Carolin Kebekus im Interview: „Reine Provokation finde ich ziemlich billig“

Über die neue „PussyTerror TV“-Staffel, #MeToo und den „Echo“-Skandal

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 17.05.2018, 14:50 Uhr (erstmals veröffentlicht am 11.05.2018)

Carolin KebekusWDR/​klein&repplinger

fernsehserien.de: Sie haben sich sowohl in „PussyTerror TV“ als auch in Interviews zur Sexismus-Debatte und den Missbrauchsskandalen geäußert. Die #MeToo-Bewegung ist jetzt etwa ein halbes Jahr im Gange. Haben Sie das Gefühl, dass die Debatte etwas gebracht hat und die Menschen sensibler für dieses Thema geworden sind?

Carolin Kebekus: Ich habe schon den Eindruck, dass die Debatte bewirkt hat, dass jetzt aufmerksamer mit diesem Thema umgegangen wird. Es trauen sich zum Glück immer mehr Frauen, den Mund aufzumachen, wenn ihnen etwas Schlimmes widerfahren ist. Verantwortliche nehmen das jetzt ernster als früher und versuchen, das dann auch aufzuklären – und das kann nur positiv sein. In meinem persönlichen Umfeld kenne ich nur Männer, die selbst schockiert sind, wenn solche Fälle ans Tageslicht kommen. Sie hinterfragen auch mehr ihr eigenes Verhalten, wenn sie beispielsweise früher etwas in der Richtung mitbekommen haben, aber nichts weiter dagegen unternommen haben, einfach weil es als „normal“ galt. In keiner Weise fühlen sie sich aber „bedroht“, wie es vor kurzem in einem ZEIT-Artikel beschrieben wurde. Männer, die jetzt jammern, dass sie gar nicht mehr wissen, wie sie sich zu verhalten haben, sind meiner Ansicht nach Idioten. Zum Glück kenne ich solche Männer persönlich nicht – aber ich lebe natürlich auch in meiner Blase, in der aufgeschlossene Menschen meine Gesinnung teilen.

Wenn ich mir ab und zu Comedyshows von früher anschaue, bin ich öfter mal überrascht, wie frauenfeindlich manche Sketche waren, sich damals aber offensichtlich kaum jemand daran gestört hat. Fragen Sie sich auch manchmal: „Wie konnte man so etwas mal lustig finden?“

Carolin Kebekus: Ja, schon. Die Befindlichkeit ist eine andere geworden und ich finde viele Sachen von früher rückblickend auch gar nicht mehr lustig, weil sich natürlich das Frauenbild verändert hat. Wenn jemand Witze darüber macht, dass Frauen ständig Schuhe kaufen oder nicht einparken können, kann ich nicht mehr wirklich darüber lachen – weil ich einfach gar nicht mehr viele Frauen kenne, auf die das zutrifft.

Es wird leider immer noch so getan, als gäbe es nur wenig Frauen in der Comedybranche. Dabei gab und gibt es sehr viele gute Komikerinnen. Haben Sie das Gefühl, dass es für Frauen immer noch schwierig ist, Anerkennung in der Comedyszene zu bekommen?

Carolin Kebekus: Es existiert immer noch das altmodische Denken, dass eine typische Comedy-Mixed-Show aus vier unterschiedlichen Jungs und einer Frau besteht. Immer noch kommt zu selten jemand auf die Idee, dass es auch mehrere Frauen geben könnte, die in einer Show unterschiedliche Comedy machen. Dadurch ist auch diese bescheuerte Denkweise entstanden, dass es immer nur eine „lustigste Frau Deutschlands“ geben kann – und alle anderen nicht stattfinden. Gleichzeitig können aber viele männliche Comedians nebeneinander existieren, von denen übrigens einige gar nicht mal so lustig sind.

Carolin KebekusWDR/​klein&repplinger

Gaby Köster war für Sie ein großes Vorbild. Mittlerweile sind Sie selbst zu einem Vorbild für viele junge Künstlerinnen geworden. Gibt es da so etwas wie ein Verantwortungsgefühl oder etwas, das Sie den jungen Kolleginnen mit auf den Weg geben möchten?

Carolin Kebekus: Als ich Gaby Köster und auch Anke Engelke früher im Fernsehen gesehen habe, wurde mir überhaupt erst klar, dass Comedy ein Job ist, den auch Frauen machen können. Wahrscheinlich geht das jetzt auch vielen jungen Mädels so, wenn sie mich sehen – und es ist schon cool, dass es „Comedienne“ mittlerweile als Berufswunsch gibt. Aber ich sehe mich selbst nicht als Vorbild oder Wegbereiterin, darüber mache ich mir gar nicht viele Gedanken.

Oft heißt es bei jungen Kolleginnen schnell: „Die kopiert Carolin Kebekus.“ Stört Sie das?

Carolin Kebekus: Nee, überhaupt nicht. Als ich mit Comedy angefangen habe, klang ich ehrlich gesagt sehr wie Gaby Köster! (lacht) Es gibt viele Mädels, die ihr eigenes Ding machen und trotzdem mit mir verglichen werden – nur weil sie auf der Bühne etwas lauter und derber sind. Das ist aber zu einfach gedacht. Dass mehrere junge Frauen in der Comedy über ähnliche Themen sprechen, die in ihrer Generation wichtig sind, liegt in der Natur der Sache. Viele männliche Comedians neben Mario Barth bedienen das Mann-Frau-Thema – daran stört sich seltsamerweise niemand.

Ihre Kollegin Jeannine Michaelsen erzählte mir im Interview, dass sie regelmäßig im Internet kritisiert wird – in den meisten Fällen beschränken sich diese Kommentare jedoch auf ihr Aussehen. So etwas liest man bei männlichen Moderatoren je eher selten. Sie selbst sind heute absolut etabliert und respektiert, aber wie war das in der Anfangszeit? Mussten Sie dafür kämpfen, nicht aufs Äußerliche reduziert zu werden?

Carolin Kebekus: Am Anfang wurde ich tatsächlich in diversen Sendungen gezielt so eingesetzt, dass ich immer die süße Kleine war. Davon habe ich mich aber relativ schnell frei gemacht, weil meine Sparte der Comedy sehr stark von meinen Inhalten lebt. Wenn ich mich einfach nur auf die Bühne stellen würde, um hübsch auszusehen, würde das keinen interessieren. Wenn ich früher gefragt habe: „Wie war mein Auftritt?“ und als Antwort kam: „Deine Haare sahen so geil aus und dein Outfit war der Hammer!“, wusste ich: „Alles klar, das bedeutet, der Auftritt selbst war dann wohl nicht so toll.“ Natürlich habe auch ich eine gewisse Eitelkeit und zelebriere meine Weiblichkeit – ich stehe ja nicht im Jogginganzug auf der Bühne. Aber ich möchte natürlich nicht darauf reduziert werden.

Bei Jeannine ist das noch mal etwas anderes. Sie wird als Moderatorin leider häufig so eingesetzt, dass sie unter ihren Fähigkeiten bleibt. Ich denke mir oft: „Diese Frau moderiert so unfassbar geil!“, weil sie eben nicht nur ein Kleiderständer ist, sondern ’ne eigene Meinung hat und für jede Sendung eine Riesen-Bereicherung ist. Da kann ich es gut verstehen, dass es sie nervt, wenn nur darüber geschrieben wird, welche Schuhe oder welches Kleid sie trägt.

Carolin Kebekus mit den Gästen der ersten neuen Folge „PussyTerror TV“: Namika und Moritz BleibtreuWDR/​Frank Dicks

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Carolin Kebekus von Provokationen in der Comedyszene und dem „Echo“-Skandal rund um die Rapper Kollegah und Farid Bang hält.

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