Netflix: Vorgehen gegen Account-Sharing und Werbung als Wachstumsmotoren?

Kundenrückgang um 200.000 bringt Streaming-Giganten unter Zugzwang

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 20.04.2022, 10:50 Uhr

Der Netflix-Erfolg „Bridgerton“ – Bild: Netflix
Der Netflix-Erfolg „Bridgerton“

Mit der Verkündung der Geschäftszahlen für das erste Quartal hat sich Netflix in den Augen der Börsianer in Zugzwang gebracht: Erstmals in der jüngeren Geschichte musste der Streaminganbieter einen Netto-Kundenverlust vermelden, der sich nach Netflix-Einschätzung auch im nächsten Quartal fortsetzen wird. Um die Anleger zu beruhigen, verwies der Dienst auf seine Bemühungen, das Passwort-Sharing in Neukunden umzumünzen und zusätzliche den Kunden günstigere Accounts mit Werbung zu bieten.

Die einzelnen Punkte im Detail:

Kundenschwund

Bei der Ausweisung der Quartalszahlen für seine Anleger hat Netflix verkünden müssen, dass man netto 200.000 Kunden verloren hat – statt 221,84 Millionen verblieben lediglich 221,64 Millionen. Netflix verweist darauf, dass das auch wegen der Einstellung des Russlandgeschäfts von Netflix wegen des Kriegs gegen die Ukraine so sei, durch den man 700.000 Kunden aus Russland abgeschrieben habe. Ansonsten hätte es ein Kundenwachstum von 500.000 gegeben – man verwies hier zudem darauf, dass der Krieg in der Ukraine auch im Rest von Osteuropa für eher zögerliches Geschäft gesorgt habe. Im Vorquartal hatte man allerdings noch ein Wachstum von 2,5 Millionen anvisiert gehabt – schon das hatte Anleger frustriert und für einen zwischenzeitlichen Kurssturz gesorgt (fernsehserien.de berichtete).

Allerdings sieht Netflix auch im kommenden Quartal keine Besserung – das Frühjahrsquartal ist bei Netflix jedes Jahr das schwächste, dazu kommen durch Corona und den Ukraine-Krieg gestiegene Lebenshaltungskosten/​Inflation, durch die das Geld bei den potentiellen Kunden eben aktuell etwas knapper sitzt. So erwartet Netflix einen weiteren Rückgang der Netto-Kundenzahl von zwei Millionen.

Alles halb so schlimm?

Natürlich bemühte man sich bei Netflix, diese Entwicklungen als nicht dramatisch hinzustellen, und schon gar nicht als generelle Trendwende: Die Pandemie habe anfangs für überstarkes Kundenwachstum gesorgt, welches nun zu geringen Neukundenzahlen führe.

Ansonsten sehe sich Netflix gut für weiteres Wachstum aufgestellt. Etwa habe man auch in Gebieten, in denen neue Streaming-Konkurrenten in den Markt gekommen seien, Wachstum verzeichnen können. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum seien die Abonnentenzahlen um 6,7 Prozent angestiegen. Daneben verweist man darauf, dass sich die Rahmenbedingungen für Streaming weiter verbessern und so neue potentielle Kunden entstehen: Immer mehr Menschen auf der Welt erhalten Zugang zu schnellem Internet, immer mehr Zugang zu Smart-TVs (die meisten Netflix-Kunden konsumieren über den Fernseher).

Daneben verweist man auf die finanziellen Gewinne, die man erzielen konnte. Denn lange hatte Netflix seinen Ausbau auf Kredite gestützt, um mehr Geld in Film- und Serienware investieren zu können, als man sich eigentlich leisten konnte, wobei man zudem mit einer sehr geringen Marge zwischen Einnahmen und Ausgaben kalkuliert hatte. 2021 hatte man nun erstmals große Überschüsse ausgewiesen (fast zwei Milliarden US-Dollar pro Quartal, mit Ausnahme des schwachen vierten Quartals) – über das Gesamtjahr blieben fast 20 Prozent der Einnahmen als Gewinn.

Gegenmaßnahmen

Daneben verwies man bei der Mitteilung der Quartalszahlen darauf, dass man im Umgang mit dem nicht vertragsgemäßen Account-Sharing weiteres Wachstumspotential sieht: Von den 222 Millionen zahlenden Haushalten würden laut Netflix-Schätzungen Zugangsdaten mit 100 Millionen weiteren Haushalten geteilt, was laut Nutzungsbedingungen nicht gestattet ist. So sei die Erwartung, dass man etwa wie mit einem Pilotprojekt in Südamerika (fernsehserien.de berichtete) die Intensiv-Nutzer unter den 100 Millionen Haushalten zu einer – wie im südamerikanischen Pilotprojekt ggf. preislich reduzierten – Mitgliedschaft bringen könne.

Werbung „Ja“, Sport „Nein“?

Im Nachgang der Veröffentlichung der Quartalszahlen gestand Netflix-Ko-CEO Reed Hastings ein, dass sich Netflix vermutlich für Werbung öffnen müsse, um somit den Preis für die einfachsten Angebote zum Zugang zu Netflix zu senken. Bisher sei man ein großer Fan von Einfachheit gewesen, die durch Werbung zerstört werde. Aber nun gab sich Hastings als Champion der Kunden, die eben zum Teil einen geringeren Grundpreis für Netflix wollten.

Auf Rückfragen, ob Netflix nicht auch in einem Live-Sport-Angebot Wachstumschancen sehe (Prime Video in USA hat sich etwa Football-Rechte gesichert, in Deutschland gibt es ja Fußball), wiegelte Hastings ab. Zumindest sehe man darin aktuell keine große Chancen, weswegen man es auch nicht verfolgen werde. Hastings verwies aber auf den Erfolg der Doku „Formel 1: Drive to Survive“, der vielleicht den Weg zu einer Ausweitung der Sport-Doku-Sparte weisen könnte.

Algorithmus verbessern

Daneben ist es bei Netflix eher ein Weiter so: Man investiere weiter in weltweit erstellten Content, für den schon über 200 Millionen Haushalte bezahlen. Eine graduelle Verbesserung bringe zudem das System, dass die Nutzer nun nach dem Konsum besonders geschätzte Inhalte auch mit Zwei Daumen hoch bewerten könnten, was dem Empfehlungsalgorithmus verbesserte Hinweise gebe, um „noch passendere“ Sendungen zu empfehlen – ein Gewinn für die Abonnenten, für Netflix aber auch ein weiterer Schritt, die Kunden zufriedenzustellen und deren fortgesetztes Abo zu sichern.

Börsen-Watsche

Alles Relativieren und Schönreden von Zukunftsaussichten brachte kurzfristig natürlich nicht viel: „Die Börse“ will gute Quartalszahlen sehen, und viele Anleger sahen sich durch den Kundeneinbruch verschreckt – zumal auch die Analysten zuvor ein Kundenwachstum von 2,5 Millionen „vorhergesagt“ hatten, daneben auch 300 Millionen mehr Einnahmen im Quartal (7,93 Milliarden US-Dollar statt 7,868 Milliarden): Waren die Aktienpreise vor der Verkündung der jüngsten Daten noch um knapp drei Prozent nach oben auf 348,61 gestiegen, ging es danach bis unter 270 US-Dollar zurück.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1963) am

    Ich will ebenfalls keine Streaming Dienste. Erstens ist nicht sicher, wie lange ich einen Film oder Serie angeboten bekomme, Scheiben kann ich auch nach 20 Jahren noch anschauen, und habe obendrein bloß einmal dafür bezahlt. Zweitens muss ich meine Privatsphäre nicht opfern und mich vor den Anbietern nackt machen. Mein Medienkonsum ist einzige und alleine meine Privatangelegenheit und geht niemanden etwas an. In Zeiten immer stärker werdender Zensur und staatlicher Überwachung ist gerade bei diesem Thema wieder (leider) erhöhte Vorsicht geboten. Eigentlich ist es eine Schande für eine Demokratie, dass man als Bürger wieder so denken muss. Meine Freiheit ist mir durchaus diesen Platz im Regal Wert.
    • (geb. 1970) am

      Ich brauch den Quatsch von Streaming Diensten nicht.
      Die Filme oder Serien die ich mir ansehen will, habe ich auf Video oder DVD.
      • am

        noch mehr platz verschwenden in den regalen?? und nicht alles kommt auf dvd. Simpsons z.B nicht mehr auf dvd so weit ich weiß
        streaming is das neue dvd. Ich kaufe keine dvds mehr entweder leihe ich mir die von jemanden aus und machen mir ne mp4 wenns geht ansonsten streaming kb auf mehr müll im regal
      • (geb. 1970) am

        das ist für mich keine Verschwendung in den Regalen.
        Meine 9 Regale sind 1:1 Kopien von einer Videowand einer damaligen Videoverleihs.
        Da sind 6 Wände mit Videos und 3 Wände mit DVD's.
        Die 3. Wand ist noch gut 1/4 leer und wenns nötig ist bau ich mir noch die 10. Wand.
      • am

        Ich hab auch sämtliche Serien und viele Film-Klassiker auf DVD- und Blu-ray.
        Was Sie für Müll halten ist für mich Mehrwert, vor allem Steel- und Mediabooks sind zum Teil schon das doppelte bis dreifache wert...
        Verstehe diesen Streaming-Hype sowieso nicht, nervt auch schon manchmal, weil zu viel Werbung dafür gemacht wird.
    • (geb. 1970) am

      Bei den vielen Streamingdiensten die in letzter Zeit und noch zukünftig auf den Markt kommen, ist es kein Wunder, dass bei den "alten" die Kunden abwandern. Oder nur noch Zeitweise/monatlich sich anmelden, wenn eine Serie von Interesse ansteht. Die wird dann geschaut und danach gekündigt.

      Wenn man zudem bedenkt, dass viele Studios in den Streaming-Markt eintreten und einen großen Katalog von Filmen und Serien im Archiv haben. Wie zum Beispiel Disney+ mit den eigenen Produktionen und denen der verschiedenen Tochter-Studios wie z.B. Marvel Studios, Buena Vista, Touchstone & Co. Zusätzlich noch die Produktionen der 20th Century Fox. Dann Amazon Prime mit dem neuen MGM-Paket. Paramount+ mit den eigenen Produktionen wie "Star Trek: Strange New Worlds".

      Alle diese Studios lassen zudem die Lizenzverträge auslaufen, um die Produktionen dann im eigenen Dienst zeigen zu können. Das sorgt für einen Anbieter wie Netflix natürlich Probleme.
      • am

        Was ich bei Netflix richtig toll finde, sind die vielen internationalen Produktionen!
        • am

          also auch nicht-englischsprachige, meine ich damit
      • am

        Tja, die Zeiten des Ponyhofs neflix sind damit wohl endgültig vorbei.
        Willkommen in einem sehr kompetitiven Markt...! ;-)
        • (geb. 1956) am

          Ich denke das mal wieder in die verkehrte Richtung gedacht wird.
          Die ganze Anordnung der Filme ist katastrophal. Wenn ich nur noch mit Suchen beschäftigt bin, dann mache ich das Zeugs aus. Es sind keine Kategorien angelegt. Die Kennziffern dafür darf der User sich aus dem Net besorgen. Über PC paßt es, über Fernseher nutzen diese Kennziffern nichts.
          Neue Filme werden nur rudimentär angezeigt. Wer mehr neue Filme angezeigt bekommen möchte...suchen.
          Zusätzlich nimmt die Anzahl der schlechten bis grottenschlechten Filme überproportional zu. Dafür steigen die Preise genauso überproportional.
          Und dann ist da noch die Sachen mit den LSBGTTIQ. Ich mag damit nicht zugeschüttet werden. Es spricht nichts gegen solche Schauspieler. Die hat es früher auch gegeben. Im Gegensatz zu heute waren es SCHAUSPIELER und keine dritt- bis viertklassigen Erfüller irgendwelcher Quoten. Weniger ist oftmals mehr!
          Genauso ist es mit kleinen schreienden und kreischenden Kinderchen die die Welt retten. Kinder die die Welt retten hat es ebenfalls früher schon gegeben. Nur waren sie die Ausnahme und i.d.R. clever. es hat Spaß gemacht sich Verfilmungen von z.B. Enid Blyton anzusehen. Heute hingegen werden wir von kleinen, dummen, kreischenden Schreihälsen überflutet, die es i.d.R. so nicht gibt. Es wird und gezeigt wie absolute Dummheit und unfähigkeit über allem steht und immer siegt. Das ganze wird dann gekrönt von einer Garde an Schauspielern die oftmals noch nicht einmal in einem Laientheater eine Chance hätten.     Und da wundert Netflix sich über einen Rückgang der Zuschauer? Ich faß es nicht.
          • am

            Claridge - meine absolute Zustimmung!!!
          • am

            Ich stimme dem ebenfalls vollkommen zu. Ich werde nach Umbrella Academy dann erstmal pausieren. Bis dahin schaue ich noch den Rest von Last Kingdom und vielleicht noch die Sequels Die Erben der Erde und Yakamoz S-245.
          • am

            ich finde einige filme gut die produziert worden ka was du daran schlecht findest
          • (geb. 1956) am

            @ User_1151628
            Hab nirgends geschrieben daß ich alles als Schrott ansehe was auf Netflix läuft.

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