Als der Magistrat von Ost-Berlin 1954 beschließt, aus dem verwilderten Schlosspark Friedrichsfelde einen „volkstümlichen Zoo“ zu machen, will der ehrgeizige Heinrich Dathe, damals noch stellvertretender Zoodirektor in Leipzig, diese „nationale Aufgabe“ erfüllen. Da er als Kind den Zoo eigentlich nicht mochte und ihn für ein Gefängnis hielt, wo man Tiere einsperrt, entwirft er eine 160 Hektar große und weitläufige Anlage mit vielen Freigehegen. Auch im durch die Mauer geteilten Berlin macht sein „Paradies der Tiere“ über die Grenzen hinweg von sich Reden. Der kleine Mann ist Chef des größten Zoos der Welt – das schafft der DDR Anerkennung auf diesem Gebiet und seine Zuchterfolge im Zoo bringen dem Land Devisen. Im Gegenzug wird der international renommierte Zoologe in den Kreis derer aufgenommen, die im Sozialismus auf einer bürgerlichen Insel leben dürfen: Urlaube in der Schweiz, eine Haushälterin, der eigene
Schneider, der eigener Fahrer. „Roter Bourgeois“ wird der Professor gelegentlich genannt. Doch er ist kein Genosse, mit Politik will er am liebsten nichts zu tun haben. Nicht mehr. Als er nach russischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt, will man das frühere NSDAP-Mitglied zunächst nicht beschäftigen, doch seine fachliche Kompetenz wird bald wieder gebraucht. Er gehört zu denen, die von nun an umso strebsamer sind, weil sie den Makel wieder gut machen wollen. Dathe und der Tierpark sind Synonyme. Die Wiedervereinigung gerät zum persönlichen Schicksalsschlag für Heinrich Dathe. Die Ost-Berliner Behörden treten ihre Zuständigkeit an die Senatsverwaltung für Finanzen ab. Dem Zoologieprofessor, der trotz seines Ruhestandsalters weiterhin Chef des Tierparks geblieben war, wird gekündigt mit der Aufforderung, Dienstwohnung und Tierpark bis zum Jahresende 1990 zu räumen. Dazu kommt es nicht mehr. Dathe stirbt Anfang Januar 1991. (Text: rbb)