Sportclub Story Folge 172: Als Ali zu weit ging – Der Jahrhundertkampf von 1971
Folge 172
Als Ali zu weit ging – Der Jahrhundertkampf von 1971
Folge 172 (30 Min.)
Es ist eine dieser legendären Nächte. Box-Fans auf der ganzen Welt sitzen im Kino oder vor dem Fernseher, um den Kampf live zu sehen. New York, 8. März 1971: Joe Frazier, amtierender Weltmeister, steigt gegen Muhammad Ali, der selbsternannte „Größte aller Zeiten“, der jahrelang nicht hatte boxen dürfen, in den Ring. Alis Stern ging 1964 auf, als er unter seinem Geburtsnamen Cassius Clay völlig überraschend den „Finsterling“ Sonny Liston besiegte und den Weltmeistertitel holte. 1967 jedoch geriet Clay, der inzwischen zum Islam konvertiert war und sich Muhammad Ali nannte, in die Mühlen der Politik. Der engagierte Bürgerrechtler verweigerte den Stellungsbefehl für den Vietnamkrieg: „Ich habe keinen Streit mit der Vietcong, kein Vietcong hat mich je Nigger genannt.“ Das weiße Establishment schlug hart zurück: Ali wurde wegen Dienstverweigerung verurteilt, Weltmeistertitel und Boxlizenz wurden ihm entzogen. Im besten Boxeralter war der „Champ“ zur Untätigkeit verdammt. 1970 erhielt er die Lizenz zurück. Nun fieberte die Boxwelt seinem Comeback entgegen, besonders dem Titanenkampf gegen den neuen Weltmeister „Smokin’ Joe“ Frazier. Der Film beleuchtet die radikale politische Haltung von Muhammad Ali, geprägt von seiner Mitgliedschaft in der
Nation of Islam und der Verehrung von deren Kopf Elijah Muhammad. Es sind harte persönliche Angriff auf den unpolitischen Frazier, als Ali ihn im Vorfeld des Kampfes als „Onkel Tom“ bezeichnete, ein Begriff, der ein unterwürfiges Verhalten von Afroamerikanern gegenüber Weißen beschreibt. Ali hatte Kampfgebrüll und politische Botschaft vermengt und damit eine brisante Mischung kreiert. Die Verehrung Muhammad Alis als herausragende Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts blendet oft aus, dass sein Kampf für das Selbstwertgefühl der Schwarzen auch eine Kehrseite hatte: Verunglimpfung derer, die nicht so radikal dachten wie er. So wie die Herabwürdigung Joe Fraziers, die über die üblichen Kampfansagen weit hinausging. Ein Muster, das Ali auch in den späteren beiden Kämpfen gegen Frazier beibehielt und das Joe Frazier so nachhaltig verstörte, dass die Beziehung der beiden Champions bis in den Tod hinein verbittert blieb. Autor Henning Rütten sprach für diesen Film mit: Hartmut Scherzer, Sportjournalist, Augenzeuge des Kampfes in New York. Wilbert Olinde, in Hamburg lebender Ex-Basketballer, dessen Kindheit und Jugend vom Wirken Muhammad Alis geprägt war. Jan Philipp Reemtsma, Philosoph und Philologe, Autor des Buches „Mehr als ein Champion – Über den Stil des Boxers Muhammad Ali“. (Text: NDR)