Die zweite Folge zeigt den heraufziehenden Nationalsozialismus in Hessen aus einer der Öffentlichkeit bisher wenig bekannten Sicht. Immer größer wurde in den 1930er Jahren die Zahl der Amateurfilmer. Jörg Adrian Huber hat zahlreiche Filmschnipsel gesichtet und baut aus diesen Puzzleteilen ein Alltagsbild Hessens zwischen Adolf Hitlers „Machtergreifung“ und dem Untergang des „Dritten Reiches“ zusammen. Ärzte und Schwestern eines Frankfurter Krankenhauses feiern ihr Betriebsfest im Taunus, wo vor dem Eierlauf der Hitlergruß entboten wird. Die Frauen von Waldkappel nehmen lachend an der Luftschutzalarmübung teil, SA-Trupps helfen bei der Kasseler Altstadtsanierung. Es sind die gleichen, die wenig später die Synagogen anzünden und Jagd auf Juden machen. In Allendorf ziehen die jungen Männer stolz und blumengeschmückt zur Musterung, den Krieg werden viele nicht überleben. Die Amateurfilmer jener Zeit fangen den braunen Alltag
eher beiläufig ein. Die staatlich gelenkte Filmindustrie nutzt die suggestive Kraft der Bilder gezielt: Sie zeigt die Schönheit der Städte und Dörfer, aber auch, wie die Absolventen der Reichskolonialschule in Witzenhausen für die gewaltsame Eroberung von „Lebensraum im Osten“ fit gemacht werden oder wie der Reichskriegertag in Kassel Soldaten der Wehrmacht und Männer der Waffen-SS zu einer aggressiven Masse zusammenschmiedet. Als Hitlers Reich fast am Ende ist, filmen braune Chronisten die noch rauchenden Trümmer von Frankfurt, die Bergung verkohlter Leichen und verzweifelte Überlebende, die für eine Schüssel Suppe anstehen. Von den Verbrechen der Nationalsozialisten – Schutzhaft, Deportationen, Ermordung von Juden und Regimegegnern – gibt es kaum bewegte Bilder. Zu den wenigen Zeugnissen, die in Hessen gefunden wurden, gehören Aufnahmen von Zwangsarbeitern beim Roden des Stadtwaldes für den Frankfurter Flughafen. (Text: hr-fernsehen)
Deutsche TV-PremiereSo. 08.06.2014hr-fernsehen
alternativer Folgentitel: "Wie Hitler doch nach Kassel kam"