Nachlass

D 2018 (108 Min.)
  • Dokumentation
Kriegsspuren: Barbara Brix zeigt anhand alter Fotos, wie sich ihr Vater durch den zweiten Weltkrieg auch äußerlich verändert hat. – Bild: ZDF und Christoph Hübner.
Kriegsspuren: Barbara Brix zeigt anhand alter Fotos, wie sich ihr Vater durch den zweiten Weltkrieg auch äußerlich verändert hat.

Das familiäre Erbe von Schuld, Scham und Schmerz wirkt in den Kindern und Enkeln der deutschen Kriegsgeneration weiter. Ihre Aufgabe ist es, das Schweigen der Väter zu brechen. In Gesprächen mit sieben Nachkommen von NS-Tätern und Opfern geht der Film ihren Bewältigungsversuchen der unfasslichen Verbrechen nach, getrieben von dem Wunsch, sich von der Last verdrängter Schuld zu befreien. Wie geht man damit um, wenn man erfährt, dass der eigene Vater an Kriegsverbrechen wie der Erschießung hunderter Menschen beteiligt war? „Nachlass – lass nach“ schreibt einer der Protagonisten, Sohn eines von Hitler mehrfach ausgezeichneten Kampffliegers auf ein Gemälde.

Er erzählt, wie er damit versucht, die Schwere von dessen Erbe künstlerisch zu verarbeiten. Dann ist da der Chemiker, dessen Vater Polizeiführer bei den Einsatzgruppen war, verantwortlich für die Ermordung tausender Menschen. Da ist die ehemalige Gymnasiallehrerin, deren Vater SS-Arzt war. Immer noch hofft sie, dass ihr Vater nicht selbst geschossen hat.

Da ist die Psychologin, deren Vater ein ranghoher SS-Mann war. Sie heilt die Traumata anderer und versucht auch ihres zu ergründen. Und da ist ihr jüdischer Kollege, dessen Großeltern in Ungarn ermordet wurden. Beide sind Mitglied einer Dialoggruppe von Kindern aus Täter- und Opferfamilien. Sie sprechen über Wut, Scham und Vergebung. Und da ist der Sohn der Psychotherapeutin und Enkel des Nazi-Großvaters. Er nähert sich als junger Filmemacher – schon mit einer gewissen Distanz – der Nazigeschichte in der Familie.

Und nicht zuletzt ist da die junge Israelin, Historikerin und Enkelin eines Ausschwitz-Überlebenden, die zum Studieren nach Deutschland gegangen ist und sich für die Motive der Täter interessiert. Sie macht Führungen in der Gedenkstätte „Topografie der Terrors“ in Berlin. Als sie zusammen mit ihrem Großvater Ausschwitz besuchte, war es ihr unmöglich, professionelle Distanz als Historikerin zu wahren: Durch ihn wurden die Leiden, die er an diesem – heute zum Museum gewordenen – Ort erlebte, real, und sie verstummte.

Christoph Hübner und Gabriele Voss montieren die Gespräche so, dass der Zuschauer sich mit den Protagonisten zunächst der Entdeckung des „Nachlasses“ ihrer Väter annähert, über das in den Familien geschwiegen wurde. Sodann werden ihre zum Teil wechselvolle Bewältigungsversuche nachvollzogen, durch die sie ihre eigenen Kinder entlasten und eine Haltung für die Zukunft gewinnen wollen. Zwischen die Gespräche werden unkommentiert Beobachtungen von Orten gesetzt, die Ausdruck der deutschen Erinnerungskultur sind oder auf die noch lange nicht abgeschlossene Arbeit der Aufklärung von Kriegsverbrechen verweisen.

Christoph Hübner, Jahrgang 1948, ist Autor, Regisseur und Produzent. Für seine Filme erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Im Kino waren zuletzt zu sehen „Vincent van Gogh – Der Weg nach Courrières“, das Langzeitprojekt über junge Fußballer „Die Champions“ und „HalbZeit“, die Filmbiografie „Thomas Harlan Wandersplitter“ und der Musikfilm „Transmitting“. Für WDR und ZDF/​3sat entwickelte er unter anderem die 16-teilige Reihe „Dokumentarisch Arbeiten“.

Christoph Hübner ist Mitglied der Deutschen und der Europäischen Filmakademie. Gabriele Voss ist Autorin und Editorin, arbeitet überwiegend gemeinsam mit Christoph Hübner, mit dem sie zahlreiche Filme realisierte und Auszeichnungen erhielt. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Dramaturgie und Montage. Neben der Filmarbeit veröffentlichte sie mehrere Bücher, darunter „Die Kunst, die Welt zu zeigen“, „Der zweite Blick“, „Dokumentarisch arbeiten“, „Ins Offene“, „Schnitte in Raum und Zeit“, „Film/​Arbeit“ (mit Christoph Hübner).

Redaktionshinweis: Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. 3sat zeigt zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns den Dokumentarfilm „Nachlass“. Am Dienstag, 3. September, um 20:15 Uhr folgt der Antikriegsfilm „Die Brücke“ und um 21:55 Uhr „So weit die Füße tragen“. Am Mittwoch, 4. September, um 20:15 Uhr sendet 3sat aus demselben Anlass den Dokumentarfilm „Vater, Mutter, Hitler – Vier Tagebücher und eine Spurensuche“. (Text: 3sat)

Deutsche TV-Premiere02.09.20193satDeutscher Kinostart27.09.2018
Alternativtitel: Nachlass – Passagen

DVD & Blu-ray

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Sendetermine

Mo 13.05.2024
23:25–01:10
23:25–
Mo 02.09.2019
22:25–00:10
22:25–

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