Prosit, „Pippi Langstrumpf“
Vor 40 Jahren erscheint der Kult-Rotschopf erstmals im deutschen Fernsehen – von Boris Klemkow
Boris Klemkow – 31.10.2011, 12:24 Uhr
Ihr rostrotes Haar hat sie zu zwei Zöpfen von eindrucksvoller Standhaftigkeit geflochten. Zwischen ihren strahlenden Augen und ihrem Mund, der bei jedem Lächeln die weißen, etwas zu großen Zähne freigibt, umzingelt ein Heer von Sommersprossen die freche Stupsnase. Die damals elfjährige Inger Nilsson verkörperte Astrid Lindgrens Romanheldin in der 21-teiligen Fernsehserie und den vier auf ihr basierenden Spielfilmen so eindrucksvoll, dass sie mit ihrer Rolle regelrecht verschmolz. Wer an Pippi Langstrumpf denkt, sieht unweigerlich die junge Inger Nilsson vor seinem inneren Auge. Ihre Ausgelassenheit und ihre Spielfreude erwecken zu keinem Moment den Eindruck, sie spiele nur ein Rolle und befolge nur Regie- und Drehbuchanweisungen. Mit ihrer Natürlichkeit und Spontaneität dominiert sie zweifelsohne das Geschehen und ist somit die ideale Besetzung für Lindgrens unangepasste Romanheldin. Für die Schauspielerin wurde der frühe Erfolg jedoch zum Fluch, da sie wie so viele Kinderstars zuvor und danach zu stark mit der von ihr eindrucksvoll verkörperten Rolle identifiziert wurde und vielversprechende Rollenangebote im Erwachsenenalter ausblieben. Wie viele ehemalige Stars und Pseudo-Prominente im Karrieretief nahm sie schließlich sogar am schwedischen Dschungelcamp teil. Der Mythos um „Pippi Langstrumpf“ blieb davon selbstverständlich unbeschadet.
Da ihr eine erste Verfilmung aus dem Jahr 1949 missfiel, weil man unter Anderem eine Erwachsenen-Liebesgeschichte und Musiknummern eingebaut hatte, um nicht nur Kinder anzusprechen, fasste Astrid Lindgren den Entschluss, zu allen kommenden Adaptionen ihrer Werke selbst die Drehbücher zu verfassen, um dergleichen fortan entgegenzuwirken. Wie ihre Bücher, sollten sich auch deren Verfilmungen zuallererst an den Bedürfnissen der Kinder und jugendlichen Leser und Zuschauer orientieren. Dem schwedischen Regisseur Olle Hellbom gelang es schließlich, Lindgrens Romane nach ihren Vorstellungen, also vor allem kindgerecht und zugleich recht werksgetreu, zu verfilmen. Neben Pippi Langstrumpf, für deren TV- und Kinoauftritt er verantwortlich zeichnete, verhalf er auch den „Kindern von Bullerbü“, den „Brüdern Löwenherz“, „Rasmus und der Vagabund“, „Michel aus Lönneberga“„, den „Ferien auf Saltkrokan“, „Kalle Blomquist“ und „Karlsson auf dem Dach“ zu einer beispiellosen Film- und Fernsehkarriere. Neben fantasievollen Bildern und einem sicheren Gespür für das richtige Timing zeichnen sich Hellboms Regiearbeiten durch eine glänzende Schauspielerführung aus. Dass seine kleinen Helden immer natürlich und ungezwungen wirken, ist allerdings nicht das Resultat von Improvisationen am Set sondern vielmehr einer intensiven Vorbereitung und wiederholten Proben mit den jungen Laiendarstellern geschuldet. Als Hellbom während der Vorbereitung der Verfilmung von „Ronja Räubertochter“ infolge eines Krebsleidens verstarb, endete eine zweieinhalb Jahrzehnte lange, äußert produktive Kollaboration in deren Verlauf unzählige Kinderfilmklassiker entstanden sind, die immer wieder neue Zuschauer begeistern.