„The Sympathizer“: Wenn der Nachbar ein kommunistischer Spion ist – Review

HBO-Miniserie mit starkem Ensemble und durchwachsenem Downey Jr. in gleich vier Rollen

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 14.04.2024, 16:27 Uhr

Robert Downey Jr. in einer seiner vielen Rollen in „The Sympathizer“ mit Hoa Xuande – Bild: HBO
Robert Downey Jr. in einer seiner vielen Rollen in „The Sympathizer“ mit Hoa Xuande

Die namenlos bleibende Hauptfigur (Hoa Xuande) von „The Sympathizer“ führt ein klassisches Doppelleben. Zu Beginn der Miniserie ist er Captain der südvietnamesischen Geheimpolizei und eine Art rechte Hand des Generals (Toan Le), der die Dienststelle in Saigon leitet. Er hilft dem älteren Vorgesetzten bei allerlei – auch privaten – Erledigungen und kabbelt sich mit seinem Freund und Kollegen Bon (Fred Nguyen Khan). Was in seinem Umfeld niemand ahnt: In Wahrheit ist er ein Spion der kommunistischen Vietcong und berichtet diesen regelmäßig von seinen Einsichten in den Staatsapparat des Klassenfeindes. Richtig kompliziert wird sein Leben allerdings erst, als er nach dem Einmarsch der Vietcong in die USA fliehen muss – um dort weiter zu spionieren.

Die siebenteilige Miniserie des US-Premiumsenders HBO basiert auf dem gleichnamigen Roman von Viet Thanh Nguyen, der 2017 als „Der Sympathisant“ auch auf Deutsch im Blessing Verlag erschien. Der Autor ist 1975 als Kind selbst mit seinen Eltern aus Saigon in die USA geflüchtet und wurde später Hochschullehrer für Anglistik. Der Blick auf die südvietnamesische Migrantencommunity im Los Angeles der 1970er Jahre schöpft also aus persönlicher Erfahrung. Für die Adaption konnte HBO den bekannten südkoreanischen Filmregisseuer Chan-wook Park („Oldboy“) gewinnen, der mit der Neuverfilmung von „Die Libelle“ seine erste Serienarbeit ablieferte. Er hat an allen Drehbüchern mitgearbeitet und die ersten drei Episoden selbst inszeniert. Ko-Showrunner war Don McKellar. In Deutschland ist die Miniserie bei Sky zu sehen.

Eingebettet ist die wechselhafte Lebensgeschichte des „Captains“ in eine Rahmenhandlung, in der er als Gefangener von einem Vietcong-Offizier verhört wird. Offensichtlich hat er sich im Laufe seines Doppelagententums irgendwann etwas zu Schulden kommen lassen, durch das er bei seinen eigenen Leuten in Ungnade gefallen ist. Die Frage ist allerdings, ob er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch mit dem Herzen auf der Seite der Kommunisten stand oder nicht – durch seinen amerikanischen way of life – innerlich schon längst die Seiten gewechselt hatte.

Zwischen CIA, Vietcong und US-Alltag: der Captain (Hoa Xuande, M.) HBO

Aber zurück zum Anfang: Saigon steht kurz vor dem Fall und der Captain bereitet die Flucht des Generals, von dessen Familie und weiteren Mitarbeitern der Geheimpolizei in die USA vor. Die Zusammenarbeit mit der CIA garantiert zumindest einer kleinen Anzahl treuer US-Verbündeter einen Platz in zwei Militärflugzeugen, die in letzter Minute das Land verlassen sollen. Der Captain selbst erfährt erst kurz vor dem Einmarsch der Kommunisten, dass auch er mitfliegen soll. Eigentlich hatte er gedacht, nach dem Sieg des Nordens in der Hauptstadt bleiben und die „Revolution“ vorantreiben zu können. Aber sein Verbindungsmann Man (Duy Nguyen) eröffnet ihm, er werde in den USA dringender gebraucht, von wo er weiterhin über die Geflüchteten und deren Exilaktivitäten berichten soll.

In einer dramatischen Sequenz am Ende der Auftaktepisode gelingt es dem Captain in letzter Sekunde, in das bereits auf der bombardierten Startbahn rollende Flugzeug zu klettern. An seiner Seite sein Freund Bon, dessen Frau und Baby es nicht geschafft haben zu überleben. In LA angekommen bilden die Beiden nach einer Zeit im Flüchtlingslager (unter miserablen hygienischen Zuständen) eine Wohngemeinschaft, wobei Bon durch seinen Verlust betäubt ist. Als der General Verdacht schöpft, dass es in seinem Umfeld einen kommunistischen Spion geben muss, ist Bon jedoch wieder hellwach. Der Captain muss den Verdacht von sich selbst auf einen anderen Ex-Polizisten lenken und ihn beseitigen.

Drei Freunde, die in Wahrheit auf verschiedenen Seiten stehen: der Captain, Bon (Fred Nguyen Khan) und Man (Duy Nguyễn) HBO

Gleichzeitig adaptiert er immer mehr den amerikanischen Lebensstil und wird schließlich sogar als kultureller Berater für die Dreharbeiten eines Hollywood-Blockbusters über den Vietnamkrieg engagiert. In der vierten Episode, in der diese Dreharbeiten im Mittelpunkt stehen, erreicht der Wahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt: Der egozentrische Regisseur (Robert Downey Jr. in einer von vier Rollen), Francis Ford Coppola am Set von „Apocalypse Now“ nachempfunden, dreht regelmäßig durch und gesteht den vietnamesischen Statisten höchstens einzelne Sätze zu (anfangs sollen sie sogar gar nicht sprechen und sind mit Chinesen besetzt). Noch durchgeknallter ist allerdings der Hauptdarsteller (großartig überzeichnend David Duchovny), der als US-Marine Realität und Filmhandlung nicht mehr auseinanderhalten kann.

Während des Generals junge Tochter Lana (Vy Le) mühelos den US-Lifestyle übernimmt, ist der Captain zunehmend hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität zu den Kommunisten, seiner Rolle in der südvietnameischen Community und der neuen amerikanischen Heimat. Dazu trägt auch eine Affäre zu Sofia Mori (Sandra Oh, „Grey’s Anatomy“) bei, der Assistentin einer Orientalistikprofessors (der wiederum von Downey Jr. gespielt wird).

Kommandiert auch im Exil gerne weiter: der General (Toan Le) HBO

Obwohl „The Sympathizer“ zu 95 Prozent mit asiatischen SchauspielerInnen besetzt ist, wird in der Originalversion überwiegend Englisch gesprochen. Das wirkt manchmal etwas aufgesetzt, etwa wenn die vietnamesischen Offiziere unter sich sind. Wesentlich seltsamer ist aber, dass quasi alle wichtigen Weißen Figuren vom selben Darsteller verkörpert werden, eben von Robert Downey Jr. Dabei schlüpft er in die absurdesten Masken, wenn er mal den rothaarigen CIA-Offizier, dann den glatzköpfigen Professor oder den bärbeißigen Senator spielt. Das gipfelt in einer Szene, in der alle vier von ihm gespielten Figuren aufeinandertreffen. Insgesamt hat dieser Besetzungscoup zu viel von Karneval an sich und passt nicht recht zum ansonsten eher realistischen Stil der Serie.

Durchweg überzeugend sind hingegen die vietnamesischen SchauspielerInnen, allen voran der charismatische Hauptdarsteller. Die Handlung schlägt vielleicht einige Kapriolen zu viel, um noch glaubwürdig zu wirken. Andererseits hat es solche Doppelagenten gerade im Kalten Krieg ja wirklich gegeben. Neben dem oft absurden Humor, der sich aus dem cultural clash ergibt, der hier eben auch im Inneren der Figuren ausgetragen wird, ist die Serie am stärksten, wenn sie einen Einblick in die Situation von Geflüchteten vermittelt. Ob Vietnamesen damals oder Araber und Ukrainer heute – die Kämpfe um Integration und Bewahrung der eigenen kulturellen Identität dürfte ähnlich sein.

Insgesamt ist die Miniserie etwas zu umständlich erzählt und thematisch vielleicht auch zu speziell, um wirklich zu packen. Wer auf absurde Komik und politische Verstrickungen steht, könnte aber einen Blick riskieren.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden von „The Sympathizer“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die siebenteilige Miniserie startet am Montag, den 15. April zeitgleich zur US-Ausstrahlung auf Sky in der Originalversion mit deutschen oder englischen Untertiteln. Die deutsche Fassung wird voraussichtlich ab Juni ausgestrahlt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Das ist so verworren, immer noch eine Einbettung in die Einbettung, und dann nicht einmal Untertitel unter dem Vietnemesisch. Wie soll man da dem Helden folgen können?

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