Christoph Biemann: „Ein Leben als Maus-Macher ist ein sinnvolles Leben“

Interview zum 50. Geburtstag der „Sendung mit der Maus“

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 07.03.2021, 11:00 Uhr

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WDR/​Annika Fußwinkel

fernsehserien.de: Im Gegensatz zu Armin Maiwald verhält sich Ihre Figur Christoph in den Filmen oft tollpatschig. Gefallen Sie sich in dieser Rolle?

Christoph Biemann: Ja, denn das bringt den Kindern viel Spaß und ich fühle mich in der Rolle wohl. Wer mich kennt, weiß ja, dass es nur eine Rolle ist und ich im echten Leben nicht ganz so tollpatschig bin. Sonst wollte mich wohl niemand heiraten. Mit zunehmendem Alter falle ich auch nicht mehr so viel in Flüsse rein (lacht)!

Ein anderes Markenzeichen von Ihnen ist der grüne Pullover, den sie seit Jahrzehnten stets in der „Sendung mit der Maus“ tragen. Gab es irgendwann mal die Überlegung, damit aufzuhören?

Christoph Biemann: Die Überlegung gab es natürlich, aber ich werde ihn einfach nicht los (lacht)! Er ist zwar etwas zu figurbetont, aber mit diesem Markenzeichen kann ich eigentlich trotzdem gut leben.

Werden Sie überhaupt auf der Straße erkannt, wenn Sie den grünen Pullover nicht tragen?

Christoph Biemann: Deutlich seltener (lacht), das ist auch ein Vorteil!

Gibt es bestimmte Sachgeschichten aus der „Sendung mit der Maus“, die Ihnen in den vielen Jahren am besten gefallen haben und nachhaltig in Erinnerung geblieben sind?

Christoph Biemann: Ja, die gibt es, allen voran die Atom-Maus. Ich habe mich am Anfang sehr dagegen gesträubt, aus dem einfachen Grund, dass man weder die winzig kleinen Atome noch den Strom sehen kann. Für einen Filmemacher ist das im Prinzip eine Katastrophe. Ich habe es dann aber doch gemacht und es ist eine legendäre Geschichte geworden, denn dort ist der grüne Pulli entstanden. Es war mir klar, dass es viele Drehtage dauern wird mit vielen Nachdrehs, um daran zu feilen. Ich habe mir gesagt: Okay, dann muss ich immer dasselbe anhaben. Ich hatte zwei grüne Pullis im Schrank, in anderen Farben nur einen. Also ist es der Grüne geworden. Als die Atom-Maus fertig war, war ich auch richtig stolz darauf, dass wir einen Film über ein so kontroverses und schwieriges Thema hingekriegt haben.

Wie lange dauert es im Schnitt von der Idee für eine Sachgeschichte bis zum fertigen Film?

Christoph Biemann: Die Atom-Maus dauerte zwei Jahre lang. Und gerade haben wir einen Film über die Wärmepumpe fertiggestellt, an dem ich vier Jahre lang gearbeitet habe. Das Drehen kostet gar nicht so viel Zeit. Das Problem ist eher, dass ich mich in das jeweilige Thema selber erst richtig einarbeiten muss, um es auch wirklich zu verstehen – und zwar so richtig gut, dass ich auch Entscheidungen darüber treffen kann, was wichtig ist und was man weglassen kann. Ich muss selbst neugierig sein und muss die Antwort selbst wissen wollen. Ich bin immer wieder erstaunt, was sich hinter manchen Fragen so auftut.

Gibt es denn auch eine Deadline, bis wann ein bestimmter Film fertig sein muss oder sind Sie da recht frei, weil kurzfristig entschieden werden kann, welcher Film in welcher Folge gezeigt wird?

Christoph Biemann: Ich habe mit meiner Firma einen Vertrag mit dem WDR. Ich mache etwa 15 Filme im Jahr und die muss ich zum Ende des Jahres abliefern. Welcher Film dabei ist und welcher nicht, das kann ich beeinflussen. Ich kann sagen, dass wir einen bestimmten Film noch liegenlassen, weil er noch reifen muss und stattdessen einen anderen fertigstellen.

Christoph Biemann, Siham El-Maimouni und Armin Maiwald feiern mit der Maus WDR/​Michael Schwettmann

Wie schwierig ist es eigentlich, nach so einer langen Zeit noch neue, interessante Themen zu finden?

Christoph Biemann: Die Kinder haben immer noch interessante Fragen, die sie uns stellen. Die Welt ändert sich heutzutage ja sogar schneller als früher, so dass auch immer neue Fragen aufkommen, die früher nicht da waren. Zum Beispiel haben wir heute ganz oft die Frage Wie funktioniert das?, während es früher eher um Wie wird etwas gemacht? ging. Auch Recycling-Fragen wie Was passiert damit, wenn man es nicht mehr braucht? kommen ganz oft. Das war zu Beginn der Maus gesellschaftlich überhaupt kein Thema, da hat es eine Verlagerung gegeben.

Was sind Ihrer Ansicht nach wichtige Voraussetzungen oder auch Regeln, um eine gute Sachgeschichte zu erzählen?

Christoph Biemann: Regel Nummer 1: Man muss so erklären, dass man verstanden wird. Regel Nummer 2: Man muss eine Geschichte erzählen, in der geklärt wird, worum es geht und warum man etwas erzählt. Regel Nummer 3: Man muss mit Bildern erzählen, denn man sollte nicht einfach sagen: Da gibt es einen Strom, das macht der Computer. Es gilt, so viel wie möglich konkret mit Bildern zu erzählen, um es so anschaulich wie möglich zu machen.

Als Experte auch bei „Frag doch mal die Maus“: Christoph Biemann WDR/​Ben Knabe

Das Angebot für Kinder ist seit den 1970er Jahren enorm gewachsen. Es gibt diverse Kinderkanäle, YouTube und Streamingdienste. Ist es heute schwieriger als früher, Kinder für „Die Sendung mit der Maus“ zu gewinnen?

Christoph Biemann: Ja, das Angebot ist größer als früher, während der Kuchen gleich groß geblieben ist, das heißt die Zeit der Kinder ist natürlich begrenzt. Wir haben den Vorteil, dass viele Eltern sagen: Wir gucken nicht viel fern, aber ‚Die Sendung mit der Maus‘ gucken wir. Das liegt natürlich auch daran, dass viele Eltern selbst als Kinder die Maus geguckt haben und wissen, was dort geboten wird.

Seit 15 Jahren gibt es mittlerweile auch die große Abendshow „Frag doch mal die Maus“, zunächst moderiert von Jörg Pilawa und inzwischen von Eckart von Hirschhausen. Hätte es Sie eigentlich gereizt, die Sendung selbst zu moderieren – vielleicht gemeinsam mit Armin Maiwald und Ralph Caspers?

Christoph Biemann: Nein, das ist nicht wirklich meine Welt. Dafür brenne ich überhaupt nicht und das sollen andere machen, die es können. Ich finde, dass es eine großartige Leistung ist, durch so eine dreistündige Sendung zu führen. Eckart von Hirschhausen ist danach auch immer ziemlich fertig (lacht), daher würde ich das gar nicht machen wollen. Beim Ralph könnte ich mir das aber durchaus vorstellen, der hätte bestimmt Spaß daran.

Sie sind der „Sendung mit der Maus“ so viele Jahrzehnte lang treu geblieben. Hat es Sie nie gereizt, auch mal ins sogenannte Fernsehen für Erwachsene zu wechseln?

Christoph Biemann: Ich habe ja Film studiert, daher fände ich es auch spannend, mal ’nen Kinofilm zu machen oder beim „Tatort“ Regie zu führen. Aber man ist natürlich auch irgendwo in der Schublade Kinderfernsehen drin und es ist nicht so leicht, dann etwas anderes zu machen. Handwerklich würde es mir aber schon Spaß machen.

Christoph Biemann, Ralph Caspers und Clarissa Corrêa da Silva feiern 50 Jahre Maus WDR/​Annika Fusswinkel

Wie lange möchten Sie der „Sendung mit der Maus“ noch erhalten bleiben? Haben Sie sich selbst eine Zeitspanne gesetzt, wie lange Sie noch aktiver Teil des Maus-Teams bleiben möchten?

Christoph Biemann: Wenn es nach Möchten geht, kann ich ganz klar sagen: Bis zu meinem Tod – oder darüber hinaus! Es wird schon diskutiert, dass man mich so aufzeichnet, dass ich auch nach meinem Tod noch agieren kann – kleiner Scherz (lacht)! Es wird hoffentlich auch weiterhin so gesehen, dass die Maus ein Familienprogramm ist, in dem auch mit den Protagonisten eine Familie abgebildet wird. Armin und ich sind die Opas, Ralph ist die Elterngeneration und dann gibt es die jüngere Generation. Gott sei Dank muss man im Kinderfernsehen nicht zwingend Kind sein. Es gibt keine Altersgrenze und darüber bin ich auch ganz froh.

Hoffentlich können wir Sie noch lange bei der „Sendung mit der Maus“ sehen. Vielen Dank für das interessante und ausführliche Gespräch und alles Gute für die Zukunft!

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1980) am

    Sehr schönes Interview! Schade, dass es zu dieser TV-Legende kein vernünftiges "Maklng-of-Buch"/Kompendium gibt. Der Markt wäre da und genug Material ja sowieso. Ich habe leider im Moment zu viele andere Projekte zum Selbermachen. Aber kaufen würde ich es.

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