ARD-Vorsitzender: „Ich bin auch keiner mehr, der noch linear Fernsehen guckt“

„Völlig anderes Publikum“ in ARD Mediathek und im linearen Angebot

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 07.04.2025, 19:57 Uhr

Florian Hager, ARD-Vorsitzender und Intendant des Hessischen Rundfunks – Bild: HR/Tim Thie
Florian Hager, ARD-Vorsitzender und Intendant des Hessischen Rundfunks

Im Zuge der Jubiläumsfeierlichkeiten zu „75 Jahre ARD“ gaben sich auch die Verantwortlichen in Sondersendungen die Ehre. In der Call-in-Sendung „Blue Moon“ des rbb-Radiosenders Fritz war vergangene Woche der ARD-Vorsitzende Florian Hager zu Gast. Er stand der Moderatorin Clara Ehrmann sowie den anrufenden Hörern Rede und Antwort – und tätigte dabei einige durchaus bemerkenswerte Aussagen.

Ich bin auch keiner mehr, der noch linear Fernsehen guckt, teilt der 48-jährige ARD-Vorsitzende Florian Hager, der gleichzeitig auch Intendant des Hessischen Rundfunks ist, unverblümt mit: Ich habe vier Kinder, die den Fernseher zwar nutzen, aber da läuft kein lineares Fernsehen. Er findet es nicht falsch, dass jemand wie er in einer zentralen Funktion ist, der Medien nicht mehr klassisch konsumiert. Ich kriege natürlich total viele Inhalte mit, aber ich nutze sie nicht linear. Radiomoderatorin Clara Ehrmann gesteht daraufhin, selbst gar keinen Fernseher mehr zu besitzen.

„Bei jungen Menschen reden wir in der ARD von Unter-60-Jährigen“

In die Zukunft gerichtet, müsse die ARD für alle ein Angebot machen. Wir haben für bestimmte Zielgruppen nicht genügend Inhalte – allen voran für jüngere Menschen, die nicht mehr klassisch linear fernsehen und die man bisher vernachlässigt habe, während man für ältere Menschen derzeit wahrscheinlich ein Überangebot habe. Bei jungen Menschen reden wir in der ARD von Unter-60-Jährigen, so Hager. Es müsse da eine Umverteilung der Ressourcen geben, um auch die Lebenswirklichkeit und die Themen jüngerer Menschen stärker abzubilden, um nicht die Relevanz zu verlieren.

Völlig den Anschluss zur Jugend habe man aber nicht verloren, betont Florian Hager. Die ‚Tagesschau‘ ist das erfolgreichste Informationsformat auf TikTok und Instagram. Das muss man ja auch erst mal hinkriegen. Und weiter: Wenn man sich Mediatheken von ARD und ZDF zusammendenkt, dann haben wir mehr Reichweite als Netflix in Deutschland.

Linear vs. Mediathek: „Da ist einfach ein völlig anderes Publikum unterwegs“

Ein Anrufer in der Sendung würde sich wünschen, dass die „coolen“ und jüngeren Produktionen nicht nur in der ARD Mediathek veröffentlicht werden, sondern auch prominent im Hauptprogramm des Ersten ausgestrahlt werden. Darauf entgegnet Florian Hager allerdings: Da würde das dann aber nicht nicht sein Publikum finden. Weil die Menschen, die das gucken, gucken zum Großteil einfach kein Fernsehen mehr. Deshalb halte ich es für eine Riesenchance, dass wir verschiedene Zielgruppen auf verschiedenen Ausspielwegen erreichen können.

Der ARD-Vorsitzende erläutert: Wenn du dir anschaust, wer an einem normalen Wochentag um 20:15 Uhr Fernsehen guckt, dann sind das einfach nicht die Menschen, die da jetzt irgendeine junge Serie sehen wollen. Das würde da nicht funktionieren. Das ist eine Aussage, die ziemlich tief blicken lässt. Denn durch die Blume sagt Florian Hager damit, dass die ARD inzwischen klar trennt zwischen Inhalten für die (vorwiegend älteren) Leute, die noch linear fernsehen, und Inhalten, die speziell für die Mediathek produziert werden, wo man es auf die junge Zielgruppe abgesehen hat. Da ist einfach ein völlig anderes Publikum unterwegs. Ich halte nichts davon, das auch im linearen Fernsehen zu senden, meint Hager und berücksichtigt offenbar nicht, dass es nicht wenige ältere Leute gibt, die ebenfalls Mediatheken und Streamingdienste nutzen.

Daraus kann auch abgeleitet werden, dass man es offenbar für unvorstellbar hält, dass die etwas experimentelleren und moderner erzählten Inhalte auch beim älteren Publikum auf Zuspruch stoßen könnten, weshalb man sie ihm lieber gar nicht erst zumuten möchte. Die ARD Mediathek fungiert sozusagen als Anlaufstelle für die mutigen und ungewöhnlichen Inhalte, während man das übrig gebliebene, ältere lineare Stammpublikum im Ersten ganz gezielt mit Krimi-Einheitsbrei, Telenovelas und seichten Freitagskomödien einlullt. Die Annahme, dass junge Leute kein Interesse mehr am linearen Fernsehen haben, stimmt natürlich auch nur bedingt. Fast täglich ist die 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ schließlich beim jungen Publikum die meistgesehene Sendung. Zudem punktet Das Erste linear in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen regelmäßig mit den Samstagabendshows, dem „Tatort“ und natürlich Live-Sport.

„Wer hat nachmittags Zeit, Fernsehen zu gucken?“

Ein anderer User bemängelt, dass auf den vielen Sendern der ARD gerade nachmittags in hohem Maße die gleichen Sendungen und Wiederholungen gezeigt werden [allen voran Quizshows, Vorabendserien und Telenovelas], anstatt aus dem reichhaltigen Archiv aus 75 Jahren ARD zu schöpfen und unterschiedliche Sendungen auszustrahlen. Darauf antwortet der ARD-Vorsitzende ausweichend:

Wir gucken natürlich schon, wo wir mit welchen Inhalten welche Zielgruppen erreichen und wir mit dem Beitrag, den wir haben, möglichst viele Inhalte generieren könnten. Wir wissen ziemlich genau, wann wer vor dem Fernseher sitzt, und wie man dann die Inhalte strukturiert, damit man möglichst viele Menschen erreicht. Nachmittags ist es total sinnvoll, an manchen Stellen auch Wiederholungen zu senden. Denn wer hat nachmittags Zeit, Fernsehen zu gucken? [ …] Ich glaube, relativ viele Menschen nutzen das lineare Fernsehen dann eben nicht mehr, gerade jüngere Menschen. Und dann ist es eben sinnvoller, etwas in der ARD Mediathek anzubieten. Da spielt ja auch die Uhrzeit keine Rolle. Man wolle vor allem ins Digitale investieren. Und weil wir ja nicht mehr Geld kriegen für das Digitale, können wir an anderer Stelle weniger investieren. Dann ist das eben so, dass wir in den linearen Programmen öfter Wiederholungen zeigen.

„Wir machen die Inhalte, weil wir sie für inhaltlich notwendig halten“

Auch die Wichtigkeit der Öffentlich-Rechtlichen für die Gesellschaft in Bezug auf Information betont Hager: Dass die ‚Tagesschau‘ da ist, selbst wenn du sie nicht nutzt, führt dazu, dass bei RTL oder anderen eben nicht kompletter Quatsch erzählt werden kann, weil du theoretisch die Möglichkeit hast, es zu verifizieren. Im Gegensatz zu privaten Anbietern sei man nicht abhängig von der Werbung. Wir haben die Möglichkeit, einfach völlig unabhängig von irgendwelchen Playern die Inhalte zu machen, die sinnvoll sind. Wir müssen nicht darauf gucken, dass sich der Werbeslot vor oder nach dem Programm gut verkauft, oder dass die Inhalte so sind, dass der Werbepartner nicht geschädigt ist. Wir machen die Inhalte, weil wir sie für inhaltlich notwendig halten.

Die komplette „Blue Moon“-Sendung vom 2. April zum Thema „Eure Fragen zur ARD“ ist in der ARD Audiothek nachträglich als Podcast verfügbar.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Ich weiß zwar nicht, was die Mehrheit der Ü60er so schaut, mich spricht das Programm so überhaupt nicht an. Von den ewigen Wiederholungen, Quizshows etc. wird so viel gesendet, dass man ARD schon nicht mehr schaut, Nicht einmal die Tagesschau. Zum Glück kann man sich auch woanders informieren. Das Programm ist eher altbacken, nur weil man älter ist, heißt es nicht, dass es einem gefällt. Man hinkt hinterher und holt auch nicht mehr auf. Außer diese unsäglichen Soaps wird kaum etwas interessantes gedreht. Wo bleiben gute und vor allem neue Serien? Filme? ZDF ist da auch nicht viel besser. Jeder soll schauen was er mag,, aber das die Ü60 zu viel vertreten sind, wage ich bei dauernden Wiederholungen und Quizshows zu bezweifeln. Wenn dann geht Herr Hager wohl eher von seinem Eindruck aus, was ältere Menschen sehen wollen. Vielleicht gehe ich aber auch nur von mir aus, mir ist das Angebot nicht gut genug und daher meide ich ARD und schaue eher selten ZDF oder die >Dritten. Nur wenn mich etwas anspricht, was eher selten der Fall ist.
    • (geb. 1960) am

      Bin ein 64 jähriger leider in einem E-Rollstuhl lebender Rollstuhlfahrer der sein Heim als Hausknast nun erleben muss - nein darf und somit sich auf ein etwas noch irgendwie brauchbares TV Programm gefreut hat. DAS hat nun wahrscheinlich der Herr Florian Hager aus seiner Tagesgewohnheit total UNERFAHREN bei schwerbehinderten Menschen überdacht sowie übersehen ! WIR schauen IMMER NOCH ganz NORMAL Fernsehen mit einem TV an der Wand und "einem von Herrn Dieter Bohlen genannten Anbieter" mit welchem man zudem auch sehr viel aufzeichnen kann !

      Nun wurde jedoch der TV Vormittag auf ARD vollständig gesprengt: Die beiden Serien "WAPO Berlin" sowie "Großstadtrevier" waren plötzlich weg und sind ersetzt worden mit dieser (sorry, aber da muss ich mich echt schwer zusammenreißen, um nicht auszusprechen, was ich dazu wirklich denke!) unfassbar schlechten Serie mit den "besonders intelligenten sogenannten Polizisten "HUBERT & SCHALLER ! Wer schaut sich in unserem Alter so einen Mist bitte an ? Sorry für den Wortbegriff - jedoch finde ich bedauerlicherweise keine leichtere Benennung zu einer derartigen Intelligenz !

      Danach folgt jetzt wieder zur weiteren Wiederholung das TEAM "Morden im Norden, was HUBERT & SCHALLER um Längen schlägt, aber mit WAPO Berlin und dem Großstadtrevier niemals mithalten kann !

      Und diese völlig sinnfreien nur noch weniger spannenden nervigen Shows am Vormittag beweisen leider, dass der ARD gar nichts besseres mehr einfallen will - das braucht niemand an einem Vormittag ! Dann diese Sportreportagen - da bekommt man steigenden Blutdruck mit weil sie teilweise im Ersten und dem ZDF zugleich ausgestrahlt werden - TV AUS - RUHE ISS damit !

      Das ältere Menschen sich DIGITAL bewegen ist falsch ! Nicht nur meine Wenigkeit als ein 60 Jahrgang nutzt das gar nicht und wenn ab und an kaum nennenswert die Mediathek um versäumte Nachrichten und Informationen nachschauen zu können. INSTAGRAMM nutze ich 0 % - hab noch Facebook und WhatsApp und dann isses digital auch schon vorbei - TV - Fernbedienung inne Hand, Glotze an und Rouellette Tisch in der Hoffnung, es läuft etwas brauchbares.

      Macht endlich wie hier auch sehr gut vorgeschlagen Mal etwas besseres und kommt von dieser unsinnigen Digitalwelle wieder runter. Gerade die älteren Semester in Wohnheimen aller Art nutzen das nicht !!
      • (geb. 1978) am

        Klingt als schließe da mal wieder jemand von sich auf andere. Ich gucke auch noch linear und greife nur im Notfall auf die Mediathek zurück. Die interessanten Sendungen habe ich schon gesehen, der Rest würde mich linear wie online nicht interessieren. Ich denke, den Programmgestaltern fehlt einfach der Mut zur Hauptsendezeit etwas zu senden, was womöglich das Ü60 Publikum verprellen könnte. Die Sendungen werden dann mit Hinweis auf die Mediathek ins Nachtprogramm verschoben. Und wehe, es wird mal von Krimi oder woker Comedy abgewichen.
        • (geb. 1954) am

          Mit Ü70 schaut man schon noch gewohnheitsmäßig linear. Allerdings habe ich mittlerweile auch 3 (in Worten: Drei) Festplatten-Recorder parallel laufen , um mir Sendungen selbst aufzuzeichnen und dann gezielt nach meinen Zeit-Recourcen anzuschauen. Warum das? Die ZDF-Mediathek läuft bei mir nicht stabil Sie startet manchmal gar nicht, oder sie bricht auch mal unvermittelt im Programm ab. Besser kommt bei mir (via Kabel) die ARD-Mediathek durch, die ja auch neuerdings Zugrif auf ZDF-Sendungen hat. Egal wie - Werbung wird bei mir immer überzappt, die schaue ich mir gar nicht an. Insgesamt bin ich so sehr zufrieden mit "meinen" Programm-Gestaltungen.
          • (geb. 1999) am

            Was soll ich sagen...ich bin Teil der jungen Menschen unter 60 und schaue trotzdem noch sehr regelmäßig linear.
            Und obwohl ich sogar sehr jung bin (unter 25) schaue ich wahrscheinlich sogar im Verhältnis weniger in der Mediathek als linear.
            • am

              Ich halte es für bedenklich und auch falsch, Inhalte für Alt vs. Jung beziehungsweise Linear vs. Mediathek zu trennen und zu glauben, dass der Publikumsgeschmack so elementar auseinanderdriftet. Ist jedenfalls sehr aufschlussreich, wie der ARD-Vorsitzende so denkt.
              • (geb. 1984) am

                Also ich nutzte das lineare Fernsehen nach wie vor. Jedoch schaue ich mir die meisten Sendungen nicht live sondern zeitversetzt an. Nehme mir die alle über einen Festplattenrekorder auf. So muss ich mir die lästige Werbung im privaten Fernsehen nicht antun.
                Streaming, für das ich zusätzlich bezahlen muss, kommt für mich schlicht nicht in Frage.
                • am

                  Da ich lineares TV seit 10 Jahren nicht mehr nutze, finde ich die Aussage von Florian Hager nicht sonderlich bemerkenswert. Nur weil er irgendwo ARD Vorsitzender ist, kann er doch in der Freizeit Medien nutzen, wie er es für richtig hält.
                  • (geb. 1982) am

                    Das mit den Wiederholungen am Nachmittag stimmt leider. Es gäbe wirklich so viele tolle Serien aus dem ARD Archiv, die es verdient hätten mal wieder gesendet zu werden. Mediathek schön und gut, aber solche Perlen sucht man da ja vergebens (bis auf das was ja eh im Programm wiederholt wird...). Mittschnittservice gibt's ja leider mittlerweile auch so gut wie keinen mehr um noch an solche Sendungen zu gelangen.
                    • am

                      Bei vielen Klassikern gibt es bei der ARD ein Rechteproblem, vor allem bei den Vorabend-Serien aus der Werbefernsehzeit. Da liegen leider die Rechte oft bei den dafür gegründeten Firmen die es nicht mehr gibt. Siehe die 3 Damen vom Grill. Auch die Nachwende-Polizeiruf 110 aus den 90ern können teilweise nicht wiederholt werden weil die Rechte bei irgendwelchen nicht mehr existierenden Produktionsfirmen liegen. Hier sollte mal Geld in die Hand genommen werden um das zu regeln und dafür auf die ganzen Sportübertragungen verzichten.
                    • (geb. 1964) am

                      @Old_school


                      Da muss ich dir Recht geben! Der
                      Profisport ist ohnehin kaum noch Glaubwürdig. 
                      Unverhältnismäßig hoch bezahlt und durch und durch korrupt!

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