Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–3

  • Folge 1
    Der Patriarch trug eine Serviette um den Hals und fand sichtliches Vergnügen am Zerlegen des Weihnachtsputers. Der Tisch war festlich gedeckt. Die Kinder, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, beobachteten ihren Vater: Weihnachten bei Familie Millowitsch. Normalerweise filmte Vater Willy selbst. Doch wenn es um den Puter ging, wurden andere Prioritäten gesetzt …
    Ein ordentlicher Hauch von Nostalgie weht durch die Amateuraufnahmen aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Heute, beim Betrachten der Filme, kann man den Geist der noch jungen Bundesrepublik hautnah miterleben. Urlaube und Familienfeiern waren die Hauptanlässe: kein Weihnachten, Ostern, Karneval, keine Hochzeit und auch kein Kindergeburtstag, der nicht auf 8 mm festgehalten wurde.
    Für Karl Maria Heidegger aus Bingen am Rhein haben die 16-mm-Familienfilme noch eine besondere Bedeutung. Bei seiner Flucht aus Schlesien konnten die Rollen in einem kleinen Koffer gerettet werden. Seine ehemalige „Heimat“ bleibt ihm auf den wackligen Schwarz-Weiß-Bildern für immer erhalten.
    Auch bei Familie Falke im Sauerland hielt man sämtliche Festtage mit der Kamera fest. Franz Otto Falke, ehemaliger Chef des gleichnamigen Familienunternehmens, hatte seine erste Kamera kurz nach dem Krieg gegen einen Sack Strümpfe getauscht. Sehr schnell wechselte er – der Qualität zuliebe – zu 16mm. In seinen Filmen erzählt der Unternehmer immer auch ein Stück Schmallenberger Ortsgeschichte. Keine Frage, dass die alljährlichen Karnevals- und Schützenfeste nicht fehlen durften. Der passende Stimmungsmacher zu solchen Festen: ein „Pils mit einem Schuss Sekt“. „Das hatte den Vorteil, dass einem das gut bekam und gute Laune machte. Denn, wenn die Leute sonst viele Schnäpse tranken, wurden sie aggressiv.“
    Im Osten, in der Nähe von Berlin, gab es meistens Bier zu trinken. Christoph Lohse veranstaltete für sein Leben gern Grillnachmittage mit Kollegen, für die er eine aufwendige Dekoration anfertigte: aus unzähligen Bierdeckeln, die er sich unter anderem aus dem Westen „einschmuggeln“ ließ, bastelte er meterlange Bierdeckelketten. Noch heute bearbeitet Christoph Lohse seine Filme. Dazu trägt er dünne weiße Handschuhe, die er vor 50 Jahren zu seiner Hochzeit anschaffte.
    Gefilmt wurde im Osten wie im Westen nur, was wirklich wichtig war oder dafür gehalten wurde. Jede Packung mit zweieinhalb Minuten bewegtem Bild kostete schließlich zwölf Mark. Die Schmalfilmerei war deshalb eher ein Hobby für diejenigen, die es sich wenigstens ein bisschen leisten konnten. Oder für Leute mit Erfindungsgeist. Der Vater von Angela Bachmair verfasste Drehbücher für seine Familienfilme und ließ jede Szene so lange proben, bis sie saß. Das schonte das Portemonnaie und ersparte dem „Regisseur“ unangenehme Überraschungen.
    Das „kleine Kino“ zeigt durchweg ganz Persönliches. Manchmal auch Enthemmtes. Beim Schunkeln im Partykeller vor Fototapete und Heim-Bar – da lag die Inge dem Hermann in den Armen und beide haben rote Gesichter. Peinlich wurde das erst später. Sie alle waren Hauptdarsteller in ihrem eigenen Leben, schon lange vor „Big Brother“ und anderen Reality Shows. „Mama“, sang Paul Simon deshalb bereits 1973, „don’t take my Kodachrome away“. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 19.03.2012Das Erste
  • Folge 2
    Winfried Glatzeder war der berühmteste Plattenbaubewohner der DDR – privat wohnte er in maroden Altbauten und besorgte sich von Sammelstellen alte Möbel. Dokumentiert ist das mit der Schmalfilmkamera der Mutter.
    Unzählige Meter Film haben Amateurfilmer in Deutschland belichtet. Sie dokumentieren Lebensgefühl und Zeitgeist von den Kriegsjahren bis heute. Der Film „Die eigenen vier Wände“ ist eine Zeitreise durch ost- und westdeutsche Wohngeschichte – auf 8mm: Franz Eckstaller saß mit seiner Mutter im Luftschutzkeller, als sein Haus zerbombt und all seine Spielsachen unter den Trümmern begraben wurden. Rüdiger Kalwa filmte das Leben in einer Zechenwohnung im Ruhrgebiet. Rolf Spieker erzählt vom Glück, in Rostock eine Plattenbauwohnung mit Heizung, Bad und Balkon zu ergattern und Ehepaar Scholz vom Einzug in die Sozialwohnung in Nürnberg. In Westdeutschland verhalf ein Bausparvertrag zum Traum vom eigenen Haus, in Magdeburg Improvisation und Eigeninitiative. In Kiel verwirklichten Hausbesetzer lautstark ihren Protest gegen Altbauabrisse und ihren Traum von anderen Wohnformen, in Potsdam versuchte Andreas Höntsch vergeblich eine Dusche in der Küche einzubauen.
    Auch das Innenleben wandelte sich: Die Plattenbauwohnung in Rostock war mit „Hellerau“ ausgestattet, der Altbau mit improvisierten Möbeln vom Trödler. Die Westdeutschen Eigenheimbauer durchlebten eine „braune Phase“, Ehepaar Scholz in Nürnberg eine rote, eine gelbe und eine, in der Farben und Formen zu explodieren scheinen … (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 26.03.2012Das Erste
  • Folge 3
    „Endlich Urlaub!“ – das sagen sich viele Deutsche mindestens einmal im Jahr. Die schönste Zeit des Jahres ist oft zum festen Bestandteil des Lebens geworden. Wie es angefangen hat mit dem Reisen der Deutschen, das erzählen private Super-8-Filme auf ganz besondere Weise – mal verspielt, mal romantisch, und gar nicht selten auch sehr abenteuerlich.
    Ohne Straßenkarten, total verliebt und als fahrbaren Untersatz ein defektes Motorrad von Magdeburg nach Bulgarien: Eva Taatz hielt die schönste Reise ihres Lebens in einem privaten Roadmovie fest. Heute schüttelt sie schmunzelnd den Kopf über diese wagemutige Tour aus der DDR in das Bruderland. Auch Erich Hendel wird nostalgisch beim Anblick seines ersten Reisefilms: Mit seiner Tochter buchte er an einem Sonntag spontan einen Tages-Panoramaflug von Stuttgart nach Nordafrika, während Ehefrau Marga zu Hause den Braten schmorte. Die Brüder Friedhelm und Gert Schnettler aus Westfalen erkundeten mit ihrer Super-8-Kamera eine Insel namens Mallorca in den Anfängen des Massentourismus. Vom Ballermann war noch nicht die Rede, die Partys versprachen aber auch damals schon eine Menge.
    Urlaub – die ganz persönliche Auszeit, in der man sich auch einmal erlaubt, nichts zu tun. Je mehr die Deutschen über die letzten Jahrzehnte reisten, desto mehr Bilder brachten sie auch mit nach Hause: Erholung, Abenteuerlust, Neugier, Spaß, Bildung und nicht zuletzt die Reise als ein Statussymbol, um den Freunden später zeigen zu können „Da waren wir auch.“
    Bewegte Bilder einer vergangenen Zeit sind historische Schätze eines Lebensgefühls. Der Dokumentarfilm „Die schönste Zeit des Jahres“ begibt sich auf einen Streifzug durch Reisegeschichten der Deutschen aus Ost- und Westdeutschland. Eine Zeitreise zum Zurücklehnen und Schwelgen, aber auch zum Staunen und Schmunzeln. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 02.04.2012Das Erste

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