Nordirland macht wieder Schlagzeilen. Als Stolperstein in den Brexit-Verhandlungen, als Schauplatz terroristischer Anschläge. Doch noch wollen die Bewohner in der boomenden Hauptstadt Belfast sich nicht bremsen lassen. „Niemand hier will zurück“, sagt Patricia Grogan. Die Maßschneiderin entwirft Anzüge vor allem für Frauen, sie ist eine von vielen kleinen Unternehmerinnen, die Belfast in den vergangenen Jahren hip gemacht haben. Nach 21 Jahren Friedensprozess hat Nordirlands Hauptstadt sich eine neue moderne Identität erarbeitet. Sie sprüht vor Lebensfreude und – Dankbarkeit für einen gewaltfreien Alltag. Die Menschen sind froh, dass sie sich nicht mehr über Religion streiten, sondern über gutes Essen reden. „Wir wollen das Leben endlich genießen“, sagt Stephen Toman, einer von zwei Michelin-Sterne-Köchen in Belfast. Haute Cuisine in der nordirischen Hauptstadt! Tatsächlich rappelt Belfast sich auf. Lange wurde die Stadt nur mit Terror, Gangs und Mauern assoziiert oder mit dem Bau ausgerechnet der Titanic. 21 Jahre nach Beginn des
Friedensprozesses tobt am Fluss Lagan das Leben. So lange hat Belfast auf Normalität verzichtet, auf einen gewaltfreien Alltag, auf Leichtigkeit, da erscheinen die banalsten Dinge wie ein Segen: „Wir haben jetzt sogar Touristen!“ grinst das Model Nuala Meenahan stolz. Noch immer durchziehen Mauern die Stadt, noch immer werden die Tore am Wochenende geschlossen, damit es keine Ausschreitungen gibt, und nun lässt der Brexit alte Spannungen wieder aufleben. Der Autor Michael Hughes hofft, dass die Erinnerungen an die Vergangenheit einen neuen Ausbruch der Gewalt verhindern: „Nordirland war von Anfang an ein Kompromiss und nur wenn alle unglücklich sind, ist es ein guter Kompromiss. Deshalb müssen wir vielleicht damit leben, unglücklich zu sein.“ Die Band Tony Villiers and the Villains spielen im ehemaligen Gefängnis in der Crumlin Road. Für den „Bob Dylan Nordirlands“ hat Belfast gerade in diesen Zeiten eine große Aufgabe. „Wenn es um Versöhnung geht in dieser so gespaltenen Welt, können wir ein Vorbild sein. Wir haben es schließlich auch geschafft.“ (Text: Phoenix)