Prosit, Twin Peaks!

Ein Stück Kirschkuchen zum deutschen TV-Jubiläum – Ein Stück Kirschkuchen zum TV-Jubiläum von Boris Klemkow

Boris Klemkow – 10.09.2011, 08:49 Uhr

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Kyle MacLachlan als Special Agent Dale Cooper
Eine treue Fangemeinde kaufte den Soundtrack mit Angelo Badalamentis hypnotisch-jazzigen, teils tieftraurigen Score ebenso wie die offiziellen Bücher zur Serie („Das geheime Tagebuch der Laura Palmer“ von Lynchs Tochter Jennifer und „Das Tagebuch von Dale Cooper“ von Frosts Bruder Scott geschrieben). Der rote Raum, der die Manifestation der Zwischenwelt ist, skurrile Figuren wie Nadine Hurley oder die Log Lady, die mit einem Holzscheit spricht, oder aber Coopers Spleens und Aussprüche genießen Kultcharakter. Der wohl auch als Zugeständnis an die Fans gedachte Spielfilm „Fire Walk With Me“, der die Vorgeschichte zu Serie erzählt, wurde dagegen eher zwiespältig aufgenommen.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch gingen Lnych und Frost neue, ungewöhnliche Wege. Neben der oft improvisierten Weiterentwicklung der Story (David Lynch ist bekennender Anhänger der transzendentalen Meditation und entwickelte beispielsweise den Mörder Bob am Set), erzählen die einzelnen Episoden keine in sich abgeschlossenen Geschichten, sondern bauen aufeinander auf, was lange Zeit als ungebräuchlich galt, da eine episodenübergreifende Handlung den Einstieg nach dem verpassten Serienstart erschwert. Jede Episode von „Twin Peaks“ umfasste einen Zeitraum von 24 Stunden, ein Konzept, das später auch bei „Lost“ oder „Murder One“ übernommen wurde. Die Melange aus Mystery und Thriller begründete ein neues Subgenre, das seither einen nicht unwesentlichen Teil des Fernsehpublikums an sich bindet. Zudem bietet „Twin Peaks“ genügend Stoff für einen kunsttheoretischen oder soziologischen Diskurs und ist vollgepackt mit unzähligen Literatur- oder Filmmotiven und -Zitaten.

Das rote Zimmer in ‚Twin Peaks‘
Lynch, der nach eigenen Angaben dem Medium eigentlich nichts abgewinnen kann, und sein Co-Autor und -Produzent Frost schufen nach dem Ende von „Twin Peaks“ mit „On The Air“ eine sehr kurzlebige Comedy, während der von Lynch ursprünglich als Pilotfilm für einen weiteren Mysterythriller konzipierte „Mullholland Drive“ nie in Serie ging. Während verschiedene Schauspieler der umfangreichen Stammbesetzung mit eher mäßigem Erfolg im Filmbusiness Fuß zu fassen versuchten, (andere waren bereits zuvor etablierte Stars) blieb Hauptdarsteller Kyle MacLachlan, der von seinem Mäzen Lynch zuvor bereits in „Dune“ und „Blue Velvet“ als Hauptdarsteller besetzt worden war, dem Fernsehen treu. Zuletzt spielte er in den wohl erfolgreichsten frauenaffinen Formaten der letzten Jahre („Sex and the City“ und „Desperate Housewives“) die eher undankbare Rolle des Ehemanns einer der Protagonistinnen. Seine Darstellung des Agent Cooper sichert ihm allerdings einen Platz im Serienolymp. Sheryl Lee ihrerseits avancierte als Laura Palmer zur enigmatischen TV-Ikone, deren mythische Aura noch am ehesten mit der Marylin Monroes im klassischen Hollywood vergleichbar wäre.

Dank seines Reichtums an schrägen Figuren, phantastischen Details und zahlreichen popkulturellen Verweisen, des fast hypnotischen Sogs, der von den erlesen Bildern und Tönen ausgeht, der für damalige Verhältnisse ungewöhnlich dichten Atmosphäre und der ungebremsten Fabulierlust seiner Autoren, genoss Twin Peaks trotz seiner vergleichsweise kurzen Produktionsdauer schnell Kultstatus und war von unschätzbarem Wert für das moderne US-Fernsehen, bei dem sich Kunst und Unterhaltung nicht mehr zwangsläufig einander ausschließen müssen.

Boris Klemkow/​wunschliste.de (10.09.2011)
Alle Bilder: © CIC Video/​Paramount Home Entertainment

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