Ein Tag mit Folgen Folge 2: Cormeilles: Die gestohlene Kindheit
Folge 2
2. Cormeilles: Die gestohlene Kindheit
Folge 2 (52 Min.)
Dem Schriftsteller Jean-Yves Cendrey vertraute sich Anfang Februar 2001 die Tochter eines Freundes an: Elodie war als Kind das Opfer sexueller Übergriffe geworden. Der Vorfall hatte sich vor etwa zehn Jahren ereignet, als sie in dem Dorf Cormeilles (Normandie) die Grundschule besuchte. Sie erzählte von mehreren anderen Kindern beiderlei Geschlechts, die während des Schulunterrichts von ihrem Lehrer Marcel Lechien zu sexuellen Handlungen genötigt wurden. Jean-Yves Cendrey stellte diskrete Nachforschungen an und sammelte in wenigen Tagen Dutzende von Aussagen mit schweren Anschuldigungen. Der Lehrer war noch immer im Amt und setzte seine Übergriffe auf die Schüler fort. Eines Morgens fuhr Jean-Yves Cendrey zu dessen Haus, forderte ihn auf, in seinen Wagen zu steigen und brachte ihn zur Gendarmerie. Nachdem mehrere Familien Anzeige erstattet hatten, wurden gegen den 47-jährigen Marcel Lechien Ermittlungen wegen „Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil von Minderjährigen unter 15 Jahren unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses“ eingeleitet. Daraufhin strömten Journalisten in das Dorf und traten eine Lawine von „Enthüllungen“ los. Die Schulleiterein „wusste Bescheid“, der Kreisschulrat ebenfalls, und zwar seit Jahren. Gegen beide wird nun wegen des „Nichtanzeigens einer Straftat“ ermittelt. Sie waren jedoch nicht die einzigen Eingeweihten. Weitere Kinder packten aus. Die Erwachsenen wussten nichts oder wollten nichts davon wissen. In dem 1227
Seelen zählenden Cormeilles beschuldigte nun jeder seinen Nachbarn, die Wahrheit verschwiegen zu haben, um den Lehrer – er war ja „einer von uns“ – zu schützen. Ein Jahr nach dem Medienrummel ist Cormeilles wieder in Vergessenheit geraten. Doch die Wunden sind nicht verheilt. 44 Opfer haben inzwischen Anzeige wegen Vergewaltigung oder Nötigung erstattet. Alle fragen sich, warum so viele Jahre geschwiegen wurde. Überall kreisen die Gespräche um das große Schweigen jener, die „wussten“ und trotzdem nichts sagten. Einen Monat lang recherchierten der Regisseur Christian Passuello und die Journalistin der französischen Tageszeitung „Libération“, Ondine Millot, den „Fall“: Sie sprachen mit den Eltern, den betroffenen Kindern und anderen Einwohnern von Cormeilles. Sie machten sogar den Schriftsteller Jean-Yves Cendrey ausfindig, der den Stein ins Rollen gebracht hatte. Noch immer von dem aufgewühlt, was er aufgedeckt hat, lebt er nun mit seiner Frau in Südfrankreich. Der Film ist keine Gegenuntersuchung, er soll vielmehr den Blick auf diejenigen aufmerksam machen, die bemüht sind, das Leben nach dem Sturm wieder in normale Bahnen zu lenken. Die Kameras der Reporter sind verschwunden, in den Nachrichtensendungen wird von anderen Fällen von Pädophilie berichtet. Doch das Leiden lässt sich nicht abschalten wie ein Fernsehapparat. In Cormeilles setzen sich Einwohner und Opfer dafür ein, dass nicht wieder das große Schweigen einsetzt, das Schweigen, das die Tragödie ermöglichte. (Text: arte)
Deutsche TV-PremiereSa. 21.09.2002arte
Sendetermine
Sa. 12.10.2002
18:05–19:00
18:05–
Sa. 21.09.2002
18:05–19:00
18:05– NEU
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