Das große Promi-Sender-Wechseln – doch die Zuschauer wechseln nicht mit

Von Zervakis und Hofer über Darnell und Pilawa bis Cantz und Schrowange

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 16.06.2022, 10:30 Uhr

Das große Promi-Sender-Wechseln - doch die Zuschauer wechseln nicht mit – Von Zervakis und Hofer über Darnell und Pilawa bis Cantz und Schrowange – Bild: RTL/Sat.1/Boris Breuer/Sat.1/Thomas Leidig/ProSieben/Michael de Boer/ProSieben/Boris Breuer/RTL/Steffen Z Wolff/Brainpool

Blickt man auf die zurückliegende TV-Saison, lässt sich vor allem ein Trend erkennen: Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wechselten von ihrer langjährigen Senderheimat zu einem Konkurrenten – um sich neu zu erfinden oder Dinge machen zu dürfen, die ihnen bei ihrem früheren Heimatsender verwehrt geblieben sind. Von Öffentlich-Rechtlichen zu Privatsendern oder auch innerhalb des Privatfernsehens gab es in den vergangenen Monaten so viele Personaltransfers wie lange nicht mehr. Doch letztendlich bleibt als Fazit die bittere Erkenntnis: Große Namen allein machen noch keine Quoten, denn Zuschauer sind Gewohnheitstiere und wechseln nicht sofort den Sender, bloß weil es einen Promi dorthin zieht.

Linda Zervakis

ProSieben/​Michael de Boer

Als großer Personal-Coup von ProSieben galt die Abwerbung von Linda Zervakis von der ARD. Zwei Tage nach ihrem Abschied als „Tagesschau“-Sprecherin wurde bekannt, dass die Journalistin zu ProSieben wechseln wird, um dort gemeinsam mit Matthias Opdenhövel ein neues Journal zu präsentieren. „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ lautet der Name der Sendung, die seit dem 13. September 2021 ausgestrahlt wird – und seitdem händeringend um jeden einzelnen Zuschauer kämpft. Bereits bei der Premierenausgabe war nicht mal ein Neugier-Effekt zu vernehmen: Mit nur 470.000 Zuschauern und einem desaströsen Marktanteil von 4,6 Prozent in der jungen Zielgruppe legte die Sendung einen veritablen Fehlstart hin.

In den darauffolgenden Wochen ging das Trauerspiel weiter und #ZOL verlor immer weiter an Boden. ProSieben griff daraufhin zu einem Trick und zeigt die Sendung seit November 2021 mittwochs im Anschluss an die „TV total“-Neuauflage. Doch auch dieser Plan funktioniert nicht und nach der Comedyshow nimmt mehr als die Hälfte der Zuschauer Reißaus. Für ProSieben ist das zweifelsohne ein Desaster, denn „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ stellt ein Prestigeprojekt dar, das jedoch einfach nicht von den Zuschauern angenommen wird. Am 15. Juni lief die vorerst letzte Folge – ob es ein Wiedersehen nach dem Sommer geben wird, ist offen.

Jan Hofer und Pinar Atalay

RTL

Auch RTL hat zwei Persönlichkeiten unter Vertrag genommen, die viele Jahre für öffentlich-rechtliche Information standen. Der Kölner Sender hat sich auf die Fahne geschrieben, sein Programm und Senderverständnis neu auszurichten. Informativer, relevanter und familienfreundlicher will man werden. Seit dem 16. August 2021 ist montags bis donnerstags um 22:15 Uhr in direkter Konkurrenz zu den ARD–„Tagesthemen“ das 20-minütige Nachrichtenmagazin „RTL Direkt“ zu sehen. Unter großer medialer Aufmerksamkeit wurde die Verpflichtung des früheren „Tagesschau“-Chefsprechers Jan Hofer verkündet.

Quasi als Galionsfigur sollte er dabei helfen, die Marke RTL „positiv neu aufzuladen“. Wenig später gesellte sich Pinar Atalay als weiteres ehemaliges ARD-Nachrichtengesicht hinzu. Der Auftakt blieb mit 1,87 Millionen Zuschauern und knapp über zehn Prozent Marktanteil in der Zielgruppe blass. Auch nach rund zehn Monaten generiert das Format immer noch kaum Aufmerksamkeit, selbst wenn prominente Politiker interviewt werden. Die Einschaltquoten sind stark vom Vorprogramm abhängig. Zumeist holt die Sendung tief einstellige Marktanteile, lediglich im Sandwich als Unterbrechung einer gefragten Sendung wie „Wer wird Millionär?“ oder „Das Sommerhaus der Stars“ funktioniert es quotentechnisch – ein konkreter Einschaltimpuls für „RTL Direkt“ ist nicht zu bemerken.

Bruce Darnell

ProSieben/​Boris Breuer

Als RTL im vergangenen Jahr beschloss, „Das Supertalent“ umzukrempeln, verlor nicht nur Dieter Bohlen seinen Platz als Jury-Urgestein. Auch Bruce Darnell musste seinen Posten räumen. Nur wenig später fand er eine neue, alte Heimat: Als ehemaliger „Germany’s Next Topmodel“-Juror feierte ProSieben die Rückkehr des Choreografen und spendierte ihm eine eigene Show: Mit „Surprise! Die Bruce Darnell Show“ wollte ProSieben an den TV-Klassiker „Lass dich überraschen“ aus vergangenen Zeiten anknüpfen und in der Vorweihnachtszeit punkten. Doch die neue Sendung entpuppte sich als böse Überraschung. Bereits die erste Ausgabe ging am Donnerstagabend völlig in die Hose – und die letzte von insgesamt vier Folgen blieb am Tag vor Heiligabend bei einer Reichweite von 530.000 Zuschauern und miesen 3,2 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe hängen. Seitdem war von Bruce Darnell auf ProSieben nichts mehr zu sehen. Die Erkenntnis: „Das Supertalent“ funktionierte nicht ohne Bruce Darnell und Bruce Darnell funktionierte nicht ohne „Das Supertalent“.

Ralf Schmitz

Sat.1/​Benjamin Kis

Nach einer langen Schaffensphase bei RTL kehrte Ralf Schmitz im September 2021 in seine früheren Heimat Sat.1 zurück. Begleitet von einer immensen Promokampagne wurde der Wechsel zelebriert – zu dessen Einstand benannte sich der Sender zur Feier des Tages sogar in „Schmitz.1“ um. Als der ganz große Wurf hat sich Schmitz jedoch nicht entpuppt, nur eines von drei neuen Formaten konnte ordentliche Quoten erzielen: „Paar Wars“ sahen im Schnitt 1,24 Millionen Zuschauer, bei den 14- bis 49-Jährigen wurden 10,2 Prozent Marktanteil eingefahren. Das sind für Sat.1-Verhältnisse inzwischen überdurchschnittliche Quoten, doch bei RTL hat Ralf Schmitz mit „Take Me Out“ regelmäßig mehr als 20 Prozent geholt. Weit unterdurchschnittlich liefen die anderen beiden neuen Sat.1-Formate von Schmitz. Sowohl die Impro-Comedy „Halbpension mit Schmitz“ als auch die Kuppelshow „Voll verschossen mit Ralf Schmitz“ erzielten am späten Abend nur tief einstellige Marktanteile.

Guido Cantz

RTL/​Steffen Z Wolff/​Brainpool

Im Dezember 2021 verabschiedete sich Guido Cantz als Moderator von „Verstehen Sie Spaß?“ – und, wie wenig später überraschend bekannt wurde, auch von der ARD. Stattdessen ist der Kölner Comedian zu RTL gewechselt, wo er seit Anfang des Jahres nicht nur in diversen Spielshows mitwirkt, sondern auch einem TV-Klassiker neues Leben einhauchen sollte. Im Zuge der grassierenden Retro-Welle holte RTL „7 Tage, 7 Köpfe“ zurück – mit Guido Cantz als Nachfolger des ehemaligen Moderators Jochen Busse. Doch das Comeback verlief nicht nach Plan.

Gestartet war die Neuauflage Anfang Februar noch vor 3,21 Millionen Menschen und einem starken Marktanteil von 17,5 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Damals profitierte die Sendung allerdings davon, dass sie als Unterbrechung des Flaggschiffs „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ fungierte. Danach ging es am späten Samstagabend im Anschluss an „Deutschland sucht den Superstar“ immer weiter bergab. Daher zog RTL Konsequenzen und verbannte die Sendung für die restlichen Folgen bis Mitte April auf einen Sendeplatz nach Mitternacht – freitags im Anschluss an „Let’s Dance“. Doch auch dort stellte sich keine Besserung ein: Die vorerst letzte Folge sahen gerade mal noch 740.000 Menschen, in der jungen Zielgruppe wurde ein Tiefstwert von 6,4 Prozent eingefahren. Noch lässt RTL offen, ob es nach dem Sommer weitergeht, doch Guido Cantz musste mit seiner ersten Aufgabe bei RTL eine Pleite hinnehmen. Es bleibt abzuwarten, ob sich sein nächstes Format besser schlagen wird, bei dem es sich ausgerechnet um einen Abklatsch von „Wetten, dass..?“ handelt (fernsehserien.de berichtete).

Jörg Pilawa

Sat.1/​Thomas Leidig

Eine weitere große Personalie wurde Anfang 2022 verkündet: Nach 20 Jahren beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen ging Jörg Pilawa dorthin zurück, wo er bereits in den 1990er Jahren tätig war. Der selbsternannte Quizonkel wurde wieder ein Sendergesicht von Sat.1. Als Grund für diese Entscheidung sagte er, dass er neue Herausforderungen gesucht habe. Er habe in der ARD tolle Programme mit tollen Leuten gemacht, aber er sei auch „in einer Mühle“ gewesen und wollte einfach mal wieder „raus aus der Komfortzone“. Er musste sich selbst „mal nen Tritt geben und was Neues machen“.

Ironischerweise handelte es sich bei seinem ersten Einsatz für Sat.1 schon wieder um ein Quiz, genauer gesagt das „Quiz für Dich“, basierend auf einer niederländischen Vorlage von John de Mol. Und die riss quotentechnisch keine Bäume aus. In der jungen Zielgruppe reichte es für 6,2 Prozent Marktanteil. Insgesamt waren im Schnitt 1,51 Millionen Zuschauer dabei. Zum Vergleich: Bei den derzeit noch parallel laufenden, vorproduzierten Ausgaben vom „Quizduell“ im Ersten sind am Vorabend(!) bis zu einer Million Zuschauer mehr drin. Und höchstwahrscheinlich wäre diese Reichweite auch für das „Quiz für Dich“ möglich gewesen, wenn die Sendung schlichtweg im Ersten und nicht in Sat.1 gelaufen wäre. Denn ganz ehrlich: Auch in der ARD hat Pilawa schon vergleichbar unspektakuläre Quizformate moderiert – doch der Faktor, wo eine Sendung läuft bzw. wo die Zuschauer danach suchen, ist nicht zu unterschätzen. Und vermutlich haben viele noch gar nicht mitbekommen, dass Pilawa mittlerweile (auch) in Sat.1 zu sehen ist.

Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich Pilawas Weg in Sat.1 weitergeht. Der Sender hat jedenfalls viel mit ihm vor und der Moderator hat vor allem Lust darauf, unterschiedlichste Sendungen zu machen – etwas, was ihm bei der ARD nicht ermöglicht wurde. Als nächstes Projekt wurde „Zurück in die Schule“ angekündigt. Darin lässt Jörg Pilawa Prominente noch einmal die Schulbank drücken, um nicht etwa das Abi nachzuholen, sondern den Grundschulabschluss.

Birgit Schrowange

Sat.1/​Boris Breuer

Das jüngste und wohl bitterste Beispiel für einen bislang missglückten Wechsel ist jener von Birgit Schrowange. Die langjährige RTL-Moderatorin wollte nach einer Auszeit ihr TV-Comeback in Sat.1 feiern. Gleich drei neue Sendungen mit ihr wurden angekündigt. Doch bereits die Produktion hatte mit Turbulenzen zu kämpfen. Eigentlich sollte „Birgits starke Frauen“ im März starten, doch aufgrund eines Corona-Ausbruchs musste die Produktion und entsprechend auch die Ausstrahlung zwei Mal verschoben werden – mit dem Ergebnis, dass die Sendung kaum Publikum gefunden hat.

In dem Format wurden prominente und nicht-prominente Frauen porträtiert, die ihre Träume verwirklicht haben und ihren Weg gehen. Das Format entsprach der von Sat.1-Senderchef Daniel Rosemann ausgerufenen Neupositionierung von Sat.1 mit einem Fokus auf Zuschauerinnen, „die den 40. Geburtstag schon gefeiert haben“ (fernsehserien.de berichtete). Doch bislang ging diese Rechnung nicht auf. Bereits die erste Folge sahen am Montagabend zur Primetime gerade mal 490.000 Zuschauer. In der jungen Zielgruppe reichte es mit 180.000 14- bis 49-Jährigen nur zu 3,0 Prozent. Dass es noch schlechter geht, stellte sich bei der zweiten Folge heraus. Diese wollten nur noch 320.000 Menschen sehen, in der Zielgruppe sackte der Marktanteil auf katastrophale 1,8 Prozent ab. Sat.1 hatte quasi keine andere Wahl, als vorzeitig die Reißleine zu ziehen und die Sendung abzusetzen. Trotz des Rückschlags stärkt der Sender Birgit Schrowange den Rücken und will weiter mit ihr an Projekten arbeiten. Ende Juni startet „Wir werden mehr“ am Sonntagvorabend, wo die Chance auf bessere Quoten zumindest gegeben ist.

Auf der nächsten Seite werfen wir einen Blick zurück auf vergangene Promi-Sender-Wechsel, die ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt waren.

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