2019/2020, Folge 193–210

  • Folge 193 (28 Min.)
    (1): EU-Subventionen: Verschwendung im Großmaßstab?
    140 Milliarden Euro! Diese Fördermittel – es sind 95 Prozent des EU-Haushalts! – schüttete die Europäische Union 2018 zur Finanzierung öffentlicher oder privater Projekte aus. Ein Geldsegen, der die Gier der Staaten weckt: Die Zuschüsse werden manchmal veruntreut und geben der Korruption immer neue Nahrung.
    Seit 2012 bemüht sich die EU, ihre Kontrollen zu verschärfen. 2017 haben 20 Mitgliedstaaten die Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft beschlossen, die 2020 ihre Arbeit aufnehmen soll. Sie ist spezialisiert auf den Kampf gegen die grenzüberschreitende Großkriminalität zu Lasten des EU-Haushalts. Doch wird das ausreichen? Kann die Europäische Union den Missbrauch ihrer Fördermittel tatsächlich verhindern?
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ hat in der Slowakei recherchiert, wo der Journalist Ján Kuciak ermordet wurde, als er über ein System der Zweckentfremdung von EU-Agrarsubventionen ermittelte. Auch in Ungarn, einem der Staaten mit den höchsten EU-Zuschüssen, hat „Vox Pop“ nachgeforscht: Das Land bekommt jährlich über vier Milliarden Euro aus Brüssel! Doch wegen seiner Neigung zur Verschwendung gehört es auch zu den Ländern, die am stärksten in der Kritik stehen. Wozu dienen die EU-Beihilfen in diesen Staaten tatsächlich? Wer profitiert davon?
    (2): Kein Flugzeug mehr benutzen?
    Seit 1980 hat sich der Luftverkehr vervierfacht und zählt heute mehr als 4,3 Milliarden Passagiere – mit dem Ergebnis, dass sich der Schadstoffausstoß enorm erhöht hat. Daher ist dieses Verkehrsmittel immer stärker in die Kritik geraten. In Schweden brachte die Ächtung der Flugreisen ein neues Wort hervor: „Flugschande“, das sich sogar schon europaweit verbreitet. Die immer stärker empfundene Scham und Schande bezüglich des Fliegens mündet in die praktische Frage, ob man überhaupt noch das Flugzeug benutzen soll.
    Gast der Woche bei „Vox Pop“ ist diesmal Alice Bah Kuhnke, Mitglied des 9. Europäischen Parlaments als Teil der Fraktion Die Grünen/​EFA. Im Interview erklärt die ehemalige schwedische Kulturministerin, dass sie fortan nicht mehr das Flugzeug benutzt, sondern nur noch Zug oder Bus fährt.
    Kontroverse der Woche: Schluss mit dem Fliegen?Die Bürger mit dem stärksten Umweltbewusstsein bezeichnen die Benutzung des Flugzeugs als Schande. Das Fliegen verursache 3Prozent der Kohlenstoffdioxid-Emissionen auf der Erde, Tendenz steigend. Für sie steht fest: Man darf nicht mehr fliegen!
    Eine unvorstellbare Entscheidung, die den Flugzeugherstellern Angst macht. Ihrer Meinung nach würde dies die 2,6 Millionen Arbeitsplätze in der europäischen Flugbranche gefährden und damit zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen. Sie schlagen eine andere Lösung vor: den Bau von Flugzeugen, die weniger Kerosin verbrauchen, ja sogar von Elektroflugzeugen.
    Und zum Abschluss unsere Europatour der Korrespondenten: In einigen Ländern stellt die Einstellung des Flugverkehrs aus verschiedenen Gründen keine Alternative dar. Was denkt man darüber in Deutschland und Großbritannien? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 25.08.2019arte
  • Folge 194 (28 Min.)
    (1): Wenn Bürger zu Hilfssheriffs werden
    Überall in Europa gibt es Bürger, die auf freiwilliger Basis Kriminalität verhindern wollen und Polizei spielen – von der Nachbarschaftswache bis hin zur Festnahme von in flagranti ertappten Gaunern. Diese neuen Communitys bilden sich über Facebook oder spezielle Apps. Manche Staaten tolerieren, andere ermutigen sie. Übereifer kann dabei jedoch auch problematisch werden, zum Beispiel, wenn die Hilfssheriffs den Grundsatz der Unschuldsvermutung ignorieren …
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in den Niederlanden, wo landesweit rund 700 Bürgerwehrgruppen nach dem Rechten schauen. Seit 2012 hat sich die Zahl dieser Gruppierungen verfünffacht, und bei den Nachbarschaftswachen explodieren die Zahlen geradezu: im Internet zählt man insgesamt 5.000 Online-Aktivisten. Die mit strengen Etatkürzungen konfrontierten holländischen Kommunen haben diese Bürgerorganisationen ermutigt, allerdings ohne jegliche Form der Schulung oder Kontrolle. Jetzt häufen sich die Probleme: Denunziation, Übergriffe, ethnische Diskriminierung, persönliche Abrechnungen …
    „Vox Pop“ begab sich ins Vereinigte Königreich, wo selbsternannte Vigilanten im Internet Jagd auf Pädophile machen. Sind diese neuen Verfechter der Gerechtigkeit ein effizientes Mittel zur Abschreckung? Oder sind sie die beunruhigende Nebenerscheinung einer sicherheitsbesessenen Gesellschaft?
    (2): Ist Körperpflege zum Luxus geworden?
    In Europa leben 87 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Für manche Europäer bedeutet dies ein echtes Dilemma, denn sie müssen sich entscheiden, ob sie essen oder sich waschen wollen, da sie sich beides nicht leisten können. Einer Umfrage zufolge hat sich eine Million Franzosen bereits geweigert, das Haus zu verlassen oder einen Termin wahrzunehmen, weil sie sich für ihr Erscheinungsbild schämten. In Großbritannien wachsen in jeder zweiten Familie Kinder unter unzureichenden Hygienebedingungen auf. Ist Körperpflege ein Privileg der Reichen geworden?
    Interviewgast der Woche bei „Vox Pop“ ist Lizzy Hall. 2018 gründete die Britin The Hygiene Bank, einen Verein, der zur Spende von Toilettenartikeln aufruft und diese in Schulen oder Sozialzentren verteilt.
    Die Kontroverse der Woche: Teure Sauberkeit Den Bürgern zufolge muss man immer tiefer in die Tasche greifen, um ein gepflegtes Erscheinungsbild zu wahren. Sie empören sich darüber, dass manche Staaten auf Körperpflegeartikel dieselben Luxussteuersätze erheben wie für Alkohol und Zigaretten. Die Staaten relativieren dies und kontern mit Fakten und Zahlen: Ein alleinstehender Europäer investiert im Schnitt 17 Euro pro Monat, eine alleinstehende Europäerin 25 Euro für die Körperpflege. Es gibt bereits löbliche lokale Initiativen, zum Beispiel in Schottland, wo kostenlos Tampons an junge Frauen in Universitäten verteilt werden.
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern zur Kontroverse der Woche, diesmal aus Frankreich und Spanien, wo Studien über Hygienemangel alarmierende Ergebnisse erbrachten. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.09.2019arte
  • Folge 195 (28 Min.)
    (1): Scientology: Religion oder Sekte?
    Die Ziele von Scientology gehen auf ihren Gründer zurück, den US-amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard. Die 1950 aus der Taufe gehobene religiöse Bewegung soll europaweit 200.000 Mitglieder haben. Die Scientology-Organisation (SO) ist skandalumwittert, umstritten und wurde bereits mehrfach gerichtlich verurteilt – dennoch steigt ihre Anhängerzahl kontinuierlich an. Erst vor kurzem wurden in Stuttgart und Budapest riesige Kirchen eröffnet. In Italien, Spanien und im Vereinigten Königreich klagte SO bis in die höchsten Rechtsinstanzen, um als Religion anerkannt zu werden.
    Ihr Einfluss verbreitet sich zunehmend, sie fasst Fuß in Unternehmen, Verbände, Schulen und anderen. Manche erkennen die Scientology als rechtmäßige Religion an, andere lehnen das strikt ab. Das französische Parlament stufte die Glaubensgemeinschaft als Sekte ein, der Deutsche Bundestag als extremistische und totalitäre politische Bewegung. Wie weit reicht das Wurzelgeflecht der Scientology-Organisation in Europa?
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in Schweden, dem ersten EU-Mitgliedsstaat, der im Jahr 2000 die Scientology-Bewegung als Religion anerkannte, und in Frankreich, wo SO im Gegensatz zu Schweden als „Sekte“ gilt. In den letzten 40 Jahren wurden französische Scientologen insgesamt sechs Mal gerichtlich verurteilt: wegen bandenmäßigen Betrugs, illegaler Ausübung des Apothekerberufs, Missbrauchs personenbezogener Daten und fahrlässiger Tötung.
    (2): Suizidprävention – Wer tut was?
    In Europa ist Selbstmord statistisch gesehen die häufigste nicht natürliche Todesursache – vor Autounfällen. Jedes Jahr nehmen sich 56.000 Menschen das Leben, und jeder fünfte Franzose soll in seinem Leben schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben. Gleichzeitig ist das Thema in vielen europäischen Ländern noch ein gesellschaftliches Tabu.
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Pierre Thomas, Psychiater in der Uniklinik (CHU) Lille und Koordinator einer Arbeitsgruppe für Suizidprävention. Er hat zusammen mit seinen Teams ein Warnsystem entwickelt, das Suizidgefährdete vor einem Rückfall bewahren soll.
    Die Kontroverse der Woche: Anti-Suizid-Maßnahmen Manche Europäer finden, dass die Staaten in Sachen Suizidprävention proaktiver sein sollten, mit Anti-Suizid-Geländern auf Brücken wie im Vereinigten Königreich oder einer Sonderausbildung für Pflegepersonal wie in Finnland. Andere Europäer argumentieren, dass der Staat nicht jeden retten kann. Die Bürger sollen selbst wachsam sein, wie zum Beispiel beim „Taxi Watch“ in Irland, bei dem sich solidarische Taxifahrer verpflichten, während des Dienstes wachsam zu sein.
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern zur Kontroverse der Woche, dieses Mal aus Spanien und Griechenland, wo Selbstmord nach wie vor ein Tabuthema ist. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.09.2019arte
  • Folge 196 (28 Min.)
    (1): Camgirls: Die Uberisierung des Porno-Business
    Das riesige Angebot von Pornovideos im Internet hat zu einer regelrechten Revolution in der Pornoindustrie geführt. Ihr Umsatz hat sich seit 2013 fast verdoppelt und liegt heute weltweit bei 100.000 Milliarden Dollar. Auf diesem florierenden Markt bieten immer mehr sogenannte Camgirls ihre Dienste an. Diese Frauen entkleiden sich vor der Kamera ihres Computers und werden dabei von anderen PC-Nutzern beobachtet, die für diese mehr oder weniger freizügigen Camgirl-Shows bezahlen. Das auch in Europa um sich greifende Phänomen hat eine „Uberisierung“ des Cybersex nach sich gezogen, denn das lukrative interaktive Geschäft wird zunehmend von spezialisierten Plattformen kontrolliert.
    Doch wie funktionieren diese Plattformen, und inwiefern sind sie für die Entstehung eines neuen Sexarbeiter-Proletariats verantwortlich? „Vox Pop“ hat in der Schweiz, in den Niederlanden und in Rumänien recherchiert, wo eine wachsende Zahl von Frauen ihre Dienste mehr oder weniger explizit in Online-Schaufenstern anbietet.
    (2): Wie lässt sich Produktpiraterie wirksam bekämpfen?
    Kleidung, Medikamente, Smartphones – Produktpiraten können alles fälschen, und das Sortiment der Nachahmerware wird immer vielfältiger. Kopien machen heute fast 7 Prozent der europäischen Importe aus, zwei Prozent mehr als noch 2013. Den hiesigen Beschäftigungsmarkt soll das Business mit den Fälschungen 500.000 Arbeitsplätze kosten. Wie lässt sich Produktpiraterie wirksam bekämpfen, und kann die Wirtschaft der Überflutung mit Nachahmungen standhalten?
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Delphine Sarfaty-Sobreira, die Geschäftsführerin von UNIFAB, einem Zusammenschluss französischer Hersteller, der sich für den Produktschutz einsetzt. Sie meint, man dürfe nicht unterschätzen, dass auch die Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten Mitverantwortung tragen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.09.2019arteDeutsche Online-PremiereSo 08.09.2019arte.tv
  • Folge 197 (28 Min.)
    (1): 5G: Gefahr im Verzug?
    Die fünfte Mobilfunk-Generation 5G – zehn Mal schneller als 4G – soll ab 2020 europaweit eingeführt werden. In Frankreich und Portugal befindet sich der neue Standard für mobiles Internet und Mobiltelefonie noch in der Testphase, in Deutschland, Italien, der Schweiz und Spanien dagegen ist 5G bereits in Betrieb. Bis 2025 sollen 31 Prozent aller mobilen Anschlüsse über dieses neue Netzwerk laufen. Angepriesen als die bahnbrechende technologische Revolution des 21. Jahrhunderts soll 5G unter anderem Operationen auf Distanz und die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz ermöglichen. In Europa schätzt man die potenziellen Gewinne auf 114 Milliarden Euro. Aber sowohl von Bürgerseite als auch bei den Wissenschaftlern werden Stimmen laut, die die neue Technologie anprangern. Der Grund? Die Frequenzstärke soll negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Warum also stürzt sich Europa dennoch blindlings in den 5G-Wettlauf?
    (2): Hörgeschädigte – von der Gesellschaft im Stich gelassen?
    Kein Ohr für Gehörlose? Gehörlosigkeit wird oft als Krankheit betrachtet und kann zu Ausgrenzung führen. In der Schule, im Berufsleben und im Alltag fallen die rund 51 Millionen Europäer mit Hörbehinderungen zahlreichen Diskriminierungen zum Opfer. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel hat jeder vierte Hörgeschädigte seine Arbeit gekündigt, weil er von Kollegen oder Vorgesetzten diskriminiert wurde. Haben Menschen mit Hörschäden ihren Platz in der europäischen Gesellschaft? Oder sind sie Bürger zweiter Klasse? Der Historiker Dr. Yann Cantin ist Kurator einer Ausstellung im Pariser Panthéon, die die Geschichte der Gehörlosen anhand der Gebärdensprache erzählt. Er selbst ist von Geburt an taub und kritisiert medizinische Behandlungen und aufgezwungene Hörgeräte. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.09.2019arte
  • Folge 198 (28 Min.)
    (1): U-Haft: Wenn die Ausnahme zur Regel wird
    Kann man im Gefängnis landen, ohne überhaupt verurteilt worden zu sein? Ja, zumindest, falls die verfahrenssichernde Maßnahme der Untersuchungshaft angeordnet wurde! Normalerweise wird nur dann U-Haft verhängt, wenn dringender Tatverdacht mit Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr besteht. Allerdings wird der provisorische Freiheitsentzug neuerdings immer häufiger eingesetzt: Europaweit befinden sich aktuell knapp 130.000 Personen in U-Haft. Das kostet die Staaten knapp 5 Milliarden Euro. Wird zu leicht und zu systematisch auf diese Zwangsmaßnahme zurückgegriffen? „Vox Pop“ recherchierte in Polen, Italien und Frankreich, wo sowohl die Anzahl der Fälle als auch die Dauer der Untersuchungshaft ständig steigen.
    (2): Eine Welt ohne Bargeld
    Kreditkarte, Überweisung, Bezahlen per Smartphone … in Europa beträgt der Umfang elektronischer Transaktionen inzwischen 134 Milliarden Euro. In den letzten 15 Jahren kletterte der Anteil der bargeldlosen Zahlungen am weltweiten BIP von 13 auf 20 Prozent – mit steigender Tendenz. Dänemark kündigte bereits die Abschaffung von Bargeld für das Jahr 2023 an. Steuern wir tatsächlich auf eine bargeldlose Zukunft zu? Welche Chancen und welche Risiken birgt eine solche Entwicklung? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.09.2019arte
  • Folge 199 (28 Min.)
    (1): Wohin mit Europas Müll?
    Die Europäische Union produziert 2 ½ Milliarden Tonnen Industrie- und Haushaltsabfälle jährlich. Doch das Recyceln schaffen die Mitgliedsländer nicht aus eigener Kraft. Bisher war China der ideale Absatzmarkt für den Müll der EU-Staaten, denn das Land brauchte insbesondere viel Plastik für seine Fabriken. Im Januar 2018 jedoch verbot China diese massiven Importe. Was folgert daraus für die Europäische Union? Wird der Abfallhandel in Europa explosionsartig in die Höhe gehen?
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ hat in Polen und Deutschland, dem größten abfallproduzierenden Land der EU, recherchiert. In Polen landen die illegal importierten Abfälle aus Deutschland in der Natur, da sie nicht recycelt werden können. Und was noch schlimmer ist: Mehrfach wurden diese illegalen Mülldeponien in Brand gesetzt, wahrscheinlich mutwillig. Für Natur und Bevölkerung dramatische Brände, die von den Besitzern der Standorte selbst gelegt werden, denn Abfackeln ist billiger als Verwerten!
    (2): Medizinische Unterversorgung: Was tun?
    Europaweit fehlen die praktischen Ärzte, in den Städten ebenso wie im ländlichen Raum. Innerhalb von zehn Jahren verlor beispielsweise Frankreich fast 10 % seiner Allgemeinmediziner. In Deutschland schloss seit 2007 jede siebente Praxis. 2020 werden in Europa vermutlich 230.000 Ärzte fehlen. Durch die Bevölkerungsalterung verschärft sich diese gespannte Lage weiter.
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Dr. Eckhard Starke, Allgemeinmediziner und Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Er ist der Initiator eines Medizinbusses, der die entlegensten Orte des Bundeslandes durchquert. Mithilfe dieser rollenden Arztpraxis soll die medizinische Versorgung aller gewährleistet werden.
    Kontroverse der Woche: Akuter Ärztenotstand Gibt es ein Heilmittel gegen die medizinische Unterversorgung? Angesichts der beunruhigenden Diagnose scheinen viele Staaten hilflos. Die Dänen favorisieren beispielsweise die Bündelung der medizinischen Kräfte in großen Krankenhauskomplexen – Pech für die patientennahe Medizin, Angst und Wut bei den um ihre Gesundheit fürchtenden Bürgern …
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern über das Thema der Woche, dieses Mal aus Spanien und Frankreich. Mit welchen Strategien versuchen diese Länder, Ärzte in medizinisch unterversorgte Gegenden zu locken? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.10.2019arte
  • Folge 200 (28 Min.)
    (1): Kokain: Beunruhigende Uberisierung
    Kokain ist nach Cannabis die die zweitbeliebteste Droge der EU: Mehr als 18 Millionen Menschen haben die Droge zumindest schon einmal probiert. Da Kokain immer billiger und reiner erhältlich ist, schießt das Überdosisrisiko in die Höhe. Das gilt umso mehr, weil sich Markt und Vertrieb grundlegend verändert haben: Heutzutage reicht ein einfacher Anruf oder eine SMS, und das Kokain wird direkt nach Hause geliefert. Dealer locken sogar mit Rabatten und sitzen ihren Kunden im Nacken, wenn diese den Konsum herunterschrauben. Die neue Vertriebspolitik zieht zweierlei Konsequenzen nach sich: Aufseiten der Konsumenten führt sie zu einer gesteigerten Abhängigkeit, während es für die Justiz eine zusätzliche Herausforderung darstellt, die Absatzwege ausfindig zu machen.
    „Vox Pop“ ermittelt in Frankreich und Spanien, wo so viel Kokain beschlagnahmt wird, wie nie zuvor. Allein im Hafen von Barcelona sind es seit Jahresbeginn sieben Tonnen – die doppelte Menge im Vergleich zum Vorjahr. Die Behörden weisen außerdem auf Probleme hin, die sich aus der Fragmentierung der Verteilungskette und dem damit verbundenen Wiederanstieg von Gewalt ergeben.
    (2): Ist es ein Verbrechen, Migranten zu helfen?
    Seit 2015 sind eine Million Exilanten nach Europa gekommen. Immer mehr Bürger unterstützen die Migranten in Städten, an Grenzen und vor allem im Mittelmeer, wo NGOs mit Flüchtlingsschiffen Männern, Frauen und Kindern das Leben retten. Das Problem: Zahlreiche Staaten sehen diese Einsätze nur sehr ungern und setzen Seenotretter teilweise mit Schlepperbanden gleich.
    Sophie Rahal, die Sprecherin der NGO SOS-Méditerranée, ist diese Woche zu Gast bei „Vox Pop“. Sie plädiert für eine Angleichung der Vorgehensweise auf europäischem Niveau.
    Seit 2014 wurden über 250 Personen festgenommen oder rechtlich verfolgt. Die Anklageschrift: „Solidaritätsdelikt“. NGOs kritisieren, dass die Helfer von den Staaten wie Verbrecher behandelt werden: In Italien laufen sie sogar Gefahr, Strafen bis zu einer Million Euro auferlegt zu bekommen. Darauf entgegnen die Staaten, dass es sich um eine Frage der inneren Sicherheit und des Bürgerschutzes handele.
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern über das Thema der Woche, dieses Mal aus Spanien und Deutschland, wo im Gegensatz zum Großteil Europas Hilfsbereitschaft gezeigt wird. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.10.2019arte
  • Folge 201 (28 Min.)
    (1): Homosexualität: Beunruhigende Konversionstherapien
    Auch heute noch vertreten in Europa Religionsgemeinschaften, Vereine und sogar Ärzte und Therapeuten die Auffassung, Homosexualität sei eine heilungsbedürftige Krankheit. Der Großteil der Mediziner stuft sogenannte „Umpolungstherapien“ jedoch als ineffizient und vor allem gefährlich ein. Die UNO prangert die Unmenschlichkeit solcher Behandlungen an, das Europäische Parlament sprach sich 2017 für ein Verbot durch die Mitgliedsstaaten aus. Lediglich in Malta und einigen Autonomen Gemeinschaften Spaniens sind die Therapien jedoch seit 2016 tatsächlich untersagt. In Irland, Deutschland, den Niederlanden, Polen, im Vereinigten Königreich und in Frankreich liegen entsprechende Gesetzesentwürfe auf dem Tisch. Doch nach wie vor gibt es Widerstand …
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ forscht in Irland, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, wo evangelikale Freikirchen Homosexualität durch Exorzismus bekämpfen und Therapeuten Unterstützung beim „Kampf gegen homosexuelle Neigungen“ anbieten. In einer Studie gaben 17 % der britischen Psychotherapeuten an, bereits Patienten beim Lindern oder Überwinden ihrer Homosexualität geholfen zu haben …
    (2): Streit um die Kostenerstattung für homöopathische Arzneimittel
    Fast 40 Millionen europäische Staatsbürger haben in den letzten 12 Monaten homöopathische Behandlungen in Anspruch genommen. Allerdings gibt es keine einzige wissenschaftliche Studie, die deren Wirksamkeit beweist. Zwischen den Verfechtern dieser alternativen Heilpraxis und jenen, die sie als „Pseudomedizin“ betrachten, tobt daher ein Streit über die Frage der Erstattung homöopathischer Arzneimittel durch die Krankenkassen. Dabei geht es um viel Geld: Die jährlichen Kosten belaufen sich in Frankreich auf 620 Millionen und in Deutschland auf 420 Millionen Euro.
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist die französische Homöopathin Pascale Laville. Ihrer Ansicht nach riskiert man mit einer Aufhebung der Kostenerstattung, dass Patienten zu Selbstmedikation greifen, was zahlreiche Risiken birgt.
    Kontroverse der Woche: Globuli – ein Placebo? „Zucker, nichts als Zucker: Homöopathische Arzneimittel sind Placebos!“, postulieren traditionelle Mediziner. Auch der Dekan der medizinischen Fakultät im nordfranzösischen Lille traf 2018 eine Entscheidung im Sinne der Schulmedizin: Vorlesungen über Homöopathie wurden aus den Hörsälen verbannt. „Warum schenken uns dann manche Staaten ihr Vertrauen?“, entgegnen die Homöopathen. In mehreren europäischen Ländern übernimmt das Gesundheitssystem die Ausgaben für Globuli. Aktuell begleicht Frankreich 30% der Rechnungen, Luxemburg 80% und die Schweiz sogar 100%. Auch in Deutschland erstatten viele Krankenkassen die Kosten.
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern zur Kontroverse der Woche, dieses Mal aus Spanien und Deutschland, wo die Kostenübernahme für Homöopathie ganz gestrichen werden soll. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.10.2019arte
  • Folge 202 (28 Min.)
    (1): Brexit: Die Verlierer und die Gewinner
    Die Niederlande gehören unzweifelhaft zu den großen Gewinnern. Der drohende Brexit löste einen Wirtschaftsboom aus. 2018 ließen sich allein in Amsterdam 153 neue Unternehmen nieder und generierten mehr als 7. 000 Arbeitsplätze. Die Kehrseite der Medaille: Die Immobilienpreise schnellten in die Höhe. Auch Rotterdam bereitet sich auf den Brexit vor. Die Hafenstadt wird voraussichtlich zur wichtigsten Handelsplattform mit dem unabhängigen Großbritannien werden und am Brexit-Tag ab Mitternacht 10.500 zusätzliche Schiffe kontrollieren müssen, die mit einem Mal nicht mehr unter europäischer Flagge fahren werden.
    Um diese Kontrollen durchzuführen, hat die niederländische Regierung bereits mehr als 900 zusätzliche Zollbeamte und 145 Tierärzte eingestellt. In Frankreich herrscht Sorge bei den bretonischen Fischern. Manche denken bereits daran, sich beruflich umzuorientieren. Denn seit Inkrafttreten der Gemeinsamen Fischereipolitik 1980 bewirtschaften sie die europäischen Gewässer. Demnächst könnten sie auf hoher See mit einer neuen EU-Außengrenze konfrontiert sein.
    Gibraltar, die britische Enklave in Spanien, gehört zu den reichsten Regionen Europas. Aufgrund der wirtschaftlichen Besonderheiten werden die Auswirkungen des Brexits hier besonders spürbar werden. Rund 14.500 Pendler überqueren täglich die „Verja“, den „Zaun“, der Spanien vom britischen Staatsgebiet trennt – darunter 9.000 Spanier, mehr als 2.000 Briten und knapp 1.000 Portugiesen. In dieser Wohlstandsoase an der Südspitze Andalusiens gibt es keine Arbeitslosigkeit, das Wirtschaftswachstum liegt seit 2011 bei mehr als 10 % pro Jahr, das BIP pro Kopf erreicht laut IWF 61.000 Euro und ist somit das drittstärkste der Welt. Was wird nach dem Brexit aus dem Dienstleistungssektor auf Gibraltar, dem Motor der andalusischen und damit der spanischen Wirtschaft? Für Polen schließlich ist der Brexit besonders verheerend, denn in Großbritannien leben rund 800.000 Polen.
    2017 schickten sie fast eine Milliarde Euro in die polnische Heimat. Die Hälfte der Exil-Polen lebt seit weniger als fünf Jahren auf der britischen Insel und wird nach dem Brexit somit keine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die polnische Regierung, die über die demografische Entwicklung im Land besorgt ist, würde sie gern nach Hause holen. Doch ob die Auswanderer dies auch wollen, steht in den Sternen; denn schließlich würde sich ihr Lohn mehr als halbieren.
    (2): Kann der Brexit einen Bürgerkrieg auslösen?
    Die Zukunft der irischen Grenze ist einer der größten Stolpersteine in den Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien. Hier tritt die Uneinigkeit der beiden Lager besonders deutlich zutage. Der Brexit weckt die Geister des Irischen Bürgerkriegs, heizt die Spannungen zwischen den Gemeinschaften an und bedroht Wirtschaft und Landwirtschaft. Wird der Brexit die Errungenschaften zweier Friedensjahrzehnte zunichtemachen?Um Antworten auf diese Frage zu finden, reist Nora Hamadi von Dublin nach Belfast. An der inneririschen Grenze begegnet sie verschiedenen, wichtigen Akteuren, die direkt vom Brexit betroffen sind.
    Ann Travers ist Augenzeugin der neuerlichen Gewaltausbrüche, welche die Insel seit April 2018 erschüttern: Sprengstoffanschläge, Autobomben, Unruhen … Am 18. April verlor sie eine Freundin bei einem von der neuen IRA organisierten Aufstand.Dany Morrison war eine wichtige Figur der IRA und ihres politischen Arms Sinn Féin. Sein militantes Engagement im Bürgerkrieg brachte ihm zehn Jahre Haft ein. Heute ist er überzeugt, dass nichts einen neuerlichen bewaffneten Konflikt rechtfertigt. Er fürchtet, dass es wieder zu Spannungen kommen wird.
    Damian McGenity ist Landwirt in der Gemeinde Jonesborough direkt an der inneririschen Grenze und engagiert sich gegen den Brexit. Mit seinem Verein „Border Communities Against Brexit“, der Bürger, Geschäftsleute, Katholiken und Protestanten vereint, kämpft er gegen die Absurdität des Austrittsabkommens und die Rückkehr einer „harten“ Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland. 2017 erhielt „Border Communities Against Brexit“ den Europäischen Bürgerpreis des Europaparlaments aus den Händen von Guy Verhofstadt, der in den Brexit-Verhandlungen das Parlament repräsentiert. BCAB ist eine Stimme, die fortan gehört wird.
    Kieran Kennedy ist der Geschäftsführer von O’Neill Sport, dem offiziellen Ausstatter der irischen Rugbymannschaft, die als einziges Sportteam alle Provinzen der Insel – inklusive Nordirland – vereint. Die Sportbekleidungsmarke besteht seit hundert Jahren und ist auf beiden Seiten der Insel etabliert. Auf ihrem Weg zwischen den Fertigungswerken in Dublin und Strabane überqueren die Waren bis zu achtmal die ehemalige Demarkationslinie. Die Rückkehr der Grenze wäre eine Katastrophe für das Unternehmen. Mark Daly ist Senator und Anhänger der Wiedervereinigung der Insel. Eine alte Vorstellung, die nie so greifbar nahe schien. Heute ist die von den Republikanern des Sinn Féin getragene Idee weder für die Regierung von Leo Varadkar noch für die konservative Oppositionspartei Fianna Fáil tabu. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.10.2019arte
  • Folge 203 (28 Min.)
    (1): Bio künftig für jedermann?
    In Europa machen Bio-Lebensmittel ein Handelsvolumen von 37 Milliarden Euro aus. Drei von vier französischen Verbrauchern essen regelmäßig Bio-Nahrung. In Deutschland hat sich der Sektor innerhalb von 15 Jahren vervierfacht. Die angesagten Bio-Produkte haben den Heißhunger der großen Handelsketten geweckt, die nunmehr Marktführer sind. Doch die Industrialisierung des biologischen Anbaus geht nicht ohne Entgleisungen ab: Zur Deckung des Bedarfs verwenden die Produzenten intensive Techniken, selbst umweltschädliche. In Südspanien beispielsweise kommen Treibhäuser mit hohem Wasser- und Stromverbrauch zum Einsatz. Außerdem ist der Arbeitsrhythmus im Bio-Bereich enorm hoch, und die Bezahlung liegt manchmal unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes. Ist es überhaupt möglich, Bio-Produkte für jedermann erschwinglich zu machen? Und um welchen Preis?
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ hat in Spanien und Frankreich recherchiert, wo die Hälfte der Bio-Produkte mittlerweile im Supermarkt gekauft wird. Ein Glücksfall für die großen Handelsketten, die die Preise ungeniert in die Höhe treiben, um fette Gewinne zu erzielen. Warum verwandelt sich die ökologische Landwirtschaft – früher ein alternatives Projekt – in eine echte Schwerindustrie? Was sind die Folgen dieser Entwicklung?
    (2): Muss der Wolf wieder gejagt werden?
    Die Wölfe halten wieder Einzug in Europa, nachdem sie im 20. Jahrhundert von Ausrottung bedroht waren. In Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland und Schweden zusammengenommen wird ihre Zahl heute auf 13 bis 14.000 geschätzt. Die Wölfe sind die „schwarzen Schafe“ der Viehzüchter: Diese fürchten um ihre Herden und beanspruchen das Recht, die Wölfe zu töten.
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Jan Philipp Albrecht, Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein, der in seinem Zuständigkeitsgebiet die Tötung eines Wolfes genehmigt hat.
    Kontroverse der Woche: Der große böse Wolf? Verzweifelte Viehzüchter schlagen Alarm: Ihre Herden werden vielfach von Wölfen angegriffen. Nach Meinung der Züchter hilft hier nur hartes Durchgreifen, und die Jagd auf dieses Raubtier muss in bestimmtem Umfang erlaubt werden – so wie in Norwegen, wo 2018 die Tötung von mehr als 50 % der einheimischen Wölfe genehmigt wurde.
    Die Verteidiger der Wölfe ihrerseits sind empört über diese in ihren Augen kriminelle Forderung. Sie verweisen darauf, dass der Wolf auf europäischer Ebene zu den streng geschützten Tierarten gehört und sehr wichtig für die Artenvielfalt ist. Das Zusammenleben von Mensch und Wolf muss möglich sein, so ihre Überzeugung.
    Und wie immer berichten „Vox-Pop“-Korrespondenten aus ihren Ländern über das Thema der Woche: Einige europäische Länder weigern sich – im Gegensatz zu ihren Nachbarn -Wölfe zu töten. Mit den ARTE-Korrespondenten geht es nach Polen und Italien. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.11.2019arte
  • Folge 204 (28 Min.)
    (1): Medikamentenknappheit: eine Bedrohung für Europa?
    Medikamente zur Krebsbehandlung, Antibiotika, Kortikosteroide – immer länger wird die Liste der Wirkstoffe, die in Europa nur noch schwer zu erhalten sind. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Anzahl der Medikamente mit Bestandsmangel um ein Zwanzigfaches: Waren es im Jahr 2008 noch 44, hat sich die Zahl bis 2018 auf 871 erhöht. Die Knappheit wird durch die Vermarktungsstrategien der Pharmakonzerne noch verstärkt. Patienten sind dadurch enormen Risiken ausgesetzt, die sogar tödlich enden können. Wie lässt sich gegen diesen Mangel vorgehen? Kann eine Medikamentenknappheit verhindert werden?
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ begibt sich nach Frankreich und Rumänien, wo es seit 2012 immer wieder zu einem Mangel an Krebsmedikamenten kam. Grund dafür ist in erster Linie das Verhalten der Pharmakonzerne: Sie sind nicht bereit, in wenig innovative Behandlungsmethoden zu investieren, da sie dadurch kaum Gewinne erzielen. Ein weiterer Faktor, der das Problem verschlimmert, sind parallele Exportstrukturen: Zwischenhändler schrecken nicht davor zurück, Medikamente zu einem geringen Preis in Osteuropa einzukaufen, um sie in Westeuropa teurer zu verkaufen.
    (2): Geschichte wird neu geschrieben: Kollektives Gedächtnis in Gefahr?
    Einige Kapitel der europäischen Geschichte lassen sich nur schwer akzeptieren. In Frankreich etwa dauerte es 50 Jahre, bis ein Staatspräsident (Jacques Chirac im Jahr 1995) die Mitverantwortung Frankreichs bei der Deportation von Juden anerkannte. Manche Europäer streiten diesen schmerzhaften Teil der Geschichte bis heute ab – und schreiben ihn sogar um: In Ungarn oder Polen versuchen nationalistische Regierungen, die Verantwortung ihrer Länder kleinzureden.
    Diese Woche zu Gast bei „Vox Pop“ ist der Historiker Dariusz Stola. Er ist Direktor des Museums der Geschichte der polnischen Juden. Seit er die revisionistischen und antisemitischen Maßnahmen der Regierung öffentlich kritisierte, ist er der politischen Elite ein Dorn im Auge.
    Kontroverse der Woche: Lässt das kollektive Gedächtnis nach? Die Nachkommen der Opfer von Diktaturen, Kriegsverbrechen oder Völkermord zeigen sich empört darüber, dass einige europäische Regierungen die Vergangenheit ihres Landes leugnen. Das gilt beispielsweise für Polen, wo es gesetzlich verboten ist, über die Kollaboration mit den Nationalsozialisten zu sprechen. Auf Regierungsebene werden einstige Verbrechen verharmlost. Es gibt Gesetze zum Erhalt der Geschichte. Doch zahlreiche Länder wie Frankreich, Deutschland oder Belgien verurteilen diese leugnende Haltung. In Spanien gibt es seit 2007 ein Erinnerungsgesetz, dass die Franko Diktatur offiziell ächtet.
    Und schließlich noch die Europatour der Korrespondenten: Einige Länder Europas haben noch lange keinen konstruktiven Umgang mit der eigenen Geschichte gefunden. Auf nach Frankreich und Italien! (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.11.2019arte
  • Folge 205 (28 Min.)
    (1): Die Wälder Europas: Wie können wir sie schützen?
    38 Prozent der europäischen Gesamtfläche bestehen aus Wald. In den letzten 20 Jahren vergrößerte sich diese Fläche sogar um neun Prozent, von 148 Millionen Hektar im Jahr 1990 auf 161 Millionen im Jahr 2015. Doch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen: Tatsächlich sind die europäischen Wälder massiv geschwächt; sie leiden unter extremen Wetterereignissen wie Dürren oder Stürmen und sind von illegaler Abholzung bedroht. Im April 2018 verpflichtete das Europäische Parlament die europäischen Staaten sogar gesetzlich dazu, alle zerstörten Bäume durch neue zu ersetzen. Reicht das aus? Wie können wir unsere Wälder schützen?
    Recherche der Woche: „Vox Pop“ begibt sich nach Portugal, wo die Eukalyptus-Monokulturen viel Geld einbringen, aber auch schnell in Flammen aufgehen können. Die Sendung berichtet außerdem aus Rumänien, wo es unter dem Einfluss der Holzindustrie täglich zu illegalen Abholzungen kommt. So vergehen die letzten europäischen Urwälder, die zum UNESCO-Welterbe gehören …
    (2): Sollen Beschneidungen verboten werden?
    Die ersten Hinweise auf Beschneidungen gehen zurück auf das alte Ägypten – damals wurde das Ritual vor allem aus hygienischen Gründen vorgenommen. Zweitausend Jahre später sind Beschneidungen noch immer Teil religiöser Praktiken oder medizinische Notwendigkeit. In Großbritannien sind 20 Prozent der Männer beschnitten; in Frankreich sind es 14 Prozent und in Deutschland elf Prozent. Doch immer häufiger werden Stimmen gegen Beschneidungen laut, die diese als Körperverletzung und als barbarischen Akt verurteilen.
    Diese Woche bei „Vox Pop“ zu Gast ist die Aktivistin Lena Nyhus von der Kinderschutzorganisation INTACT DENMARK. Sie will in Dänemark per Petition ein Verbot gegen medizinisch nicht notwendige Beschneidungen erwirken und sammelte über 50.000 Unterschriften.
    Kontroverse der Woche: Beschneidung – ja oder nein? Für Anhänger des Islam und des Judentums kommt ein Beschneidungsverbot einer Einschränkung der Religionsfreiheit gleich. Sie argumentieren damit, dass die Entfernung der Vorhaut, über religiöse Gründe hinaus, auch das Risiko von Infektionen und Krankheiten sänke, wie es die WHO bestätigt.
    Beschneidungsgegner hingegen verurteilen den Eingriff als barbarisch. Er verletze die physische Unversehrtheit der Kinder; eventuelle medizinische Vorteile stünden in keinem Verhältnis zu den Risiken. Tatsächlich starben in Italien im Dezember 2018 und im März 2019 zwei Kleinkinder an den Folgen einer Beschneidung …
    Die Europatour der Korrespondenten zeigt, dass sich einige Staaten angesichts der hitzigen Debatte dazu entschieden haben, rituellen Beschneidungen einen sichereren Rahmen zu geben. „Vox Pop“ begibt sich nach Deutschland und Schweden. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.11.2019arte
  • Folge 206 (28 Min.)
    (1): Was tun gegen Jugendbanden?
    Barcelona, Paris, Stockholm … in vielen europäischen Großstädten schließen sich immer wieder junge Marokkaner im Teenageralter zu Banden zusammen. Schätzungsweise leben rund 20 000 dieser „Harragas“ genannten, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Europa. Oft geraten die teilweise drogenabhängigen und gewalttätigen Teenager in mafiöse Strukturen. Da sie keine Papiere haben und Institutionen wie Polizei, Justiz oder Jugendhilfe nicht trauen, gelingt es den Behörden weder, diese Form der Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen, noch den Minderjährigen den Schutz zu gewähren, der ihnen zusteht. Woher kommen diese Flüchtlingskinder? Wie kann man sich um sie kümmern? „Vox Pop“ recherchierte in Frankreich und Schweden, wo die Behörden den oft gewalttätigen Banden völlig ratlos gegenüberstehen.
    (2): Werden Transgender diskriminiert?
    In Europa werden 85 % aller Transgender im Laufe ihres Lebens zu Opfern von Übergriffen. Viele von ihnen stoßen auch bei Behördengängen und Arztbesuchen auf Probleme. Während einige Länder Transidentitäten anerkennen und Anträgen auf Personenstandsänderungen problemlos stattgeben, ist dieser Wunsch in anderen Staaten ein wahrer Hürdenlauf.
    Diese Woche ist die Transfrau und belgische Fernsehjournalistin Bo Van Spilbeeck zu Gast bei „Vox Pop“. Mit 60 Jahren entschied sich die Reporterin, eine Frau zu werden.
    (3): Die Kontroverse der Woche: Das ist nicht dein Geschlecht!
    Operation, Sterilisation: Transgender wehren sich gegen die unmenschlichen Voraussetzungen, die sie in manchen Staaten für die offizielle Anerkennung ihrer Geschlechtsänderung erfüllen müssen. Auch im Alltag werden Transgender immer wieder Opfer von Diskrimination und Gewalt. So haben beispielsweise in Großbritannien transphobe Attacken zwischen 2016 und 2019 um 81 % zugenommen. Die Staaten wollen solche Übergriffe mit härteren Strafen eindämmen. In Ländern wie Portugal, Belgien und Dänemark genügt ein einfacher Behördengang, um das Geschlecht zu ändern.
    Wie immer berichten auch unsere Europa-Korrespondenten zum Thema: Selbst in Ländern, die sich in Genderfragen als fortschrittlich darstellen, ist die Realität oft um einiges komplizierter. Fokus auf Deutschland und Großbritannien. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.12.2019arte
  • Folge 207 (28 Min.)
    (1): Femizide: Warum gibt es keine Besserung?
    Jedes Jahr sterben in Europa mehr als 2.000 Frauen durch die Hand ihres Lebensgefährten, Ex-Partners oder eines männlichen Familienangehörigen. 2017 gab es 123 Frauenmorde in Frankreich, 189 in Deutschland, 87 in Großbritannien und 54 in Spanien. Doch die Statistiken sind unvollständig, was den Kampf gegen die Gewalt noch schwerer macht. Nur eins scheint sicher: Die Situation hat sich nicht verbessert. Während die Zahl der Homizide in Europa seit zehn Jahren zurückgeht, bleibt die der Femizide trotz aller Anstrengungen von staatlicher Seite unverändert hoch. Wie können Frauenmorde verhindert werden? Warum tut sich Europa so schwer damit?
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in Frankreich und Spanien, das im Kampf gegen Femizide zu den erfolgreichsten europäischen Ländern zählt. Seit 2004 gibt es in Spanien ein Gesetz gegen häusliche Gewalt, rund hundert eigens geschaffene Gerichte kümmern sich um die Rechtsprechung.
    (2): Geplante Obsoleszenz: Wann ist damit Schluss?
    Mobiltelefone, die mit einem Mal langsam werden, Druckerpatronen, die unbrauchbar sind, obwohl sie noch Tinte enthalten … Immer häufiger wird Unternehmen vorgeworfen, die Lebensdauer ihrer Waren absichtlich zu verkürzen und die Verbraucher so zu noch mehr Konsum zu treiben. In Zeiten des wachsenden Umweltbewusstseins sorgen diese Praktiken zunehmend für Entrüstung. 88 Prozent der Franzosen sind der Meinung, dass sie von der Industrie zu übermäßigem Konsum gezwungen werden, und 92 Prozent der Europäer bekämen gerne mehr Informationen über die Nachhaltigkeit der Produkte, die sie kaufen. Wie lässt sich die geplante Obsoleszenz bekämpfen? Und ist die Wirtschaft ohne sie überhaupt noch funktionsfähig?
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Brune Poirson, französische Staatssekretärin für ökologischen Wandel. Sie hat einen Gesetzesentwurf zur Kreislaufwirtschaft vorgelegt, der zwecks Müllvermeidung unter anderem die Wiederinstandsetzung von gebrauchten Haushaltsgeräten vorsieht.
    Die Kontroverse der Woche: Verflixte Obsoleszenz! Die Europäer haben es satt, zu immer mehr Konsum getrieben zu werden und wünschen sich eine strengere Ahndung der geplanten Obsoleszenz – wie in Frankreich, wo die Praktik seit 2015 als Delikt gilt. Die Bürger möchten Dinge reparieren, statt sie in die Tonne zu treten. „Alles Heuchelei!“, sagen die Industriellen. Die Verbraucher jammern zwar, aber verlangen ständig nach neuen Produkten, die möglichst „in“ sein sollen. Der Beweis: Die Europäer kaufen im Schnitt alle 20 Monate ein neues Mobiltelefon, obwohl ihr altes oft noch funktioniert.
    Aus Schweden und Spanien berichten die Europa-Korrespondenten von „Vox Pop“ über Initiativen, die Reparatur und Recycling voranbringen sollen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.12.2019arte
  • Folge 208 (28 Min.)
    (1): Samenspenden: Schluss mit der Anonymität
    In Europa werden jedes Jahr zehntausende Kinder dank einer Samenspende geboren, darunter 4.500 allein in Großbritannien, 3.000 in Dänemark und 1.600 in Frankreich. Alleinstehende Frauen, sterile heterosexuelle Paare, lesbische Paare – Es gibt viele Gründe, warum Menschen mit Kinderwunsch auf eine Samenspende zurückgreifen. Doch alle werden mit ein- und demselben Problem konfrontiert: der Anonymität des Spenders. Auf der einen Seite steht das Recht der Spender auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Auf der anderen steht das Recht der Kinder, ihre Herkunft zu kennen. Sollte die Anonymität gelüftet werden? Wer hat ein Interesse daran, dass sie weiterhin bestehen bleibt?
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in den Niederlanden, in Belgien und in Dänemark, Heimat von Cryos, der größten Samenbank der Welt. Seit einem Gesetz aus dem Jahr 2012 haben die Kunden von Cryos die Möglichkeit, zwischen anonymen und nicht-anonymen Spendern zu wählen. Informationen, die sich das Unternehmen teuer bezahlen lässt.
    (2): Laienrichter: Sind sie noch zeitgemäß?
    In knapp der Hälfte aller europäischen Länder – darunter Großbritannien, Frankreich und Italien – gibt es Geschworenengerichte, die im Namen des Volkes Recht sprechen. Hier obliegt es Bürgern, die Schuldigkeit eines Angeklagten zu beurteilen und im Falle einer Verurteilung das Strafmaß festzulegen. Eine demokratische Tradition, die manche Regierungen heute gerne schwächen oder ganz abschaffen würden. Kann ein jeder Richter sein? Sollten auch auf EU-Ebene die Bürger Recht sprechen?
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Christian Saint-Palais. Der Strafverteidiger aus Paris sieht die mögliche Abschaffung der Geschworenengerichte als eine Gefahr für den Rechtsstaat.
    Die Kontroverse der Woche: Eingeschworene Bürger
    Manche europäischen Politiker würden Geschworenengerichte am liebsten abschaffen. Sie sind der Meinung, die Bürger hätten keinerlei Kompetenz, um über andere zu richten, und würden das juristische Prozedere nur unnötig verlangsamen. „Finger weg von unserer wichtigen, demokratischen Aufgabe!“, sagen hingegen die Bürger. Ihre ehrliche und innerste Überzeugung sorge für faire Gerichtsverfahren – mehr sogar als bei Berufsjuristen, die ihre Funktion oft wie Automaten ausüben würden.
    Die Europa-Korrespondenten von „Vox Pop“ berichten aus Spanien und Großbritannien, wo Geschworene immer stärker kontrolliert werden. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.12.2019arte
  • Folge 209 (28 Min.)
    (1): Data Center: Wie viele davon brauchen wir wirklich?
    Seien es Mails, Fotos, Filme oder Videos per Stream: Die Europäer produzieren immer mehr persönliche Daten. Eine Unmenge von digitalen Dokumenten, die in gigantischen Rechenzentren gespeichert werden: den Data Center. Während sich manche Politiker über die Arbeitsplätze freuen, die diese neue Wirtschaftsbranche generiert, prangern Anwohner und Umweltschützer die Belastung an, welche durch die riesigen Lagerhallen entsteht. Denn dort, wo sie stehen, treiben sie den Stromverbrauch dramatisch in die Höhe. Stellt die Umweltverschmutzung durch unsere persönlichen Daten eine Gefahr dar? Sollte die Zahl der Data Center begrenzt werden?
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in den Niederlanden und in Irland, wo die Einwohner einer Kleinstadt bei Galway 2015 Apple die Stirn boten. Der US-Konzern wollte ein Data Center auf einem Gelände errichten, das 23 Fußballfeldern entsprach. Das Rechenzentrum hätte acht Prozent des landesweiten Stroms verschlungen.
    (2): Alzheimer: Alles Humbug?
    Gedächtnislücken, Verwirrung, Orientierungslosigkeit … Fünf bis sieben Millionen Europäer leiden heute an Alzheimer, einer altersbedingten Form von Demenz. Bis 2050 könnten es knapp 17 Millionen sein. Die Forschung tut sich schwer, die Ursachen der Krankheit zu finden, und die meisten Behandlungsformen zeigen wenig Wirkung. Nun werden Stimmen laut, die die Existenz von Alzheimer anzweifeln.
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Olivier Saint-Jean, Professor für Geriatrie am Hôpital européen Georges-Pompidou in Paris. Seiner Ansicht nach ist Alzheimer eine Erfindung, mit der die Pharmakonzerne fette Gewinne machen.
    Die Kontroverse der Woche: Können wir Alzheimer vergessen? Manche Ärzte halten Gedächtnisverlust für eine natürliche Folge des Alterns. Alzheimer ist für sie nichts Weiteres als ein soziales Konstrukt. Man kenne noch immer nicht die genauen Ursachen dieser angeblichen Krankheit – und verschreibe trotzdem munter Medikamente, die zudem wirkungslos seien.
    Alzheimer-Patienten und ihre Angehörigen sind schockiert! Für sie ist Alzheimer nicht nur eine Krankheit, sondern ein schlimmes Übel mit ganz klaren Symptomen. Ein Übel, gegen das von staatlicher Seite vorgegangen werden sollte – wie in den Niederlanden, wo Alzheimer-Patienten in eigens für sie eingerichteten „Dörfern“ zusammenleben.
    In vielen Ländern sucht man nach neuen Formen der Betreuung von Alzheimer-Patienten. Die Europa-Korrespondenten von „Vox Pop“ berichten aus Italien und Großbritannien. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.01.2020arte
  • Folge 210 (28 Min.)
    (1): Alternative Schulen: Kann man ihnen trauen?
    Steiner, Montessori, Freinet: Diese Schulen sind schwer angesagt. Entstanden sind sie Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Ihre alternative Pädagogik stellt das Kind in den Mittelpunkt. Doch es gibt auch Kritik: In Europa häufen sich die Vorwürfe, gerade an Steiner-Schulen herrschten schlimme Missstände, von Indoktrinierung ist die Rede. Kann man alternativen Schulformen trauen? Welchen Grundsätzen folgen sie wirklich?
    Die Recherche der Woche: „Vox Pop“ recherchierte in Deutschland, Großbritannien und im schweizerischen Dornach, wo sich das Goetheanum befindet, der Tempel der Anthroposophie. Die Pseudowissenschaft wurde von Rudolf Steiner begründet, dem spirituellen Vater und Namenspatron von über 750 Schulen und rund 1.300 Kindergärten in ganz Europa.
    (2): Restorative Justice: Sollte sie stärker gefördert werden?
    Parallel zur Verurteilung den Dialog zwischen Opfern und Tätern suchen – das ist das Anliegen der Restorative Justice. Zudem soll sie ein gutes Mittel sein, um die Rückfallquote bei Straftätern zu senken. In einer Richtlinie aus dem Jahr 2012 regt das Europäische Parlament die EU-Mitgliedsstaaten dazu an, diese Art von Maßnahmen in ihre Strafvollzugssysteme aufzunehmen. Aber helfen sie wirklich, den Opfern Wiedergutmachung zu verschaffen und die Täter in die Gesellschaft zurückzuholen? Kann Restorative Justice den sozialen Frieden wiederherstellen?
    Zu Gast bei „Vox Pop“ ist diese Woche Benjamin Sayous, Jurist und Leiter des französischen Instituts für Restorative Justice.
    Die Kontroverse der Woche: Heilsame Justiz Für die Verfechter der Restorative
    Justice steht fest: Verurteilen alleine reicht nicht aus! Zusätzlich zur angemessenen Strafe muss ein Dialog zwischen Tätern und Opfern erfolgen, damit diese wieder in die Gesellschaft zurückfinden. Zudem hat eine britische Studie gezeigt, dass diese innovative Art der Justiz die Rückfallquote um 14 Prozent senkt. Die Kritiker hingegen sprechen von experimenteller Justiz und mahnen an, dass die Richter viele der Maßnahmen gar nicht umzusetzen wagen. Der hochgepriesene Dialog sei oft traumatisierend für die Opfer. 2015 lehnten in Großbritannien 56 Prozent der Opfer, denen ein Restorative-Justice-Programm angeboten wurde, dieses ab.
    Die Europa-Korrespondenten von „Vox Pop“ berichten aus zwei Ländern, die bereits Vorreiter in Sachen Restorative Justice sind und gerne noch einen Schritt weiter gingen: Spanien und Irland. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 19.01.2020arte

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