Serienpreview: „Trauma“ – Review

Sanitäter-Drama bietet tolle Action, weniger interessante Figuren

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 09.11.2009

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Cliff Curtis („Rabbit“) und Aimee Garcia (Marisa) NBC Universal, Inc.

Das optische Panorama von „Trauma“ ist gewaltig, wunderschön, voller Stunts, Action und San Francisco-Lebensfreude. Die Charaktere sind fast alle deprimiert, schwermütig und überladen mit persönlichen Problemen. Irgendwie passt hier was nicht zusammen. Diese paradoxe Konstellation ist es auch, die „Trauma“ um den inhaltlichen Erfolg bringt, den man einer neuen Serie über Rettungssanitäter nach „Third Watch“ und „Notruf California“ wirklich gewünscht hätte. Wie kann das auch schief gehen? Mit Jeffrey Reiner und Peter Berg hat man zwei Macher an Bord, die mit „Friday Night Lights“ eine der besten Serien dieses Jahrzehnts abgeliefert haben. Mit San Francisco hat man eine gewaltige Kulisse, die man spektakulär in Szene setzt. Regisseur Reiner gelingt es umwerfend gut die hervorragend gewählten Locations einzufangen.

Die gesamte Sequenz auf einem Freeway-Abschnitt vor dem Hintergrund der Skyline begeistert optisch auf ganzer Linie. Wenn man selbst die Stadt an der Bucht schon einmal besucht hat, dann kennt man das zwiespältige Gefühl auf diesem Abschnitt der Autobahn in die Stadt zu fahren: einerseits ist die Aussicht gewaltig, andererseits hat man Furcht davor, was wohl passieren würde, wenn auf diesen verschlungenen und viel zu stark befahrenen Strecken etwas schief gehen würde. San Francisco ist ein reizvoller Handlungsort für eine neue Serie, zumal die Stadt in den letzten Jahren abgesehen von einigen kurzlebigen Versuchen („Journeyman“, „Women’s Murder Club“) nicht wirklich ausreichend genutzt wurde. Doch traumhafte Bilder und hervorragend choreographierte Action-Sequenzen können über die offensichtlichen Schwächen im Drehbuch leider nicht hinwegtäuschen.

Billy Lush, Anastasia Griffith NBC Universal, Inc.

Vielleicht will Chefautor Dario Scardapane einfach zu viel und das mit zu wenig ausgefeilten, plump wirkenden Dialogen. Nur weil man ein neues Drama an den Start schickt, muss man seine Figuren nicht von Anfang an mit tiefsten emotionalen Krisen zuschaufeln. Die große Hubschrauber-Katastrophe nach den ersten fünf Minuten wirkt aufgesetzt und wie ein vom Sender gewollter großer Knall zum Einstieg. Dieser Knall verwundet die Helden der Serie zutiefst, was allerdings um einiges ansprechender, glaubhafter und mitreißender wäre, würde es zu einem Punkt geschehen, an dem wir die Figuren bereits besser kennen und mögen. Doch so kratzen wir an der Oberfläche und versuchen vergeblich unter dem sofort einsetzenden Schmerz die eigentlichen Figuren zu finden. Das gelingt dementsprechend nur in sehr geringem Maße. Dabei hat man vor allem mit Anastasia Griffith und Derek Luke zwei Hauptdarsteller gefunden, wir wirklich eine Serie tragen könnten. Kevin Rankin begeisterte in „Friday Night Lights“ durch seine Gastauftritte und man ist wirklich froh ihn hier in einer festen Nebenrolle zu sehen. Wenn er nun auch noch mehr von der Handlung abbekommen würde, könnten wir zumindest etwas aufatmen.

Das größte Ärgernis hier ist aber mit Sicherheit unser Helikopter-Macho Rabbit. Seine gesamte Figur entspricht dem Klischee, dass eine leicht medizinisch angehauchte Serie spätestens seit „Emergency Room“ oder „Chicago Hope“ unbedingt eine komplett ausgeflippte und überdrehte Figur braucht, um für Unstimmung unter den Kollegen zu sorgen. Erstens haben, wie gesagt, diese Kollegen bereits genug Probleme, andererseits kommt Rabbit von Anfang an einfach nur aufgesetzt und unglaubwürdig herüber. Cliff Curtis tut auch nicht wirklich viel, um als Schauspieler über dieses Hindernis hinaus zu wachsen. Rabbits überzogenes Selbstvertrauen kann nur nach unten korrigiert werden, eine andere Entwicklung erwartet man von dieser Art der Dramaturgie überhaupt nicht. So erzeugt man Langeweile. Es stimmt, Rabbit ist nicht Steve McQueen, wir ihm die eigentlich komplett uninteressante Marisa am Ende des Piloten versichert. Aber das wussten wir bereits nach den ersten fünf Minuten. Dafür brauchten wir keinen abgetrennten Finger eines arglosen Autofahrers.

NBC hat sich inzwischen dazu entschlossen, „Trauma“ nach der ersten Staffel mit 13 Episoden einzustellen. In Sachen Zuschauer kam die Serie bisher auf keinen wirklich grünen Zweig. Selbst für das an akutem Quotenschwund leidende Network ist diese Entwicklung aufgrund der genannten Schwächen nicht verwunderlich. Würdige Nachfolger klassischer „Notruf California“ oder „Third Watch“-Sannis sind weiterhin nicht in Sicht.

Meine Wertung: 2/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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