils Studenten, vor der Universität aufeinandergetroffen, und eine große Prügelei beginnt. Zwei ein wenig abseitsstehende, sich miteinander unterhaltende Juden freuen sich darüber – der Zwist der verfeindeten Lager könne ihnen nur nützen, glauben sie. Kommerzialrat Lechner will nach den Erfahrungen mit dem offenbar gesundenden Bürgermeister und dessen mitreißender Parlamentsrede in Sachen Lueger nicht länger auf das Schicksal hoffen. Damit ihm seine Geschäfte nicht vollends ruiniert werden, entscheidet der Kommerzialrat bezüglich Lueger: „Wir müssen nachhelfen“ und meint damit, dass alles getan werden müsse, um Luegers Sterben zu beschleunigen. Als Verbündeten für seine finsteren Absichten sucht er Dr. Adler auf, einen jüdischen Zeitungsmacher und politischen Gegner des Bürgermeisters. Mittlerweile ist aus Brünn Luegers Jugendliebe angereist, die verheiratete Maria Anschütz, um sich vom sterbenden und erblindeten Bürgermeister zu verabschieden. Ein schmieriger Zuträger sieht, wie Maria Luegers Haus verlässt, und trägt diese Neuigkeit dem Journalisten Adler zu, damit dieser genügend kompromittierendes Material habe, um in seinem Blatt weiter gegen Lueger zu hetzen. Der Bürgermeister ist froh, Maria noch einmal gesehen zu haben, bittet sie aber, jetzt wieder zu ihrem Mann heimzufahren. Doch Maria bleibt in Wien, in seiner Nähe, will sie ihn im Moment des nahenden Todes keinesfalls allein lassen. Als sich Lechner mit Adler trifft, um zu überlegen, wie man Luegers Ableben beschleunigen könne, sagt dieser ihm nur, dass Lechner den morgigen Zeitungsartikel über den Bürgermeister abwarten solle. Dies würde dem ungeliebten Politiker schon den Rest geben. Angesichts des kraftstrotzenden Auftritts Luegers im Parlament sind auch die hohen Offiziere äußerst missgestimmt. Einer von ihnen wird zum Kaiser zitiert und sagt, er wisse „gar nicht, wie er das seiner Majestät schonend beibringen solle.“ Lueger ist außer sich, als er am folgenden Tag von Adlers Schlagzeilen in der Zeitung hört. Der „Volkszorn“ zerstört die Redaktion des jüdischen Journalisten, der wie versteinert die verwüstete Redaktionsstube sieht und Rache schwört. Kommerzialrat Lechner wirft Unmengen an Staatsanleihen auf den Markt, um die Stadt Wien und die Wiener zu ruinieren. „Dieser Kommerzialrat, Hand in Hand mit den Juden“ giftet daraufhin Lueger. Aber er lässt sich nicht kleinkriegen. Mit all seiner verbleibenden Kraft treibt er sein letztes soziales Bauprojekt voran, da er erkennt, dass er nicht mehr viel Zeit hat. Eine neue Nachricht schlägt in Wien wie eine Bombe ein: Georg von Schönerer ist in der Stadt! Lueger und Schönerer sind zwar beide Kämpfer für grundlegende Umwälzungen, und auch ihr Antisemitismus eint sie. Mehr noch trennt sie jedoch Grundlegendes. Auch wenn sich beide als Anti-Habsburger und Deutsch-Nationale verstehen, so steht Dr. Lueger doch eher für die vernunftsbetonte Politik der kleinen Schritte, die allmähliche Wandlung der Verhältnisse durch Kompromisse während der ungestüme und kompromissunfähige Schönerer davon beseelt ist, den Habsburger-Staat zu vernichten und alle Deutsche unter ein staatliches Dach zu zwängen. Er sei ein „Fanatiker der Zukunft“, wie ein Mann in einer Unterhaltung mit einem anderen in einem Wirtshaus meint. „Der will Groß-Deutschland und weg mit die Habsburger.“ Schönerer ist auf Wunsch Luegers nach Wien gekommen, denn er will kurz vor seinem Tode noch einmal die Aussprache, in der Hoffnung auf Versöhnung, da letztlich doch beide Männer sehr ähnliche Zielrichtungen hätten. Schließlich treffen sich Lueger und Schönerer am 9. März 1910, einen Tag vor Luegers Tod. In diesem sehr offenen Disput wird beiden klar, dass sie einiges trennt – Lueger sieht sich als ethnischer Deutscher loyal zu Österreich-Ungarn während der massige Schönerer von sich als Deutschnationalen, als Großdeutschen spricht. Angesichts der Tatsache, dass bei den jüngsten Auseinandersetzungen vor der Universität zwei Anhänger beider Lager ums Leben kamen, appelliert Lueger an sein Gegenüber: „Zwei Deutsche haben einander den Schädel eingeschlagen, und rundum toben unsere Feinde vor Vergnügen, unsere gemeinsamen Feinde, Herr von Schönerer.“ Schönerer erwidert: Lueger sei viel zu rücksichtsvoll, zu kompromissbereit und zu wenig geradlinig gewesen, und zwar „des lieben, faulen Friedens willen“ und fühle sich Österreich-Ungarn, diesem „morschen Gebilde“ wie er es nennt, aus Gründen falscher Sentimentalitäten verpflichtet, anstatt Platz zu schaffen für ein großes Reich aller Deutschen. „Von der Vorsehung zu Hohem bestimmt“ sei Lueger einst gewesen, meint der enttäuschte Schönerer (und greift damit einen von Adolf Hitler später häufig benutzten Terminus auf – um die Analogie zu Hitlers Pangermanismus-Ideologie perfekt zu machen, lässt man den Film-Schönerer in diesem Disput mit Lueger sogar sagen: „Es wird einmal ein Reich sein aller Deutschen“, nicht so ein „Stückwerk“, wie er es im Film im Jahre 1910 empfindet, sondern „ein großes Deutsches Reich“, und jeder, der diese Staatsgeburt zu verzögern suche, begehe „ein Verbrechen an der Geschichte, die sich nicht vergewaltigen lässt“). Beide Männer, so Schönerer, hätten einst dieselben Ideale gehabt, aber er, der Bürgermeister, habe sie seit langem verraten. Dann verlässt Schönerer den Saal. Der erblindete Lueger bekommt Schönerers Abgang nicht mit und beginnt den von ihm eingeschlagenen Weg in der Gegenrede zu verteidigen. Geknickt besucht Lueger am Abend den festlichen Ball der Stadt Wien. Man teilt ihm mit, dass der Kaiser nicht kommen könne, da dieser unpässlich sei, woraufhin Lueger eine mokante Bemerkung macht. In der Zwischenzeit nimmt sich Kommerzialrat Lechner das Leben, da seine Spekulationen auf Luegers Tod nicht aufgegangen sind und er durch die unmittelbar zuvor von Lueger vorgenommenen politischen Entscheidungen in den finanziellen Ruin getrieben wurde. Während des Balls erleidet Dr. Karl Lueger einen Schwächeanfall und wird von den Seinen in ein Zimmer gebracht. Dort schläft er in den Morgenstunden des folgenden Tages, dem 10. März 1910, für immer ein, während vor der Tür Maria Anschütz und der junge Lueger-Anhänger Karl Lechner warten. Vor dem Rathaus versammeln sich am Vormittag die Wiener in Scharen, um ihres toten Bürgermeisters zu gedenken. Unter ihnen befindet sich auch Schönerer, der aus Respekt vor dem großen Gegner und Mitkämpfer den Hut zieht. Auf dem Rathausturm weht eine schwarze Flagge.

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