Hollywood-Streik: Schauspielergewerkschaft droht frühzeitig ebenfalls mit Streik

SAG-AFTRA geht aggressiv in Tarifverhandlungen

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 18.05.2023, 13:29 Uhr

Die aktuelle SAG-AFTRA-Präsidentin Fran Drescher in ihrem jüngsten Fernsehfilm „The Christmas Setup“ – Bild: Lifetime/2020
Die aktuelle SAG-AFTRA-Präsidentin Fran Drescher in ihrem jüngsten Fernsehfilm „The Christmas Setup“

Neue Zwischenmeldungen aus Hollywood: Nachdem die Autorengewerkschaft WGA infolge gescheiterter Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag mit dem Autorenverband AMPTP in den Streik getreten ist, kündigt die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA nun harte Bandagen für ihre eigenen Tarifverhandlungen an: Man wird bereits vor Verhandlungsbeginn eine Urabstimmung durchführen und dann mit Streikdrohungen in die Verhandlungen starten.

Hintergrund: Die Tarifverträge in Hollywood

Alle drei Jahre ist es ein ähnlicher Tanz: Die drei großen Kreativen-Gewerkschaften Hollywoods auf der einen Seite und der Produzentenverband Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) handeln neue Tarifverträge aus (eben traditionell mit dreijähriger Laufzeit). Für 200.000 Autoren (Writers Guild of America; WGA), 10.000 Regisseure (Directors Guild of America; DGA) und 160.000 Schauspieler (SAG-AFTRA) geht es um Mindestlöhne, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiträume, Mindeststandards sowie auch um Krankenversicherung und Altersversorgung bei Arbeiten in Filmen und fiktionale „Primetime-Sendungen“ (was mittlerweile auch Streaming-Formate einschließt).

Dabei kommt die AMPTP – die 300 Medienfirmen in Film und Fernsehen als Dachverband vertritt, von FOX (fast nur lineares Fernsehen) bis Netflix (nur Streaming) – mit den unterschiedlichen Gewerkschaften unterschiedlich „gut“ aus. Mit den Regisseuren der DGA wird man sich oft schnell einig (die DGA hat noch nie ernsthaft gestreikt), die Autoren bringen häufig die kompliziertesten Verhandlungen (drei Streiks in den letzten 40 Jahren), die Schauspieler liegen dazwischen (ein Streik vor mehr als 40 Jahren). Solche Verhandlungen sind immer auch ein PR-Schachspiel, bei dem beiden Parteien versuchen, die eigenen Positionen positiv in der Öffentlichkeit darzustellen. Die AMPTP verhandelt daher am liebsten zunächst mit den Regisseuren, deren Forderungen man am ehesten erfüllen kann (die wenigsten Mitglieder, die „unkompliziertesten“ Arbeitsbedingungen) – und damit der Öffentlichkeit zeigen, dass man „vernünftigen Forderungen“ der Kreativen gerne entgegenkommt, kompromissbereit ist.

Das Jahr 2023

Während die drei großen Tarifverträge immer im selben Jahr ablaufen, laufen sie in der Regel nicht am selben Tag ab. Dieses Mal lief der Vertrag der Drehbuchautoren als erstes aus – in der Nacht zum 2. Mai; die Verträge der Regisseure und Schauspieler gehen beide bis zum 30. Juni.

Bekanntlich kam die AMPTP mit den Autoren zu keinem Tarif-Kompromiss. Mitglieder des Verhandlungsteams der Autoren monierten, dass die AMPTP bei keiner der wirklich wichtigen Fragen der Autoren kompromissbereit schien. So hatte die Gewerkschaft nach mehreren Verhandlungswochen ihre Mitgliederschaft um eine Streikautorisierung gebeten, die auch gewährt wurde. Nach Scheitern der Verhandlungen und Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags war daher klar, dass die Autoren streiken: Keine „Verhandlungen bis Mitternacht“, kein Wir verlängern den alten Vertrag nochmal provisorisch um ein paar Tage, um einen Kompromiss zu finden. Seit dem Streikbeginn haben die Autoren und die AMPTP sich nicht wieder zu weiteren Verhandlungen getroffen.

Am 12. Mai begannen die Verhandlungen zwischen Regisseuren und AMPTP. Beide Parteien haben öffentliches Stillschweigen vereinbart, aber anscheinend gibt es Anzeichen für eine Annäherung.

Schauspieler solidarisch mit Autoren

Am 7. Juni sollen die Verhandlungen von AMPTP mit der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA beginnen. Die Schauspieler zeigten sich schon früh solidarisch mit den Autoren. Während die Schauspieler nicht im Streik sind und zur Arbeit erscheinen sollen, sollen sie doch keine Streiklinien durchbrechen (wenn also Autoren bei einer Produktion zum Protest auflaufen und die Zugänge zu Dreharbeiten gewaltfrei blockieren, sollen Schauspieler laut Empfehlung ihrer Gewerkschaft nicht durch die Streikenden hindurch zu den Dreharbeiten gehen – schon mehrere „Drehtage“ wurden so von den Autoren verhindert).

Nun hat das National Board, die US-weite Gewerktschaftsspitze der diversen Lokalverbände der SAG-AFTRA, einstimmig beschlossen, schon vor Verhandlungsbeginn eine Urabstimmung durchzuführen, die der Gewerkschaft im Falle des Scheiterns von Vertragsverhandlungen sofort einen Streik erlauben würde – statt wie die WGA den Verhandlungsverlauf abzuwarten oder gar erst nach Auslaufen des aktuellen Vertrags solch eine Urabstimmung durchzuführen.

SAG-AFTRA wurde 2012 aus den damaligen Gewerkschaften SAG (Screen Actors Guild) und AFTRA (American Federation of Television and Radio Artists) zusammengeschmiedet – und ist seit den Tagen von Grabenkämpfen zweier Gruppen durchzogen (fernsehserien.de berichtete über die letzte Vorstandswahl). Dass sich alle Board-Mitglieder in dieser Sachfrage einig sind, kann als geradezu historisch hervorgehoben werden.

Gewerkschaftspräsidentin Fran Drescher (bekannt durch „Die Nanny“) kommentiert die Empfehlung, einen potentiellen Streik zu autorisieren: Wir müssen vorbereitet sein, sollte sich die Notwendigkeit ergeben. Das Verhandlungsergebnis ‚Streik‘ ist nicht unsere bevorzugte Option. Aber eine finale Möglichkeit.

Nun werden den abstimmungsberechtigten SAG-AFTRA-Mitgliedern die Unterlagen zugesandt, Einsendeschluss der Rückmeldungen ist dann der 5. Juni.

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