„Das Netz – Spiel am Abgrund“ in der ARD: Zeit, dass sich was dreht! – Review

Das Erste zeigt, was mit deutschen Serien falsch gemacht wird

Rezension von Fabian Kurtz – 21.10.2022, 16:39 Uhr

„Das Netz – Spiel am Abgrund“ ab dem 21. Oktober in der ARD Mediathek. – Bild: ARD
„Das Netz – Spiel am Abgrund“ ab dem 21. Oktober in der ARD Mediathek.

Ab dem heutigen Tag ist in der ARD Mediathek das Serienprojekt „Das Netz“ mit seinem deutschen Ableger Spiel am Abgrund verfügbar. Die Serie über Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung des Sportgeistes kommt damit gut einen Monat vor der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar und versucht damit, die sowieso schon hitzige Stimmung abermals zu entflammen. Dass dabei erzählerisch ähnlich viel über Leichen gegangen wird, wie bei dem Bau der Stadien, entblößt die Serie als eines der ekelhaftesten Ungetüme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Zentraler Punkt der Serie ist die geplante World League, die von der „World Football Association“ WFA und deren Ratspräsident Jean Leco (Raymond Thiry) ausgetragen wird. Der korrupte Funktionär möchte die großen Teams der Länder gegeneinander antreten lassen und versucht im Grunde eine noch gröbere Frechheit, als die vor einem Jahr diskutierte „Super League“. Dass er dabei auf Ablehnung im Rat stößt, ist Leco bekannt, weswegen er geheime Dokumente heranschaffen lies, um die jeweiligen Ratskollegen zu erpressen.

Diese Dokumente befinden sich in den Händen des Scouts David Winter (Itay Tiran), der sich bei seiner Freundin Lea Brandtstätter (Birgit Minichmayr), einer Anwältin, um ein mögliches Zeugenschutzprogramm bemüht, da er den Skandal publik machen möchte. Daraufhin hetzt Leco Killer nach Berlin, um Winter auszuschalten und die Dokumente zu sichern. Da Letzteres vorerst nicht gelingt und die vom Tod ihres Freundes rasende Lea auf Rache schwört, entsteht ein moralisch und pathetisch aufgeladenes Spiel auf Leben und Tod, in dem integre Charaktere fern jeder Logik ihre Prinzipien über Bord werfen und zu lächerlichen Selbstjustiz-Schablonen werden.

Lea (Birgit Minichmayr) und David (Itay Tiran) wollen eine gemeinsame Zukunft. ARD Degeto

Dabei sind die Darstellungen des gesamten Casts so verdammt einfallslos, übertrieben und falsch, dass man sich wirklich fragen muss, ob das Absicht war. Wäre kein Wunder bei dem Regisseur Rick Ostermann, der sich in den ersten beiden Folgen als komplett unfähig herausstellt, die verwobenen Handlungsstränge spannend und interessant in Szene zu setzen. Handwerklich ist die Serie genauso langweilig gedreht wie geschnitten. Man hat das Gefühl, jedweder Mut wurde diesem Projekt mit dem Knüppel herausgeprügelt, sodass bloß niemand Anstoß finden könnte an inszenatorischer Überfrachtung. Daraus resultiert jedoch das komplette Gegenteil: Gähnende Langeweile.

Auch weil „Spiel am Abgrund“ im Position beziehen keine Position bezieht. Die monotone Akkumulation der Sünden dieser Fußballwelt ist so dermaßen losgelöst von inszenatorischen Akzenten, dass man auch einfach in die Chronik des Kickers oder der Sport-Bild schauen könnte und zehnmal mehr unterhalten wäre. Und besser informiert. Es grenzt an Polemik, was sich Headautor Bernd Lange und sein Team hier erlauben. Themen mit moralischer, politischer wie wirtschaftlicher Brisanz so rücksichtslos für die eigene Popcorn-Kino-Idee zu missbrauchen ist eine Frechheit sondergleichen und hat nichts, aber auch überhaupt nichts mit erzählerischem Handwerk zu tun. Sich die Haare sträubend sitzt man dann vor der Mattscheibe und möchte vor Fremdscham im Boden versinken.

Man hat das Gefühl, dieses Fernsehen kenne sein Publikum nicht mehr. Es wird versucht, einen Zeitgeist zu bedienen, der zwar da ist, jedoch weitaus komplexer, als ihn Spiel am Abgrund polemisiert. Es gibt, so sehr sich ausgeprägtes Gutmenschentum auch vor dieser Erkenntnis fürchtet, auch für dieses skandalöse und wahrlich anrüchige Kapitel des Sports keinen Konsens. Ein Uli Hoeneß zum Beispiel schrieb dem Fußball jede Moral ab und befürwortete damit den Gang nach Katar. Gianni Infantino, derzeitiger FIFA-Präsident, sorgte mit seinem dreifachen Qatar! bei der Verlosung für einen peinlichen Auftritt der Superlative, der jedoch auch sein Publikum gefunden hatte.

Raymond Thiry als durchtriebener WFA-Funktionär Jean Leco. ARD Degeto

Und hört man sich die Nationalelf an, so wird zwar hier und da die Menschenrechtsverletzung verurteilt, doch für einen Boykott sei es ja zu spät. Warum? Weil das verführerische Gold des Pokals und der Ruhm die Profi-Herzen nun mal höherschlagen lassen als eine weihnachtliche Spende an Amnesty International. Und auch diejenigen, die mit erhobenem Haupt meinen, sie säßen dieses Jahr ja nicht mit Hefeweizen und Retrotrikot vor der Flimmerkiste in den Kneipen, sitzen jedoch derweil bei hundert Euro im Monat vor Sky Go und schauen die Samstagskonferenz.

Die Fußball-Maschinerie ist viel größer, viel detailreicher als eine bevorstehende Super League oder die WM. „Spiel am Abgrund“ flüchtet sich in die Welt des Thrillers, nur um sich vor ernsthafter Auseinandersetzung und Diskussion zu verstecken. Gute Unterhaltung lebt von Nahbarkeit und Nahbarkeit von Aufrichtigkeit. „Das Netz – Spiel am Abgrund“ jedoch ist eine infame Hypermoralisierung eines brisanten Konflikts zum Wohle möglicher Einschaltquoten. Wenn man schon was boykottieren will, kann man gerne hier anfangen.

Diese Rezension basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von „Das Netz – Spiel am Abgrund“.

Meine Wertung: 0/​5

„Das Netz – Spiel am Abgrund“ ist mit allen acht Folgen ab sofort in der ARD Mediathek abrufbar und wird ab 3. November im Ersten ausgestrahlt.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Nachdem ich nun alle Folgen gesehen habe:
    Der ganz große Wurf war es tatsächlich nicht, aber auch keines der ekelhaftesten Ungetüme des Fernsehens. Die Auflösung fand ich ein bisschen mau, dazu ein kleiner Spoiler unten, und auch die Akteure in ihren Fähigkeiten eher begrenzt, vor allem die Hauptdarstellerin verfügt doch eher über eine eingeschränkte Mimik und sprachliche Ausdrucksfähigkeit.,

    P.S.: Mir war bei meinem ersten Posting gar nicht bewusst, dass dieser Beitrag hier automatisch in die Kommentare auf der Wunschliste-Seite aufgenommen wird



    P.P.S.: Spoiler: Wie viel kann man denn selbst daran verdienen, wenn die Spieler, die man als Talentscout in Afrika anwirbt, entgegen den eigenen Versprechungen in der 5. Liga spielen? Oder soll es da die Masse machen?
    • am

      Was für eine bärenstarke Rezension, Fabian, ein außergewöhnliches Stück. Es gibt sie also doch noch, die Journalisten -- wenigstens einen. Danke dafür.
      • am via tvforen.de

        TV Wunschliste schrieb:
        -------------------------------------------------------
        Dass dabei erzählerisch ähnlich
        > viel über Leichen gegangen wird, wie bei dem Bau
        > der Stadien, entblößt die Serie als eines der
        > ekelhaftesten Ungetüme des
        > öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
        >

        Das verstehe ich nicht ganz - ist die Serie ein ekelhaftes Ungetüm oder demaskiert sie nur das Sport-TV als ein solches?

        Und in meiner TV direkt steht: "Neue Staffel". Das ist aber schon eine ganz neue Serie, wenn ich das hier und bei Wikipedia richtig verstehe, oder? Die dann mit der weiteren, anschließend folgenden Serie Prometheus sowie der italienischen Produktion Powerplay (für die es aber noch keinen Sendetermin zu geben scheint oder die in Deutschland nicht ausgestrahlt wird) in einem Zusammenhang steht?
        • am

          Viel Schaum...
          • (geb. 1992) am

            Klingt für mich fast so, als würde der Redakteur hier eher seine persönliche Meinung zur WM niederschreiben.


            Wenig objektiv geschrieben.
            • am

              So schlecht?
              Und ich habe gedacht, endlich mal ne ARD-Serie, die man gucken kann...
            • am

              Hier hat die Serie 5 von 6 Sternen bekommen: http://www.tittelbach.tv/programm/serie/artikel-6177.html
              Ich bilde mir da lieber selber eine Meinung.
              • (geb. 1967) am

                Tatsächlich!! Da kann der wunschliste Redakteur wohl keine deutschen Thriller ab....:-)
              • am

                Eine Kritik soll und will die eigene Meinung nicht ersetzen. DWDL sieht’s aber ähnlich wie Fabian hier.
              • (geb. 1967) am

                Wen meinst du mit Fabian?? Den Chef von Quotenmeter?
              • (geb. 1992) am

                Fabian ist der Redakteur, der diese Rezension verfasst hat.
            • (geb. 1967) am

              Auweia!! Habt ihr je schon mal einer Serie 0 Punkte gegeben?? :-)
              • am

                Auweia, hab ich schon mal so ein quatsch gelesen?? Was ich überhaupt nicht leiden kann ist wenn mir jemand mein Vorhaben die WM zu boykotieren mit so ein Blödsinn wie mich als sabbernden Sky Sport Kunden zu betiteln nur weil man wahrscheinlich selbst nicht in der Lage ist das ganze Ausmaß der Misere dieses Sports, da wird die Serie wahrscheinlich sogar noch sehr weit hinterher sein, zu blicken. Nein ich schaue kein Sky und ja ich bin ein mündiger Bürger der den Fussball als Sport mag aber nicht als das was er heute ist, was auch Menschen wie dieser Schreiberling zu verantworten hat wenn er sein gefährliches Halbwissen zum Besten gibt. Wenn man gleich jegliche Kritik an dem gezeigten und künstlerische Freiheit so dermaßen abkanzelt ,hat das Ziel dieser Serie nicht verstanden. Ich würde jetzt auch keine 5 Sterne vergeben aufgrund handwerklicher Unzulänglichkeiten aber so einen unausgegorenen Quatsch würde ich jetzt auch nicht von mir geben.Ich unterstütze den Versuch den Dreck mal ein wenig ans Tageslicht zu zerren und wenn auch nur als Märchen. Klar wird hier vieles reingedichtet und ist der Spannung unterworfen, ist ja auch keine Doku und das ist genau was der gute Mann wohl nicht verstanden hat, obwohl sich hier aufgeschwungen wird, das es doch so viel Komplexer in dieser Welt zugeht, mal ganz ehrlich nee das tut es nicht. Es ist einfach und billig und unterste Schublade die jedes Kind versteht. Es geht um Geld Gier und Macht. Man muss da nicht mehr rein interpretieren als es tatsächlich ist. Das große Wissen des Rezensenten wird hier einfach nur als Füllmaterial benutzt um sagen zu können" Hat mir nicht gefallen", was klüger gewesen wäre als hier so komisches Zeug von sich zu geben.
                In diesem Sinne, setzten 6.
                Gut ist auch der Satz"...wahrscheinlich anrüchige Kapitel des Spiels...", sag mal gehts noch?!?! Dann einfach mal gar nichts schreiben.


                Uuups fast vergessen, ich vergebe 2,5 von 5.

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