„Sherlock“ – Der Meisterdetektiv kommt im 21. Jahrhundert an – Review

von Roger Förster

Rezension von Roger Förster – 22.07.2011, 18:53 Uhr

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Sherlock
Vom 26. bis 29. Mai fand in Köln zum bereits sechsten Mal das Festival Großes Fernsehen statt, in dessen Rahmen TV-Produktionen in deutscher Erstausstrahlung gezeigt werden. Ein besonderes Highlight, das nun ab dem 24. Juli von der ARD in deutscher Erstausstrahlung gezeigt wird, war dabei „Sherlock“. Die erste Staffel umfasst drei 90-minütige Folgen, die nun im Wochenrhythmus ausgestrahlt werden.

Zunächst waren Fans dieses urbritischen Klassikers sehr skeptisch: Eine Neuinterpretation, in der ein technikbegeisterter Holmes im heutigen London mit SMS nur so um sich wirft, erschien vielen allzu abwegig. Doch allen Unkenrufen zum Trotz – die Angst der Traditionalisten war unbegründet. Zwar wird das Holmes-Universum sehr frei interpretiert, doch was die kreativen Köpfe der Serie, Mark Gatiss und Steven Moffat hier aufbieten, ist Krimiunterhaltung vom Feinsten und erfrischt mit tollen Ideen und jeder Menge Humor.

Ein eigentlich glücklicher Mann bringt sich scheinbar ohne triftigen Grund um. Als sich noch weitere mysteriöse Selbstmorde in London ereignen, wendet sich Scotland Yard unter Leitung von Inspektor Lestrade (Rupert Graves) an den Berater Sherlock Holmes( Benedict Cumberbatch), oder vielmehr drängt sich dieser mit einer ungeheuerlichen These auf: Die Selbstmorde, die offensichtlich in einem nicht erkennbaren Zusammenhang stehen, sind in Wirklichkeit Morde. Holmes wird dabei von seinem neuen Zimmergenossen, dem ehemaligen Militärarzt Dr. John Watson (Martin Freeman), unterstützt, der gerade mit einer Kriegsverletzung aus Afghanistan zurückgekehrt ist. Es entwickelt sich eine rasante Jagd nach einem Phantom, das seine Spuren hervorragend zu verwischen weiß.

Holmes und Watson auf den Dächern Londons
Dieser Holmes ist ein Freak: Er ist ein arroganter, herablassender Einzelgänger, dem Umgangsformen völlig egal sind. Doch er ist eben auch mit einer Gabe ausgestattet – Holmes entdeckt kleinste Details, sei es am Tatort oder bei der Kommunikation mit anderen Menschen. Beispiel: Als Watson seinem neuen WG-Mitbewohner vorgestellt wird, erkennt dieser an der Haltung, an Redemitteln und an der Erscheinung seines Gegenübers, dass er Kriegsveteran und seine Verletzung nur psychosomatischer Natur ist und dass er ein geschenktes Handy besitzt. Holmes seziert seine Umgebung mit seiner Auffassungsgabe, doch er gilt auch als Psychopath, der einer tickenden Zeitbombe gleich irgendwann selbst morden wird. Sympathisch ist anders – langweilig aber auch. Wie Holmes es immer wieder schafft, seine Gesprächs“partner“ durch sein mangelndes Interesse an ihnen bloßzustellen, birgt tollen Stoff für humoristische Einlagen. Doch fast noch mehr beeindruckt, wie spielerisch es Regisseur Paul McGuigan („Lucky Number Slevin“) gelingt, den verbal so schlagfertigen Bewohner der Baker Street 221b mit zackiger Kameraführung zu begleiten. In einer wunderbar inszenierten Verfolgungsjagd machen sich Holmes und Watson auf die Fährte eines Taxis. Da sie über kein Gefährt verfügen, geht es über die Häuserschluchten von London. Dem rasanten Tempo kann der Zuschauer kaum folgen, toll anzuschauen ist es allemal.

Einen weiteren Pluspunkt verdient die Inszenierung des Finales der ersten „Sherlock“-Episode. Wurde der Film bis zu diesem Zeit durch Schnelligkeit und technische Spielereien geprägt, kehrt nun knisternde Spannung ein. Ganz im Stile eines Kammerspiels wird hier großer Wert auf Dialogschärfe und schauspielerische Nuancen gelegt. Ohne zu viel zu verraten: Holmes’ Gegner wirkt beängstigend überzeugend.

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