Unser Universum Folge 34: Spezial: Vernetzte WeltenZerfall oder Umbau der Gesellschaft in einer virtuellen Umwelt
Folge 34
34. Spezial: Vernetzte WeltenZerfall oder Umbau der Gesellschaft in einer virtuellen Umwelt
Folge 34 (45 Min.)
Zukunftsvisionen, Bilder und Träume vom 21. Jahrhundert – die Expo 2000 zeigt die gängigen Vorstellungen. Eine Welt in virtueller Schönheit, ästhetisch und vielfältig, aber künstlich, im Computer erzeugt. Die Umwelt, in der die Menschen des nächsten Jahrhunderts leben, zeigt sich als Vision einer artifiziellen „Erlebniswelt“ in weltumspannender digitaler und kommerzieller Vernetzung. Digitale Vernetzung haben wir schon heute, im Internet-Zeitalter. Information ist jederzeit überall verfügbar, der Wissensvorrat der Welt verdoppelt sich alle fünf Jahre. Wissen wird „billig“, aber wer die dazugehörige Technik nicht hat oder beherrscht, wird abgehängt. Auf den Gipfeltreffen der Weltwirtschaft zeigen sich die Trends. Der Einzelne wird in Zukunft zur Basiseinheit der globalen Wirtschaft, er muss sich mit neuesten Technologien auskennen, mobil sein, ein Leben lang lernen. Der „klassische“ Arbeiter in der Produktion wird durch Roboter ersetzt, und so wird der Computer zum wichtigsten Arbeitsplatz. Als Begleiterscheinung oder Folge dieser Digitalisierung beobachten Soziologen und Psychologen einen Trend zur Vereinsamung und dem Verlust überkommener Werte. Das Wissensgefälle der Generationen dreht sich um, nicht mehr die Älteren und Erfahrenen haben einen Vorsprung, sondern die Computerkids, die sogenannte „Generation@“: „Kinderzimmer gleichen heute schon modernen Schaltzentralen zwischen Walkman und TV, Stereoanlage und Videorekorder“, schreibt der Soziologe H. Opaschowski. Eine Gesellschaft, die so aufwächst, läuft Gefahr, in Orientierungslosigkeit und „Versingelung“ abzugleiten – und sich von der natürlichen Umwelt völlig abzukoppeln. Pokemons und andere virtuelle Spielgefährten besiedeln derzeit die Kinderzimmer und Kinderherzen. Das ist einerseits normal, denn immer schon haben sich Kinder in ihre Phantasiewelten zurückgezogen. Wenn aber die elektronischen Gefährten reale Freunde ersetzen und die virtuelle Umwelt bunter, eindrucksvoller und spannender ist als die reale, dann entwickeln sich immer stärkere Bedürfnisse nach künstlichen Erlebniswelten und „normale“ soziale Fähigkeiten und die emotionale Intelligenz verkümmern. Die natürliche Umwelt wird allmählich zur fremden Welt, die den Kindern Angst macht und zu der sie keine Beziehung mehr haben. Ihr Leben
inmitten flimmernder Bildschirme lässt sie ständig unter Strom stehen, sie erwarten die ständige Berieselung und Unterhaltung und werden ungeduldig und leicht ablenkbar. Pädagogen sprechen vom KKK (Kurzzeit-Konzentrations-Kind), das nervös, hyperaktiv und aggressiv reagiert. Psychologen definieren das Krankheitsbild vom ADD (Attention Deficit Disorder) bei den vom Ansturm der Bilder überforderten Kindern und Jugendlichen. Die Dokumentation zeigt die Gefahren dieser Entwicklung, bei der vertraute Werte und Hierarchien verschwinden, die Gesellschaft immer stärker „fragmentiert“ wird. Diagnose: Vernetzung ist wichtig – nicht nur die digitale Verbindung der Computer, sondern eine gedankliche, natürliche und menschliche Vernetzung. Das bedeutet eine neue Weltsicht, in der Zusammenhänge klarer werden. Dank der Informationen aus TV und www sind die technischen Möglichkeiten dazu gegeben, darüber hinaus aber braucht die Gesellschaft das menschliche Engagement und gegenseitiges Ernstnehmen. Wahrnehmung, Verantwortungs-bewusstsein und emotionale Intelligenz müssen stärker gefördert werden. Pädagogen fordern die Erziehung zur „Medienkompetenz“, – ein neues Wort, über dessen Definition sie sich noch die Köpfe heiß reden. In letzter Konsequenz muss es aber eine völlig neue Pädagogik bedeuten, nicht mehr die reine Wissensvermittlung der Vergangenheit, sondern ein Wahrnehmungs-, Verhaltens-, und Entspannungstraining. Wie Ansätze zu einer „besseren Vernetzung“ und gesellschaftliche Zukunftsvisionen aussehen können, zeigt die Dokumentation in Beispielen wie dem Naturkindergarten, der es sich zum Programm macht, dass die Kinder jeden Tag miteinander draußen zwischen Bäumen spielen. So können sie schon früh, bevor sie zu tief in die virtuellen Welten eintauchen, die natürliche Umwelt kennen lernen und gemeinsam mit anderen Kindern etwas unternehmen. Soziale Bindungen und Liebe zur Natur erhöhen deutlich die „Medienkompetenz“ dieser Kinder, denn der Bezug zur Realität bleibt auch später bestehen. Ohne Internet, Fernsehen oder Computerspiele abzulehnen oder zu verteufeln, zeigen solche Beispiele, wie die Beziehungen zur Natur und zu anderen Menschen gefördert werden können, und wie sie das Selbstbewusstsein, soziale Intelligenz, Realitätssinn und die Fähigkeit zu „vernetztem Denken“ fördern – Eigenschaften, die unerlässlich sind für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. (Text: arte)
Deutsche TV-PremiereMo. 04.12.2000arte
Dokumentation von Gabriele Ammermann
Sendetermine
Mo. 04.12.2000
19:00–19:45
19:00– NEU
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