„The Terminal List – Die Abschussliste“: Chris Pratt gibt als Ex-Soldat auf Rachefeldzug eine fragwürdige Figur ab – Review

Psychisch lädierter Elitekämpfer findet sich in US-Heimat in Verschwörung wieder

Rezension von Christopher Diekhaus – 30.06.2022, 17:38 Uhr

James Reece (Chris Pratt) wird vom Gejagten zum erbarmungslosen Jäger. – Bild: Amazon Studios
James Reece (Chris Pratt) wird vom Gejagten zum erbarmungslosen Jäger.

Mit dem krachenden, aber hohlen Zeitreisethriller „The Tomorrow War“, der ursprünglich in die Kinos kommen sollte, landete „Guardians of the Galaxy“-Star Chris Pratt im Sommer 2021 beim Streaming-Riesen Amazon. Rund ein Jahr später schlägt er mit einem neuen Projekt auf eben dieser Plattform auf. „The Terminal List – Die Abschussliste“ basiert auf dem gleichnamigen Roman eines unter dem Pseudonym Jack Carr schreibenden Ex-Elitesoldaten und zeigt den Marvel-Charmebolzen Pratt von einer ungewohnt düsteren Seite. Lockere Sprüche, wie man sie sonst aus seinen Werken kennt, sind hier rar gesät. Kein Wunder, zu schmerzhaft ist das, was der von ihm gespielte Navy-SEALS-Kämpfer James Reece erlebt. Nach Sichtung von vier der insgesamt acht Folgen umfassenden Serienadaption drängt sich leider der Eindruck auf, dass wir es die meiste Zeit mit einem eher plumpen Selbstjustizreißer zu tun haben.

„The Terminal List – Die Abschussliste“ beginnt mit einer geheimen Mission in Syrien, die unter der Leitung des Protagonisten durchgeführt wird. Actionexperte Antoine Fuqua („The Equalizer“), der die Auftaktepisode in Szene setzen durfte, schafft es, die Anspannung der von Reece kommandierten Soldaten einzufangen, als sie in ein mit Wasser gefülltes Tunnelsystem eindringen und geradewegs in einen Hinterhalt laufen. Die dadurch ausbrechende Panik und Desorientierung übertragt sich auf den Zuschauer, der fast das Gefühl hat, mittendrin zu sein statt nur dabei.

Bereits hier wird James von seltsamen Aussetzern heimgesucht. Trotzdem gelingt ihm zusammen mit einem Kameraden die Flucht, während die anderen Mitglieder seines Zugs ihr Leben lassen.

Als wären die schrecklichen Erfahrungen nicht schon schlimm genug, warten in der Heimat neue böse Überraschungen auf ihn. Seine Wahrnehmung scheint getrübt. Erinnerungen und Halluzinationen vermischen sich. Von den Behörden wird er mit Audiomaterial eigener Aussagen konfrontiert, an die er sich nicht entsinnen kann. Sein einziger Mitrückkehrer soll Selbstmord begangen haben. Und noch dazu glaubt Reece, verfolgt zu werden.

Alles nur eine Folge des Schädel-Hirn-Traumas während der schiefgelaufenen Operation? Oder steckt vielleicht doch mehr dahinter? Seine Frau Lauren (Riley Keough) und Tochter Lucy (Arlo Mertz) sind besorgt – auch wenn James versichert, dass alles in Ordnung sei.

James Reece (Chris Pratt) weiß sich zu verteidigen. Amazon Studios

Eine unzuverlässige Hauptfigur mit reichlich Kampferfahrung, die am Ende der Einstiegsfolge einen weiteren Rückschlag verkraften muss, schon bald erkennt, dass sie Teil einer großen Verschwörung ist, und sich daraufhin zu einem Rundumschlag entschließt – das hätte ein spannender Fixpunkt für eine wendungsreiche, moralisch ambivalente Thrillerserie abgeben können.

„The Terminal List – Die Abschussliste“ bringt Reece aber eher als einen stumpfsinnigen Vigilanten in Stellung, wie ihn Sylvester Stallone im unsäglich schlechten, 2019 veröffentlichten „Rambo: Last Blood“ verkörpert. Gewiss, die Macher rund um Schöpfer David DiGilio („Strange Angel“) ziehen keine reine Actionshow ab. Immer wieder gibt es Momente, die den fragilen Zustand des früheren Soldaten greifbar werden lassen. Viele dieser Szenen dienen jedoch nur dazu, seinen rücksichtslosen Feldzug gegen alle Beteiligten an der in höchste Regierungs- und Unternehmenskreise führenden Intrige zu rechtfertigen.

James wird zum Killer, tut grauenvolle Dinge. Irgendwie ist das alles aber verständlich und okay, ruft einem die Serie ständig entgegen. Selbst übertrieben drastische Gewaltexzesse, von denen in den ersten vier Folgen zum Glück nicht allzu viele auftauchen, werden als notwendiges Übel im Kampf für eine gute Sache verkauft. Den Boden der Glaubwürdigkeit verlässt die Geschichte spätestens dann, als Reece ein weiterer gesundheitlicher Tiefschlag trifft.

Praktischerweise bleibt er in den Augenblicken, in denen er seine Opfer ins Visier nimmt, zumeist von heftigen Anfällen verschont. Und überdies ist es mehr als verwunderlich, wie fest seine Freunde und Bekannten an seiner Seite stehen. Ex-Militär-Kumpel Ben Edwards (Taylor Kitsch) gibt an einer Stelle zu bedenken, dass James’ Verfassung eigentlich untragbar sei. Zweifel werden allerdings schnell beiseitegeschoben. Die Vergeltungsreise muss halt weitergehen. Und James will denjenigen, die an seinem Schicksal schuld sind, selbst ins Gesicht sehen.

Ab und an merkt man, dass sich die Verantwortlichen der problematischen Zeichnung ihres Protagonisten bewusst sind. Situationen, die sein Vorgehen hinterfragen, ziehen indes oft schnell vorüber. Als Korrektiv könnte die Journalistin Katie Buranek (Constance Wu) dienen, die auf die Merkwürdigkeiten beim Umgang der Regierung mit der fatal aus dem Ruder gelaufenen Syrien-Operation anspringt. Zum einen bleibt sie zunächst aber etwas zu blass, erhält viele wichtige Informationen über andere Personen aus dem Off. Zum anderen macht sie bei ihrer ersten Begegnung mit Reece klar, dass sie an seinem Bild als aufrechter Soldat nicht rütteln, sondern die Verstrickungen im System unter die Lupe nehmen will. Bleibt also abzuwarten, ob sich ihre wohlmeinende Haltung gegenüber Reece in der zweiten Serienhälfte noch entscheidend dreht.

Journalistin Katie Buranek (Constance Wu) versucht, den Durchblick zu behalten. Amazon Studios

Dass die Kritik an James’ Zero-Tolerance-Auftreten in der Serie unter dem Strich nur kosmetisch daherkommt, liegt auch an einigen merkwürdigen religiösen Untertönen. Angefangen bei Pratts Eröffnungs-Voice-over über den alttestamentarischen Richter Gideon erlaubt sich „The Terminal List – Die Abschussliste“ mehrere Anspielungen, die vor allem ein Ziel zu haben scheinen: den gebrochenen Ex-Elitekämpfer als eine Art Märtyrer darzustellen. Womit sein Amoklauf einmal mehr abgesegnet wird.

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang auch Folgendes: Der Star selbst, dessen mutmaßlich konservative Ansichten in letzter Zeit wiederholt für Diskussionen, vor allem in den sozialen Netzwerken, sorgten, liefert all jenen, die ihn misstrauisch beäugen, mit seiner neuen, Waffen ständig prominent ins Bild rückenden Amazon-Prime-Serie reichlich Argumente. Freimachen kann sich Pratt jedenfalls nicht von der zweifelhaften Agenda, wird er doch auch als einer der ausführenden Produzenten gelistet.

Die dubiosen inhaltliche Aspekte ließen sich vielleicht ein bisschen leichter verschmerzen, wenn „The Terminal List – Die Abschussliste“ wenigstens durchweg zu fesseln wüsste. Echte Action- und Spannungshighlights bleiben allerdings aus. Mehr als Routine und unterkomplexe Schwarz-Weiß-Konstruktionen sollte man nicht erwarten. Wirklich schade, zumal das Thema der aus Kriegseinsätzen traumatisiert heimkehrenden, sich allein gelassen fühlenden Soldaten ein ebenso brisantes wie interessantes ist.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier von insgesamt acht Folgen der Serie „The Terminal List – Die Abschussliste“.

Meine Wertung: 2/​5

Die Serie „The Terminal List – Die Abschussliste“ wird am 1. Juli bei Amazon Prime Video veröffentlicht.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    So, mitte der 2. Folge mach ich Schluß. Mir zu langweilig.
    • am

      ja, das ist das Problem, wenn man einen Thriller mit einem durchgehenden Spannungsbogen nur zur Hälfte sieht, nach vier Folgen ist man gerade mal am Midpoint - und normalerweise dreht sich dann die ganze Handlung nochmal. Da kann man keine Bewertung abgeben. So auch hier. Ab Folge 5 wird ziemlich deutlich, dass wir bei Reece im Kopf eines Mannes sind, der seinen moralischen Kompass verloren hat. Wir verstehen, warum, aber die Konsequenzen, die er daraus zieht sind definitiv falsch. Daran lässt die Serie meiner Meinung nach auch keinen Zweifel. Der Held wird ab hier zum Antagonisten, der FBI - Agent und die Journalistin übernehmen die Helden - Rolle. Die Macher der Serie waren sich imho dieser Gratwanderung bewusst. Nur muss ich sagen, dass Chris Pratt als Schauspieler mit der emotionalen Komplexität seiner Rolle etwas überfordert war :-)) Natürlich ist es schwieriger einen Rachethriller in der Gegenwart stattfinden zu lassen, in der wir ein relaitiv gut funktionierendes Justiz-System gibt. Aber jemand hat es hier ja gesagt: Batman handelt im Grunde genauso - aber bei ihm finden das alle gut. Ich finde aber die Frage nicht unbedeutend, die die Serie am Ende aufwirft: Warum empfinden wir Morde, die vom Schreibtisch aus begangen werden, als weniger kritikwürdig?
      • (geb. 1987) am

        Hab alle Folgen gesehen und muss sagen: Endlich mal wieder ein großer Rachethriller!
        Viele Kritikpunkte, z.B. warum sein Kumpel zu ihm hält, obwohl er merkt, dass die Sache zu derbe wird, klären sich auf.
        Ja, bei Rachethriller bekommt eine gewisse Gemeinde sowieso immer Schnappatmung. Die Kritik ist dann stets rein politischer Natur.
        Dieser hier ist exelent bebildert, gut geschauspielert, mit spannender Story und hammer Soundtrack.
        Die Handlung ist natürlich klar: Rache.
        Das hat man aber schon wesentlich schlechter gesehen, IMDB bewertet die Serie mit hoher 8,1
        Wer etwas gegen Waffen, Militär oder Amerikaner hat, sollte sich etwas angucken, wo er gebauchpinselt wird, aber dann auch nichts dazu sagen.
        Ich kritisiere ja auch keine romantische Dramen, weil ich die sowieso für stinklangweilig halte.
        Und wer über dem moralischen Faktor jammert: Auch Bond, Braveheart, Crow, Wick, Equilizer, Max und quasi alle Charaktere von Neesson, Eastwood, Gibson, Stratham usw. morden sich durch ihre Feinde.
        Wer 24, Strike Back, Homeland etc mochte, wird diese Serie lieben, denn sie ist WESENTLICH besser.
        Auffallend ist die Detailverliebtheit, was die Gadgets angeht. Da gibt es keinen billigen Requisitenmist, sondern hochwertige Qualität bei allem was benutzt und gefahren wird (Bspl: Winkler Tomahawk oder Rezvani Autos). Auch die Kameraarbeit ist ganz vorne. Oft werden helle und dunkle Seiten symbolisiert und grandiose weite Lanschaftsbilder konträr zu fast schon klaustrophobischer Enge gezeichnet.
        Fazit: Sollten Firmenbosse und Politiker glauben, sie seien unsterbliche Götter und können einfach so Leute seelisch und körperlich vernichten, die ihr ganzes Leben darauf trainiert wurden Gewalt zu perfektionieren?
        Keine gute Idee...!
        • (geb. 1973) am

          Das Buch war ein Bestseller, was ich ehrlich gesagt nie verstanden habe. Der Schreibstil hatte Grundschulniveau.
          Wer das Buch von daher kennt, weiß was ihn/sie erwartet - eine ganz üble und platte Selbstjustizstory mit hanebüchenen Dialogen (zumindest im Buch).
          • (geb. 1967) am

            Auweia, dann brauche ich mir die Serie null zu geben....ich bin ein totaler Action Fan, aber, wenn ich sowas lese, wird mir übel! Genauso, habe ich die 2 "Jack Reacher" Filme mit Tom Cruise gesehen, die mir richtig gut gefallen haben, und, da ich schon mein Leben land Tom Fan bin, waren die ein muss! Auf die Serie hatte ich bisher null, null Bock!
          • am

            Hallöchen,
            ich habe mir auch die 8 Folgen hereingezogen. Für mich war die Serie einfach super, sicher gab es hier und da schon Ungereimtheiten, aber alles in allem ein sehenswertes Spektakel.
            Die obige Bewertung sollte man nicht zu ernst nehmen. Es ist alles nur Film, das kann man mit der Realität doch nicht vergleichen. Wer so penibel ist, braucht sich keine Science-Fiction, Thriller oder ähnliche Genre anzuschauen. Eins kann ich versichern, Spannung pur von der 1. bis zur letzten Folge. Für mich ein absolutes „Muss“.
        • am

          Da freut man sich auf eine neue Actionserie und dann kommt sowas. Ich bin schon bei der 1. Folge fast eingeschlafen. Gequirlte Psychospielchen und endlose Rückblicke statt einer interessanten und spannenden Handlung. Der nächste Flop für Chris Pratt nach der Gurke "The Tomorrow War".
          • (geb. 1967) am

            Huch , 2 von 5 Punkten....:-)
            • (geb. 1971) am

              Naja es war jetzt keine schauspielerische Glanzleistung, die habe ich aber nach dem Trailer auch gar nicht erwartet.
              Die erste Folge war gut Actionreich und ich wurde unterhalten.
              Im großen ganzen fand ich die Folge nicht wirklich schlecht und werde mir die restlichen auch noch anschauen.
              Weiß ja nicht was man für große Ansprüche bei einer Action Serie braucht ?
              Und genau die angesprochenen Rückblicke fand ich interessant, da nur so der Zusammenhang verstanden wird.
              Die Kritik hier ist wie bei vielen anderen nichts weiter als die Meinung eines einzelnen und somit 0 Aussagekräftigt.
              Da hier jeder seine eigenen Vorlieben hat, sollte das auch jeder selbst für sich entscheiden und sich nicht auf eine Kritik im Netz verlassen und deshalb erst gar nicht reinschauen.
            • am

              Bin nicht ganz deiner Meinung. Momentan steht diese Serie in Deutschland auf Nummer 1.
              Aber hinsichtlich der o. Bewertung hast du vollkommen recht, das ist eine einzelne Meinung, einfach bedeutungslos.
              Ich kenne alle 8 Folgen und ich fand sie ganz toll. Gegen die anderen Serien, die man sonst angeboten bekommt, ist diese „Premium“.

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