2012, Folge 96–118

  • Folge 96 (60 Min.)
    Dass es möglich ist, unter unmenschlichen Bedingungen nicht nur Widerstandskraft gegen Leid und Unrecht zu entwickeln, sondern auch noch die Würde zu behalten, beweisen Überlebende des Holocausts immer wieder. Zu ihnen zählt Yehuda Bacon, einer der großen zeitgenössischen Maler Israels, der seine Werke als Zeugnisse des (Über-)Lebens und als Beiträge zur Versöhnung versteht. Ester Bejarano, eine der beiden letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz, ist auch mit 87 Jahren noch als Sängerin in zwei Bands gegen Fremdenfeindlichkeit und Faschismus aktiv. Auch die Kinderpsychologin und Buchautorin Batsheva Dagan hat Auschwitz überlebt. Sie ist bis heute unermüdlich unterwegs, um mit jungen Menschen über Faschismus und Holocaust zu sprechen.
    Éva Fahidi versteht sich ebenfalls als „Holocaust-Aktivistin“. 2003 veröffentlichte sie ihr autobiografisches Buch „Die Seele der Dinge“ und hält bis heute international Vorträge und Lesungen. Bernie Glassmann, Zen-Meister mit jüdischen Wurzeln, leitet seit 15 Jahren Auschwitz-Retreats mit Menschen aus der ganzen Welt, mit Überlebenden und deren Kindern sowie den Nachgeborenen der Täter. Das Lebenswerk des Psychotherapeuten Arno Grün, der dem Holocaust durch die Emigration in die USA entkam, steht im Zeichen der Erforschung der Ursachen, die zum Holocaust führten. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 12.01.20123sat
  • Folge 97 (60 Min.)
    Rituale strukturieren das Leben der Menschen seit Jahrtausenden. Sie bilden gemeinschaftliche Zusammenhänge und strukturieren den Lebenslauf, auch wenn manche Rituale heute sinnlos erscheinen. Und doch möchte selbst in einer säkularen Gesellschaft kaum jemand auf den weihnachtlichen Christbaum oder die kirchliche Trauung verzichten. „Menschen brauchen Rituale“, so das Ergebnis einer groß angelegten Untersuchung der Universität Heidelberg zum Thema „Ritualdynamik“. Rituale geben dem Einzelnen Sicherheit und reduzieren die Komplexität des Lebens, weil man weiß, dass es die Taufe, Firmung beziehungsweise Konfirmation und die Ehe gibt.
    Dabei sind Rituale abhängig vom kulturellen Hintergrund. So gilt in Europa das Händeschütteln als übliche Form der Begrüßung, nicht aber in Japan, wo dem Gegenüber durch eine tiefe Verbeugung Respekt gezollt wird. Auch Parteitage und politische Veranstaltungen sind durchzogen von standardisierten Verhaltensweisen und weisen ritualisierte Strukturen auf. Besonders interessant wird es, wenn sich Rituale verschiedener Kulturen und Lebensweisen miteinander vermischen – wie beispielsweise im Sufi-Schrein von Mira Datar, Nordindien, wo im Prozess der Heilung sowohl auf magisch-religiöse Riten wie auf westlich-psychiatrische Methoden zurückgegriffen wird. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.01.20123sat
  • Folge 98 (60 Min.)
    Lärm gilt mittlerweile als Umweltgefahr Nummer eins, so das Umweltbundesamt. Damit hat Lärm die Belastung durch Schadstoffe überholt. Die lauteste Stadt Deutschlands ist Hannover, die größte Ruhe findet man in Münster. In den östlichen Bundesländern geben rund 68 Prozent aller Erwachsenen an, dass ihnen die Verkehrsgeräusche in ihrer Umgebung auf die Nerven gehen. In den westlichen Bundesländern sind es etwa 62 Prozent. Fest steht: Lärm macht krank, gleich ob er als störend empfunden wird oder nicht. Der Körper reagiert auf Lärmereignisse und produziert Stresshormone mit deutlich nachweisbaren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Fachleute sprechen von einer Zunahme des Herzinfarktrisikos um 20 bis 30 Prozent für Menschen, die in einer Region mit einem Dauerschallpegel von 65 Dezibel am Tag oder 55 Dezibel in der Nacht leben.
    Solche Werte werden im Umkreis von Flughäfen leicht erreicht. Eine weitere Folge ist, dass die Konzentrationsfähigkeit von Kindern in diesen Regionen nachweislich abnimmt. Immerhin 16 Prozent aller Menschen in Deutschland leben in lärmbelasteten Regionen. Soziologen befürchten die Verschiebung sozialer Strukturen in diesen Gebieten. Werden am Ende die die Lärmopfer bleiben, die sich das Leben in leiseren Regionen nicht leisten können? Was sagt der Gesetzgeber zum Schutz des Bürgers, und was meinen Mediziner, Psychologen und Philosophen? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 26.01.20123sat
  • Folge 99 (60 Min.)
    340 Millionen Tonnen Abfall produzierte Deutschland im Jahr 2008. Zwei Millio-nen Tonnen giftiger Müll sollen zwischen 2005 und 2009 illegal in Deutschland beseitigt worden sein. 13 Staaten sollen an rund 80 Stellen Atommüll im Meer versenkt haben – laut Greenpeace. Vermüllen wir unseren Planeten? Dabei ist Recycling ein lukratives Geschäft: In der Abfallbranche erwirtschaften allein in Deutschland 160.000 Beschäftigte einen Umsatz von circa 40 Milliarden Euro. Doch die Müllentsorgung erfolgt nicht immer nach den gesetzlichen Vorschriften.
    Müllschiebereien, Falschinformationen über eingelagerten Atommüll und illegale Müll-„Exporte“ – insbesondere von Elektroschrott nach Afrika – sind an der Tagesordnung. Die Gefahren für die Gesundheit hier wie dort sind unabsehbar. Die produzierten Müllmassen stammen aber nicht nur von Gebrauchsmaterialien, Verpackungen, Gewerbe- und Bauabfällen: Weltweit landet die Hälfte der erzeugten Nahrungsmittel auf dem Müll. Um den Gesamtbedarf an Lebensmitteln zu erzeugen, braucht man etwa ein Viertel des gesamten Wasserverbrauchs der Erde.
    Eine Verschwendung, deren Konsequenzen sich unter anderem in ständig steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel zeigen. In Folge verarmen immer mehr Menschen, werden ausgegrenzt und – wenn sie kein Geld mehr zum Konsumieren haben – zum „menschlichen Abfall“ degradiert, wie es der Soziologe Zygmunt Bauman ausdrückt. Gert Scobel diskutiert in der Sendung „scobel: Abfall – Wohin mit dem Müll“ mit seinen Gästen die Gefahren der Abfall- und Wegwerfgesellschaft aus verschie-denen Perspektiven und sucht nach Alternativen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 02.02.20123sat
  • Folge 100 (60 Min.)
    „Wenn die Natur versagt, kommt die Wissenschaft ins Spiel“: So lautet die Hauptthese der Dokumentation „Manipulierte Evolution“, die 3sat um 20:15 Uhr als Auftakt des Wissenschaftsabends am Donnerstag sendet. Wenn Tiere vom Aussterben bedroht sind, muss der Mensch nachhelfen. Die Frage ist, ob ein derartiges Eingreifen überhaupt gerechtfertigt ist. Mehr noch: Gehört nicht für moderne Forscher, die die Evolutionstheorie als maßgebliche Leittheorie akzeptieren, gerade auch das Aussterben von Arten zur natürlichen Entwicklung? Und was macht das Aussterben der einen Art – Weißer Hai, Gorilla, Orang-Utan – „natürlich“, nicht aber das von Pandabären? Und wie sehen Forscher, die im Kontext der Reproduktionsbiologie zoologische Forschungsarbeit leisten, ihre eigene Rolle? Wie auch immer die Antworten lauten mögen: Diese und ähnliche Fragen machen klar, dass es nicht in erster Linie um das Überleben bestimmter aussterbender Tier- und Pflanzenarten geht, sondern vor allem um Ausbeutung sowie um subjektive, kulturell unterschiedliche Vorlieben und somit um ein mehr oder weniger durch Willkür bestimmtes Verhältnis des Menschen zum Tier.
    Der Mensch definiert, welche Tiere schützenswert sind und welche nicht. Der relativ junge Forschungszweig der Human-Animal-Studies, der zwischen Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften angesiedelt ist, nimmt dieses Herrschaftsverhältnis des Menschen zum Tier kritisch unter die Lupe. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 23.02.20123sat
  • Folge 101 (60 Min.)
    Vanilleeis ohne Vanille, Himbeerwackelpudding ohne Himbeeren, stattdessen aber mit Schweineschwarte, Erdbeerjoghurt mit Sägespänen: Immer wieder erfährt man neue unappetitliche Wahrheiten über die Lebensmittel, die man im Supermarkt in den Einkaufskorb legt. Fast kein abgepacktes Produkt ist naturbelassen. Stattdessen wiegen mehrere Tausend Aromen und kreative Werbesprüche auf den Verpackungen den Verbraucher in der Illusion, dass das, was er schmeckt, auch das ist, was er isst. Horrormeldungen über Antibiotika-resistente Keime im Hühnerfleisch und über Kot in Brötchen führen zur weiteren Verunsicherung der Verbraucher. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 01.03.20123sat
  • Folge 102 (60 Min.)
    Erdbeben, Tsunami, Supergau – am 11. März 2011 wurde Japan von drei Katastrophen erschüttert: Auf das Beben der Stärke neun folgte eine Flutwelle von über 15 Metern Höhe, woraufhin eine Havarie im Atomkraftwerk Fukushima zu einer Kernschmelze führte.19.000 Menschen kamen in der Krisengegend ums Leben. Wie viele Opfer es in Zukunft durch die radioaktive Verstrahlung noch geben wird, ist ungewiss. Ebenso unabsehbar ist, ob in der Region je wieder Menschen werden wohnen können oder ob die Gegend um Fukushima auf unbestimmte Zeit Sperrzone bleibt.
    Die Sendung „scobel: Japan – Fukushima und die Folgen“ wirft einen Blick auf die aktuelle Lage. Gäste sind die Japanologen Reinhard Zöllner und Hiroomi Fukuzawa. Der Strahlenschutzexperte Sebastian Pflugbeil kommt am Sendetag mit einem aktuellen Bericht aus Japan zurück. Mit ihnen diskutiert Gert Scobel das Krisenmanagement, die Energieversorgung und die ökologischen, ökonomischen und kulturellen Veränderungen im Land. In Deutschland führte der Reaktorunfall in Fukushima zum Atomausstieg. Welche Lehren zieht Japan aus dem Desaster? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 08.03.20123sat
  • Folge 103 (60 Min.)
    Die Bilder von Jonestown in den 1970er Jahren, Schauplatz des Massenmordes und -selbstmordes von 909 Anhängern von Sektenführer Jim Jones, gingen um die Welt. Dieses Ereignis machte deutlich, über welche Macht Sekten verfügen. Wäre Jonestown heute möglich? Welche Strukturen machen eine spirituelle Gruppierung zu einer Sekte und was macht den Reiz einer Sekte aus? Welche Sekten gibt es und welche gesellschaftliche Bedeutung haben diese Sekten? Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen über Reiz und Motivation von Sekten (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 22.03.20123sat
  • Folge 104 (60 Min.)
    Mit Prof. Dr. Ute Frevert (Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin) und Prof. Dr. Tania Singer (Direktorin am Max-Planck-Institut für Neuro- und Kognitionsforschung, Leipzig) (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 05.04.20123sat
  • Folge 105 (60 Min.)
    Die letzten Jahrzehnte sind geprägt vom Fortschrittsgedanken des „Höher, schneller, weiter“. Autos müssen an Tempo zulegen, Hochhäuser wachsen immer weiter in den Himmel hinauf, und die Reichweiten von Verkehrsflugzeugen nehmen ständig zu. Wenn unter Fortschritt eine positive Veränderung eines bestehenden Zustandes verstanden wird: Was ist dann mit den negativen Folgen, die viele Fortschrittsentwicklungen zweifellos haben? Gehört auch diese Schattenseite zum Fortschritt? Tatsächlich werden die negativen Folgen des Fortschritts immer sichtbarer – und seine positive Strahlkraft lässt zunehmend nach. Spätestens seit den neuen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Armut, Hunger und nicht endenden Kriegen setzt mit dem negativen Seiten von Fortschritt Skepsis ein. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.04.20123sat
  • Folge 106 (60 Min.)
    Obwohl Ekel ein negatives, in allen Kulturen verbreitetes Gefühl ist, ist es erstaunlicherweise auch mit einem Lustgewinn verbunden. Ekel- und Horrorfilme haben Konjunktur. Krimi- und Thrillerliteratur erreicht zuverlässig hohe Auflagen. Genauso erfolgreich ist das Geschäft mit Ekel und Horror in Film und Fernsehen. Und auch Dschungelcamp-Zaungäste gibt es auffällig viele. Ist der Ekel in Wahrheit also keiner? Vor was ekeln wir uns eigentlich und warum? Und was löst in uns das Gefühl von Ekel und Horror aus? Die empirischen Wissenschaften haben inzwischen einige neue Informationen über das Wesen dieser Gefühlsphänomene, mit denen sich Generationen von Biologen, Psychologen, Philosophen, aber auch Schriftsteller und Drehbuchautoren beschäftigt haben. Doch auch Philosophen haben neue Theorien entwickelt, die helfen, dieses Phänomen besser zu verstehen. Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen die spannende Kulturgeschichte und die Eigenarten zweier urmenschlicher Emotionen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 26.04.20123sat
  • Folge 107 (60 Min.)
    Könnten Militärstrategen die ideale Kampfmaschine erfinden, sähe sie wahrscheinlich so aus: ausdauernd, gefühls- und willenlos, bedingungslos Befehle ausführend, ohne sie zu hinterfragen, und dennoch fähig, eine Lage einzuschätzen, adäquat zu reagieren und sich an Konventionen zu halten. Doch diesen perfekten Kampfroboter gibt es nicht. Darum müssen Menschen kämpfen. Doch die können die Grausamkeiten des Krieges oft nicht verarbeiten, bleiben unberechenbar und machen Fehler. Daher wurden seit jeher Hilfsmittel eingesetzt: Drogen, die aufputschen, abstumpfen, schmerzunempfindlich machen oder Hemmungen ausschalten sollen.
    Die Nazis erprobten Amphetamine und verabreichten die vermeintliche Wunderpille D-IX, die neben anderen Substanzen auch Kokain enthielt. Später wurden Drogen und „Wundermittel“ zwar nicht mehr von der Militärführung verordnet, sondern den Soldaten nur noch als vermeintliche Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Diese griffen aber oft willig zu, um das tägliche Grauen des Krieges ertragen zu können. So wurde beispielsweise das Mittel „Special K“ von amerikanischen Soldaten im Vietnamkrieg eingenommen, weil es schmerzunempfindlicher macht – und auch emotional unbeteiligter.
    Ein spektakulärer Fall von Drogenmissbrauch ereignete sich im Frühjahr 2010 im afghanischen Kandahar: Fünf amerikanische Soldaten lockten wiederholt Zivilisten in den Hinterhalt, töteten sie und schändeten ihre Leichen. Der zum Gutachten herangezogene Psychologe wies im Blut der Soldaten unzählige Medikamente und halluzinogene Substanzen nach. Dass sie zum Zeitpunkt ihres skrupellosen Mordens vollgepumpt mit Drogen waren, gilt als sicher. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 03.05.20123sat
  • Folge 108 (60 Min.)
    Glücksgefühle, Halluzinationen, Horrorvorstellungen – wer LSD oder Magic Mushrooms zu sich nimmt, begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse. Halluzinogene Drogen können Wahrnehmung und Bewusstsein verändern, Sinneseindrücke verstärken, aber auch panische Ängste oder ekstatische Zustände auslösen. Diese Wirkungen wurden von verschiedenen Kulturen über Jahrhunderte hinweg genutzt. Vor allem Drogen wie Meskalin oder Psilocybin wurden für spirituelle Zeremonien, aber auch zielgerichtet zur Heilung eingesetzt.
    Als der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1938 im Rahmen seiner Forschung zum Mutterkorn LSD synthetisierte, hoffte er, ein neues vielversprechendes Medikament gefunden zu haben. Künstler und Intellektuelle experimentierten in den 1950er Jahren mit psychedelischen Drogen, suchten nach Bewusstseinserweiterungen und neuen Erfahrungsdimensionen. LSD avancierte zur Modedroge der Hippie-Ära und revolutionierte die Welt der Kreativen. Vor allem für die amerikanische Regierung wurde die Erforschung psychedelischer Drogen zu einem gefährlichen Instrument einer Gegenkultur, die sich kaum steuern ließ.
    1966 wurde LSD in den USA und später auch in Europa verboten und auf die Liste der besonders gefährlichen Drogen gesetzt. Über Jahrzehnte war die Forschung mit halluzinogenen Drogen ein Tabu. Inzwischen gibt es weltweit einige wenige Forscher, die erneut die Spur der Halluzinogene aufgenommen haben und neue Erkenntnisse gewonnen haben. Einer der international führenden Forscher ist Prof. Franz X. Vollenweider. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 24.05.20123sat
  • Folge 109 (60 Min.)
    Aussteiger und Asketen gab es schon immer. Nicht in einer Tonne, aber in einer kleinen schäbigen Hütte lebte der Philosoph Diogenes und war damit zufrieden. Asketische Strömungen kennt die Kultur- und Geistesgeschichte zu Genüge. Aber werden Askese und gesellschaftlicher Rückzug derzeit zur Massenbewegung? Die moderne Lebenswelt ist zunehmend komplexer werdenden Mechanismen und Strukturen unterworfen. Ganze Lebensbereiche entziehen sich dem Verständnis, sind nicht mehr zu dirigieren: Kaum jemand kennt alle Funktionen seines Handys oder weiß, woher die Nahrungsmittel seines Speiseplans stammen. Längst werden Entscheidungen über das eigene Leben ganz woanders gefällt, in Brüssel oder an den Schreibtischen großer Global Player.
    Die Politikverdrossenheit steht symptomatisch für die Ohnmachtsgefühle vieler Bürger. Hilflosigkeit angesichts von Komplexität und Globalisierung, aber auch das Gefühl von Entfremdung, Überreizung und Übersättigung sind zu zentralen Grundstimmungen in den modernen Industriegesellschaften geworden. Der Mensch reagiert auf diese Überforderung mit dem Bedürfnis nach Vereinfachung. „Simplify your life“ ist zum verbreiteten Slogan geworden. Die Sehnsucht nach Überschaubarkeit zeigt sich in den verschiedensten Lebensbereichen – von Mode über Architektur und Design bis hin zu Ernährungsweisen und Reiseverhalten. Wandern statt Fernflug, regionale statt ausländische Küche sind angesagt. Aber auch Philosophie und Religion stellen sich diesem Trend. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 31.05.20123sat
  • Folge 110 (60 Min.)
    In Wohnungen, Kaufhäusern, Autos, Hotels, Restaurants und Freizeiteinrichtungen – überall erklingt Musik. Von der Geburt bis zum Tod begleiten den Menschen Töne, Rhythmen und Melodien. Sie können unterschiedliche Empfindungen auslösen und gewünschte Stimmungen erzeugen: Nostalgie, Freude, Trauer, Wut, Angst, Euphorie, Entspannung, Glücksgefühle und dergleichen mehr. Die Regulation der Stimmungen mithilfe von Musik ist ein wesentlicher Grund für die häufige Nutzung des Mediums im Alltag. In der Zivilisationsgeschichte ist Musik eine wichtige Säule der Kultur. Musiziert wird in allen Ländern und Mentalitäten, und der Gesang ist eine der frühesten, sprachlich-musikalischen Ausdrucksweisen der Menschen. Musik steigert vor allem das Wohlbefinden und schafft Verbundenheit mit Gleichgesinnten.
    Wenn der Hörsinn für Identität und Sozialisation also wertvolle Dienste leistet, dann ist die Wirkung des Musikkonsums und des Musizierens gesellschaftlich nicht zu unterschätzen. Wie aber wirken sich beide Formen – rezeptives und aktives Musikerleben – auf das Verhalten und das Gehirn aus? Macht Musik schlau? Kann klassische Musik kognitive Leistungen verbessern? Wie verändern Klänge unsere Emotionen und beeinflussen unser Verhalten? Da das individuelle Wohlbefinden nicht nur gut für die Seele ist, sondern auch das Immunsystem stärkt, wird Musik in vielfältiger Weise auch für den Heilungsprozess von Kranken genutzt. Was kann Musik im therapeutischen Bereich bewirken? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 05.07.20123sat
  • Folge 111 (60 Min.)
    Information ist ein Grundpfeiler aller gesellschaftlichen und kulturellen Systeme. Ohne den Austausch von Information würde es keine Sprache und damit auch keine Medien geben. Doch manches deutet darauf hin, dass Information nicht nur in der geistigen, sondern auch in der biologischen und sogar in physikalisch-chemischen Welt eine fundamentale Größe darstellt. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 12.07.20123sat
  • Folge 112 (60 Min.)
    In der modernen „beschleunigten“ Gesellschaft ist das, was wir unter dem Begriff „Zeit“ verstehen, zu einem Luxusgut geworden. Was hat es mit dem Phänomen „Zeit“ auf sich? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.07.20123sat
  • Folge 113 (60 Min.)
    China hat sich in einer rasanten Entwicklung innerhalb von nur 30 Jahren von einer Agrargesellschaft zu einer modernen Industrienation entwickelt. An Chinas politischer und wirtschaftlicher Macht kommt im Westen niemand mehr vorbei. Mit einer Bevölkerung von rund 1,4 Milliarden Chinesen – ein Fünftel der Weltbevölkerung – erobert das Riesenland die Märkte und bestimmt deren Regeln entscheidend mit. Der Hunger der Volkswirtschaft nach Ressourcen scheint grenzenlos. Ebenso der Wille, die neu gewonnene Vormachtstellung zu sichern: So hat China zum Beispiel den weltweit drittgrößten Verteidigungsetat.
    Die bisherige, an den westlichen Ländern orientierte Weltordnung hat sich bereits verschoben. Vielen flößt das Angst ein. Scheinen doch die Chinesen in für Europäer fundamentalen Fragen wie der der Menschenrechte, grundsätzlich anders zu denken und zu entscheiden. Ist das tatsächlich so? Was verändert sich, wenn die chinesische Mentalität größeren globalen Einfluss gewinnt? Wie wird es die bisher noch stark westlich geprägten Wertvorstellungen von Recht, Vernunft, Individualität beeinflussen? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 30.08.20123sat
  • Folge 114 (60 Min.)
    Von Außerirdischen über Freimaurer bis hin zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – viele Menschen sind davon überzeugt, dass hinter der offiziellen eine „geheime Regierung“ ihr Land kontrolliert. Verschwörungstheoretiker misstrauen den Mächtigen und bezweifeln die öffentlich verbreiteten Versionen prominenter Todesfälle, politischer Entscheidungen oder wirtschaftlicher Hintergründe. Besonders Geheimdienste stehen im Fadenkreuz der Skeptiker. Selbst absurdeste Ideen finden ihre Anhänger. Andererseits – kennt man wirklich immer die ganze Wahrheit und kann sie beweisen? Steckt möglicherweise in der einen oder anderen Verschwörungstheorie ein Fünkchen Wahrheit? Regierungen, Firmenbosse, Geheimdienste – immer wieder stellen sich ihre offiziellen Wahrheiten als geschickte Täuschungen heraus, und immer wieder gibt es guten Grund zu zweifeln.
    Der NSU-Skandal, der Buback-Mord, die Tötung von Benno Ohnesorg und die Barschel-Affäre sind nur einige Beispiele, bei denen eine kritische Auseinandersetzung mit der Faktenlage notwendig ist.
    Wo ist die Grenze zwischen angebrachten Zweifeln und realitätsferner Spekulation? Wann steckt hinter einem Ereignis eine Verschwörung? Wann handelt es sich um eine Verschwörungstheorie? Im Zeitalter des Internets ist das Spiel mit Wahrheit oder Täuschung zum Massenphänomen geworden. Ist die gegenwärtige Popularität von Verschwörungstheorien ein Symptom der Vertrauenskrisen unserer Gesellschaft? Was sind Fakten, was ist Fiktion – und wann kippt kritisches Denken und trägt zu Verschwörungsmythen bei? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.09.20123sat
  • Folge 115 (60 Min.)
    Gewalt und gewalttätige Auseinandersetzungen gehören zur leidvollen Geschichte der menschlichen Evolution. Gewalt ist, im soziologischen Sinne, ein Mittel, um Macht auszuüben oder Macht zu erhalten. Diese „Todesmacht von Menschen über Menschen“ (Heinrich Popitz) verwirklicht sich in verschiedensten Formen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 20.09.20123sat
  • Folge 116 (60 Min.)
    Das Böse offenbart die Abgründe des Menschen. Amokläufe, sadistische Morde, kaltblütige Attentate, Massaker und Völkermorde lösen immer wieder Entsetzen, aber auch eine Form der Erregung aus, von der viele Bestseller und Kinoerfolge leben. Im tatsächlichen Leben jedoch markiert das Böse einen Bruch mit jeder Zivilisation und damit die letzte Grenzüberschreitung. Das Böse ist Barbarei. Doch was genau macht sie aus? Die Frage nach den Motiven für ein Verbrechen hat zu immer neuen Erklärungen geführt. Zuerst in den Religionen, die im Bösen oftmals eine eigene, Gott widerstreitende Kraft sahen, der die Menschen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind.
    Moderne Deuter sehen in den Genen oder Beschädigungen der neuronalen Strukturen des Gehirns Ursachen für das Böse, das Philosophen wie Immanuel Kant im Missbrauch des freien Willens sahen. Die Gräueltaten der NSDAP legten die „Banalität des Bösen“ frei, wie Hannah Arendt in ihrer Analyse der bürokratischen Vernichtung von Millionen von Menschen zeigte. Die Frage nach der Herkunft des Bösen bleibt ebenso offen wie die Frage, wie sich der Mensch davor schützen kann – falls er dazu überhaupt in der Lage ist. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 25.10.20123sat
  • Folge 117 (60 Min.)
    Gentests boomen – und immer mehr Firmen versprechen, auch die letzten Geheimnisse des menschlichen Genoms zu lüften. Ist man Ausdauer- oder eher Kraftsportler, ist man verwandt mit Napoleon, und wie lange wird man leben? Wo eine Nachfrage ist, entwickelt sich auch ein Markt. Im Ausland boomt das Geschäft mit Gentests bereits. Die Aussagekraft vieler angepriesener Untersuchungen geht dabei nicht über Teesatzlesen hinaus. Während man in der Antike ein Orakel befragte, versprechen Unternehmen heute für 500 Euro eine Antwort auf die Frage nach der individuellen Dauer des Lebens. Doch Gentests sind nur ein Resultat der jahrzehntelangen Versuche, das menschliche Genom zu entschlüsseln. Die Frage ist, was diese Forschung bislang an Einsichten über die Evolution des Menschen, seinen „Bau“ und seine Gesundheit gebracht haben.
    Über einige Krankheiten weiß man dank der Genforschung deutlich mehr. Dennoch scheint trotz der medizinischen Errungenschaften auf einigen Gebieten gerade der Begriff des Gens selbst zunehmend unter Kritik zu geraten. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass ein Gen nur in einem Gesamtsystem funktioniert und verstanden werden kann. Doch was weiß man über dieses System? Ist nicht das Wissen über das Genom einem neuen Unwissen über das gesamte genetische System gewichen? Welchen Einfluss haben Faktoren wie die Umwelt, Gesellschaft oder Lebensführung auf unsere Gene? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 29.11.20123sat
  • Folge 118 (60 Min.)
    Noch vor wenigen Generationen starben Menschen in der Regel zu Hause im Kreise ihrer Familie. Der Tod war den Lebenden in vielerlei Hinsicht gegenwärtig. Doch die moderne Industriegesellschaft hat den Tod „ausgelagert“, die Begleitung des Sterbens delegiert an „Fachpersonal“ in Kliniken und Pflegeheimen. Heute sterben über 40 Prozent der Deutschen in Krankenhäusern. Viele Menschen sehen sich zunehmend einer Hochleistungsmedizin ausgeliefert, der es um den bedingungslosen Erhalt von Leben geht, die aber keine Vorstellung mehr von einem würdigen Tod hat. Gerade darin aber liegt eine Bedrohung von Menschlichkeit, Würde und Selbstbestimmung, die weitreichende Folgen hat.
    Die Gesellschaft verdrängt nicht nur das Sterben, sondern auch viele Aspekte des Lebens, die damit verbunden sind. Dazu gehören nicht nur psychologische Fragen wie die nach dem Scheitern im Leben angesichts des Todes, sondern auch Fragen, die direkt Wissenschaft und Forschung betreffen. Palliativmedizin als fundierte Theorie und Praxis der bestmöglichen medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und spirituellen Betreuung von schwerstkranken und sterbenden Menschen wurde erst 2009 zum Pflichtfach für Medizinstudenten. Der Tod scheint, anders als in der Antike, für die Medizin ein Bereich zu sein, für den man sich nicht zuständig fühlt.
    Der aktuelle demografische Wandel hat das Thema „Sterben“ mit voller Wucht in die Gesellschaft zurückgetragen. Die Zahl der alten und damit auch schwer kranken, sterbenden Menschen wird zunehmen. Die Frage nach einer zukunftsweisenden Sterbekultur stellt sich neu und mit Härte: Medizin, Psychologie, Philosophie, Soziologie, aber auch die Politik sind gefordert neue Wege zu gehen. Gert Scobel diskutiert in „scobel – Schöner Sterben“ mit dem Unfall- und Intensivmediziner Michael de Ridder, dem Soziologen Reimer Gronemeyer und dem Philosophen Héctor Wittwer über die Notwendigkeit einer neuen Sterbekultur. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.12.20123sat

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