„Star Trek: Discovery“: Serie geht mutig dorthin, wohin noch keine „Trek“-Serie gegangen ist – Review
Insgesamt runder Serienstart
Rezension von Bernd Krannich – 25.09.2017, 13:38 Uhr
Zwölf Jahre nach dem Ende der jüngsten „Trek“-Serie, „Star Trek – Enterprise“, machen sich mit „Star Trek: Discovery“ nun wieder Produzenten daran, den Zuschauern die Weiten des Weltalls und die Probleme des Lebens darin vor Augen zu führen. Die erste Doppelfolge der neuen Serie schafft es dabei, in bester Science-Fiction-Manier, aktuelle Probleme anhand einer fiktiven Geschichte vorzustellen und zu „diskutieren“.
Der erste Teil dieser Kritik wird weitestgehend auf Spoiler verzichten und sich darauf konzentrieren, wie „Discovery“ im Vergleich zu anderen „Trek“-Serien und anderen Science-Fiction-Serien abschneidet. Ein zweiter Abschnitt wird einen kurzen, spoilerreichen Handlungsabriss der ersten beiden Episoden für neugierige Leser geben. „Star Trek: Discovery“ wird seit Montagmorgen bei Netflix in Deutschland veröffentlicht. Nach einer Doppelfolge geht es dort mit wöchentlichen Episoden immer montags weiter.
Es war schon vorab etabliert: Die neue „Trek“-Serie würde sich mit dem Krieg zwischen Klingonen und der Föderation beschäftigen, der zehn Jahre vor den Abenteuern von Kirk, Spock und Pille ausgebrochen war. Im Auftaktzweiteiler lernen die Zuschauer Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) kennen, und wir erfahren, warum sie wie keine andere Figur dazu geeignet ist, in dieser Periode im Mittelpunkt zu stehen. Was wir nicht erfahren ist übrigens, warum die Frau einen traditionell männlichen Vornamen hat – man kann das wohl auf einen Spleen von Serienschöpfer Bryan Fuller schieben, der das häufiger macht (Charlotte ‚Chuck‘ Charles bei „Pushing Daisies“; Georgia ‚George‘ Lass in „Dead Like Me – So gut wie tot“)
Michael entpuppt sich quasi als ein „umgekehrter Worf“: Ihre Eltern starben bei einem Angriff der Klingonen – die eigentlich seit einem Jahrhundert in selbstgewählter Isolation leben – auf eine gemeinsame irdisch-vulkanische Forschungseinrichtung. Der vulkanische Diplomat Sarek (James Frain) rettete die kleine Michael (die schätzungsweise im Grundschulalter ist) und nahm sich ihrer als Ziehvater an. „Star Trek: Discovery“ bemüht Rückblenden, um zu zeigen, welche Schwierigkeiten das junge menschliche Mädchen anfangs mit der strengen, vulkanischen Unterweisung hatte und wie sie später beim ersten Kontakt mit irdischen Menschen dann doch recht „vulkanisch“ auftrat. Bonuspunkte gibt es dafür, dass wir parallel zu Spocks Unterweisung in „Star Trek IV“ erleben, dass die vulkanische „Unterrichtungs-Maschinerie“ auch bei einem kleinen Mädchen keine Zurückhaltung kennt und ungebremst geschichtliche Fakten zum für ihre Familie verhängnisvollen Angriff abfragt.
Seit sieben Jahren ist Michael nun an Bord der U.S.S. Shenzhou unter Captain Philippa Georgiou (Michelle Yeoh), einer besonnenen Führungskraft, mit der Captain Archer sich vermutlich gut verstanden hätte. Schnell erinnert uns die „Discovery“ daran, dass man sich in einem Zeitalter des Wild-West-im-Weltraum befinden, wo auch schon mal Captain und erster Offizier zusammen eine wegen Naturphänomenen gefährliche Außenmission unternehmen, die hart an der Grenze zur altbekannten obersten Direktive steht (der Nichteinmischung in Belange von Prä-Warp-Zivilisationen).
Thematisch springen bei „Discovery“ Parallelen zum „Star Trek“-Film „Das unentdeckte Land“ ins Auge: Die grundlegende Moralvorstellung der auf friedliche Koexistenz bedachten Föderation und die religiös geprägte, auf Konflikt und Kampf basierte Lebensphilosophie der Klingonen prallen aufeinander – nur eben, dass hier die Klingonen keinen Kompromiss machen müssen. Gemischt wird dieses Menü mit dem bereits in „Star Trek – Enterprise“ dargelegten „arroganten Pragmatismus“ der Vulkanier.
Für eine moderne TV-Serie ist es sicher unmöglich, ein Raumschiff und eine zukünftige Zivilisation so darzustellen, dass sie wie die alte Enterprise von Kirk und Co. aussieht. Entsprechend haben die Macher es hier auch gar nicht versucht, sondern halten sich stilistisch an eine „Weiterentwicklung von ‚Star Trek: Enterprise‘“. Das kostet zwar einiges vom Charme, ist aber doch unumgänglich. Gewürzt wird die Shenzhou-Crew mit ein paar ansehnlichen Aliens, von denen der Wissenschaftsoffizier Saru (Doug Jones) zunächst der prominenteste ist. Auch technisch wurde nachgebessert: Zwar hält man an alten Kommunikator- und Phaser-Designs fest, doch die Schiffstechnik ist deutlich „besser“, Hüllenschäden etwa könne nun mit Kraftfeldern entgegengewirkt werden. Und die Raumschiff-zu-Raumschiff-Kommunikation wird nun über Hologramme abgehandelt, statt auf Bildschirmen.
Insgesamt kann man die Modernisierung und auch die Weltraum-Optik von „Trek“ als durchaus gelungen würdigen. Angenehm eingeflochten werden daneben die philosophischen Anachronismen: Die ursprüngliche „Star Trek“-Serie war ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft, wo eine gemischte Crew mit einem Grundoptimismus das Weltall bereiste und Probleme löste. Während die Abenteuer der alten Enterprise in der Regel einen glücklichen Ausgang hatten, müssen die Shenzhou und ihre Crew sich mit einer dunkleren Ausgangslage herumschlagen: Mit Klingonen kann man nun einmal nicht verhandeln – was eine Analogie zu heutzutage herrschenden extremistischen Strömungen liefert. Daneben gehört Wissenschaftsoffizier Saru einer intelligenten Spezies an, deren früherer Lebenszweck es einmal war, Nahrung für eine andere Spezies vom gleichen Planeten zu sein. Das ist ein Grundthema, das sicher noch für zahlreiche interessante Einsichten sorgen kann.
Daneben macht es sich „Star Trek: Discovery“ an mehreren Stellen erzählerisch einfach, indem Dinge passieren, die nun einmal aus dramaturgischen Gründen passieren müssen – etwa wenn per „Rundruf an alle Schiffe in der Gegend“ gerufene Unterstützung genau zeitgleich am Zielort ankommt, als ob die Schiffe zuvor schon als Flotte unterwegs gewesen wären. Auch begeht „Discovery“ den alten Fehler, dass die kampfgeschulten Klingonen im Nahkampf zu leicht zu besiegen sind.
Insgesamt liefert „Star Trek: Discovery“ ein rundes Gesamtkonzept. Die Serie bricht mit zahlreichen erzählerischen Konventionen aus dem „Trek“-Universum bis 2005. Das ist im Jahr 2017 durchaus angebracht, mag aber alte „Trek“-Fans vor den Kopf stoßen, da die Serie sich von der hoffnungsvollen Grundbotschaft verabschiedet hat. Auch anders herum existiert das Problem, wenn „Discovery“ seine Figuren mit einem gefährlichen Grundoptimismus aus alten „Trek“-Zeiten agieren lässt, wo der moderne Mensch eine vorsichtigere Herangehensweise erwarten würde. In Sachen Modernisierung der Optik kann man den Verantwortlichen ein Lob aussprechen, auch finden sich ausreichend Easter-Eggs. Den Einsatz von Klingonisch könnten die Macher in den kommenden Folgen gerne etwas zurückfahren und es bleibt zu hoffen, dass die bewusst gewählte neue Erzählperspektive das hält, was sie nach den ersten beiden Folgen verspricht. Bisher wandelt „Star Trek: Discovery“ jedenfalls besser auf dem schmalen Pfad zwischen Originaltreue und Modernisierung, als es das aktuelle Film-Franchise tut.