Ende Januar sorgte der Streamingdienst Joyn für Aufsehen, als er die Mediatheken von ARD und ZDF in sein Angebot aufnahm – ohne ausdrückliche Zustimmung seitens der Öffentlich-Rechtlichen. Trotz recht deutlicher Reaktionen und der Ankündigung juristischer Schritte probte Joyn den Widerstand und ließ die Mediatheken zunächst online. Anfang März verschwanden sie dann – als offizielle Begründung nannte ProSiebenSat.1 das Ende eines vorläufigen Beta-Testings, mit dem das sogenannte Embedding des Angebots von ARD und ZDF erklärt wurde. Man sei darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben und gemeinsam umzusetzen. Vor Gericht tobte der Streit allerdings weiter – und ein Ende ist nicht in Sicht.
Die ARD reichte wegen der unerlaubten Integrierung der Mediatheken-Inhalte auf Joyn Klage beim Landgericht Köln ein, wo im April im Eilverfahren ein Urteil gefällt wurde. Gegen dieses Urteil hat die ARD nun Berufung zum Oberlandesgericht Köln eingelegt, wie der Senderverbund gegenüber epd medien bestätigte. Aus folgendem Grund: Das Landgericht habe zwar festgestellt, dass Joyn mit der Einbindung der ARD-Inhalte gegen das urheberrechtliche Datenbankherstellerrecht verstoßen habe. Zudem sei Joyn auch die markenmäßige Nutzung der ARD-Marken untersagt worden. Nicht anerkannt habe das Landgericht Köln jedoch einen Schutz nach dem Medienstaatsvertrag sowie Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs. Als Folge auf die Berufung seitens der ARD hat inzwischen auch Joyn Berufung eingelegt.
Bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass das Landgericht München I Ende Mai in einem anderen Urteil etwas anders entschied. Dort reichten ZDF und arte Klage ein, da auch Inhalte aus deren Mediatheken ohne Zustimmung auf Joyn integriert wurden. Das Landgericht München I stellte einen Verstoß von Joyn gegen den Medienstaatsvertrag fest, da ohne Einwilligung der jeweiligen Rundfunkanstalt Mediatheken nicht in Angebotspakete aufgenommen oder in anderer Weise entgeltlich oder unentgeltlich vermarktet oder öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen. Gegenüber epd medien teilte das Oberlandesgericht München mit, dass gegen die Eilentscheidungen des Landgerichts keine Berufungen eingegangen sind.
ProSiebenSat.1 wiederum spricht in Bezug auf die beiden Landgerichte von sich teilweise widersprechenden Urteilen in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Übereinstimmend sei jedoch keine Verletzung von Urheberrechten festgestellt worden. Stattdessen basierten die Urteile lediglich auf ‚technischen‘ Nebenrechten, dem verwandten Schutzrecht des Datenbankherstellers bzw. dem Schutz des Signals – zu deren Nutzung ARD, ZDF und arte jederzeit und unabhängig von Urhebern, Produzenten oder sonstigen Dritten zustimmen könnten. Ein Verstoß gegen das Datenbankherstellerrecht und/oder die Signalintegrität sei nicht gegeben – davon ist zumindest Joyn überzeugt. ProSiebenSat.1 betont zudem, dass eine Kooperation durch das Embedding der Mediatheken von ARD, ZDF und arte auf Joyn dazu beitragen würde, alle Beteiligten und das plurale Mediensystem zu stärken.
Ob ARD und ZDF jedoch nach dem Verhalten von ProSiebenSat.1 dazu noch bereit sind, darf bezweifelt werden. Insbesondere die ARD verurteilte das Vorgehen von Joyn scharf. Der Vorsitzende Florian Hager sprach im Februar von modernem Raubrittertum, einem Anschlag auf das komplette System und davon, dass Joyn Grenzen überschritten und Vertrauen zerstört habe. Der entscheidende Streitpunkt ist das Embedding der Inhalte. Laut ARD und ZDF sei es in den Verhandlungen mit Joyn immer darum gegangen, dass die öffentlich-rechtlichen Mediatheken mittels eines Verlinkungsmodells genutzt werden können – so wie das auch mit anderen Partnern üblich sei. Dies habe Joyn jedoch abgelehnt und wollte stattdessen unbedingt das Embedding-Verfahren – also dass die Video-Inhalte direkt über den Player der Joyn-Plattform abgespielt werden, so wie es auch im sogenannten Beta-Testing umgesetzt wurde.
ProSiebenSat.1 beruft sich stets darauf, dass das Embedding durch die stetige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtlich zulässig sei. Auf Basis dieser Rechtsauffassung bietet Joyn in Österreich schon seit Mitte 2023 Inhalte des öffentlich-rechtlichen ORF an, der dagegen nicht vorgegangen ist – wohl auch deshalb, weil durch das Embedding-Verfahren die Abrufe der ORF-Inhalte auf Joyn dem ORF zugerechnet werden. In Deutschland betrachten das ARD und ZDF jedoch deutlich kritischer und sehen im Embedding-Verfahren auch Urheberrecht und Zweitverwertungsrechte von Produzenten verletzt.
Weshalb Joyn so scharf darauf ist, Inhalte anderer Sender zu integrieren, lässt sich durch die allgemeine Strategie des Streamingdienstes erklären. Anders als andere Anbieter setzt Joyn in erster Linie nicht auf ein Abomodell (obwohl es Joyn Plus+ gibt), sondern versteht sich offiziell als kostenloser, werbefinanzierter Dienst, der auf kontinuierliche Steigerung des Nutzungswachstums und der Verweildauer („Watchtime“) aus ist. Das Potenzial dafür ist natürlich umso mehr gegeben, je mehr Inhalte verfügbar sind – ob aus dem eigenen Portfolio oder mithilfe von Lizenzinhalten.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Manfred1948 (geb. 1948) am
Die Zuschauer bezahlen für den ÖR und Joyn nutzt das schamlos aus, um damit Kasse zu machen, denn wenn das normale Joyn auch für Zuschauer kostenlos ist, kassiert Joyn mittels Werbung und auch dafür müssen die Zuschauer zahlen, denn diese Werbekosten sammeln die Werbenden über ihre Produnkte von allen Mitbürgern.