Geschichte im Südwesten Folge 45: 200 Jahre Preußen am Rhein – Nachwirkungen einer schwierigen Beziehung
Folge 45
45. 200 Jahre Preußen am Rhein – Nachwirkungen einer schwierigen Beziehung
Folge 45
Wenn in der Fastnacht und im Karneval alljährlich das preußische Militär veräppelt wird, ist das ein letzter Reflex auf ferne Zeiten, als die Preußen im Rheinland das Sagen hatten. Aber was weiß man heute sonst noch von den Preußen? Ist den Rheinländern bewusst, was die Preußen ihnen gebracht haben? Zwei Drittel des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz sind Teile der ehemaligen preußischen Rheinprovinz. Preußen und Rheinländer – das war eine Zwangsehe, arrangiert auf dem Wiener Kongress, als die europäische Landkarte neu gestaltet wurde. Natürlich über die Köpfe der Menschen hinweg, die sich nach der napoleonischen Ära mehr Freiheiten erhofft hatten. Die eher liberalen Rheinländer hatten viele Früchte der französischen Revolution geerntet, darunter ein fortschrittliches Rechtssystem. Unterm Krummstab lebte es sich nicht schlecht: Leben und leben lassen, lautete die Devise. Am Rhein hatte man kein ausgeprägtes Nationalgefühl – schon zu viele Herren waren gekommen und gegangen. Diese rheinische Gesellschaft sollte nun in das preußische Staatswesen integriert
werden. Der preußische König Wilhelm III. versprach den Rheinländer viel – und hielt fast nichts. Bald fanden sich die Rheinländer in einem Polizeistaat mit ausgeprägtem Spitzelsystem wieder. Die Hoffnung einer ganzen Generation auf bürgerliche Freiheiten wurde enttäuscht. Zunächst hatte der preußische Obrigkeitsstaat keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit. Und doch brachten die Preußen das Land voran. Die Preußischen Prinzen erlagen der Rheinromantik, sie ließen die große Vergangenheit der Region wieder aufleben. Sie bauten Burgen wieder auf, sicherten die römischen Reste in Trier, bauten bedeutende Museen. All diese Bauprojekte dienten zur Herrscherlegitimation der Hohenzollern, die sich nun im imperialen Glanz der römischen und mittelalterlichen Kaiser sonnen konnten. Das Erbe der Preußen ist zwiespältig: auf der einen Seite allgemeine Schulpflicht, effektive Verwaltung und Industrialisierung, auf der anderen Seite politische Bevormundung, Unterdrückung, Kulturkampf und Militarismus. Die positiven Aspekte der Preußenherrschaft haben jedoch die Zeiten überdauert. (Text: SWR)