„24 Legacy“ – Review

Neue Echtzeitserie liefert überdrehte Popcornunterhaltung und wenige Neuansätze – von Bernd Krannich

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 13.02.2017, 15:08 Uhr

Der Cast von „24: Legacy“

„24“ ist zurück, aber diesmal musste die Marketingabteilung von FOX auf den Schlachtruf „Jack is back“ verzichten. Denn Kiefer Sutherland, der nach den Anschlägen vom 11. September als Anti-Terror-Kämpfer Jack Bauer für die US-Bevölkerung zu Helden wurde, steht mittlerweile als „Designated Survivor“ bei ABC in der Präsidentenrolle vor der Kamera und ist hier nurmehr als Berater im Produzenten-Rang im Echtzeit-Franchise mit dabei.

Für ihn übernimmt Corey Hawkins als Eric Carter die „24: Legacy“. Der Ableger zeigt sich des Erbes der Echtzeitserie bewusst, denn in vielen Bereichen lassen sich Parallelen zur ersten Staffel von „24“ ziehen.

Carter ist ein Elite-Soldat der Army Rangers. Für die CTU unter deren Chefin Rebecca Ingram (Miranda Otto) hatte er ein Team aus Soldaten angeführt, das nach jahrelanger Vorarbeit den entscheidenden Schlag gegen das Hauptquartier des berüchtigten Terroristenführers Scheich bin-Khalid ausgeführt hatte – eine unverhohlene Metapher auf Osama Bin Laden.

Nun sind Eric und Kollegen wieder in der Heimat. Doch richtig angekommen sind sie dort nicht. Ausgestattet mit neuen Identitäten hat vor allem auch Eric ein Problem, sich wieder einzugliedern – wie seine Frau moniert, Krankenschwester Nicole (Anna Diop). Während sie die Ursache darin vermutet, dass sich ihr Mann nach dem gewalttätigen Leben im Kriegsgebiet sehne, sieht der Zuschauer bald eine andere Facette: Eric hadert mit manchen seiner Entscheidungen. Vor allem aber auch damit, dass sein alter Untergebener und Kamerad Ben Grimes (Charlie Hofheimer) bei der Rückkehr noch härter angeschlagen ist. Er steht an der Grenze zur vollkommenen Paranoia und lebt in den Kreisen Obdachloser. Eric sieht sich dafür verantwortlich, den Kameraden nicht rechtzeitig die Rückkehr in die Heimat befohlen zu haben.

Bens Paranoia ermöglicht ihm allerdings auch das Überleben, als sich die Organisation von bin-Khalid als Hydra erweist, der neue Köpfe gewachsen sind. Den Terroristen ist es gelungen, die Tarnidentitäten der Soldaten herauszubekommen und machen nun Jagd auf diese. Allerdings geht es nicht nur um Rache, sondern darum, dass beim Schlag gegen bin-Khalid auch Daten über sein Terrornetzwerk und dessen Schläferzellen in den USA verschwunden waren. Daten, die jedenfalls nicht bei den US-Behörden angekommen waren.

Ben kann seinen Freund Carter warnen, so dass die beiden die einzigen Überlebenden aus ihrem sechsköpfigen Ranger-Team sind. Carter darf nach anfänglichen Rückschlägen im Kampf gegen ein Team gut ausgebildeter Terroristen sein Können als Soldat beweisen. Natürlich müssen er und sein Frau daraufhin untertauchen. Und Carter fühlt sich verantwortlich, nun dem anscheinend letzten überlebenden Freund Ben aus der Bredouille zu helfen. So deponiert der Ex-Soldat seine Frau bei seinem entfremdeten Bruder Isaac (Ashley Thomas) – dem er sie damals ausgespannt hatte. Auch Isaac lebt in einer Welt der Gefahr und der gezückten Waffen. Alte Gefühle – Wut gegen den Bruder und Reste von Liebe für dessen Frau – sorgen hier für eine Dreiecksbeziehung, die durch Isaacs aktuelle Freundin zusätzliches Feuer erhält.

Derweil in der CTU
Miranda Otto als Rebecca Ingram in „24: Legacy“
Rebecca Ingram ist nach ihrem großen Erfolg gegen bin-Khalid gerade auf dem Weg aus der Tür der Counter Terrorist Unit von Washington. Sie hat eingewilligt, sich ganz dem Präsidentschaftswahlkampf ihres Mannes, Senator John Donovan (Jimmy Smits), zu widmen – obwohl es ihr sichtlich schwer fällt, ihren Posten zu verlassen.

Als Rebecca von Carter darüber informiert wird, dass sein Team aufgeflogen ist, eskaliert die Situation sehr schnell – ein Muster, das die kurze „24: Legacy“-Staffel in den ersten Episoden deutlich zeichnet. Ingram schließt messerscharf, dass nur drei Leute die Geheimidentitäten gekannt haben – darunter ihre ehemalige rechte Hand und jetziger Nachfolger Keith Mullins (Teddy Sears). Mithilfe ihres treuen Chefprogrammierers Andy Shalowitz (Dan Bucatinsky) wird Ingram aktiv, obwohl sie in der CTU schon alle Befugnisse abgelegt hat.

Als kleiner Throwback zu „24“ ist die von Mullins eingebrachte neue Programmiererin Mariana Stiles (Coral Peña) eine Cousine des ehemaligen CTUlers Edgar Stiles (Louis Lombardi), der sein Leben in der fünften Staffel lassen musste.

Als letzte Erzählebene blickt die Serie in eine Schule, wo eine Schülerin (Kathryn Prescott, „Finding Carter“) zu einer der Terrorzellen von bin-Khalid gehört und droht, von ihrem Ex-Freund enttarnt zu werden.

Im Echtzeituniversum nichts Neues
FOX hat für die Neuauflage von „24“ mit Manny Coto, Evan Katz und Howard Gordon Produzenten aus der Frühzeit des Echtzeitfranchise reaktiviert. Das macht sich durchaus im Setup bemerkbar. Hier wie dort steht ein Soldat im Zentrum, der nur schwer nach Hause zurück findet, unter der Last seiner Taten strauchelt. Hier wie dort ist die Ehe des Protagonisten zerrüttet und droht in einer Dreiecksgeschichte zu zerbrechen.

Dadurch, dass „24: Legacy“ für die erste Staffel nur auf zwölf Folgen ausgelegt ist, ist das Tempo von Anfang an geradezu überdreht. Aus geringen Anlässen werden aberwitzige Schlussfolgerungen gezogen, etwa, als Ingram direkt ihren Nachfolger als mögliches Leck ausmacht und wild entschlossen zur Tat schreitet. In der zweiten Folge benötigt Carter dringend eine große Bestechungssumme. Da Ingram ihm nicht helfen kann, greift er zum extremen Mitteln eines aberwitzigen Überfalls.

Dabei versucht „24: Legacy“ durchaus mit gewagten und auch für Fernsehmaßstäbe außergewöhnlichen Actionszenen zu punkten, wird aber von durchschaubarer CGI untergraben. Immerhin wurde die Überwachungstechnik auf den aktuellen Stand gebracht und umfasst auch ein paar nette Drohnen-Flüge.

Wackelkamera, das Ticken der Uhr und Split-Screen knüpfen ebenso an das Original an wie die allgemein verbreitete Paranoia: Jeder außer Carter und Rebecca kann ein Verräter sein.

Neben der aktualisierten Technik bei der CTU scheint zumindest anfangs der neuen Staffel nur wenig inhaltlich Neuland betreten zu werden. John Donovans Wahlkampfmanagerin ist eine gebürtige Iranerin und hatte schon Begegnungen mit Extremisten – nach eigenen Aussagen, um mit ihnen den Dialog zu suchen und ihrer Vorstellung Ausdruck zu verleihen, dass der Islam eine friedliche Religion ist. Während das gegen Donovan verwendet werden könnte, hält er ihr die Treue. Daneben hat Programmierer Andy eine kurze, mysteriös bleibende verbale Auseinandersetzung mit Thomas Locke (Bailey Chase, „Longmire“), dem von Mullins neu bestellten Chef für Außeneinsätze. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, als würde „24: Legacy“ hier erstmalig einer homosexuellen Beziehung einen größeren Raum gewähren.

„24: Legacy“ erfindet das Rad nicht neu. Um in der Metapher zu bleiben, es läuft sogar etwas holprig, da wilde Logiksprünge es schwer machen, die Handlung anzunehmen, und auch die großen visuellen Tricks doch recht durchschaubar bleiben.

Daneben hat „24: Legacy“ ein recht schlechtes Timing: Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA werden in der Serie nun eher die xenophoben Ansätze wahrgenommen – ein großes Kontingent Terroristen ist kürzlich in die USA gekommen und mordet dort nun ungehemmt. Zudem gibt es jede Menge Schläferzellen. Heiliger Überwachungsstaat, steh uns bei.

Interessant ist, dass unter Hilary Clinton wohl andere Facetten mehr in den Medien beleuchtet würden. Etwa Rebecca Ingram als fähige Führerin, die zudem ihr eigenes Wohl der Loyalität für ihre Untergebenen riskiert.

„24: Legacy“ setzt das Echtzeitfrancise dort fort, wo es zuletzt geendet hatte: Kann man sich als Zeitvertreib anschauen. Aber man kann es auch sein lassen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie.

Meine Wertung: 3/​5

Bernd Krannich
© Alle Bilder: FOX

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

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