Die Brille von Jörn Dackow fällt auf: Die Bügel sind aus einem 100 Jahre alten Zollstock gefertigt, die Fassung aus dem Horn des indischen Wasserbüffels. Natürlich Marke Eigenbau. Der Schleswig-Holsteiner ist Brillenmacher, ein nahezu ausgestorbener Beruf. In seiner historisch eingerichteten Werkstatt auf dem 270 Jahre alten Hof Hörnerkamp im beschaulichen Henstedt-Ulzburg fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Hier baut der 45-Jährige Brillen nach alter Handwerkstradition, jede einzelne ist ein Unikat. Dabei war die berufliche Laufbahn von Jörn Dackow eher klassisch: Ausbildung, Meisterschule, Filialleitertätigkeit in einem herkömmlichen Optikergeschäft. Dann bekam er die Chance, den Laden zu übernehmen. Doch nach 14 Jahren hatte er keine Lust mehr, Kassengestelle von der Stange zu verkaufen. Er wollte handwerklich arbeiten. Eine Pilgerreise nach Venedig, zur „Wiege“ der Brillenmacherei, gab schließlich die Initialzündung: Er kündigte seine Festanstellung, tauschte seinen Anzug gegen ein zünftiges Outfit und baute zu Hause im Keller seine ersten Brillen: mit Erfolg. 2010 erfüllte sich Jörn Dackow dann endlich den Traum einer kleinen Brillenmanufaktur. Bei ihm wird eine Brille in
über 200 Arbeitsschritten gesägt, geschmirgelt, genietet und gelötet. Jörn Dackows fertigt sie ganz individuell nach den Wünschen seiner Kunden an, die aus ganz Norddeutschland zu ihm kommen. Für die erste Anprobe, die sogenannte Zwischenschau, macht er aber auch schon mal einen Hausbesuch. Nostalgisch geht es bei Jörn Dackow allerdings nur in seinem Beruf zu, obwohl er seine rustikalen Arbeitsklamotten auch privat trägt. Er ist eben ein Individualist. Daran hat sich Ehefrau Sonja längst gewöhnt. Mit ihr, Dackel Otti und den Kindern Dana und Tim verbringt Jörn Dackow einen Großteil seiner Freizeit. Und dann ist da noch die Band aus Jugendzeiten, in der er begeistert Schlagzeug spielt. Die vier Musiker proben nach zehn Jahren wieder für einen großen Auftritt, eine besondere Herausforderung. „Typisch!“ porträtiert Jörn Dackow, sein altes Handwerk und das Leben rundherum. Über mehrere Monate lang wurde der norddeutsche Brillenmacher mit der Kamera begleitet, auch bei einem ganz besonderen Auftrag: Eine Kundin hat Schmuck mitgebracht, der in ihre Brille eingearbeitet werden soll. Eine kniffelige Aufgabe für den Brillenmacher, denn für die Kundin hat der Schmuck einen hohen emotionalen Wert. (Text: NDR)