Gestanztes Geschwätz
TV als Totengräber der deutschen Sprache
Jutta Zniva – 25.11.2005
„Lieblos wie ein Fastfood-Essen“ werde die deutsche Sprache von den Deutschen verwendet, beklagte Thilo von Trotha, Präsident des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache. Schuld daran seien a) die Schule und b) das Fernsehen.
Der Umgang mit der Muttersprache sei zu schlampig geworden, kaum einer könne sich noch „der Fülle und Schönheit der deutschen Sprache sinnstiftend“ bedienen, zitiert RP Online Präsident Trotha. Die Schule wecke bei Kindern nicht mehr das Empfinden für die Bedeutung von Worten und Sprache. Dies sei „gefährlicher als alle Auswirkungen schlechter Pisa-Noten“.
Auch das Fernsehen würde dem Umgang mit der deutsche Sprache das Grab schaufeln. „Schlagzeilen-Sprache“ stünde an der Tagesordnung. Hinter vordergründiger Genauigkeit befände sich nur „gestanztes Geschwätz“, durchsetzt von „nichtssagenden Floskeln“. Schlimm sei daran, dass die Menschen sich an der Sprache im Fernsehen orientierten und sie übernähmen, meinte Trotha.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Rudi Mente am via tvforen.de
Es gibt noch 2 Kultursender, 2 Vollprogramme, die sich durch ein tolles Sprachniveau auszeichnen - DLF und DLR. Die habe Gottseidank auch kein Bild (nötig?)Romiman am via tvforen.de
Das ging schon mit dem absichtlich falschen "Feldbusch-Deutsch" los. (Da werden Sie geholfen...)
Fewmaster am via tvforen.de
wunschliste.de schrieb:
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> Auch das Fernsehen würde dem Umgang mit der deutsche Sprache
> das Grab schaufeln. "Schlagzeilen-Sprache" stünde an der
> Tagesordnung. Hinter vordergründiger Genauigkeit befände sich
> nur "gestanztes Geschwätz", durchsetzt von "nichtssagenden
> Floskeln". Schlimm sei daran, dass die Menschen sich an der
> Sprache im Fernsehen orientierten und sie übernähmen, meinte
> Trotha.
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Ach je, ist das ein neuer Artikel oder einer der 10, 20 oder 30 Jahre alt ist? Das böse Fernsehen ist wieder mal an allem schuld. Was ist so schlimm daran, wenn man seine Programme in einer adäquaten Sprache für seine Zielgruppe verfasst - Leute mit einem IQ unter 50? Es ist ja nicht so, dass irgendwo ansprechende, intelligente Formate laufen würden, die unter schlampiger Verwendung der Sprache leiden.
Da beunruhigt es schon mehr, dass auch im Printbereich alle Zeichen auf Flachsinn stehen und es kaum eine Zeitung, Zeitschrift oder ein Magazin gibt, dass sich in einem kreativen Umgang mit der deutschen Sprache auszeichnet. Was heute Eingang selbst in traditionelle Hochburgen des Journalismus findet, ist schon erschütternd. Zumal im Printbereich allenthalben über sinkende Auflage gejammert wird. Daran sind - so stellt man für sich selbst fest - allerdings nicht die eigenen Inhalte schuld, sondern z.B: die Konkurrenz des Internets. Also stellt man auch seine Texte online - und verflacht diese in soweit, dass sie irgendwelchen Dummbratzen-Portalen, die sich ihre Themen von Content-Filmen als Pakete zusammen stellen lassen, immer ähnlicher werden. Und bei den neuen Light-Versionen von Zeitungen, die den Vorteil haben, dass man sie auch ohne Tapeziertisch lesen kann, wird nicht nur das Format verkleinert, auch die inhaltliche Qualität sinkt rapide.
Es gibt diverse Marktforschungen und Umfragen, die immer wieder ergeben, dass die Zielgruppen sich einfach in Auswahl und Präsentation dert Themen nicht mehr angesprochen fühlen. Es fehlt ihnen die Relevanz, die Sprache ist ihnen zu beliebig, zu werbisch und zu reißerisch. Diese Leute sollen sich gefällig nicht so anstellen, denn Printobjekte, Radio- und TV-Programme werden nicht mehr für Leser, Hörer oder Zuschauer konzipiert, sondern für Werbekunden. Und die können nun mal lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner einigermaßen einschätzen. Die messen der Erfolg einer PR-Aktion anhand des Presseclippings, auch wenn der im beliebigen Umfeld des Heftes/der Sendung völlig unterging.
Dazu dann die seltsame Tendenz, redaktionellen Frohsinn verbreiten zu wollen, um nicht als sauertöpfische Spassbremse dazustehen. Inhalte werden in Sendeminuten oder Zeilen pro Spalte gemessen. In den Redaktionen herrscht Konkurrenz, wer wie viel davon zugestanden bekommt. Und es gibt imer zig Argumente gegen einen Beitrag, der einen Teil der Zielgruppe vielleicht vor den Kopf stößt. Das Argument, dass vor allem keine Langeweile aufkommen sollte, bleibt hingegen ungehört.
Um ein Thema also aufzupeppen, das inhaltlich eine Luftnummer ist, bedient man sich werbischer Verpackung. Griffige Slogans statt informativer Headlines: Sintflut im Sommer, Gammelfleisch in Köln oder - ganz aktuell - Malaise in Münster. Da ist nämlich viel Schnee gefallen und der Strom ist untrbrochen. Also schickt man ein Kamerateam hin, dass ein Statement einer RWE-Pressesprecherin einfängt, das aussagt, dass die Leitungen zwar kaputt sind, aber wieder aufgebaut werden und irgendwann funktionieren werden. Das wird dann so gesendet. Fein, der Sendeplatz ist voll, alles ist bestens!
Oh, ich bin doch wieder beim Fernsehen ... aber morgen in den Münsterländer Nachrichten wird es garantiert so ähnlich stehen. Und RWE wird auch zitiert, keine Sorge.
Es bedient sich der Journalismus also zunehmend einer Sprache, die laut ist, aber nicht trägt. Werbesprache. Und die stößt in allen Umfragen auf breiteste Ablehnung. Kein Wunder, denn sie hat mit Kommunikation nichts mehr zutun. Das Prinzip Heizdeckenverkauf ist das eigentliche Ziel: Leute in einem Raum einsperren und dann über Lautsprecher zudröhnen, bis ihnen so schlecht ist, dass sie alles kaufen würden, nur um in Frieden gelassen zu werden.
Zu dumm, dass es so einfach dann doch nicht funktioniert...
Es erscheinen bei uns jedes Jahr über hundert neue Printobjekte. In der Regel sind es Produkte aus der Marketingabteilung eines Großverlages, die ihre (potentiellen) Leser bis in die DNA zu kennen glauben. Das sind dann "Modern business achiever" oder ein vergleichbarer Unsinn. Diese Zielgruppe wird noch vor der Nullnummer an die Werbekunden verhökert. Die bekommen also quasi ein ersehntes Umfeld versprochen, in das sie investieren dürfen. Wenn die Leser ausbleiben, wird das Heft wieder eingestellt. Das muß nicht mal mit einem Verlust (seitens des Verlages) gekoppelt sein, wenn er es schlau einfädelt. Manchmal klappt es auch prima: GQ verkauft am Kiosk z.B. keinen eigenen Gedanken - das Hochglanzheft ist zu 100% PR für Firmen, die "schöne" Dinge herstellen. Andere Premium-Objekte agieren genauso.
Manchmal findet man noch gut geschriebene Text in kleinen Zeitschriften, die sich einem "special interest" Thema widmen. Ein Oldtimer-Magazin vielleicht oder die Bäckerblume (lange nicht mehr gelesen) - da riskiert man vielleicht noch mal etwas ungewöhnliches. Ansonsten herrscht in der deutschen Medienlandschaft eine Flaute, die so lange keine wirkliche Bedrohung darstellt, so lange alle genauso wenig Wind in den Segeln haben.
In den Buchverlagen ist es ähnlich: Alle sind sich einige, dass die Leute heute nicht mehr lesen wollen - besonders Kinder nicht. Da stören dann Phänomene wie "Harry Potter" empfindlich das Weltbild, weil sie die Vermutung nahe legen, dass es wohl eher am Angebot liegt, dass Gegenwartsliteratur zu 90% in den Regalen verstaubt.
Toll auch das Segment der "Audio books". Noch vor drei Jahren hätte man Verlagsleiter mit der Pistole bedrohen müssen, ehe sie dem eine Chance zugebilligt hätten. Der Deutsche will keine CDs auf denen ihm Bücher vorgelesen werden, die er sich sonst auch nicht gekauft hätte.
Jetzt boomt der Markt und die Verlage ziehen grummelnd mit, weil ihnen damit bewiesen wurde, dass sie falsch gelegen haben - und das können sie nun gar nicht ab.
Ich bin mir sicher, dass das Interesse an Sprache und gut erzählten Geschichten (auch journalistische) momentan ständig wächst. Nur wird das Angebot flach gehalten und die Nachfrage verleugnet. Nicht nur im TV. In allen Medien. Und das liegt wohl auch daran, dass es immer etwas schwieriger ist, einen gute Text oder eine gute Sendung auf die Beine zu stellen, als gedankenloses Geblubber. Dazu braucht es Fantasie, Köpfchen, Lebenserfahrung und Hingabe. Wer die freudlos-zynische Atmosphäre in deutschen Redaktion mal selbst erlebt hat, der wird bezweifeln, dass auf diesem ungesunden Boden demnächst etwas nahrhaftes wachsen kann. Gleichzeitig wird das geistige Brachland immer eifersüchtiger bewacht - die Verantwortlichen werden einen Teufel tun und sich Leute ins Haus holen, die die eigenen Entscheidungen ad absurdum führen könn(t)en.
Da holt mich sich lieber diejenigen ins lecke Boot, die genauso denken und die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchen.Ona gelaptopt am via tvforen.de
Als jüngstes Beispiel fällt mir dazu der Werbespot ein, der da sagt: "It's your Heimspiel", oder so ähnlich. Da habe ich mich auch ungläubig kopfschüttelnd vor dem Fernseher ertappt.
Und da gäbe es noch mehr Beispiele, aber leider stumpft man ab und macht sich gegen solche Formulierungen 'hörresistent'.Laie am via tvforen.de
>Und da gäbe es noch mehr Beispiele, aber leider stumpft man ab und macht >sich gegen solche Formulierungen 'hörresistent'.
Nö, ich krieg' immer noch Anfälle, wenn die "siesen" 3 von irgendeiner Serie erscheint. Oder wenn mal wieder Sale in der Fußgängerzone gespielt wird.
Da bleibt mir nur die afrikanische Kaffeespezialität: Cafe TOGO :-)gucky am via tvforen.de
Den Anfang machten ARD/ZDF mit ihrer dümmlichen Kinderserie mit LaLa & Co. Aber was jetzt über den Bildschirm flimmert kann langsam den Verdacht aufkommen lassen daß die deutsche Sprache abgeschafft werden soll, am schlimmsten ist es mit der Werbung in Kindersendungen. Man sollte eine Pisa-Studie für Fernsehsender und Werbefirmen einführen und schon kommt raus woher die Defizite in den Schulen kommen. Aber auch die Lehrer sind nicht ganz unschuldig, es gibt Lehrer die verteilen Themenblätter an 7 bis 8 Jährige Kinder und wenn ein Kind eine Frage stellt dann kann können sie nicht einmal darauf antworten. Eigentlich könnte man einen ganzen Roman über dieses Thema schreiben, aber die Politiker die es lesen müßten sind ja damit beschäftigt die Steuern zu erhöhen weil sie nicht einmal rechnen können.
Armes Deutschland
mfg guckyexperte am via tvforen.de
gucky schrieb:
>
> Eigentlich könnte man einen ganzen Roman
> über dieses Thema schreiben, aber die Politiker die es lesen
> müßten sind ja damit beschäftigt die Steuern zu erhöhen weil
> sie nicht einmal rechnen können.
> Armes Deutschland
Da wartest du jetzt etwas viel rechnen und lesen können. Das geht nicht.Brooklyn am via tvforen.de
Zum Glück gibt es wenigstens noch die weisen Männer an den Stammtischen.
mfg
Brooklyn