Englisch flirten!
WDR-Bildungsfernsehen als Liebesgeschichte
Jutta Zniva – 19.08.2006
Der WDR dreht derzeit in Köln eine zwölfteilige Daily Soap, die 2007 frühmorgens im Schulfernsehen gezeigt wird. „Flirt English“ richtet sich an Hauptschüler ab der siebten Klasse und thematisiert einen durchaus einleuchtenden Anreiz für den Spracherwerb: die Liebe.
„Flirt English“ wurde vom WDR gemeinsam mit der englischen Firma Footstep Productions entwickelt und begleitet den jungen Can bei seiner Annäherung an die Engländerin Julie. Cans Englisch ist weit entfernt von Perfektion ist, und Julie wiederum versteht kein einziges Wort Deutsch.
Nicht nur das Format einer Soap ist auf dem Gebiet des Bildungsfernsehens ein erfrischendes, sondern auch das pädagogische Konzept: Die beiden Protagonisten der Mini-Serie sprechen Englisch mit starkem Akzent oder in ihrer Muttersprache Deutsch. Wie gutes Englisch klingt, können die Zuschauer bei Julie und deren Freundin Nina hören.
„Durch die Zweisprachigkeit können auch Schüler mit schlechten Englisch-Kenntnissen der Geschichte ohne Frust folgen – der Spaß bleibt“, erklärt WDR-Redakteurin Christiane Lelgeland im „Kölner Stdtanzeiger“. Außerdem hätten sich, so Birgit Keller-Reddemann von der WDR-Redaktion Bildung, die meisten Sprachsendungen bisher mit Dokumentationen und Reportagen vornehmlich an Oberstufenschüler gerichtet: „Wir haben die Hauptschüler lange vernachlässigt“.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
experte am via tvforen.de
wunschliste.de schrieb:
> Nicht nur das Format einer Soap ist auf dem Gebiet des
> Bildungsfernsehens ein erfrischendes, sondern auch das
> pädagogische Konzept: Die beiden Protagonisten der Mini-Serie
> sprechen Englisch mit starkem Akzent oder in ihrer
> Muttersprache Deutsch. Wie gutes Englisch klingt, können die
> Zuschauer bei Julie und deren Freundin Nina hören.
Keine gute Idee. Warum schlechte Sprachvorbilder präsentieren?Baby Jane am via tvforen.de
experte schrieb:
> Keine gute Idee. Warum schlechte Sprachvorbilder präsentieren?
Möglicherweise, damit sich Schüler, die selber nicht besonders gut in Englisch sind, auch (und trotzdem) zu reden trauen. Quasi: Hemmschwelle runtersetzen.
Wobei wir seinerzeit in Fachdidaktik auch gelernt haben, dass man dem Schüler in der Fremdsprache nie was "Falsches" präsentieren soll - weder mündlich noch schriftlich. Aber vielleicht ist dieser Ansatz auch schon veraltet.
Pete Morgan am via tvforen.de
Ein hehres Anliegen des WDR. Ich unterrichte selbst Englisch und weiß, welche Defizite viele - zu viele - Schüler in der englischen Sprache haben. Doch bezweifle ich, dass die Rechnung aufgeht. Selbst wenn man Englischunterricht als Soap verpackt, wird vermutlich nur ein relativ geringer Prozentsatz der Zielgruppe, also der Schüler ab Klasse 7, dieses Bildungsprogramm schauen. Ich habe in vielen Gesprächen mit Jugendlichen die Erfahrung gemacht, dass Bildungsprogramme überhaupt nicht angesagt sind und überwiegend keine Ambitionen bestehen, Englisch zu lernen oder der Englischunterricht zu den meistgehassten Fächern überhaupt gehört. Das mag vielleicht an der völlig unanttraktiven Art liegen, wie in den meisten Schulen der Unterricht aufgebaut sind, an den langweiligen Beiträgen in den Englischbüchern, oder an der Unfähigkeit mancher Lehrer. Es mag aber auch am generellen Desinteresse der Zielgruppe liegen, sich zu bilden.
Hinzu kommt, dass die Englisch-Doku, die ich im Übrigen begrüße, zu einem völlig unmöglichen Zeitpunkt ausgestrahlt wird. Frühmorgens haben Jugendliche, wenn sie nicht gerade allein zuhause sind, andere Sorgen als fern zu sehen. In Familien, in denen mehrere Geschwister zur Schule müssen, herrscht frühmorgens Chaos, und wenn jüngere Geschwister da sind, wird allenfalls Kinderprogramm geschaut vor dem Gang zur Schule, also Zeichentrick a la Sponge Bob. Somit macht eine solche Soap nur Sinn, wenn sie zu einem Zeitpunkt ausgestrahlt würde, zu dem die angesprochenen Schüler auch zuhause sind. Also am besten so zwischen 16 und 17 Uhr nachmittags (viele Schüler haben Nachmittagsunterricht und kommen erst gegen 16 Uhr nach Hause). Aber auch dann denke ich, werden die Schüler andere Interessen haben, als sich noch ne halbe Stunde lang Bildungsprogramm reinzuziehen.
Ich befürchte, dass das gewünschte Ziel mit dieser Soap nicht erreicht wird. Ich denke, am besten würde sich die Soap als Unterrichtsmaterial, beispielsweise im Rahmen einer nachmittäglichen Englisch-AG, oder als Begleitmaterial für den morgendlichen Unterricht eignen. Eine günstige DVD-Edition wäre unter Umständen sogar zur Unterstützung des privaten Büffelns hilfreich. Im Frühfernsehen ist diese Soap allerdings meines Erachtens völlig fehl am Platz und rausgeschmissenes Geld.
Guter Ansatz, schlechte Umsetzung.
Der Lonewolf Pete