einfach Mensch Folge 173: Grit Böhnisch: Cochlea-Implantat – Ja oder Nein?
Folge 173
Grit Böhnisch: Cochlea-Implantat – Ja oder Nein?
Folge 173 (15 Min.)
Grit Böhnisch lebt und arbeitet mit zwei Cochlea-Implantaten.
Bild: ZDF und Jens Ufer
Lange spielt Grit Böhnisch ihre Hörbehinderung herunter. Versucht von den Lippen abzulesen. Doch mit der Maskenpflicht während der Coronazeit klappt das nicht. Obwohl Grit Böhnisch seit ihrer Geburt schwerhörig – fast taub – ist, hat sie praktisch keinen Kontakt zur Gehörlosencommunity. Die Gebärdensprache hat sie nicht gelernt. Erst spät bekommt sie ein Cochlea-Implantat. Mittlerweile möchte sie es nicht mehr missen. Grit Böhnisch hat bei der Geburt wahrscheinlich zu wenig Sauerstoff bekommen und könnte deshalb so stark schwerhörig sein. Sie wächst in einer hörenden Familie auf. Eine Schule für Hörbehinderte zu besuchen, kommt für Grit Böhnisch nicht infrage. „Ich war immer sehr ehrgeizig und habe sehr viel durch meinen Fleiß ausgeglichen. Grit Böhnisch lebt damals in der DDR. Sie will ihr Abitur machen, doch das erlauben die Behörden nur, wenn sie auf eine Hörbehindertenschule wechselt. Doch sie will auf der Regelschule bleiben, alles andere empfindet Grit Böhnisch als Stigmatisierung. Sie beginnt eine Ausbildung, holt das Abitur berufsbegleitend nach. Grit Böhnisch studiert Betriebswirtschaft und arbeitet in einem großen Konzern. Mehr und mehr lernt sie ihre
Hörbehinderung anzunehmen. Dennoch lehnt Grit Böhnisch es lange ab, ihre Schwerbehinderung offiziell anerkennen zu lassen. Sie lebt ausschließlich in einer hörenden Welt. Während der Coronapandemie wird Grit Böhnischs Hören noch einmal schlechter. Dazu kommen Probleme mit den Hörgeräten. Ihr Selbstverständnis als gehörlose Person, die vermeintlich problemlos in der hörenden Kultur lebt, gerät ins Wanken. Schließlich entscheidet sich Grit Böhnisch für Cochlea-Implantate, kurz CI. Heute möchte sie diese nicht mehr missen. Ihre Lebensqualität hat sich verbessert und sie hört mit Begeisterung Podcasts und Musik. Im Vorfeld zur CI-Entscheidung nimmt Grit Böhnisch erstmals Kontakt mit anderen Gehörlosen auf und wird in einer Selbsthilfegruppe aktiv. Heute ist sie ehrenamtlich aktiv für den Deutschen Schwerhörigenbund. In der Rückschau wäre sie lieber schon früher offen mit ihrer Behinderung umgegangen. „Wir Betroffenen müssen den ersten Schritt machen, offen mit unserer Behinderung umgehen, für deren Anerkennung und Akzeptanz eintreten und die richtigen Strukturen einfordern. Nur so schaffen wir die Voraussetzungen, damit jeder entsprechend seinen Fähigkeiten leben und handeln kann. (Text: ZDF)